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Sächsische Elbzeitung Nr. 137 Bad Schandau, Montag, den 15. Lunt 1S31 75. Jahrgang Erscheint täglich nachmittags 5 Uhr mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Bezugspreis <tn NM.) halbmonatlich ins Haus gebracht 1 NM., siir Selbst abholer 9V Pfg. Einzelnummer 10 bzw. 15 Psg. — Bei Produktions- Verteuerungen. Erhöhungen der Löhne und Matcrialtenpreise behalten wir uns daS Recht der Nachsordcrung vor. Sächsische Schweiz Tageszeitung siir die Landgemeinden Altendorf, Kleingießhübel, KlcinhcunerS- dors, Krippe», Lichtcnhain, Mittclndorf, Ostran, Porschdorf, Postclwih, Prossen, Nathmannsdorf, Reinhardtsdorf, Schmilka, Schöna, Waltersdorf, Wendischsäbre, sowie siir das Gesamtgebiet der Sächsischen Schweiz. Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung Alma Hieke, Inh. Walter Hieke. Verantwortlich: Walter Hieke. Anzeigenpreis (in NM.): Die 7gcspaUcne 35 mm breite Pctitzetlc 20 Psg., siir auswärtige Auftraggeber 25 Psg., 85 mm breite Rcklamezeilc 80 Pfg. Tabel larischer Satz nach besonderem Taris. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für in- und ausländische Zeitungen. Parteientscheidungen Dienstag Kanzler und Relchsregierung halten weiterhin Neichstagseinberufung und Abänderung der Notverordnung für unzweckmäßig Tageblatt für die Enthält die amtlichen Bekanntmachungen siir den Siadtrat, daS Amtsgericht, VaS Hanpizvllamt Bad Schandau und das Finanzamt Sebnitz. — Bankkonto: Stadlbank Bad Schandau Nr. 12. — Postscheckkonto: Dresden 33 327. Fernspr.: Bad Schandau Nr. 22. — Drahtanschrift: Elbzeitung Bad Schandau. liereu hat, wenn Deutschland nicht nach den Ausschubmögrich^ keilen des Aoungplans verfährt. - Wenn die Negierung Brünins; diese wahrnehmen wollte,' wäre ihr Schritt in Chegucrs unnötig gewesen. Da sie anders vorgcgangcn ist, kann sic nur aus der gerechtfertigten Uebcrzcu- gnng gehandelt haben, das; es für die Wahrnehmung der 2) o u n g P l a n m ö g l i ch ke i tc n zu spät ist, weil die Not Deutschlands einen Grad erreicht hat, der umfassenderes Handeln erzwingt. Hier liegen natürlich noch Möglichkeiten der Kompromisse. Deutschland ist cs jedoch sich selbst und der Wahrheit schuldig, das; cs mit vcrmchrtcr Entschlossenheit, viel kräftiger, wuchtiger und deutlicher, als das iu Ehcquers natür lich möglich war, zum Ausdruck bringt: Es geht nicht mehr weiter! Tribute und Gcwaltverträge m üssen Weichen. Auf den ersten Streich wird dieser schlinggewächs- und sumpf umstarrte Baum gewiß nicht fallen. Er m u ß aber angegriffen werden. Möge die Regierung der Welt doch endlich amtlich ins Gesicht rnfcn, daß Amerika, England n wo F r a n k r e i ch u n d d i e s c l ä ch c r l i ch c B IZ cs gewesen sind, die den Aoungplan unmöglich gemacht haben und Deutschlands törichten, aber ehrlichen Versuch unbarmherzig, mutwillig zum Schciteru brachten. Wir sind nicht dazu da, noch länger für das Wohlergehen irgendwelcher Negierungen nnd Präsidenten zu sorgen, sondern wir wollen leben. Dann aber müssen wir eine Gemeinschaft der Körper und des Geistes bilden in der unerschütterlichen Forderung: Niemals wicd»H Erfüllungsvolitik. keine weiteren Tribute! Für eilige Leser. " I» Anwesenheit Hindenburgs sand am Sonntag in Marienburg die 7 0 0-I a h r s e i c r des deut- scheu Orden Standes statt. Am Souuabcuduachmittag wurde der Ncichsbank- diskont von 5 v. H. auf 7 v. H. erhöht. Der Lombard satz wurde von 6 v. H. aus 8 v. H. erhöht. In Uebcrlingcn fand am Sonnabend und Sonn tag der Parteitag der Deutschen Staatspartci statt. Reichssinanzministcr Dietrich wurde das Vertrauen ausgesprochen. * In Gleiwitz fand am Sonnabcndnachmittag der zweite Bundestag des österreichisch-deutschen Volksbundes statt. * Am Sonnabendnachmittag übergab der bisherige