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Allgemeiner Anzeiger. Der Allgemeine Anzeiger er scheint wöchentlich zwei Mal: Mittwoch und Sonnabend. Abonnementspreis inel. des all wöchentlich beigegebenen „Illu strierten Unterhaltungsblattes" merteljährlich ab Schalter t Mk. bei freierZuscndung durch Boten ine aus 1 Mk. 20 Pf., durch die Post 1Mt. exkl. Bestellgeld. Jeitung für die Ortschaften: Bretnig, Kauswslöe, Großeöhrsöorf, Mankenthal unö Umgegend. Expedition: Bretnig R r. 13V. Inserate, die 4gespalten Korpuszeile 10 Pf., sowie Be stellungen auf den Allgemeinen Anzeiger nehmen außer unserer Expedition in Bretnig dieHerren A. F. Schöne Nr. 61 hier und Oehme in Frankenthal entgegen. — Bei größeren Aufträgen und Wiederholungen Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate bitten wir für öie Mittwoch-Nummer bis Dienstag vormittag *-»11 Uhr, für die Sonnabend-Nummer bis Freitag vonnittag ' ,11 Uhr einzusenden. Inserate, welche in den oben vermerkten Geschäftsstellen abgegeben werden, werden an gedachten Tagen nur bis vormittags 9 Uhr angenommen. Redaktion, Vruck und Verlag von.A. Schurig, Breinig. Nr. 75. Mittwoch, den 2V. September 1893. 3. Jahrgang. Zeitliches und Sächsisches Bretnig, den 20. September 1893. Bretnig. In tiefste Trauer wurden am Sonntag die hiesigen Bewohner durch die Meldung von dem plötzlichen Ableben des Pfarrers Schulze in Hauswalde versetzt.! Der Verblichene stand im 41. Lebensjahre; leider war es ihm nrcht vergönnt, im Kreise! seiner Angehörigen kommenden Freitag in seiner Geburtsstätte seinen Geburtstag feiern M können. 11 Jahre hat er in der Parochie - Hauswalüe seines Amtes gewartet und sich während dieser Zeit bei Jedermann recht be-! liebt zu machen gewußt. Die beiden zur! Parochie gehörenden Gemeinden betrauern in Hm einen treuen Mitbewohner und Diener Gottes. — Wie der „Germania" aus Rom ge- Aueben wird, hat Se. königl. Hoheit Prinz -max von Sachsen vor etwa einem Monat einem lateinischen Briefe dem Papste sei- ! Entschluß angekündigt, in den geistlichen Stand zu treten und um den Segen Sr. Heiligkeil gebeten. Leo XIII. hat hierauf 'U einem eigenhändig unterzeichneten Ant- Hvrlschreibeu dem Prinzen seine Freude über gefaßten Entschluß ausgedrückt und ihm leine besten . Glück- und Segenswünsche ge sandt. In eineni abermaligen Briefe dankte .dann der Prinz dem heiligen Vater für lewe Huld. — Das Ergebnis der Ersatzwahlen Landesausschuß-Mitgliedern sächsischer seuerwehren ist folgendes: Herr Hermann vimon, Cölln-Elbe, Herr Branddirektor ^eser, Cölln-Elbe, Herr Professor Kellerbauer- Ehemnitz, Herr Hermann Ulrich-Leisnig, Herr -Branddirektor Weigand-Chemnitz, Herr Brand meister Ed. Bittner, Reichenbach i. V. — In der Mittagsstunde des letztver- Mgenen Mittwochs spielten drei Schultnaben H Marienberg mit ciner jedenfalls vom Manöverfelde herrührenden Platzpatrone, wo- Zi dieselbe explodierte und dem 13 Jahre alten Schulknaben Hesse die linke Hand der gestalt verletzte, daß bis jetzt der Zeigefinger abgenommen werden mußte. Hesse hat nur Mich eine arme Mutter und einen älteren Kruder, welcher ebenfalls vor zwei Jahren amtliche Finger der rechten Hand auf ähn liche Weise einbüßte. - — Der große Produktenbahnhof in Püna war am Sonntag nachmittags in der Stunde der Schauplatz eines größeren Uenbahn - Unglücks, indem durch falsche Mchenstellung ein in der Richtung von Dresden einfahrender