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Sächsische Elbzeitung Tageblatt für die Ltadl Nichterscheinen einzelner Nummern infolge höherer Gewalt, Streik, Aussperrung, Betriebsstörung usw. berechtigt nicht zur Kürzung des Bezugspreises oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung Sächsische Schweiz Tageszeitung für die Landgemeinden Altendorf, Kleingießhübel, Klcinhenners- dort, Krippen, Lichtenhain, Mittelndorf, Ostrau, Porschdorf, Postclwitz, Prossen, Nathmannsdorf, Reinhardlsdorf, Schmilka, Schöna, Wallersdorf, Wcndischfähre, sowie für das Gesamlgebiet der Sächsischen Schweiz Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hieke, Inh. Waller Hieke Verantwortlich: K. Nohrlappcr 'Anzeigenpreis (in NMZ: Die 7gcspaltcne 35 mm breite Pelilzeilc 20 Pfg., für aus wärtige Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Neklamezeile 80 Pfg. Tabellarischer Satz nach besonderem Tarif. — Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. 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Zwcignicdcr- lassung Bad Schandau — Postscheckkonto: Dresden 33 327 Nr. 133 Bad Sckandau, Freitag, den 10. )uni 1927 71. ^akrgang Für eklige Leser. * Das Neichstabinett bcschäjtigtc sich in seiner gestrigen Sitzung mit der auszenpolitischen Lage und mit der bevorstehenden Tagung des Völkerbnndsratcs in Gens. * Wie der Börsen-Courier mittcilt, ist der Zentralausjchuß der Neichobanl für heute 12 Uhr einberusen worden. Man erwartet, dass schon heute die Entscheidung für eine Diskonterhöhung fallen wird. * Einen neue» Flugrckord hat Flugzeugführer Künstle von der Süddeutschen Lufthansa am Donnerstag ausgestellt. Er startete mit einer Dornicr-Mcrlur-Majchinc mit 6 Personen um 1-1,25 Uhr in Obcrwicscnfcld und erreichte den Flughafen Tempelhof ohne Zwischenlandung um 17,08 Uhr. * An einer osfcn gelassenen Schranke bei Miknllschütz auf der Strecke Benthcn—Pciskrclscham fuhr gestern nachmittag ein Per- soncnzug in ein Gespann. Von den fünf Insassen wurden zwei sofort getötet und drei schwer verletzt. * In der Bucht von Marsa Sirocco auf der Insel Malla stürzte ein englisches Militärflugzeug bei Ucbungsflügen ins Meer. Der Pilot wurde gelotet, der Apparat versank in den Wellen. Der Friede Europas. Von I)r. Iulius Rud. Kaim-Athen. Bei der „albanischen Gefahr", die vor kurzem Europa er zittern lieh, handelte cs sich im Grunde um Fragen, die weit !liber die Grenzen der direkt beteiligten Staaten hinaus von ! großer Wichtigkeit waren und es noch heute sind. Nicht die an geblichen „Verschlungen" des einen oder anderen Teiles, nicht die hundert Kleinigkeiten, die ein Teil dem anderen vorwarf, waren und sind bis heute sür die Gefahr maßgebend — sondern vielmehr die Tatsache, daß ein scheinbar so nebensächlicher Streit überhaupt das gesamteuropäische Interesse ernstlich gefährden konnte. Ein verwickeltes Sustem von Verträgen und Abmachungen, jVersprechungen und Bindungen beherrscht heute Europa: es dürste keinen Staatsmann geben, der alle diese geschriebenen und gesprochenen Abmachungen gründlich kennt, die heute an die Stelle der alten „dnluneo ok powvr" getreten sind und die ein einziger kleiner Funke explosionsartig zur Riesengefahr werden lassen kann. In allen Ecken der alten Welt wird ossen oder versteckt er bittert gekämpft: hundert verschiedene Interessen stoßen blutig zusammen: Spanien, England, Frankreich führen seit Jahr !