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Sächsische Elbzeitung Sächsische Schweiz Nichterscheinen einzelner Nummern infolge höherer Gewalt, Streik, Aussperrung, Betriebsstörung berechtigt nicht zur Bezugspreiskürzung oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung Bad Sckandau, Donnerstag, üen 11. September 1930 74. ^akrgang Nr. 213 „Das Leben im Bild" Tageszeitung für die Landgemeinden Altendorf, Kleingießhübel, Klein- Hennersdorf, Krippen, Lichtenhain, Mittelndorf, Ostrau, Porschdorf, Postel- witz^ Prossen^ Rathmannsdorf, Neinhardtsdorf, Schmilka, Schöna, Walters dorf WendiMähre, sowie für das Gesamtgebiet der Sächsischen Schweiz Druck und Benag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hieke, Inh. Walter Hieke Verantwortlich: Walter Hieke. Anzeigenpreis (in NM.): Die 7gespältene 35 mm breite Petitzeile 20 Pfg., für auswärtige Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Neklamezeile 80 Pfg. Tabel larischer Satz nach besonderem Tarif. Bei Wiederholungen wird entsprechen der Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für in- und ausländische Zeitungen Tageblatt für die «EM di- MnMchk» D-IdMttm«a>dN,-n M Grlckeint täalich nachmittags 6 Uhr mit Ausnahme der Sonn-und Feiertage vezuasprei/ lin NM.) halbmonatlich ins Haus gebracht 1 NM^ für Selbst- Wer 00 P g - Einzelnummer 10 bzw. 15 Pfg - Be, Produkt,ons- »erteueE der Löhne und Mater,al,enpreise behalten w,r »erieucrun» , Nachforderung vor. »Unterhaltung und Wissen", „Das Untorhaltungsblatt" Ätanülge Loomenoeimgen. Zrau und ihre Welt", Illustrierte Sonntagsbeilage Wahltag - Zahltag. Laut genug wird seit Woche,, „getrommelt"! AuS den Spalten der Zeitungen, an den Anschlagsäulen oder den Wänden der Häuser, au erlaubte» und unerlaubtcu Stellen — überall wird dem dentschcn Staatsbürger oder der wahlberechtigten Staatsbürgerin das Wort zngernfen: „Wühlt! Wählt! Wählt!" Mau kennt das ja schon zur Genüge, denn wenn der Deutsche an allem möglichen Mange/ leidet, — an allzu seltenen Wahlen leidet er nicht! Und da hört man jetzt im Kreis der Bekannten und Freunde, am Stammtisch oder bei sonstigen Gelegenheiten, wo ernsthafte Männcrwortc getauscht werde», immer häufiger das Wort: „Ich gehe überhaupt »ich, wähle»!' „Grüudc" für diese seltsame Art politischer Enthalt samkeit glaubt mau ja zahlreiche zu habe» uud jener, der sich wegen der Perkündigung seiner politischen Abstinenz noch für ausnehmend klug hält, streut mit diesen „Grün den" freigebig nm sich. Dabei mag nnn einer dieser „Grunde" einen Augen blick ins Ange gefaßt werden, weil er einerseits diesmal sozusagen „originell" ist und zweitens von Wirksamkeit auf die Wahlbeteiligung — aber im verneinenden Sinne! — sein könnte. Außerdem, weil mau ihn etwas ernsthafter nehmen könnte als die sonstigen „Gründe" dieser Art, durch welche die — Wahlfaulhcit oder die staats politische Kurzsichtigkeit, ja Pflichlvergesseuhcit des Nicht- Wählers wirklich nicht mehr verdeckt werden können. Niemals wie gerade vor der diesmaligen Reichstaas- wahl sind die seit zehn Jahren ziemlich festen — vielleicht allzu fest gewordenen — Grenzen fast aller »ichlsoztal- demokratischen Parteien derart zerbrochen worden: Neu- gcbildc entstanden, suchten neue Grundlagen »nd Pro gramme, nene Abgrenzungen und Ziele für ihr politisches Wollen. Das erschwert dem Wähler, der ja unter dem noch bestehenden Wahlrecht bei der Slimmadgabc an die P a r t c i l i st e n gebunden ist, mehr als je die Stellung nahme am 11. September, macht besonders dem nach- denkeuden, dem politisch wirklich interessierten Wähler die Wahl znr Qnal. Und gerade diesen wieher mag trotz vielleichl vorhandener Unznfricdcnhcit mit seiner alten Partei nicht bl»ß das Mißtrauen gegen eine nene von der Wahlurne fcrnhallen, sondern anch der Nest einer inneren Gcbnndcnheit, einer Art „Treue" gegenüber jener Partei, der er bisher folgte. Dann wählt er lieber — gar nicht. Das mag menschlich, namentlich ans deutschen politischen Anschauungen über Parteiwesc» heraus, zu verstehen sein, — nur st a a t s p o l i i i s ch ist es nicht zn ciuschnldigcn. In Frankreich und in England wird eben der Mann gc- wählt, nicht die Partei, und niemand hat es dort z. B. dein jetzigen französischen Außenminister verübelt, daß er sich während