Güterzug einem in ent- «Egengesetzter zur Abfahrt anstehenden Güter- Mge, dessen Maschine mit einigen Wagen die letzten Bewegungen ausführte, in Flanke fuhr, wodurch eine ganz heillose Ach-rung angerichtet wurde, da infolge der Wiensen Wucht des Anpralls einige Wagen .'»sagen auf einander fuhren und überhaupt I 20 Wagen, sowie die Maschinen der sl7°n Züge mehr oder minder schwer be- Mgt worden sind. Die Nachricht von dem Mück verbreitete sich alsbald mit größter Helligkeit, worauf dann von allen Seiten h Neugierigen herbeiströmten, während sei- der Staatsbahnverwaltung sofort die h Pchtigsten Vorkehrungen hinsichtlich der berg Oung der in wildem Chaos durcheinan- dep gb-den Trümmermassen getroffen wur- ' Ein Sonderzug brachte aus Dresden die erforderlichen technischen Kräfte mit einer stattlichen Arbeiterschar, deren emsiges Treiben auf dem Platze des Zusammenstoßes ein sehr lebhaftes und dabei wieder recht eigenartiges Bild zur Entfaltung brachte. Die demolier ten und teilweise zersplitterten Wagen ent hielten neben den verschiedensten Waren eine Menge Chemikalien, sowie Porzellangeschirr für den Pirnaer Jahrmarkt; außerdem ist auch noch ein Pianoforte von dem Zerstör ungsverhängnis ereilt worden, während ein zweites Instrument, das sich bei der Ladung des einen der betroffenen Züge befand, arg mitgenommen sein soll. Der entstandene Schaden ist unter solchen Umständen natür lich sehr bedeutend; mit dem Unglück verband sich wiederum ein Glück, da die bereits in Umlauf gekommenen Gerüchte von rötlichen Verletzungen des in Frage kommenden Zugs personals eine Bestätigung erfreulicher Weise nicht gefunden haben und in dieser Hinsicht nur die Quetschung des Zugführers Gott schalch aus Dresden-Altstadt zu beklagen ist. Die umfassenden Ränmungsarbeiten wurden bei dem Scheine von Pechfackeln auch die ganze Nacht hindurch fortgesetzt, so daß sich zur Stunde die Situation bereits wesentlich geändert hat und die völlige Freilegung des in das Kollissionsbereich gezogenen Geleises nicht mehr lange auf sich warten lasten wird. In Bezug auf die Verschuldung des Unfalles, welche, wie man sagt, nur dem beteiligten Weichenwärter beigemessen werden könne, fand durch die betreffenden Organe sofort hie eingehendste Aufnahme des Thatbestandes und aller dabei irgendwie in Betracht kommenden Details statt. — Einen hohen Begriff von der Ehr lichkeit der Limbacher hat ein auswärtiger Marktsicrant bekommen. Beim Einpacken hing der Mann seine schwere Geldtasche an einen Gartenzaun und vergaß, dieselbe weg zunehmen. Erst in der Heimat vermißte er das Geld. Ein reitender Bote fand am Freitag früh Tasche mit Inhalt an Ort und Stelle vor und überbrachte sie seinem ver geßlichen Herrn. Ob ein zweites Mal die Sache so gut abliefe, wäre wohl fraglich. — Der Fall der im vorigen Jahre aus Colditz verschwundenen und später in der Mulde aufgefundenen Liva Müller be schäftigt noch immer die Gerichte. Die Stock- mannschen Eheleute, die das Mädchen in der Pflege hatten, wurden von der Bewohner schaft von Colditz beschuldigt, daß sie am Tode des Mädchens nicht ganz ohne Schuld seien. Obwohl sie wiederholt Klagen gegen Beleidiger angestrengt batten, wollten sich die Gerüchte doch nicht legen, so daß das Ehepaar aus der Stadt fortgezogen ist. Eine neue Beleidigungsklage gegen einen Photo graphen in Colditz endete mit besten Verur teilung zu 5 Mark Geldstrafe. Das