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Sächsische Schwell Tageszeitung Mr die Landgemeinden A.tendors, Kleingießhilbel, Klein hennersdorf, Krippen, Lichtenhain, Mittelndorf, Ostrau, Porschdorf, Postel- witz, Prossen, Nathmannsdorf, Neinhardtsdorf, Schmilka, Schöna, Walters dorf Wendischsähre, sowie für das Gesamtgebiet der Sächsischen Schweiz Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hieke, Inh. Walter Hieke Verantwortlich: Walter Hieke. Anzeigenpreis (in RM.): Die 7gespaltene 35 mm breite Petitzeile 20 Pfg., für auswärtige Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Neklamezeile 80 Pfg. Tabel larischer Satz nach besonderem Tarif. Bei Wiederholungen wird entsprechen der Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für in- und ausländische Zeitungen Ständige Wockenbeilagen: »Unterhaltung uns „Ogg Leben im Bild" —— . „Die Frau und lkre Welt", Illustrierte Sonntagsbeilage: . Nichterscheinen einzelner Nummern infolge höherer Gewalt, Streik, Aussperrung, Betriebsstörung berechtigt nicht zur Bezugspreiskiirzung oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung Nr. 260 Bsü Sämndau, Donnerstag, den 6. November 1930 74. ^akrgang holens Wes Arre DßMalue. (Zu den Sejinwahlen am 16. November.- Von Vr. Paul Ostwald. Seit dem Himmclsahrtstagc 1926 steht Polen unter dem massgebenden Einfluß des Marschalls Pilsudski, wobei cs völlig gleichgültig blieb, ob Pilsudski an der Spitze eines Kabinetts stand oder ihm nur als KricgSministcr angehörtc. Denn immer waren es nur Männer seines Vertrauens, welche die Kabinette führten und in ihnen sahen. Daß der letzte Sinn seines Staatsstreiches in der Absicht des Mar schalls zu suchen ist, Polen mit einer Ncgicruugsmcthvde im Stile Mussolinis zu beglücken, darüber hat er sich offen genug und ost genug ausgesprochen. Nur daß er cs nicht Wagte, diese seine letzten Ziele sofort und mit aller Gewalt durch- zudrucken, sondern dass cs ihm im Hinblick auf die besvn- dercu inuerpolitischeu Schwierigkeiten Polens rötlich er schien, durch ein allmähliches Zurückdrängeu des parlamen tarischen Einflusses seine Diktatur auf verfassungsrechtlichem Wege fester zu begründen. Er hoffte, hier ein ziemlich leich tes Spiel zu haben, und glaubte, daß seine Persönlichkeit und sein Name allein schon genügen würden, die Gegner des Umsturzes zum Schweigen zu bringen. Das aber sollte seine erste große Enttäuschung sein. Sejm und Senat setzten sich energisch zur Wehr und verteidigten gegen die Dtktalurpläne Pilsudskis ihre verfassungsmäßigen Rechte. Der Marschall hoffte dann, durch die Bildung eines Ne- giernngsblockes zum Ziele zu kommen, aber auch hier unter- lag er der Opposition, da bei den Wahlen der Reaierungs- blvck noch nicht einmal die Hälfte der für eine Mehrheit notwendigen Stimmen erhielt. Der Kampf zwischen der Negierung und dem Parlament ging also weiter und wurde zu einem dem Lande Wohl kaum förderlichen Katz- und Mausspicl zwischen der Opposition und dem selbstherrlichen Marschall. Pilsudski versuchte es dann mit einer Einschüchterungspoli tik, indem er bei Eröffnung des Sejm Ende Oktober des vori gen Jahres Offiziere in das Sejmgcbäude entsandte, aber auch das half nichts. Vielmehr mußte Pilsudski sich hier sogar zu einem Rückzug bekeuncn und I)r. Bartels mit der Ncubiloung des Kabinetts beauftragen, also eine Persön lichkeit, die zwar die Ereignisse des Himmelsahrtstages 1926 gutacheiszen hatte, die aber inbczug auf die Diktalurabsichten Pilsudskis immer mehr vou Vielem abgerückt war. Allzu lange ließ der Marschall Or. Bartels allerdings nicht am Ruder, sondern ersetzte ihn bereits im Frühjahr dieses Jahres durch deu Obersteil Slawek, der die Aufgabe hatte, die vou Pisiudski beabsichtigte Verfassungsänderung mit Gewalt durchzudrücken. Auch dieses sogenannte Obersten- kabinett