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—— Nachrichten für Naunhof Fernruf: Amt Naunhof Nr. L. Druck und Verlag: Gunz ck Eule. Naunhof bei Leipzig. Markl 8. Nummer 18 Mittwoch, den 14. Februar 1923 34. Jahrgang L ,S- gebracht. — In Essen drohten die Franzosen mit Bajonette« «nd Gewehren di« Leistunqen zu erzwingen, die fi« von den städtischen Krankenhäusern vergeblich forderte». Reichspräsident Ebert in Karlsruhe. Beratungen mit der badischen Regierung politische Rundschau. Deutsch«- Reich. Der Reichspräsident und die Reichsminister Oeser und Dr. Albert sind in Begleitung von Ministerialdirektor Meitzner und des badischen Gesandten in Berlin, Dr. Lieser, in Karlsruhe eingetroffen und am Bahnhof vom Staatspräsidenten Rcmmele, dem Oberbürgermeister der* Stadt Karlsruhe und Vertretern der Behörden empfangen worden. Es sand eine eingehende Aussprache des Reich! Präsidenten und der Reichsminister mit dem badischen Staatspräsidenten und Ministerium über die politische und Umgegend (Albrechtshain, Ammelshain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Erdmaunshain, Fuchshain, Groß- und Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Ltndhardt, Pomßeu, Staudtuitz, Threna usw.) Dieses Blakt enthält die amtlichen Bekanntmachungen des Sladkrates zu Naunhof. RegleruWprDdentSMO ausgewiesen § Im Auto über die Grenz «gebracht. Der neue Regierungspräsident von Wiesbaden, Hänisch, weilte in den letzten Tagen im besetzten Gebiet um als Kommissar der preußischen Regierung Informa tionen über die wirtschaftliche und politische Lage einzu ziehen. Er wurde durch französische Beamte zu dem fran zösischen Oberdclegierten genötigt, der ihn ehrenwörtlich verpflichten wollte, noch vor Mitternacht das besetzte Gv- biet zu verlassen. Hanisch lehnte daS Ansinnen ab un erklärte, nur der Gewalt zu weichen. Daraufhin wurde er einer gründlichen Untersuchung unterzogen, gegen di« er unter Berufung auf seine Immunität als preußischer Landtagsabgeordneter entschieden protestierte. Dann wurde er im französischen Militärautomobil über die Grenze deS besetzte» Gebiets gebracht. Amtliches. Stadtgemeinderatsfitzung Donnerstag, den 15. Februar 1923, abends 7 Uhr. Tagesordnung befindet sich im Rathaus am Brett. Lage statt. Anschließend daran hatten der Reichspräsident und die Reichsminister Besprechungen mit Vertretern aus dem be setzten Gebiet, den Vertretern der Presse und anderen Per sönlichkeiten. Die Karlsruher Studentenschaft veranstaltete «lnz-iq-npr.iset DieSgespolt.Petllzeile40.-Mk., aurwärt«50-Ml» Amkltch.Teil - Wk. 70.-. ReklamezelleMk 70.—.Beilaaegeb.NummerMk. 1000.—.Schwierig.Satz r SO"/, Aufschlag. Annahme der Anzeigen bis 10 Uhr vormitt. de? Grschelnungrtages,! größere noch früher. — Alle Anzeigen-Vermitttungen nehmen Aufträge entgegen. — r Bestellungen werden von den Austrägern oder in der Geschäftsstelle angenommen, r raschungsreifen des Reichskanzlers und des Reichs finanzministers hätten „Unruhen hervorgerufen". Wer trotz dem heimlich einreise, der würde, sobald man ihn erwische, „nach Deutschland" zurückgebracht werden. So schreibt ein halbamtlicher Kommentar zum Beschluß der Pariser Diktatoren. „Nach Deutschland" — bei der mangel haften Geographiekenntnis der Franzosen rechnet man das Ruhrgebiet Wohl nicht mehr zu Deutschland! Nietzsche sagt einmal, daß nicht der Zorn, sondern die Verachtung tötet, und der Franzose selbst hat ja das Wort geschaffen, daß es vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt sei. Sie taten diesen Schritt nicht erst jetzt, und aufregen werden Wir uns wirklich nicht über die Blitzeschleuderer in Paris. Jener italienische Journalist hat auch noch etwas ande res geschrieben: „Es ist nicht klug sichJllusionen zu machen. Ein Arbeiter, den ich lächelnd gefragt hatte, ob er Rheinländer sei, antwortete mir böse: „Ich bin ein Preuß e."" Und setzt hinzu: „Die Lage ist höchst kritisch. Eine Explosion in Form eines Volksaufftandes könnte zur Folge haben, daß das ganze Land in eine Aufstands- bewegung hineingezogen würde, die ohne Beispiel wäre.