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Nachrichten für Naunhof Amtlicher Anzeiger Illustr. Sonntagsbeilage Sächs. Landeszeitung Fernsprecher Nr.» für die Gemeinden Albrechtshain, Althen, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Engelsdorf, Erdmmmshain, Fuchshain, Groß- und Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Lindhardt, Pomßen, Seifertshain, Sommerfeld, Staudtnitz, Threna re. Erscheint wöchentlichdreimal: Dienrlag, Donnerstag und Sonnabend, abends 6 Uhr Bezugspreis vierteljährl. 2 Mk. 10Pfg., monatl.;70 Pfg., durch die Post bezogen inki. der Postgebühren 2MK. 20Pfg. Anzeigenpreis: die sechsgespaltene Petitzetle 26 Pfg., auswärts 25 Pfg. Amtlicher Teil 40 Psg. Reklamezeile 50 Pfg. Beilagegebühr pro Tausend 10 Mk. Annahme der Anzeigen bis 10 Uhr vorm. —————— Im Falle höherer Gewalt, Krieg, Sireik, Aussperrung, Maschinenbruch, Belriebsstvrung tm Beiried der Druckerei oder unserer Lleseranleu hat der Bezieher deinen Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung de» Bezugspreise». - — - Nr. 29^ Freitag, den 7. März 1919.30. Jahrgang. Amtliches. Die Stadtgemeinde beabsichtig! unter Umständen das hie sige Spritzenhaus zur Volksküche umzubauen. Die nötigen Maurer-, Zimmer-, Glaser-, Maler- und Dacharbeiten sollen, falls der Bau zustande kommt, an hiesige Gewerken vergeben werden. Kostenanschläge können im Rathaus, Meldeamtszim mer entnommen werden. Sie sind bis zum 15. d. M. ausge füllt abzugeben. Die Auswahl unter den Anbietern und die Ablehnung aller Gebote bleiben vorbehalten. Naunhof, am 6. März 1919, Der Stadtgemeinderat. Willer. In sämtlichen Materialwarengeschästen werden Freitag, den 7. d. M. Leberstrelchpaste, die Büchse für 3 Mk. 45 Pfg. und Dorschrogen in Gelee, die Büchse für 1 Mk. 10 Pfg. aus die Marke l3 der Gemeindelebensmittelkarte verkauft. Abge geben wird aus jede Karte 1 Büchse nach Wahl und Vorrat. Naunhof, am 6. März 1919. Der Bürgermeister. Der Arbeiterrat. Willer. Thiemann. Sitzungsbericht. In der gestrigen 1. diesjährigen Schulvorslandssttzung ist folgendes beraten und beschlossen worden: 1. Von der Mitteilung des Stadtgemeinderates über die Wohl der Schuloorstandsmitglieder nahm man Kenntnis. 2. Als Vorsitzender des Schulvorstandes wurde der Bür germeister, als sein Stellvertreter Kerr Schuldirektor Schäfer gewählt. 3. Von dem Angebot des Kerrn Architekt Jonas zur Pla nung von Bauten nahm man Kenntnis. 4. Das besuch der freien Turnerschaft um Benutzung der Turnhalle wurde unter den üblichen Bedingungen genehmigt. 5. Nach dem Bescheid des Keimatdankes ist die tteber- nahme des Schulgeldes für Kriegerwaisen aus den Keimatdank nicht angängig. 6. Ein Gesuch um Befreiung eines Fortbildungsschülers vom Besuche der hiesigen Fortbildungsschule wurde genehmigt. 7. Von der Zuweisung des Kerrn Göhre als Lehrerstell. Vertreter und des Kerrn Kilfslehrer Paul nahm man Kenntnis. Die Gehaltsbezüge wurden festgelegt. Auch davon, daß sich die Tätigkeit der Kilfskräfte Fräulein Schäfer und Richter am 31. März 1917 erledigt, wurde Kenntnis genommen. 8. Von einerVerordnung des Kultusministeriums über die Besetzung von Lehrerstellen wurde Kenntnis genommen. 9. Die Aufnahme eines Schülers aus Ltndhardt wurde unter den üblichen Bedingungen genehmigt. 10. Von den Ermittelungen über die Viehhaltung feiten des Schulhausmannes nahm man Kenntnis. 11. Von der durch den Stadlgemeinderal und den Arbei- lerrat bewilligten Teuerungszulage an den Schulhausmann, nahm man genehmigend Kenntnis. 12, Von einer Mitteilung über die erfolgten Zulagen an die Lehrerschaft nahm man Kenntnis. 13. Für die Kilfskraft Fräulein Bertha Schäfer wurden für früher geleistete Tätigkeit 150 M. nachbewilligt. 