üno Tag in fernen Regionen blutige Kämpfe: Revolutionen und politische Revolten gehören zum Programm des Tages: Europa kommt nicht zur Ruhe. Und dieser von Gefahren bedrohte Erd- teil, der zur Kulturouclle des ganzenWestcns wurde, hat an alle- dem nicht genug, will sich immer neuen Gefahren anssetzen? Der Friede Europas, gefährdet durch bolschewistische Pro- paganda und chauvinistischen Ultranationalismus, ist in Gefahr. Schon, daß so viel vom Frieden geredet wird, daß Kongresse aller Art sich mit ihm beschästigen, zeigt, daß er nicht in sich gefestigt ist. Wie Aerzte am Bette eines Schwcrkranken stehen Ratgeber aller Art am Krankenlager des europäischen Friedens. Man sollte annchmen, daß wenigstens in der Theorie die Einig- kcit Europas anerkannt würde: ober selbst diese Annahme wird Lügen gestraft: denn hinter heftigsten Friedensbeteuerungen stehen neue Rüstungen, steht die Forderung des Einzelstaatcs nach Machtbefugnissen und Rüstungsbercchtigungcn. Deutsch land hat man zur Abrüstung gezwungen, das kleine Schweden, dessen Einwohnerzahl ständig zurückgeht, will seine Hceresstärkc vermindern: alle jene Mächte aber, die den Frieden Europas durch Deutschland bedroht sahen, treiben ein Spiel mit politi schen Verträgen und Abmachungen, durch das der Friede weit mehr gefährdet wird als je zuvor. Jedermann weiß, daß allen Kongressen, allen Versprechungen, allen Hinweisen zum Trotz und Hohn die Rüstungen fieberhaft fortgesetzt werden. Rüstun gen gegen wen? Gegen den bolschewistischen Gegner aller Euro päer, gegen einen Uebergriss des mächtig sich stärkenden Asien? Nichts von alledem: sondern ein Rüsten des einen gegen den andern, des einen amerikanischen Schuldners gegen den andern. Im Grunde ist es doch so weit gekommen, daß Amerika dank seiner Finanzmacht als direkter oder indirekter Gläubiger fast ganz Europas den Europäern jeden Krieg verbieten kann, daß es ohne allzu große Anstrengungen einen Krieg unmöglich machen kann — wenn es nicht noch neue Vorteile wittert. Das albanische Beispiel zeigt aber noch mehr: Es zeigt, daß das Nationalitätenprinzip durchaus nicht ohne weiteres den „Nationalkrieg" verhindert. Die verschiedenen Friedensverträge haben zwar das Nationalitätenprinzip sehr einseitig aufgefaßt — es genügt, auf Südtirol hinzuwcisen — selbst aber, ivo es durchgesührt scheint, aufi-dem Balkan etwa, kann es die gegen- j seitige Eifersucht nicht eindämmen. Man könnte Bände mit Be weisen füllen: doch dürfte es ausreichen, auf das ungelöste Problem „Mazedonien—Serbien" hinzuweisen, auf das „selb ständige" Albanien, auf die im Belgrader Parlament in Form ! einer Beschwerde vorgebrachte Tatsache, daß kein einziger Kroate !üls jugoslavischer Vertreter im Ausland weilt (und kein kroati scher General in der Armee ist!), auf die dauernden Reibungen zwischen den einzelnen Balkanstaaten, auf die Zuteilung dalma- ijnischer Inseln an Italien. Die Friedensverträge haben ferner jenes Netz von Bindungen aller Art bedingt, an dessen Fäden heute das Schicksal Europas hängt. - Das Ausscheiden Deutschlands aus der Reihe der militäri schen Großmächte macht sich peinlich bemerkbar: die „bnkuwv ok porvor", fehlt. Und cs ist recht bezeichnend, daß italienische Blätter es für richtig hielten, darauf hinzuweisen, wie ehrenvoll es inr Vemiaiiano sei, daß Iialicn eine Note an die Groß mächte gleichzeitig in Paris, London und Berlin überreicht habe! lind cs ist cbcnsa bezeichnend, daß in der jugoslavischen Presse Stimmen laut werden, die einen engeren politischen An schluß an Deutschland fordern. An das ohnmächtige Deutsch, sand? An die Armee von hunderttausend Mann? Doch wohl kaum: die Anwesenheit des starke» Volkes im Zentrum Europas kann, auch ohne ständiges Heer, sür manchen Staat im heutigen Europa entscheidend werden: denn jede Spaltung Europas