versagte im Kampfe mit der Oppositivu um die Rechte des Parlaments, das nach den Absichten des Mar schalls nicht einmal mehr in deu Fragen des Staatshaus haltes entscheidend mitzusprechen hätte. Gerade mit den Budgetdebatten soll gründlich aufgeräumt werden, die nach Pilsudskis eigenen Worten doch nur Gesprächen zwischen einem Menschen und einer Gans oder einem Ferkel glichen und die Abgeordneten nur dazu verleiteten, sich als Vor gesetzte der Negierung zu fühlen, obwohl sie doch nichts von Politik verstunden. Da die bisher eingeschlagcueu Wege nicht zu dem er wünschten Ziele geführt haben, hat Pilsudski jetzt zu einem entscheidenden Schlage ausgcholt und darum auch im August dieses Jahres wieder persönlich die Leitung des Kabinetts übernommen. Er ließ durch den Staatspräsidenten das Parla ment auflösen und Neuwahlen zu Sejm und Senat für No vember ausschrcibeu. Zweck dieser Neuwahlen ist natür lich der, den Regierungsblock so zu stärken, daß er die Mehr heit erhält und der Marschall mit dieser Mehrheit dann alle seine Wünsche auf Verfassungsänderung durchdrücken kann. Um aber nicht einen gleichen Mißerfolg für den Ncgicrungs- block wie bei den letzten Wahlen zu erleben, hat sich Pilsudski dazu entschlossen, der Opposition gegenüber eine rücksichtslos ausgeübte Einschüchterungspolitik zu betreiben. Namhafte Führer der Opposition, darunter selbst Korfanty, wurden ge fangen gesetzt, die Oppositionspresse wie überhaupt die gesamte Wahlpropaganda unter strengste Zensur gestellt, und Pilsudski selbst nimmt jede Gelegenheit wahr, um durch Reden und in der Presse das moralische Ansehen des Parlaments in der Oeffeirtlichkeit zu untergraben, wofür ihm die unanständigsten Ausdrücke geraoe gut genug sind. Auch die Minderheiten, die bisher in dem Kampf zwischen Negierung und Parlament eine gewisse neutrale Stellung einnahmen, werden Verfolg! und in ihrer Wahlpropagandä gehindert. Unter einem ganz be sonders rücksichtslosen Vorgehen der polnischen Behörden haben gegenwärtig die Ukrainer und die Deutschen »u leiden. Den Ukrainern gegenüber kann sich die Polnische Negierung aller dings darauf berufen, daß es in Ostgalizien zu erheblichen Ruhestörungen durch die ukrainischen Irredentisten gekom men ist, wobei es allerdings immer noch zweifelhaft bleibt, ob die Strafmaßnahmen der Warschauer Negierung wirklich in diesem Umfang berechtigt sind. Wenn aber Tausenden von Deut schen in Pommercllen und Oberschlesien unter unbegründeten Einwänden das Wahlrecht bestritten wird, wenn man auch deutsche Abgeordnete »ach Brest-Litowsk ins Gefängnis bringt oder Strafverfahren gegen sic anhängig macht, so fehlt zu einem solchen Vorgehen selbst der geringste Vorwand, denn ge rade die deutsche Minderheit in Polen hat sich immer loyal zum polnischen Staate eingestellt. Die Frage, ob es dem Marschall durch die unter dem schärfsten Druck der Regierung in Szene gesetzten Neuwahlen gelingen wird, sich im Parlament eine verfassungsmäßige Mehrheit zu verschaffen, um mit ihr dein Parlament Macht und Rechte zu entwinde«, muß natürlich heute noch offen blei ben. Es ist zweifellos der letzte Versuch Pilsudskis, über das Parlament die Diktatur verfassungsrechtlich zu begründen. Sollte auch dieser Versuch fehlschlagen, dann bleibt eben dem Marschall, der sicher nicht die Absicht hat, vor der Opposition zu kapitulieren, nur noch der Weg der Gewalt; er wird die Verfassungsänderung durch deu Staatspräsidenten oktroyieren müssen. Ob sich das die Opposition, deren Anhang im Volke in den letzten Monaten zweifellos gewachsen ist, gefallen lassen wird, muß abgewartct werden. Denn besondere Erfolge kann das jetzt länger als vier Jahre dauernde Pilfudskische System kaum aufwecsen. Es hat die wirtschaftliche Lage des Landes nicht verbessert, sondern durch die dauernden