war dem Kläger zu wenig, und er legte Berufung ein, die jetzt vor dem Leipziger Landgerichte zur Verhandlung kam und damit endete, daß der Photograph zu 20 Mark Strafe ver donnert wurde. — Daß die Delitzscher Polizei neuer dings auf strikte Einhaltung der — sehr solide —auf 11 Uhr festgesetzten Polizeistunde dringt, ist den seßhaften Biertrinkern ebenso wenig angenehm, als den Gastwirten. Um die fatale Einrichtung unschädlich zu machen, war einer der letzteren auf eine schlaue Idee verfallen. Er schloß sein Lokal pünktlich um 11 Uhr, machte es aber um 12 Uhr 15 Min. wieder auf und erklärte, für den neuen Tag könnte die Polizeistunde keine Giltigkeit mehr haben. Die Gäste, die um diese Zeit bei ihm verkehrten, seien keine Nachtvögel, -sondern Frühgäste. Man darf gespannt sein, !ob das Schöffengericht, das sich mit der ^Sache zu befassen haben wird, diese Theorie !des nächtlichen Frühschoppens anerkennen -wird. — Mit dem in Annaberg verquartierten !is. Jäger-Bataillon waren auch 5 Kriegshunde !in die Stadt eingezogen und erregten das allgemeinste Interesse. Das genannte Jäger- Bataillon besitzt 9 Kriegshunde, welche im Kasernenhofe einen 30 w langen und 4 in breiten Zwinger, der in 9 Abteilungen mit je einer Hütte zerfällt, bewohnen. Von die- !sen 9 Hunden sind 5, und zwar der Raffe Inach 2 schottische und 3 deutsche Schäfer hunde, mit ins Manöver ausgerückt. Die ersteren zeichnen sich durch große Anhänglich keit, die letzteren durch ungleich größere Schnelligkeit und Zuverlässigkeit aus. Die Dressur dieser Hunde, welche unter der Auf sicht des Bataillons-Adjutanten ein Serge ant und ein Gefreiter, Beide von Beruf Förster, vornehmen, erfordert viel Fleiß und Geduld. Die Hunde sind zunächst für den Ordonnanzdienst abgerichtet- Sie gehen mit dem Vorposten vor und tragen auf Befehl „Meldung vor" in einer am Halsband be festigten Tasche die Meldung zu ihrem Trup penteile und kehren auf den weiteren Befehl „Meldung zurück"dahin zurück. Her Kriegs- hund„Tillp" hat jetzt eine Strecke von 3000 m hin und zurück in 7 Minuten zurückgelegt. Auf Vorposten bei Nacht leisten die Tiere infolge ihrer sicheren Witterung unersetzliche Dienste. Die Hunde sind aber auch zur Auffindung Verwundeter abgerichtet und ge übt worden. Bei Nacht werden dieselben mit dem Befehl „Such Verwundete" ausge schickt. Sobald sie nun einen Menschen in Jägeruniform auf der Erde, im Gebüsch rc. liegend finden, bellen sie so lange, bis Hilfe kommt. Wie die Hunde ihren Truppenteil kennen und stolz nichtachtend vor jedem an deren vorübergeyen, wie sie sich auf ihren Or- donnanzgängen vor dem feindlichen Feuer zu decken verstehen, wie sie die geradesten Wege herausfinden, konnte Jeder bei den Ma- növern während letzter Woche selbst beob achten. — Am Dienstag Abend hat in Zwö nitz der am 6. April 1875 in Oberwiesen thal geborene Schuhmacher Kampf seine Ge liebte Weigel mit einem Schuhmachermesscr zu erstechen versucht. Derselbe brachte ihr in der Backe und in der Brust tiefe Schnitt wunden bei, wodurch sie lebensgefährlich ver letzt worden ist. Kampf rst nach der That spurlos verschwunden. — Daß Rebhühner selbst ^zum Wild händler laufen, das ist in Löbau geschehen. MSHrere Exemplare des Heuer so zahlreichen Wildes verirrten sich auf den Neumarkt und! flüchteten sich, als man sie verfolgte, durch die Kellerfenster in die Kneschkesche Wildhrnd- lung, wo der Besuch sofort