seiner politischen Laufbahn von der radi kalsten Linken bis znr sehr gemäßigten Mitte durch- „gemausert" hat. Aber in Deutschland wählt man, m n ß wählen: die Partei. Dere» gibt cs ja genug iu Deutschland nnd zwei Dutzend findet der Wähler ans dem Stimmzettel, der ihm am 11. September in die Hand gedrückt wird Aber offen bar sind es immer noch nicht genug! Angesichts dieser Zersplitterung, die sich ja anch im praktischen politischen Leben answirkcn muß uud daher immer zu Kompromissen führte und führen wird nnd muß, ist auch der besonders beliebte „Grnud" für WahlcnlhaUnng, nämlich der Vor wurf des „Versagens" einer Partei, nichts als Kurzsichtig leit. Au und für sich sollte ja der Wahltag ein „Zahl- t a g" sein, an dem der Wähler seine Zustimmung oder seine Ablehnung gegenüber der in der letzten Wahlperiode getriebenen Politik nnd den Trägern dieser Politik, also den dafür verantwortlichen Parteien, znm Ausdruck bringen soll. Das ist wegen der bekannten Ereignisse nnd Entwicklungen der letzten Monate aber heute kaum möglich. Doch es kommt noch etwas anderes hinzu, was eigentlich den Wähler nnd die Wählerin gerades wegs zur Wahlurne heran z w i n g e n müßte. Parteiprogramme sind eine wunderschöne Sache. Nur Pflegen sie sich notwendigerweise in ziemlich allgemeinen Ansdrücken zn bewegen. „Doch Hari im Räume stoßen sich die Sachen!" Zur Politik des Tages, besser gesagt: der unmittelbaren Zukunft sind nun aber in einer ganzen Reihe Ü " >) " festgelegte Absichten — „Programme" — ausgestellt worden; bekanntlich gilt das ebenso für die Nc° glerung bzw. die bisher hinter ihr stehenden Parteien wie für die Opposition. Das dürfte die Qual der Wahl unstreitig erleichtern nnd mildern, die Entscheidung darüber wie man wählen soll, klären, - wobei doch vor n wirken müßte, daß diese Programme und hre Durchfnhrung auf das tiefste in das besondere wirt schaftliche Dasein nicht bloß jedes einzelnen, sondern de» ganzen Volkes eingreifen! u "Echt bloß die verfassungsmäßige Fest- stcllnug, daß das deutsche Volk das politische Selbst- bcstunmuugsrecht und damit auch die politische Selb st - Verantwortung besitzt, macht mehr denn je das Wahlrecht znr Wahlpflicht, trotz vielfacher Mängel des Wahlsystems, die aber nnn einmal da sind nnd die man im Augenblick nicht wcgwünschen kann. Ge rade dieses sclbstvcrantwortlichen Volkes ist cs einfach unwürdig, daß Millionen Deutscher dieses Rechtes, in dem eine Pflicht liegt, sich leichtherzig und kurzsichtig cutäußcru. Wer diese Pflicht versäumte, hat später zu allerletzt auch das Recht, mit der Faust ans den Tisch zu schlagen und über den Lauf der Dinge nach der Wahl zn schelten! Im alten Athen konnte der Bürger, der im Streit der Parteien nicht Stellung nahm, durch Volksabstimmung in die Verbannung geschickt werden. So hart verfuhr man danials in dieser Republik mit den Lauen, den Gleichgültigen. Uns Deutschen bleibt nur möglich, zu mahnen, da eine Wahlpflicht formell noch nicht eingeführt ist: Es geht um deine Sache, deutscher Staatsbürger, deutsche Staatsbürgerin, geht um deine Sache mehr vielleicht denn je! Und nichts kann dir den Vorwurf, nicht bloß dein höchstes Recht, sondern auch deine oberste Pflicht als Staatsbürger vernachlässigt zu haben, vor allen deinen pflichtbewußten Mitbürgern er sparen, wenn dn am 11. September nicht zur Urne gehen willst! An diesem Tage ist die Entscheidung über dein Schicksal in deine eigene Hand gelegt! H.Vollversammlung-esVölkerbundes Die Wahl des Präsidiums Ehrung Stresemanns Genf, 11. September. In der Bölkerbundsversammluiig haben die deutschen Delegierte» entsprechend der Sitzordnung in der Reihen folge des französischen Alphabets wiederum ihre Plätze in der ersten Reihe eingenommen. Unmittelbar vor der Prä sidententribüne, auf der der Generalsekretär des Bölkerbun- des mit dem stellvertretenden Generalsekretär, den drei Untergeneralsekretären sowie dem Direktor des Jnternatio- len Arbeitsamtes Platz genommen haben. In der Ver sammlung sieht man u. a. den belgischen Außenminister Hymans, den südafrikanischen Ministerpräsidenten, Ge neral Hertzog, den Premierminister von Australien, Scullin und den österreichischen Bundeskanzler Scho ber. Für England sind außer Henderson wie im Vorjahre der Präsident des Handelsamtes Graham und