Budgetüber- schreitungen und die hohen Ausgaben für militärische Zwecke sind die Steuerlasten erheblich gewachsen, und der ausländische .Ikrcdit Polens ist gegen früher ganz erheblich gesunken. Es spricht sich das am besten darin aus, daß cs selbst dem polni schen Finanzberatcr Dewey trotz aller seiner Bemühungen und aller seiner optimistischen Berichte über Polen nicht ge lungen ist, in Amerika Anleihen für Polen flüssig zu machen. Fraglos steht das Land so vor überaus ernsten inncrpolitischcn Entscheidungen, die auch wir Deutsche allen Anlaß haben mit größter Aufmerksamkeit zu verfolgen. Denn vou dem Aus fall der polnischen Wahlen und seinen weiteren Folgen wird auch das deutsch-polnische Verhältnis wesentlich bestimmt wer den. Das Liquidationsabkommen und der Handelsvertrag haben noch immer nicht die Genehmigung durch den Sejm und den Senat erhalten. Ihre Annahme oder Ablehnung durch die im November neugewähltcn parlamentarischen Körper schaften wird damit zu einem Wertmesser, ob mit einer Aera eines einigermaßen nachbarlichen Verhältnisses zwischen Deutschland und Polen oder mit einer solchen des weiteren Kampfes zwischen den beiden Nachbarstaaten zu rechncu ist. Und erst recht muß uns dann die Frage nach dem Schicksal der beiden Abkommen beschäftigen, wenn der Marschall die ihm nicht passenden Parlamentarischen Körperschaften einsc»H nach Hause schickt, um die Diktatur auszurichten. „Kulturstaat" Polen Stoßtrupps der Regierungspartei Hausen wie die Randalen. Warschau, 6. November. Stoßtrupps dec Regierungspartei haben sich schwere Ausschreitungen zuschulden kommen lassen. Wit Knüppeln, Revolvern und Tränengasgranaten ausgerüstete Burschen versuchten mehrmals, den Bürgerklub zu stürmen, wo gerade eine Wahlversammlung der Nationaldemokraten abgehalten wurde. Nationaidemokratische Studenten verteidigten die Eingänge. Während des Handgemenges fielen von seilen der Angreifer mehrere Schüsse. Zahlreiche Personen wuroen verletzt, darunter sieben schwer. Der Stoßtrupp marschierte dann unter verschiedenen Hoch- und Niederrufen unangefochten durch die Stadt bis vor die Redaktion der nationaloemokratischen Gazeta War- szawska, wo man sich auf Einschlagen der Fen st er» scheiben beschränkte, da das Haustor geschlossen war. Dann marschierten die Burschen vor das Gebäude der rechts stehenden Zeitung ABC., die übrigens von den Behörden verboten worden ist. Sie drangen in die Räume der Ver waltung ein und schlugen dort alles kurz und klein. Darauf zogen sie weiter in das Parteilokal der Nationaldemokralen. Die Burschen hausten dort wie die Vandalen. Sie zerbrachen die Wöbet, zertrümmerten die Wanduhren und zerfetzten die Bilder. Nebenbei schlugen sie hier alle Fensterscheiben ein und schleuderten das gesamte für die Wahlen vorbereitete Propaaandamalerial wie Ausrufe. Burteilillen usw. auk die Straße. Dann zerstreuten sich die Terroristen, ohne weiter gestört zu werden. Die nationaidemokratische Gazeta Warszawska betont, daß sich die Polizei passiv verhalten habe, ja, als der Stoßtrupp in das Parteilokal eindrang, sollen sich sogar die Polizisten ruhig mit einem Manne unterhalten haben, der dem Blatt als Leiter der „Aktion" bezeichnet worden ist. — Auch der rechtsstehende Kurjer Warszawski spricht von einer abscheulichen Ausdehnung des Wahlterrors in der Haupt stadt. was den im Lande herrschenden Zuständen ein uner hört trauriges Zeugnis ausstelle. Es sei doch undenkbar, daß die Sicherheitsbehörden der Terroristen nicht Herr wer den könnten. Es müsse verhindert werden, daß das Land einer schrecklichen Anarchie verfalle. Die Wassenverhaftungen unter Anhängern der Oppo sitionsparteien und der Minderheiten dauern an. Ueberdies sind auch wieder niehrere regierungsfeindliche Politiker we gen sogenannter „staatsfeindlicher Tätigkeit" verurteilt wor den. In