- Das ist das Resultat der ersten vier Wochen des Ein brüche« für den Reichspräsidenten eine Kundgebung, an der sich sämtliche Vereine der Stadt beteiligten. Die Reise des Reichspräsidenten wird in Baden von der Öffentlichkeit mit der größten Genugtuung ausgenommen und als ein Beweis dafür aufgefaßt, daß dem Versuch der Franzosen, eine neue Mainlinie zu ziehen und den Zusammenhang de» deutschen Südens mit dem deutschen Norden zu lockern, sofort mit aller Schärfe cntgegcugctreten wird. Der Be such des Reichspräsidenten wird wahrscheinlich über di« anfangs vsrauSgesehene Zeit hinaus ausgedehnt werden. Oie ersten vier Wochen. „Nach unseren leidenschaftslosen Beobachtungen han deln die Eisenbahner und Bergleute im vollsten Einver nehmen, ohne ihre moralischen Kräfte durch gegenseitig« Vorwürfe zu schwächen. Alle Ausländer sind der Ansicht, daß vor irgend einem Verrat einer der beiden mächtigen Berufsschichten die furchtbare Einheit der gemein samen Leiden alles überragen und die Bevölkerung «her «in« schrecklich« und blutige Revolte zum Ausbruch kommen lassen würde." Es ist einer der italienischen Journalisten, die sich auf dem „Kriegsschauplatz" an der Ruhr aushaften und der diese Beobachtung als Ergebnis der vierwöchigen französischen Arbeit niederlegt. Auf de« Halden wachsen die Kahlenberg« — aber Frankreich hat vergeblich versucht, sie fortzubringen. Trotz der Sperr« nach dem unbe setzten Deutschland. Nun versuchen sie eine neue „Sank tion": ab 12. Februar dürfen auch die Stahl- und Eisenprodukte deS Ruhrgebiet«- nicht mehr nachOsten und Süden und Norden ab- tranSportiert werden; bald soll wohl zur Er gänzung die Einfuhr fremden, also schwedischen und kanadischen Eisenerzes in das Ruhrgebiet gesperrt werden. Beide Maßnahmen sind sehr zweischneidiger Art. Aus den Eisenhütten Lothringens und Luxemburgs häuft sich das Eisenerz, da man — dank der Sabotage der dickköpfigen „Boches" — keinen Koks zur Verhüttung der Erze hat. Und die deutsche Eisenindustrie bezieht trotzig keine Tonne mehr von dort, sondern alles — soweit nicht eigene Produktion in Betracht kommt oder Schrott ver arbeitet wird — aus Schweden und Kanada. ES wäre von Frankreich sehr unfreundlich gehandelt, w«nn es diesen beiden Ländern die Ausfuhr ihrer Erze in das Ruhrgebiet verbieten wollte, nur um den französischen Grubenbesitzern zu helfen. Sehr zweifelhaft in ihrer Wir kung aber ist die Ausfuhrsperre metallurgischer Produkte gegen DeutMand. Leider ist der Produktionspreis der deutschen Eisen- und Stahlerzeugniffe so hoch, daß unsere Ausfuhr in diesen Artikeln ständig zurückging. Dabet spiefte namentlich der Kohlenpreis eine sehr erheb liche Rolle in der Verarbeitung, so daß vielfach — bei dem »ständigen Kohlenmangel — zu importierter englischer Kohle gegriffen wurde; die fällt jetzt fort. Die deutschen Jndustriewerke des Ruhrgebietes haben Kohle, deutsche Kohle genug; aber die französische Stahlindustrie hat nicht mehr billige deutsche Reparationskohle, die ihr eine so überaus erfolgreiche Konkurrenz auf dem Welt markt ermöglichte. Englische Kohle muß sie kaufen, teure englische Kohle, oder sich mit der einheimischen be gnügen. Und nun wird sich die deutsche Stahlindustrie, wenn ihr der Weg nach Osten versperrt ist, auf den Westen stürzen. Wieder in Konkurrenz treten können mit — Belgien und Frankreich und sie durch billige Angebote — um Ab satz zu haben — niederzwingen. Wenn aber der Transport weiter zur Unmöglichkeit gemacht wird, dann mag das eintreten, was