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Naunhofer Nachrichten Ortsblatt für Albrechtshain, Amuelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Erdmannshain,. Fuchshain, Großsteinberg, Klcinsteiubcrg, Minga. Köhra, Lindhardt, Pomßcn, Staudnitz, Threna und Umgegend. Verlast und Druck: Günz L Vule, Naunhof. Rcdaktiou: Robert Günz, Naunhof. Ankündigungen^ Für Inserenten der Amtt>5nup!mann> schäft Grimma lO Psg oic sünsge- spaltene Zeile, an erster Stelle und für Auswärtige 12 Psg. Bei Wiederholungen Raba' Die Naunhofer Nachrichten erscheinen jeden Dienstag. Donnerstag und Sonnabend AaMinittag 5 Ukr mit dem Dalum deS nachsolg n^eii laaes. LMIuu sei Nn^e-gcnannabiuc Boranl'aas 11 Uhr am Tage des Encheinens. Ur. 153. Freitag, den 22. Dezember 1905. 16. Jahrgang Zu den Dresdener Unruhen schreiben die dortigen Nachrichten: Es ist selbst« verständlich richtig und durch die blutigen Tatsachen in der Nacht zum Sonntag wieder um erwiesen, daß ein großer Teil der Demon- strationSmafien ans jenen überall zusammen strömenden Elementen, die stets da zu^finden sind, wo es Radau zu machen gilt, und die, weil sie selber nicht? zu verlieren haben, immer voran sind,jwenn etwas „verrunjenieret" werden soll. Die „Arb.-Ztg." macht diese? Geständnis selbst mit folgenden Worten: „Wir müssen damit rechnen, daß sich dem hundert höchst zweifel hafte Elemente anschließen, für deren Taten wir verantwortlich gemacht werden.* Aber gerade darum haben die Führer der Sozial demokratie, die nach dem Zugeständnis ihres Vertreters im Landtag selbst von der Unge setzlichkeit der Straßendemonstrationen voll überzeugt sind, die Pflicht und Schuldigkeit, alles daran zu setzen, solche Dinge zu ver hindern. Indessen — im Grunde ihrer Seele freuen sie sich ja gerade an diesen „Ausbrüchen der Volksleidenschaft*; je mehr solche Putsche erfolgen, um so reichlicher häuft sich ihr Agi tationsmaterial, um so leichter können sie ihr frevelhaftes Spiel mit der Revolution weiter treiben und fördern. Um so ernster aber er wächst demgemäß der bürgerlichen Gesellschaft und ihren berufenen Vertretern die Pflicht, festzustehen im Kampfe gegen diesen mit unge setzlichen Mitteln unternommenen Ansturm und nichts zu unterlassen, um die weitesten Kreise der Bevölkerung auf den furchtbaren Ernst aufmerksam zu machen, den die Lage bei einem weiteren Fortschreiten der Dinge auf dem bisherigen Wege annehmen muß. Denn — darüber kann kein Zweifel herrschen — die Angriffe, wie sie diesmal auf die Organe der Zivilbehörde erfolgt sind, recht fertigen nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften ohne weiteres die Waffengewalt, unter Umständen auch dar Eingreifen des Militärs. Welche Gefahr aber damit herauf- beschworcn wird, vergegenwärtigt man sich am besten, wenn man die für solche Fälle vorge sehenen Bestimmungen und Vorschriften kurz Revue passieren läßt. Es heißt da u. a.: Treten Verhältnisse ein, welche Auftritte voraussehen lassen, welche die öffentliche Ruhe bedrohen, so ist es zunächst Pflicht der Zivil- behörde, mit ihren Polizeikräften die Ruhe zu erhalten. So lange steht ihr allein die An ordnung und Leitung der Maßregeln zu. Das Militär bat hierbei nicht mitzuwirken und darf in diesen Fällen zur bloßen Ver stärkung der Polizei nicht gebraucht werden. Stellt sich aber heraus, daß die Kräfte der Polizcigewalt nicht genügen und wird deshalb das Militär von einer Zivilbehörde anfgefordert so geht mit dein Augenblick der Aufforderung Anordnung und Leitung der Sache allein auf den Militärbefehlshaber über und die Zivil- behörde ist verpflichtet, nach dessen Anordnungen mitzuwirken. Zur Unterdrückung innerer Un ruhen und Ausführung der Gesetze sind die Militarbefehlshaber auch ohne Anforderungen der Zivilbehörde einzuschreiten befugt: s) wenn der Militärbefehlshaber nach Pflicht und Ge wissen findet, daß die Zivilbehörde zu lange zögert; l>) wenn die Zivilbehörde durch äußere Umstände außer stand gesetzt ist, die An forderung rechtzeitig zu erlassen; o) wenn bei Störung der öffentlichen Ruhe der eine oder der andere der vorher bezeichneten Fälle ein- tritt; <i) in Orten, welche in Kriegs- oder Belagerungszustand erklärt worden sind. Wird dem Militär tätlicher Widerstand entgegenge setzt oder sogar ein Angriff auf dasselbe mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen unternommen, oder wird mit Steinen oder anderen Gegenständen