könnte vielleicht aus friedlichem Wege zur Stärkung Deutsch- lauds und damit zur Wiederherstellung der „dcüuneo ok pozvor" führen. Es ist beschämend, cs auszusprcchcn: diese kleinen Ver beugungen vor Deutschland und seiner Volitik zciacn deutlicher als die schmachvolle Besetzung vcm>chen Gebietes, aus wie schwa chen Fußen der Friede Europas steht, zeigen, wie notwendig wieder ein europäischer Staat den andern hat, sich Freunde zu sichern im Kampfe des einen gegen den andern. Und alles dies trotz Auslösung der „deutschen Gefahr", trotz Völkerbund und Forderung nach Abrüstung: dies alles keine neu» Jahre nach dem letzten großen Blutbad und den angeblichen Fricdens- nbscklüsscn. Verstrickt in offene oder versteckte Kolonialkämpse. abgängig von der Finanzgnade Amerikas, scheint Europa aus den Augenblick zu warten, in dem politische Hitzköpfe oder blinde Fanatiker es in neue Zerstörungokämpse floßen. Denn nicht nur der Friede Europas ist bedroht, sondern Europa selbst als selbständiger Weltteil und Träger menschlicher Kultur. Rußland klagt England an Folgen des Warschauer Attentats. Polen lehnt die Verantwortung ab. Ganz Rußland befindet sich in grosser Erregung in folge der Ermordung de« russischen Gesandten Wojkow in Warschau. AuS Charkow, Leningrad, Minsk, Swerdlowsk und Kiew werden zahlreiche Protestversammlungen und Knndgeounacn gemeldet. In Moskau nahmen an den Demonstrationen mehrere 1V0VVÜ Personen teil. Beson der« groß waren die Kundgebungen vor dem Gebäude de« Aussenkommissariats. Die Worowskistrasse, in der sich die polnische Mission befindet, war durch verstärkte Miliz- anfgebote abgcspcrrt. Die angenommenen Entschliessungen heben hervor, dass die Ermordung WojkowS in engem Zu sammenhang mit der sowjetfeindlichen Politik Eng land« stehe, und weise,» darauf hin, dass die polnische Regierung die Verantwortung für den Mord trage. Sie verlangen strenge Bestrafung de« Mörder« und Aufhebung der weissgardistischen Organisationen in Polen. Das gesamte diplomatische Korps in Moskau stattete Besuche im Außenkommissariat ab und sprach der russi- schen Negierung ihr Beileid aus. Der auf Urlaub wei lende deutsche Gesandte Graf Brockd orff sandte ein Beileidstelcaramm. Der ermordete russische Gesandte Wojkow. Die Sowjeiregierung gegen England. Die Sowjetregierung hat eine Veröffentlichung er lassen, in der sie scharfe Angriffe gegen England erhebt und sagt: „Die Ermordung WojkowS ist ein Glied in einer ganzen Kette von Ereignissen, die in ihrer Gesamtheit eine immer stärkere Bedrohung de« Frieden« bedeuten. Diese Bedrohung wird immer greifbarer, ungeachtet der außer ordentlichen Bemühungen der Sowjctregierung, den Frieden zu erhalten. Bei dem frevelhaften Mord an Wojkow, der ans eine ganze Reihe direkter und indirekter Angriffe der englischen Negierung auf Sowjetinsti tutionen im Auslände und auf den Abbruch der diploma tischen Beziehungen durch Großbritannien folgte, hält cS die Sowjctrcgiernng für notwendig, eine Reihe anderer Tatsachen bekanntzugeben, welche die Arbeit der englischen Negierung und ihrer Organe auf dem russischen Boden kennzeichnen." Es Werden nun eine Menge von Einzelheiten ansge- sührt, so die Verhaftung eines Angestellten des englischen Geheimdienstes bei der Überschreitung der russischen Grenze und seine Geständnisse, daß ihm von der englischen Negierung Instruktionen znr Oraanisteruna von Atten taten usw. erteilt seien, ferner die Vereitelung von Atten taten auf verschiedene hohe Sowjetbeamtc, deren Urheber in unmittelbarer Verbindung mit dem Leiter der Kon- sulatsabteilung der englischen Mission in Moskau