14. Der mit 45 000 M. Fehlbetrag abschließende Kaus- haltplan auf 1919 wurde genehmigt. 15. 8 79 Absatz 1 der Schulordnung soll bis zum neuen Schulgesetz so lauten, daß der Schulvorstand aus 9 vom Stadt- gemeinderal zu wählenden Stadtgemeinderatsmitgliedern, dens Schuldirektor, einem von der Lehrerschaft zu wählenden Lehrer und einem vom Schulvorstand zu wählenden bürgerlichen Mit glied besteht. Naunhof, am 5. März 1919. Der Schulvorstand. ! Willer. Appell. Es geht um das Gewissen des deutschen Volkes. Wollen wir noch Halt machen auf einem Wege, der uns unfehlbar, binnen kürzester Zeit, in unabsehbares Ver derben stürzen mutz? Oder wollen wir blindlings vorwärts stürmen, ohne Sinn und Verstand, nur aus Angst, daß wir die Führung in der sogenannten »Weltreoolution* verlieren, daß wir wieder zurückfinken könnten in Zeiten, die für immer dahin sind? Noch ist es glicht zu spät zur Einkehr, und von allen Seiten häufen sich die Weckrufe und Beschwörungen. Aber jedermann hat wohl das ganz bestimmte Gefühl: wir stehen unmittelbar vor dem Ab- grund. Ein Stoß nur noch, und es ist um unS ge schehen . . . 1. Als gewichtigste Mahnerin tritt die Reichsregierung auf. Nicht zum erstenmal wendet sie sich gerade an die Arbeiter. Sie bietet ihnen auch neue Zusicherungen, neue Bürgschaften für die Befestigung der wirtschaftlichen Er rungenschaften, die sie der Novemberrevolution verdanken. Aber diese Revolution ist kein Freibrief auf Raub, Mord und Gewalttätigkeiten aller Art, fährt sie fort, über allem steht das Leben deS Volkes. Sollen auch noch die Schrecknisse Les Bürgerkrieges mit seinen mörderischen Bruderkämpfen, mit all seinem Haß und seiner Zerrüttung unser Vaterland zerstören? Mit eindringlichen Worten wendet sie sich gegen den Terrorismus, der die aus dem freiesten Wahlrecht der Welt hervorgegangene National versammlung beseitigen will, schildert sie die Notlage unseres Wirtschaftslebens, aus der nur Arbeit und immer wieder Arbeit uns retten kann. Genießt die Regierung einer wahr haft demokratischen Republik so wenig Vertrauen im Lande, daß man sie reden lassen wird, ohne sich um das, was sie sagt, im geringsten zu kümmern? 11. Aber da ist in Weimar der bekannte bayerische Zentrumsführer und Bauernfreund Dr. Heim. Also kein norddeutscher Agrarier. Und was hat er dem deutschen Volke zu sagen? Noch jetzt liegt Getreide ungedroschen in den Scheunen, und die Mühlen stehen still, weil — keine' Kohle da ist. Die Leute streiken, weil man ihnen Ver sprechungen von Sozialisierungen macht. Für 9 bis 10 Wochen haben wir noch Lebensmittel, dann werden die Hungernden von den Straßen in die Häuser gehen, und danach kommt das zweite Stadium: die Plünderungen auf dem Lande. Es wäre die höchste Zeit, allen inneren Streit zurückzustellen, und nur auf die Not des Augen blicks zu sehen. Die Situation ist so tragisch ernst, daß man nicht verstehen kann, wie die Massen sich irreführen lassen und Vergnügungen nachjagen können. Wäre es nicht möglich, eine Formel zu finden, um ohne Unter schied der Partei vor dem ganzen Volke vorstellig zu werden? Die Hoffnung auf das Ausland ist ebenso trüge- risch, wie es die Hoffnung auf den ukrainischen Weizen war. Der Verteilungsplan im Innern lockert sich mehr und mehr. Die Räteorganisationen geben vielfach selbst den Anlaß zu Störungen in dieser Hinsicht. Es wird der schreckliche Augenblick kommen, wo wir vor dem Nichts stehen. Ist denn das deutsche Volk wirklich so krank, daß es stumpf geworden ist gegen das Furchtbarste, gegen den Massenhunger? Verlieren wir unS nicht in Debatten, während das Volk vor dem Abgrunde steht! Können, dürfen auch solche Worte ungehört verhallen, Worte, deren Deutlichkeit doch gar