Lodz sind z. B. zwei Redakteure zu je einem Jahre Festung verurteilt worden, weil sie seinerzeit ihren Blättern einen Bericht über den Krakauer Kongreß der Linksoppo sition eingesandt haben. In Drohobycz in Ostgalizien ist das ukrainische Gymna sium von den polnischen Behörden wegen „staatsfeindlicher Tätigkeit" der Schüler geschlossen worden. Nur die Schüler der unter drei Klassen können vom dortigen polnischen Gym nasium übernommen werden, hingegen müssen die älteren Schüler ein Gesuch einreichen, um in Gymnasien anderer Städte aufaenommen zu werden. Benesch antwortet Dr. Curtius Prag, 6. November. Im Außenausschuß des Senats führte Außenminister Dr. Benesch auf eine Anfrage zu der Kundgebung des Rcichs- außenministers Dr. Curtius u. a. aus: Dr. Curtius habe die Prager Demonstrationen in einer Weise berührt, die er, Dr. Benesch, aufrichtig bedaure. Vor allem scheine es, daß diese Erklärung auf Grund offenbar unrichtiger und ungenügender Informationen über das Wesen, den Umfang und die Wir kungen der Demonstrationen in Prag sowie auf Grund un richtiger Informationen über das Verhältnis der tschechischen Oeffentlichkeit zu diesen Demonstrationen gemacht worden sei. Aus der Rede von Dr. Curtius sei ersichtlich, daß die De monstrationen und ihre Tragweite in Deutschland weit über das wirkliche Maß übertrieben worden seien, und daß nach der Ueberzeugung aller tschechoslowakischen verantwortlichen Faktoren und der ganzen tschechoslowakischen Oesfenllichkeil die in der Rede angeführten Tatsachen die Wirklichkeit nich. richtig erfaßten. Bei der gegenseitigen Konkurrenz der Filmproduzenten und Kinobesitzer sei es begreiflich, daß in einigen Zentren die Zahl der Tonfilme eines bestimmten Ursprungs ein Ue- veraewicbt erlanat habe, das bedenklich erscheine. Diese in der Oeffentlichkeit verbreitete Protcststiminung sei bei den Prager Demonstrationen und Ausschreitungen, die bekannt- uch nur von einer kleinen politischen Gruppe extremen Cho- rakters arangiert worden seien, mißbraucht worden. Er bedaure, daß er die Interpretionen in der Rede des Reichsaußenministers ab lehnen müsse, die das Beginne« einer excremen Gruppe mtl oer licyecyoiiowargcyen apenm- chen Meinung und dem Volke identifiziere, und die gegen die deutschen Filme nur ein Vorwand zur Verfolgung anderer Ziele innenpolitischen Charakters gewesen sei, das Verhält nis der tschechischen öffentlichen Meinung, der tschechischen Presse und des tschechischen Volkes zur deutschen Kultur und deutschen Kunst messen wolle. An den kulturellen und künst lerischen Beziehungen sei tschechischerseits nichts geändert morden. In den Prager tschechischen Kinotheatern seien die deutschen Sprechfilme zeitweise eingestellt worden, keines wegs auf amtliche Veranlassung, sondern durch ein Abkom men der Kinobesitzer, um unverantwortlichen extremen Ele menten sofort den Vorwand zur Verletzung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu nehmen. Dr. Benesch bedauerte weiter, daß der Reichsaußenmini ster in unrichtiger Beurteilung der Prager Ereignisse ver mutet habe, daß es politisch notwendig sei, die Reaktion zu billigen, die gegen sie mit Necht geltend gemacht worden sei und die mit einem Boykott tschechoslowakischer Waren in Deutschland reagiert, eventuell mit dem Abbruch der Bezie hungen und der Absage von Veranstaltungen, die vereinbart worden seien. Er denke, es sei richtig, daß besonders in der heutigen bewegten Zeit die entscheidenden Faktoren konse quent überall durch ihr Einschreiten und Ihre Kundgebungen die erregten Gemüter der Oeffentlichkeit beruhigen und Ge danken auf Boykottrepressalien oder ähnliche Maßnahmen nblenken sollen. Einfache diplomatische Handlungen wurden geraten, um ohne Schwierigkeiten und rasch die ganze Ange- leaenbeit zu erledigen. Was das Einschlagen einiger Fen-