fran zösische Präsident Doumergue dem ucugcwählten Präsi denten Doumer die Amtsgcschäfte. " Die Zeitung „Der Stahlhelm" ist vom Berliner Polizeipräsidenten auf 2 Wochen verboten worden. Das Verbot wird von der Polizei damit begründet, daß in einer Karikatur der Reichskanzler und der Neichsfinanzminister be schimpft und verächtlich gemacht worden seien. * Im Osten Berlins wurden am Sonntagmorgen Na tionalsozialisten von Kommunisten überfallen. Drei Nationalsozialisten wurden durch Schüsse schwer verletzt. Acht Kommuuisteu — darunter der Haupttäler — wurden verhaftet. * In Hildesheim sand gestern eine Zentrums- tagung statt, an der auch der Reichskanzler teilnahm. Giändiae Wochenbeilaaen: "Unterhaltung und Wissen", „Das Llnierhaltungsblatt", „Das Leben im Bild" ' „Oie Frau und ihre Welt", Illustrierte (Sonntagsbeilage: Nichterscheinen einzelner Nummern infolge höherer Gewalt, Streik, Aussperrung, Betriebsstörung berechtigt nicht zur Bezugspreiskürzung oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung. tages und der Notverordnung Kampf anzulagen, aufs schärfste verurteilt. Zu diesen Behauptungen des „Berliner Börsen-Courier" wird von der Pressestelle der Wirtschafts partei erklärt, daß eine solche Zusammenkunft nicht statt- gcfuudcn habe, und daß die Haltung der Neichstagsfraktion die einmütige Billigung der gesamten Parteiorganisation o-- funden habe. Der Vorstand des Reichslandbundes faßte in einer Sitzung in Heidelberg einstimmig eins Entschließung gegen die Notverordnung, von der gesagt wird, daß sie für die Landwirtschaft eine schwere Enttäuschung be deute. Die Entschließung schließt mit der Erklärung, der Reichslandbund habe nicht das Vertrauen, daß das gegen wärtige Reichskabinekt das deutsche Volk auf den weg der Rettung nnd Befreiung führen werde. Die Führung d-s deutschen Volkes müsse ungesäumt in die Hande anderer Männer gelegt werden. LMerlamvI «m die Notoerordnm»g Der Württembergische Landtag hat Anträge der Kommunisten und Nationalsozialisten auf Zurückziehung der neuer. Notverordnung des Neichspräsi- denten abgelehnt. In der Bremischen Bürgerschaft kam es zu außerordentlich erregten und stürmischen Aus kinandersetzungen über sozialdemokratische, kommunistische und nationalsozialistische Dringlichkeitsanträge gegen dic Notverordnung der Reichsregierung. Nach fast achtstündig rer Sitzung erfolgte die Abstimmung, in der der national- vzialistische Antrag, der den Senat ersucht, für die gänz liche Aufhebung der Notverordnung cinzutreten, mit den >5 Stimmen der Nationalsozialisten, Deutschnationalen, Hausbesitzern und Kommunisten gegen S1 Stimmen ange nommen wurde. Kür Lssrms ber MparaiisnSfmge. Dr. Brüning auf der Zentrumsiagung. Die Zentrumsfraktion des Reichstages und der Vorstand oer Deutschen Zentrumspartei hielten in Hildesheim eine Beratung über die politische Lage ab, zu der auch Reichs kanzler Brüning und Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald erschienen waren und Berichte erstatteten. Die einmütig« Auffassung der Reichstagsfraktion und -es Reichsparteivor- stanoes wurde in folgender Entschließung festgelegt: Die ernste Loge Deutschlands und die adigemeine Krise, die seine Zukunft bedroht, zwingen die Zentrumspnrtei, all« Kräfte einzusetzen und höchste Verantwortung zu tragen. Das deutsche Volk darf in dieser Schicksalsstunde nicht zer brechen. Harte Maßnahinen sind notwendig, um diese« Ziel zu erreichen. Gegen Einzelheiten der letzten Notver ordnung bestehen auch in der Zentrumspartei stärkste Be denken. Um aber die Nation zu erhalten, um eine ge ordnete Staats- und Wirtschaftsführung zu ermöglichen, uw laud mit sciucu Zahlungen fortsällt »ud England nebst Frankreich sich dadurch zur Senkung ihrer Amcrilazahb veranlasst fühlen. Wenn alle diese Staaten sich