nicht mehr zu über bieten ist? lll. Doch auch das ist noch nicht alles. Im Westen schweigen zwar die Waffen. Aber im Osten stehen wir vor einer grob angelegten Offensive des russischen Bolsche wismus, die nur den Eintritt des Frühjahrs abwartet, um gegen uns loszubrechen. Von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer bereitet sich ein einheitlicher Angriffsplan vor, an dessen Gelingen die Herren Lenin und Trotzki alle Kräfte zu setzen entschlossen sind, über die sie verfügen. Ihm wird eine intensive Agitation voraufgeschickt, die nach zuverlässigen Berichten aus unserem Großen Haupt- guartier zu Kolberg in Ostpreußen bereits zu aben teuerlicher Höhe gediehen ist. Dieser schweren Gefahr können wir nur mit Freiwilligenoerbänden begegnen, deren Aufstellung uns durch Kurzsichtigkeit von manchen Soldatenräten erschwert wird. Wenn aber die russische Welle in unser Land hereinbricht, dann Gnade Gott unserem armen Volke! Schon jenseits der Grenzen kennzeichnen Mord und Verwüstung die Spuren dieser Weltbefreier; wie werden sie erst »an die Arbeit" gehen, wenn sie ihre eigentliche Heimat im Rücken haben. Wenn noch eine Spur von Vaterlandsliebe in uns lebt, dann vergessen wir keinen Augenblick, was wir unseren Brüdern im Osten — un- damit uns selbst schuldig sind. Dann können wir ihnen keinen Schutz gewähren vor der drohenden Über flutung durch den Bolschewismus, dann ist es auch um unS geschehen, dann bricht unsere materielle Ordnung und Versorgung völlig zusammen und mit ihr die neue Gesellschaft, die auf den Trümmern des deutschen Kaiser reiches errichtet werden sollte. Was übrig bliebe, wäre gerade gut genug, um den russischen Horden, die ihr eigenes Land bis auf die letzte Narbe abgegrast haben, als willlommem Wegzehrung zu dienen. Das find die Tatsachen, die nackten, furchtbaren Tat sachen. Die deutschen Arbeiter haben Min die Wahl, ob sie sich von ihnen wenigstens belehren lassen wollen, nach dem bisher jede Einwirkung mit Gründen deS Verstandes an ihrer politischen Leidenschaftlichkeit gescheitert ist. Ein letzter Appell an daS Gewissen des Volkes. Sollte auch er überschrien werden durch den Straßen- und Ver sammlungslärm, der sich mehr und mehr zum Herrn über unser aller Schicksal aufwerfen will, dann müßten wir uns allerdings auf bas Schlimmste gefaßt machen. Dann ist die deutsche Kultur dem Untergang geweiht — und mit ihr ein ganzes großes Volk. Gegen die Tyrannei. - In einem vom Vorstand der sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der sozialdemokratischen Fraktion der Nationalversammlung von Weimar aus erlassenen Aufruf heißt es: Wahnsinn und Verbrechen jagen durch die deutschen Lande. Wird dem wilden Wüten nicht Einhalt getan, gräbt sich die deutsche Arbeiterklasse ihr eigenes Grab. Der politische Massenstreik war, so wird weiter ausgeführt, als Kampfmittel angebracht, so lange noch politische Gleich heit und Demokratie herrschte. Seitdem find andere Mittel am Platze, seitdem schneidet jeder politische Massenstreik ins eigene Fleisch der Arbeiter. — Die Soldatenräte, sagt der Aufruf, verschwinden nicht — es soll keine Recht losigkeit im Maffenrock mehr geben. Die Arbetterräte verschwinden ebensowenig, sie müssen in Betriebs räte umgewandelt werden. Die Arbeiter werden auch wirt schaftlich nicht mehr in die alte Hörigkeit zurücksinken, voraus gesetzt, daß sie einheitlich und geschlossen jede Tyrannei zügelloser Elemente von sich abschütteln. Die Eoziali- fierung wird sicher kommen. Gesetzgeberische Maßnahmen find in Vorbereitung, so namentlich die Aufhebung der Bers regale und die Vergesellschaftung der Bergwerke. Deshalb braucht kein Arbeiter in den Streik -u treten. Jeder politische Massenstreik