nach ihm geworfen, so darf das Militär sofort von der Schußwaffe Gebrauch machen, selbstredend auf Beßchl des Führers. Wenn bei einem Auflauf Militär einschreiten muß, so hat der kommandierende Offizier oder Unteroffizier zunächst die Ver pflichtung, den zusammengelaufenen Haufen zum Auseinandergehen aufzufordern, indem er lkriegSministerielle Instruktion vom 4. Juli 1863) vor der versammelten Volksmenge einen Trommelwirbel oder ein Horn- oder Trompetenzeichen geben läßt und dann laut sagt: „Ich fordere die hier Versammelten auf, ruhig auseinanderzugehen, da ich sonst von den Waffen Gebrauch machen muß." Nach kurzer Pause sind Signal und Auf forderung zu wiederholen und wieder nach kurzer Pause ist nach dem dritten Trommel wirbel usw. die dritte letzte Aufforderung mit lauter Stimme etwa dahin zu erlassen: „Ich fordere die hier Versammelten zum dritten und letzten Male auf, ruhig auseinanderzu gehen, da ich sonst sofort von den Waffen Gebrauch machen muß." Ist kein Trommler usw. vorhanden, so bedarf es nur der drei maligen Aufforderung in bezeichneter Weise. Wird auch dann nicht Folge gegeben, so er folgt ohne Verzug das Kommvndo zum Vor gehen und zu der vom Kommandierenden zu befehlenden Art des Waffengebrauchs. Wird das Militär während der Aufforderung tätlich angegriffen, so ist sofort einzuschreiten. Man sieht also, in welche furchtbare Ge fahren die Bürgerschaft getrieben wird, wenn sich Vorgänge, wie in der Nacht zum Sonn tag wiederholen sollten. Tausende von fried liebenden Einwohnern können hierbei unter Umständen an Leib und Leben bedroht werden. Die Schreckensherrschaft in den Ostfeeprovinzen In Knrland tritt nach einer telegraphischen Meldung aus Mitau die Regierungsgewalt überhaupt nicht mehr in Erscheinung. Das flache Land ist in den Händen der Auf ständischen. Die Polizei ist vollständig ver drängt. Die auf den, Lande verteilten kleinen Truppenabteilungen sind entweder von den Aufständischen niedergemacht worden oder haben sich in die Städte zurückgezogen, weil sie sich gegen die gut bewaffneten Banden nicht halten konnten. Alle Truppen sind in Milan und Libau zusammengezogen, wo sie vorläufig in der Defensive verharren. — Hierzu meldet der „Berl. Lok.-Anz": Petersburg. Die Revolution in den baltischen Provinzen breitet sich unaufhaltsam aus, besonders auf dem Lande, wo die Guts besitzer infolge mangelnden militärischen Schutzes der Willkür der revolutionären Banden preis geoeben sind. Die Hauplkräfte des Militärs sind in den größeren Städten konzentriert. Bei den Straßenkämpfen in Tukknm stürzte sich, nachdem Oberstleutnant Müller und 30 Dragoner gefallen waren, die rasende. Menge auf die Leichname und richtete sie tierisch zu. Die Augen wurden ihnen ausgestochen, Hände und Ohren abgehackt. Der Ueberfall auf das Militär geschah der Nachts, in den engen Straßen waren vorher Drahthindernisse her gestellt worden, in denen Pferde und Mann schaften sich verwickelten, als sie sich verteidigen wollten. Die Revolutionäre schoflen aus den Fenstern auf dar Militär. Ein Tagesbefehl im Militärreflort gibt bekannt, daß ein kaiserlicher Befehl vom 19 d. MtS. eine bessere Verpflegung und eine Erhöhung der Bezüge der Mannschaften aller Waffengattungen anordnet. Den Mann schaften sollen ferner auch warme Decken, Bettwäsche und Seife geliefert erhalten. Der AnSbruch der lettischen Revolution, in Riga ist nach schwedischen Berichten die unmittelbare Folge der von der Behörde pro klamierten Kriegszustandes, von dem die Arbeiter Gefahr für Freiheit und Leben fürchteten. Auf eiu Signal ihrer Führer verwandelten sie an einem bestimmten Tage sämtliche metallenen Werkzeuge oder zur Be arbeitung überlieferten Metalle in Waffen. Sofort begann das Blutvergießen. Friedlich dahergehende Menschen wurden ans der Straße erschlagen und zwar ohne Unterschied der Nationalität; so traf dieses Schicksal zu gleich einen Deutschen und einen Russen, die nebeneinander der Weges kamen. Ein Bank beamter fuhr in einer Droschke mit einer größeren Geldsumme vom Bahnhof nach der russischen Reichsbank; er wurde erschossen und da? Geld geraubt. Die Deutschen halten sich tapfer und sind vortrefflich organisiert. Das Losungswort ist: „Der deutsche Nachbarschutz"; man hat die Wände durchbrochen, um von einem Haus in das andere kommen zu können, wird ein Haus angegriffen, dann gibt ein schrilles Pseifensignal den Nachbarn das