gegenseitig ins dem Rüstungstvps schadlos hallen, kann uns das nur -^cht sein. Im übrigen braucht uus die Stclluuguahme pöovcrö nicht zu entmutigen. Er hat nicht gesagt, daß Amerika sich in der Tribut- und Schuldensragc aus nichts Anlassen werde, sondern daß ihre Aüfrolluug ihm unerwünscht sei. Das ist ein Unterschied. ' Da wir nicht geglaubt haben, der Welt mit unserer Nolcrtlärung eine Freude ;u mache«, brauchen wir des wegen ebensowenig überrascht nnd enttäuscht zu sei«, wie von oer'Stellungnahme Briands. Der srauzop^be AWeumurstn« sagte in der ganzen Angelegenheit nicht mehry-und nicht weniger, als billigcrwcise erwartet werden komE». (Lr forderte die Anwendung der T r i b u t a u fs ch u b s Mög lichkeiten des Haager Plans. Eine vollkonwien sclstvcrstäudlichc Haltung; denn der ansschiebbare Teil'" des Haager Planes beträgt für das Reparationsjahr 1K"P2 insgesamt 1000,7 Millionen Goldmark, von denen Frank reich 338,4 Millionen zu bekommen hätte, England 307 und Italien 148,8 Millionen. Der unaufschiebbare Teil erfordert 012 Millionen. Und davon bekommst Frankreich 600 Millionen Mark, während England und Italic» sich mit 65 und 42 Millionen Mark begnügen müssen. Frankreich ist also der Staal, der das meiste ru ver^ Berlin, 14. Juni. Die Lage bleibt weiterhin ungeklärt. Innerhalb der einzelnen Parteien wird eifrig gearbeitet, teils um eine Krise zu vermeiden, teils um sie zu culschärscn. Iu der Frage Fsur oder wider Reichstagseinberufung" lassen sich alle Parteien mit Ausnahme der Interventionsparteien die letzte Entscheidung nach wie vor offen. Bon der Deutschen Bottspartei wurde darauf hingewiesen, daß eine Erklärung des Kanzlers, er lehne eine Umbildung mit aller Entschiedenheit ab, vor seiner Reise nach Neudeck nicht getan worden sei, und daß nur in der Reichskanzlei eine in dieser Richtung liegende Erklärung abgegeben wurde. Man hält cs in diesen Kreisen offenbar nicht für ausgeschlossen, daß der Kanzler eine Ka li nettsumbildung zwar nicht für sofort aber für die nähere Zukunft beabsichtigt. lieber die Mirtschastspartei werden vom „Berliner Börsen-Courier" Mitteilungen ver breitet, als ob von den Vertrauensleuten auf dem Lande der Beschluß der Vorstands- und Führertagung über die Einberufung des Reichstages ohne Fühlungnahme mit den Vertretern der Landesorganisationen gefaßt worden sei. Eine größere Anzahl von Vertrauensleuten aus Berlin und dem Lande habe den Beschluß auf Einberufung des Reichs- Oas Ausland und die Tribute. Die Anschauungen HooverS, Briands und MacDonalds. — Deutschland muß sehr viel deutlicher werden. — Heraus mit der Sabotagcanklage! — Nur jetzt kein Nervenzusammenbruch! Von Paul Oskar Seidl. Die Stclluuguahme des Auslands zu den deutschen Wünschen gegen die Wcitcrleistung der Tribute darf aus leinen Fall bei uns irgendwelche Nervenzuständc auslöscu. Ehequcrs zu allererst konnte gar nicht enttäuschen, wenn wir einen Augenblick überlegen, wie cs dazu gekommen ist. Ur sprünglich wollten sich MacDouald und Henderson mit unseren Staatsmäuneru über die Abrüstungssrage nutcr- haltcn. Noch in Gens brachte Henderson überaus deutlich zum Ausdruck, das; England seine Bemühungen für einen befriedigenden Verlauf der Abrüstungskonferenz durch die Reparaliousfrage nicht gestört zu sehen wünsche. Nnn aber wurde grade diese Frage iu Chequerö so gut wie ausschließlich behandelt. Ein Erfolg der deutschen Initiative, von der man höchstens sagen kann, daß sic zu lange hinausgczögcrt worden ist. Mehr als ein „freundschaftliches — wie man sich diplo matisch anddrückt — Anhören" unserer Forderungen gegen Vic als unmöglich erwicscne Regelung der Tribntfrage durch Vcu Haager Plan konnte nicht erwartet werden. Sachlich ist das noch ein Nichts. Aber wenn inan in einem Urwald nn Haus bauen will, muß man