der Italiener voraussieht, die Revolte. Aber wenn der Absatz durch die Unmöglichkeit des Abtransports verhindert wird, dann wird auch den lothringischen Eisenbergwerkbesttzern der Ab- sa^ Deutschland gesperrt. Und die Entscheidung deS Kampfes liegt darin, wer länger diese Absatzsperre aus- hält. Wer die Nerven behält. Nicht nur laut ge sprochen, sondern bewußt gefühlt denkt jetzt Wohl schon fast jeder Deutsche an das Wort Cunos, daß die schlimm sten Folgen der Besetzung nicht so schlimm sein können wie daS Nachgeben. Und mit grimmiger Freude können wir überall feststellen, daß die französischen Nerven schon zu Vibrieren beginnen. Da» Auftreten der Franzosen in Wanne und Recklinghausen, in Bochum und Essen, von Mainz bis Aachen entspricht nicht bloß dem Eharatter diese» Volke», ist nicht bloßer Reftpettschen- und KolbrnsadiSmu», sondern ist das Strampeln und Arbeiten eine» Manne», d«r aus Sumpfboden geraten ist. G» ist unfreiwillig komisch, wenn Poincars der Welt verWndet, daß Lei» d « u 1 scher ReichSminister oder der Minister irgend eine» deutschen Lande» „ermächtigt* w«rden soll, das Ruhrgebiet zu betteten. Denn di« über- Oas Einreiseverbot wirkungslos. Zu der französisch belgischen Note, die deutschen Mi- nistern den Aufenthalt im besetzten Gebiet untersagen will, wird in Berlin an amtlicher Stelle erklärt, daß dem Ver bot selbstverständlich deutscherseits keinerlei Bedeutung bei gemessen wird. Die französische Regierung kann den deut schen und preußischen Ministern nicht verbieten, Handlun gen auf deutschem Gebiete vorzunehmen. Man wird sich um derartige Weisungen und Verbote überhaupt nicht kümmern. —- . , , . blutiger Zusammenstoß in Gelsenkirchen. Sin Feuergefechi. Die Stimmung im Ruhrgebiet steigt imm«r be drohlicher auf Siedetemperatur an. Immer mehr Haufen sich die Reibereien zwischen Bevölkerung und Polizei einerseits und den französischen Truppen anderer seits. Der schlimmste Zusammenstoß hat sich in G el s e n - kirchen zugsrragen. Ein anscheinend renuiriertes deutsches Personenauto! fuhr mit zwei französischen Gendarmen dem Stadtinnern zu. Ein Schupobeamter hielt den Wagen an, weil dieser keine Schlußlaterne hatte. Daraus sprangen die Franzosen aus dem Wagen, entwaffneten den Schupo beamten und versuchten, ihn in den Wagen zu ziehen. Da er sich sträubte, erhielt er von den Franzosen zwei Pistolenschüsse in den Hals. Eine in diesem Augenblick dazukammende Schupostreife wurde eben falls von den Franzosen angegriffen, worauf auch die deutschen Beamten Feuer gaben, so daß ein regelrechtes Gefecht entstand. Außer dem ersten Schupobeamten wurden auch die beiden Franzosen schwer verwundet. Der eine erhielt einen Ellen bogenschuß, der andere einen Bauchschuß. Chronik der Gewalttaten. — In Herne wurde der verschärfte Belagerungszw st»nd erhängt und drei Polizisten wegen Grußverweig«- rwm festgenommen. — Zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurde in Recklinghausen der vor einigen Tagen verhaftete Redak teur Fischer der Recklinghäuser Allgemeinen Zeitung. — In Trier haben sich die Franzosen als Geldschrank knacker betätigt. Sie öffneten in der Eisenbahndireklion Mir Brechwerkzeugen den Geldschrank und „registrierten" fünf Millionen Mark. — In einem Eilzuae, d«r von Essen nach Hamburg gehen sollte, haben die Franzosen dreißig Eifeukisten mtt ausländischen Werten beschlagnahmt, die nach Amerika ab- geven sollten. Eine andere Beschlagnahm« habe eine Summe von SOKO Millionen in den Besitz der Alliierten M Kleine Zeitung für eilige Leser. * Reich-Präsident Eben hat in Begattung mehrerer Minister einen Besuch in Karlsruhe zweck- Beratungen mtt der badischen Regierung abgestaltet. * Die Franzosen hadert anyekvndigt, daß sie nunmehr auch die AuSkÄr von Eitensadnkascv au» dam Ruhrgebiet