Lord Ro bert Cecil erschienen. Griechenland ist durch den Minister präsidenten Venizelos und Politis vertreten. Ungarn durch den ehrwürdigen Grafen Albert Apponn y i. Alle europäischen Staaten sind durch ihre Außenministcrvertreter, die schon mit Rücksicht aus die europäische Konferenz nach Genf gekommen sind. Die Eröffnung In der Eröffnungsansprache warf der vorläufige Prä sident der Völkerbundsversammlung Zumeta einen Rück blick auf die Arbeit des Völkerbundes seit der letzten Völ kerbundsversammlung. Er gedachte mit Worten der Zustimmung der Initiative Briands zur Befriedigung dec Beziehungen der europäischen Staaten und widmete den seit der letzten Tagen verstorbenen Staatsmännern »nd Mitarbeitern des Völkerbundes, vo>- allem dem deutschen Außenminister Stresemann, herzliche Worte der Anerkennung. Im letzten Jahre, so führte er aus, betrat Stresemann dieses Podium, um uns wiederum seinen Glauben an das Werk auszusprechen, dessen entscheidenste Augenblicke dieser Versammlung in historischer Stunde miterlebt hat. Als Patriot wußte er, daß das Wohl jeden Landes seit 1914 unauflöslich verbunden ist mit dem Wohl der Gesamtheit der Nationen, und mir wissen, wie sein Patriotismus gestärkt und geadelt wurde durch seine männ liche und aufrichtige Hingabe an die Sache der Völkerver ständigung. Die Erinnerung an ihn bedeutet die höchste Steigerung der Innigkeit der wünsche für die Vollendung der unausweichlichen Aufgabe, die sein Leben verkürzte und seinen Ruhm vermehrte. Der Natspräsidcnt gedachte weiter Fritjof Nansens, des unerschrockenen Vorkämpfers des Fortschrittes der Mensch heit und des Friedens und des Fürsorgers für Millionen von Kriegsopfern, ferner Lord Balfours, eines der ersten Staatsmänner, der rückhaltlos den Völkerbund mit seiner großen Autorität unterstützt Habs. * Tiiuleöm Präsident. Die Vollversammlung deö Völkerbünde« wühlte mm tn geheimer namentlicher Abstimmung mit 46 von 50 ab- gegebeucn Stimmen den rumänischen Gesandten in Lon don, Titulcscu, znm Präsidenten der diesjährigen Voll versammlung. Titulescu hielt die übliche Eröffnungsrede deö Prä sidenten, entgegen dein sonstigen Brauch, frei, ohne di« Unterlagen des Völkerbundsekretariats. Er dankte für die seinem Lande erwiesene Ehrung. Der Völkerbund habe dieses ^ahr schwere politische und wirtschaftspolitische .lufgabeu lösen. Die Weltwirtschaftskrise drohe zu ernem Rückgang der europäischen Kultur zu führen. Es sei letzt .sielt, zur Tat zu kommen. Er hoffe, daß die dies ¬ jährigen' Entschließungen der Völkerbundversammlung Taten sein würden. Nach der Wahl des Präsidenten nahm die Bundes versammlung die Konstituierung der verschiedenen Aus- Der Rumäne TilulcScu, der diesmalige Vorsitzende der Völkerbundversammlung. schüsse und die Verteilung der einzelnen Punkte der Tages ordnung auf die Kommissionen vor. Gegend Abend soll eine zweite Sitzung des Völkerbundes stattfiudcu. Der deutsche Außenminister Dr. Curtius will dauu mit Briand und Scialoja über die Regelung der Saarbahn schütz frage berichten. Briand will Donnerstag seine Rede zur Europafrage halten. * Das Präsidium der MlerbuM- Versammimg. Die Vollversammlung des Völkerbundes nahm am Mittwoch die Wahl der Vizepräsidenten vor. Gewählt wurden Dr. Curtius, Briand, Henderson, der spanische Botschafter in Paris, Quiuones de Leon, der japanische Botschafter in Loudon, Matsudeira, uud der bolivianische Vertreter Costa du Neis. Dem Präsidium gehören ferner die ebenfalls am Mittwoch gewählten Vorsitzenden der sechs VölkerbuudsauSschüsse an. Der „deutsche Tug" in Eens London, 11. September. Der Verlauf der ersten Genfer Beratimgeil gibt der Londoner „MorningposU' Veranlassung, festzustelle», daß Deutschland entschlossen sei, seinen Standpunkt in den Frage» der Minderheiten, der Berichtigung bestehender Grenzen und der Revision der Friedensverträge dnrchzu- drücken. Es herrsche in Genf die starke Uebcrzeugnng, daß der von D r. C u r t i u s. v e r t r e t e n e Standpunkt unter den Völkerbundsdelegierten Boden gewinnt und sich schließlich durchsetzen werde. Italien würde bereits jetzt als deutscher Verbündeter in der Frage der Revision der Verträge genannt. Die von Dr. Cnrtius bei der Erörterung der Frage der Union zwi schen Tanganjika und den britischen Besitzlingen Kenya lind