zunächst einmal den Urwald codcn nnd einen Platz schassen. Damit wurde iu Chequers begonnen. Und das ist nicht wenig, das ist der glückliche Beginn für das Ganze, wenn wir nnn die Nodungsarbeit nicht einstellen, sondern entschlossen weiter fortsctzeu. Briand und Hoover haben dazwischen gerufen. Was Wunder, wenn nicht einmal MacDonald unsere Arbeit er mutigte, sondern nach innen und außen krampfhaft den Schein zu wahrcu sucht, daß ihm doch gar keine andere Mög lichkeit bleibe, einen Gast, den er znm Frühstück geladen hat, Vas ihm erwünschteste Gesprächsthema anschnciden zu lassen. Ucbcr Redensarten auch der englischen Presse, das; Deutsch land dem Auslande „Opfer" zumutcn wolle, die beliebte Ans drucksweise auch in Frankreich und Amerika dürfen wir mit sarkastischen inneren Anmerkungen hinwcgsehcn. Es ist aller dings schrecklich, ganz abscheulich, das; wir vou den ehemaligen Kricgsbrüdern erwarten, ihre eigenen Schulden uutcreinauocr riuszuhandcln, weil wir mit beispielloser Aufrichtigkeit, Ehr lichkeit und phantastischer Opfcrbcrcitschaft für eine Atem pause nach dem Blut- und Gutopser des Krieges gegen die gesamte zivilisierte und nichtzivilisierte Welt bisher dafür mlsgekommen nnd gänzlich ain Ende unserer Kräfte angelangt sino. Mögen sich Frankreich, England nnd Amerika einmal gründlich darüber unterhalten, wie cs zu diesen Kriegs schulden gekommen ist, dann wird sich für sic auch ein Weg ergeben, ohne Deutschland damit fertig zu werden. Graf Bernstorfs berichtete als Botschafter zu Washington »ach den Akten des parlamentarisch««! Uutersuchuugsaus- schusfes über die Ursachen des Zusammenbruchs zn der Frage des Außenministers v. Iagow über die Ursachen der Passivi- lät Wilsons am 13. Juli 1910: „Die Passivität Wil sons, der nnr den einen Gedanken hat, wiedcrgcwählt >u werden, erklärt sich in erster Linie dadurch, das; vou feiten der öffentlichen Meinung keinerlei Druck auf ihn ausgeübt wird, gegen England vorzugchen. Es fehlen hier bekanntlich alle Vorbedingungen für eine solche Aktion. Diejenigen amerikanischen Kreise, welche durch die englische Blockade finanzielle Verluste erleiden, kommen nicht in Betracht gegen über dein ungeheuren Goldstrom, den unsere Feinde, ohne im einzelnen zu kuan fern oder .grakt' übel zu nehmen, über dieses Land ergossen haben!" „Orakt" ist eine Raffgier, die sich in niederträchtig sten Wucherpreiscn ausdrückt. Im Verlauf der Schulden- lluseinandcrsetzuttgen mit Amerika hat es wenigstens eine» Staat gegeben, der den USA zuricf, daß man gefälligst nicht von Opfern und Hilfe sprechen soll, wenn man den sieben fachen Weltmarktpreis für Gewehre nnd bis zum Zwanzig sachen der Wcltmarkt-Munitionsprcise in Ansatz bringt, daß solche Wnchcrvreise unerträglich seien, und das; inan nicht daran denke, sic in Form von Kriegsschulden ein Jahrhundert mit sich herum zu schleppe». Der Staat, der diese Sprache führt, heisst Estland. Sic ist gelegentlich schon aus Frank reich, wo man harmlose amerikanische Enroparelsendc ver- tobackte und auch England aufgcklungen, wo Churchill oder ein anderer hoher englischer Staatsmann — heute Wills keiner gewesen sein! — sich schon einmal zu dein kennzeich nenden und richtigen Ausdruck von der Shhlock-Rolle Amerikas veranlaßt sah. Ebenso wie man früher aus Nützlichkeits- gründen die Passivität Wilsons gegenüber dem Völkerrecht gepflegt hat, kann man aus gleichen Motiven heute Herrn Hoover aus seiner Passivität zum Handeln Hervorlöcken, wenn man will. Und das hängt von Deutschland ab. Gercchterweise wollen wir keinen Deut dagegen eitt- tvenden, daß Hoover die Kriegsschulden an Frankreich, Eng land usw. nur gegen eine wirkliche Abrüstung Nachlassen will. Irgendwoher muß auch Amerika das Geld für die Ver- zmsung seiner „FreiheitZ"-Anleihen nehmen, wenn Deutsch.-