nach dem mwesetzten Deutschland vollständig sperren werden. * RegierungSbEdemen HänHch wurde von den Franzosen in einem Mtktarauro über die Grenze des besetzten Gebieles geb rocht. * Die Botschatteckv-ckren, bat die Zuteilung de» deutschen Dorfe« Hoatth an dir Tschechoslowakei twtz drS deutschen Pro- «esteS dest-ngt. ! Dl« Entwicklung der Reichswehr. Im Hauptausschuß des Reichstage» gab der RelchS- wehrmintster Dr. Seßler einen überblick über die äußer« und innere Entwicklung der Reichswehr im vergangene» - Jahre. Er wies auf die großen Schwierigkeiten hin, di« die Interalliiert« Militärkommisston dem Aufbau der Reichswehr entgegenstelle, indem sie sogar Genehmigungen, die sie vor Jahr und Tag erteilt hat, plötzlich wieder zu- rückzieht. Sehr erfreulich sei trotz alledem die militärisch« Ausbildung fortgeschritten. Das klein« Heer, so wie es heute dastehe, sei militärisch durchaus leistungsfähig. Geist und Leitung seien nach dem Urteil der Sachkenner gut. Die nächsten Jahre werden dazu dienen, diese Ausbildung zu vertiefen. Kardinal Schulte über den «bwehrgeist. Ein italienischer Journalist hatte in Köln vor einigen Lagen eine Überredung mit dem Kardinal Schult«. Der Kardinal erklärte: DaS deutfche Volk wird Widerstand leisten, fein Opfermut und sein Heroismus sind wirklich bewundernswert. Wir wollen keine Zwischenfälle Hervorrufen, aber wir wollen uns auch ungerechter Unteri drückung nicht deugen. Bei meinem jüngsten Besuch in Essen habe ich feststellen können, daß der G e ist deS Widerstandes unter den Arbeitern täglich stärker wird. Er stellt di« Gesinnung d«S ganzen deutsche« Volle» dar. Das deutsch« Volk hat keine Kriegsgedanken, aber e» ist bereit, in seinem passive« Widerstand auszn- Harran Lin bedauerlicher Zwischenfall. In Insterburg ist ein auf der Reise nach Berlin bw ariffener Kurier der russischen Sowjet,egi«nmg in Ver kennung seiner Nationalität durch das Publikum miß handelt worden. Die deutsche Regierung hat ihrem lebhaften Bedauern über diesen Zwischenfall Ausdruck gegeben und eine Untersuchung des Vorfalls einga- leitet. Im Zusammenhang damit kann nur wiederholt mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß ein korrekte» Verhalten allen Ausländern gegenüber ohne Unterschieb der Rationalität Pflicht jedes Deutschen ist. Dreitzigfache Friedensmiele al» WohnungSbauabgab«. Im WohnungSausfchuß des Reichstages ist die Ent» scheidung über die Höhe der WohnungSbauabgab« nun mehr endgültig dahin gefallen, daß diese Abgabe auf daS Dreitzigfache der Friedensmiete festgesetzt wird. Davon soll nach einem wetteren Beschluß deS Ausschusses ein Bei trag von 40 Mark auf den Kopf der Bevölkerung in den Ausgleichsfonds abgeführt w«rden. Italien. X Mussolini über die Ruhrsrage. In der römische« Kammer erklärte Ministerpräsident Mussolini, Italien habe es verhindert und werde auch weiterhin verhindern, daß die Ereigniss« im Ruhrgebiet katastrophale Rückwirkungen in den Donauländern ausübten. Eine Vermittlung sei unmöglich gewesen, da man nicht ohne Aufsord«- rung oder Zustimmung dazu vermittle. Bisher hab« Frankreich Italien nicht darum ersucht, seiner Solidarität mit ihm stärkeren Ausdruck zu verleihen. ES sei klar, daß Jtalien sich in einem solchen Fall« vorb«hatten würde, den ganzen Komplex der Beziehungen zwischen de« betd«« Ländern wieder zur Diskussion zu stelle«. Aus In» und Ausland. - Erscheint wöchentlich 3 m«lr Dienstag, Donnerstag. Sonnabend, nachm. 4 Uhr - r für den folgenden Tag. Bezugspreis t Monatlich Mk. 800 — ohne Auslragen, Post : : etnschl. der Postgeb. monatl. sreidl. Mk. 900.— Im Falle höherer Gewalt, Krieg,: - Streik oder sonstiger Störungen des Betriebes, hat der Bezieher keinen Anspruch : : auf Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung Les Bezugspreises. r