nützt heute nur den deutschen Kapitalisten und schwächt die Arbeiter. Außerdem werden die ausländischen Imperialisten und Annexionisten gestärkt, verschärft wird die feindliche Blockade, unser Hunger wird größer und unsere Ent behrungen vermehrt. Der Aufruf schließt dann mit den Watten: Ihr erkennt das Selbstmörderische der planlosen wilden Bewegung. So setzt Euch endlich zur Wehr! Labt Euch nicht von wenig bewaffneten Fanatikern aus den Betrieben mit Gewalt oder durch heuchlerische Betörungen herauslocken! Stellt ihrem schändlichen Beginnen planvollen und energischen Widerstand entgegen, erniedrigt Euch nicht zu Bütteln dieser Bankerotteure deS alten Systems! Wir haben in den Novembertagen nicht die Men Tyrannen verjagt, um uns in den Märztagen neue DWMmei gefallen zu lassen. Gegen die Tyrannen! Hoch Z« Demokratie! Hoch der Sozialismus! Das Neueste. Naunhof, 6. März. Gestern Rochm. gegen 3 Uhr kamen von Leipzig mit Maschine u. Pachwagen 15—20 Mann von der Streik leitung und verlangten den Bahnhossvorsteher zu sprechen. Wie man später erfuhr, sollte sich das hiesige Bahnpersonal ebenfalls der Streikbewegung anschlietzen, es hatte sich aber einstimmig gegen den Streik erklärt. Die Spartakisten waren aber scheinbar hiermit nicht zufrieden, sie erklärten, daß sie morgen Vormittag wiederkommen würden, bis dahin sollte sich das Personal ent- scheiden. Nachdem ein Begleitmann über Zweck und Ziele der Bewegung gesprochen Halle, dampslen sie wieder ob. Die An gelegenheil Hal in unserem sonst so stillen Orl Aussehen und Aus- regung hervorgerufen. Es fehlte natürlich nichl an Gegenerwide- j rungen und Fragen, wobei bemerkenswerl ist, daß auf eine Frage an die Fremdlinge: „Was sie nun eigentlich noch wollten, wir haben ja unser freies Deutschland", die Belressenden keine Auskunsl gaben. Sie sagten vielmehr, die Sache wäre ihnen ganz gleich, ob sie 4 Wochen oder 6 Wochen dauerte, sie erhallen es gut bezahlt. Unter den Angekommenen bemerkte man auch einige recht jugendliche, kaum der Schule enlwachsene Leule. Naunhof, 6. März. Zum zweiten Mal mußle die heule Vormitlag wieder eingelrofsene Abordnung der Slreikleilung nach elwa einslündiger Verhandlung mil dem hiesigen Bahnpersonal und Slrerkenarbeilern resullallos abziehen, da von dem gesam ten Beamten- und Arbeiterpersonal der Streik elnstim- mig abgelehnl worden iss. Mil einer Besetzung des Bahnhofs muß aber nach wie vor gerechnet werden, sodaß Züge vorläufig von hier nichl abgehen können. Leidig, 2. März. Mit Rücksicht auf die gegen wärtigen Verhältnisse hat das Leipziger Fernsprechamt den Dienst in der Weise eingeschränkt, daß von 6 Uhr akends ab keine Ferngespräche mehr ausgeführt werden. Leipzig. Der Fernsprechverkehr mit Berlin ist seit gestern für Privatgespräche gesperrt worden. Leipzig. Die Streiklage ist noch unverändert. Vorgestern wurde ein Soldat der Soldalenwehr von einem Mann, der wegen Diebstahl verhaftet werden sollte, mit einem Revolverschuß getötet. Leipzig. Der Arbeiterausschub der arbeitswil ligen Eisenbahner läßt Flugblätter verteilen, in welchen die arbeitswilligen Eisenbahner die Wiederaufnahme des gesamten Eisenbahnverkehrs fordern. Fn den Flugblättern heißt es, daß unter anderem die Verhand lungen der arveitswilligen Eisenbahner mit der Streik leitung ergeben haben, daß die Streikleitung nur die Förderung von Lebensmitteln zulassen wolle und die Beförderung von Kohlen und anderen Gütern, sowie von Personen ablehnt. Die Streikleitung hat erklärt, keinerlei Zugeständnisse machen zu köunen, welche ge eignet fein würden, den Erfolg des Generalstreikes in Frage zu stellen. Die arbeitswilligen Eisenbahner er klären, daß sie nur kleinen Gruppen zur Erreichung