gebührend em pfangen wurde. — Eine wichtige Entscheidung für Plauen i. V. ist am Donnerstag gefallen. Der Stadtgemeinderat wählte Herrn Stadt rat Dr. Dietrich-Chemnitz als Oberbürger meister. Es waren hierzu drei Wahlgänge nötig; im ersten erhielt Stadtrat Schurig- Plauen 16 Stimmen, Dr. Dietrich 12 und Bürgermeister Dr. Ebeling-Meerane 15 St.; im zweiten Wahlgange Stadtrat Schurig- Plauen 14, Dr. Dietrich 15 und Bürger meister Dr. Ebeling 14 Stimmen. Das Los entschied für eine Stichwahl zwischen Schurig und Dr. Dietrich. Im letzten Wahlgange erhielt Dr. Dietrich 28 Stimmen, Stadtrat Schurig 15 Stimmen. Für die Stelle waren 22 Bewerbungen eingegangen, von den 17 stehen blieben. Der Wahlvorschlags- Ausschuß hatte für die Wahl in der Majo rität die Herren Dr. Dietrich und Dr. Ebe ling, in der Minorität Herrn Stadtrat Schurig vorgeschlagen. Der Gewählte zählte nicht zu den Bewerbern um die Stelle. — Eine wohlfeile Zeit war das Ende oes 15. Jahrhunderts für Leipzig. Ueber die niederen Nahrungsmittelpreise giebt uns ein aus dem Jahre 1499 stammender Marktzet tel Aufschluß. Eine Kanne Wein kostete 4 Pfennige, ein Scheffel Korn 4 Groschen, 5 Hühner 6 Pfennige, 6 Eier 1 Pfennig und ein Ochse 2 Gulden. Wenn die Zeiten doch wiederkehren möchten! — Eine tieferschütternde Scene spielte sich am Sonntag Abend in einem Leipziger Restaurant ab, in dem in der achten Stunde ein junger, etwas reduziert ausseyender Mensch einkehrte. In einer matterleuchteten Ecke, abseits von den anderen Gästen, nahm der Fremde au einem unbesetzten Tische Platz. Er bestellte sich ein Glas Bier und eine Por tion Butterbrod mit deutschem Käse. Nach dem er das Gewünschte erhalten hatte, ver schlang er es gierig und bestellte sich darauf eine zweite Portion. Sein Aeußeres, sowie sein scheuer Bück flößten dem Kellner Miß trauen ein, der sich deshalb vornahm, seinen Gast nicht aus den Augen zu lassen. Bald sollte sich diese Vorsicht auch als gerechtfertig erweisen, denn kaum hatte sich der Kellner nach der Küche begeben, um dort die Bestell ung auszuführen, als sich der Fremde an scheinend unbemerkt aus dem Lokale entfernt hatte, ohne vorher Zahlung geleistet zu Ha- Haben. Der Kellner, der dies rechtzeitig be merkt hatte, war aber gleich dem Durchbren ner hinterher, holte ihn auch bald ein und brachte ihn vor den Wirt. Doch kaum stan den sich Wirt und Durch geher gegenüber, als Letzterer Ersterem um den Hals siel und da bei ausrief: „Vater! Mein Vater!" Der junge Mensch war vor fünf Jahren seinen Eltern, die damals noch in Hamburg wohn ten, davongelaufen, um sich gegen ihren Wil len einer herumziehenden Schauspielertruppe anzuschließen. Mit seinem schauspielerischen Talent war es aber nicht weit her gewesen. Wieder zu seinen Eltern zurückzukehren, schämte er sich, lieber wollte er hunger» und entbehren; bis endlich der Zufall fügte, daß er seiner Familie zurückgegeben wurde. — Eine geradezu unmenschliche Züchtig ung ließ am Sonnabend abend ein dem Be nehmen nach angetrunkener Obsthändler in der Leipziger Promenade einem Kinde zu teil werden. Mehrere Kinder hatten den sich ziemlich auffällig benehmenden Händler geneckt und war eines derselben hierbei von ihm ge fangen worden. Nachdem er dem Kinde mehrere Faustschläge versetzt hatte, trat er es noch mit Füßen, so daß ein hinzukommender Schutzmann sich veranlaßt sah, den Wüterich sofort nach der Wache zu transportieren.