gcstan- den haben sollen. Daraus wird der Schluß gezogen, daß England in allen Fällen die treibende Kraft ist. Auch habe bei dem Morde WojkowS die englische ministerielle Presse den Mörder direkt gerechtfertigt. Ebenso seien Brandstiftungen in Fabriken, Werken und Militärmaga- zinen Rußlands, ebenfalls durch England angestiftet, auf- gedeckt worden. Demnach, sagt die Veröffentlichung weiter, sei es klar, daß die englische Negierung bestrebt sei, die friedliche Arbeit der Völker der Sowjetunion zu stören. Die Sowjctregierung verteidige ihre Position friedlicher Arbeit und Aufbaus. Sie halte cs für ihre heilige Pflicht, vor der ganzen Menschheit und in erster Neihe vor deu Völkern ihre« eigenen Lande« die sowjetfeindliche Politik dcö britischen Kabinett« und seiner Agenten aufzudecken. Au die werktätige Bevölkerung richte die Negierung den Aufruf, die Fabriken, Werke, Niederlagen, Stationen usw. vor ausländischen Spionen, Brandstiftern und Mör- dcrn nebst deren nponarchistischen und weißgardistischcn Verbündeten zu schützen. * Ruhige Aniwori Polens. DaS polnische Außenministerium hat die Antwort ans die russische Note, die wegen der Ermordung de« Gesandten Wojkow an Polen gerichtet worden ist, auö- gcarbeitet. Die polnische Note wird sofort durch de» polnischen Gesandten in Moskau übergeben werden. Wie die Warschauer Presse erfährt, ist die Note iu ruhigem To« gehalten. Sie weist die Vorwürfe zurück, die in der rnssischen Note enthalten sind. Insbesondere wird der Passus widerlegt, in dem die russische Note von einer Ver antwortung der polnischen Negierung für den an Woj kow verübten Anschlag spricht. Die polnische Presse weist ebenfalls die in der rus sischen Note vorgebrachtc Anschuldigung zurück. Das Blatt der Anhänger Marschall Pilsndskis tut das in sehr entschiedenem Ton und spricht von einem Versuch, aus dem Unglück politische Argumente zu schmieden. „Glos Prawdy" betont mit allein Nachdruck, daß sämtliche russischen Vorwürse auch nicht den Schatten der Bercch- tigung hätten. Dem Vorwurf, daß die polnische Negie- rung die Tätigkeit der Gegenrevolutionäre, der russi schen Terroristen nicht gehörig unterbunden habe, be gegnet „Kurjer Porannv" mit der Bemerkung, daß die iu gauz Europa und auch in Polen lebenden Emigranten ein Ergebnis der Sowjetpolitik darstelltcn. Im Zusammenhang mit der Ermordnng Wojkows wurden in Warschau sechs und in Wilna 24 russische Emigranten verhaftet. In Wilna ist man unter den russischen Emigranten einer monarchistischen Gehcim- organisation auf die Spur gekommen. In anderen Ort schaften des Wilnagebietcs wurden bisher 15 Personen verhaftet. Bei den Haussuchungen wurden große Dollar beträge und monarchistisches Propagandamatcrial, das für das Ausland bestimmt war, gefunden. Oie Leiche des ermordeten Wojkow ist im Audienzsaal der Warschauer Sowjetgcsandtschast aufgebahrk. Ununterbrochen finden Beileidsbesuche in der Gesandtschaft statt. Es erschienen u. a. der polnische Mi- niftcr des Äußern, Zaleski, und andere Rcgierunasmit- glieder, die Mitglieder des diplomatischen Korps, Ver treter der Behörden, der Industrie und Personen aus allen Kreisen der Bevölkerung Warschaus. Die Leiche wird am Freitag morgen nach dem Hanptbahnhof gebracht und v-u: dort mit einem Sonderzug nach Moskau üh-r» jgefü'"'?. Aus Moskau ist eine Delegation des Außenlonumssa- riats mit dem Mitglied des Kollegiums Aralow an der Spitze der Leiche Wojkows entgegcngercist. Der Mörder 5k owe r d a Ivar Mitglied einer monar chistischen Geheimorganisation und hat allem Anschein nach in ihrem Auftraae aebandelt. Kowerda hält sein ur-