Zeichen. Man will sich gemeinsam verteidigen und eventuell gemeinsam sterben. In dem Rigenser KaufherrnhauS, wo die Kapitäne des Frachtdampfer „Droning Sophie" und des Kriegsschiffs „Genan" in Gesellschaft waren, suchten fünf bis an die Zähne bewaffnete lettische Arbeiter einen deutschen Baron, um ihn zu ermorden; zum Glück für ihn war er ausgegangen, andernfalls war es um ihn ge schehen. Beständig hörte man des Nachts schießen, und der schwedische Kriegsdampfer baue nach vorgängige»! Benehmen mit dein Gouverneur und dem russischen Truppen befehlshaber die Schußluken auf den Hafen platz gerichtet. Dieser mar von lettischen Arbeitermaflen angefüllt, die eifrig und etwas tumultarisch debattierten, tatsächlich aber weiter keine Störung verübten. Die 330 000 Menschen beherbergende größte baltische Stadt zählt mit ländlichen Zuzug 50 000 erwachsene lettische Männer, nnd man kann sich denken, welches Gewicht dieser systematisch gegen das Deutschtum aufgemiegeltc Faktor für die dortigen Verhältnisse besitzt. Die national- russische Arbeitcrminorität in Riga hat sich den Letten vorläufig untergeordnet; als nächstes Ziel gilt die Vertreibung der Deutschen vom baltischen Boden. Die eigentliche politische Aktion wird angeblich kurz nach dem Jahres wechsel erwartet, wo man sich förmlich unab hängig erklären und sich als lettische Republik proklamieren würde. Bei den Massen sollen sich Rachsucht und Blutdurst weit mehr geltend machen als Habgier; außer Waffenmaterial ist ans den Fabriken nichts entwendet worden; inan hielt sogar Wacht gegen Diebe nnd FenerSgefahr, ein Zug der an die Erscheinungen der Pariser Februarrevolution erinnern könnte. Arbeiterkammer in Sachsen. Während der Beratungen des Etats des Ministeriums des Innern in der Zweiten Kammer stellte sich heraus, daß die von Herrn Vizepräsidenten Opitz angeregte Frage der Arbeiterkammern nicht auf ganz unfruchtbaren Boden gefallen ist. Von verschiedenen Seiten wurde der Gedanke ausgenommen. Nun herrscht noch keine Klarheit darüber, ob Arbeiter kammern, in denen nur Arbeiter sitzen, oder Arbeitskammern, in denen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Sitz und Stimme haben, vorzu- ziehen seien. Herr Opitz erwartet von den Arbeiterkammern eine versöhnende Wirkung, weil durch sie Gelegenheit gegeben werde, mit wirklichen Arbeitern in Fühlung zu gelangen, während jetzt für die Arbeiter nur bezahlte Agitatoren, die gewöhnlich keine Arbeiter sind, da? große Wort führen. Sehr charakteristisch war er, daß der sozialdemokratische Abgeord nete Goldstein gegen die vom Vizepräsidenten Opitz vorgebrachten Anregungen leidenschaftlich protestierte. Gegen Herrn Opitz, so meinte der sozialdemokratische Wortführer, sei er im höchsten Grade mißtrauisch; denn wenn dieser Herr den arbeitenden Mafien etwas zugestehen wolle, so laufe da? unbedingt darauf hinaus, die sozialdemokratischen Arbeiter zu „leimen". Und dagegen müsse rechtzeitig mobil gemacht werden. Diese Ablehnung von sozialdemo kratischer Seite läßt erkennen, daß die Partei de? Umsturzes von der Errichtung von Ar- beiter- oder Arbeitskammern zum mindesten keinen Nutzen für sich erwartet, dagegen aber eventuellen Schaden fürchtet. Die national liberalen Abgeordneten in der Zweiten Kammer können sich mit dem Opitz'schen Gedanken noch wenig befreunden. Demgegenüber zeugt es von großem Vertrauen auf die Zukunft, wenn der sächsische Führer des Bunde? der Land wirte sagte, die Bauern und Gutsbesitzer würden sich gar nicht gegen die Einführung von Kammern für die landwirtschaftlichen Arbeiter sträuben. Rundschau. — Ueber den gegenwärtigen Stand und die weitere Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre in Oberschlesien fand in Beuchen unter dem Vorsitz des Direktors Dr. Förster vom preuß. Kultusministerium eine Beratung statt. — Als ein Erfolg deutschen Pflichteifer? und deutscher Umsicht darf es bezeichnet werden, daß die deutsche Post in Marokko ihre sämtlichen Konkurrenten, nämlich die französische, englische und spanische Post, über flügelt hat. Dabei besteht die französische Post schon seit 1860; englische und spanische Postanstalten sind gleichfalls schon vor mehreren Jahren eingerichtet worden. Da? Deutsche Reich hat seinen eigenen Postdienst erst am 20. Dezember 1899 eingerichtet. Und trotz diesen kurzen Zeitraums sind die viel älteren Konkurrenten überholt worden. — 300 Kameele für TranSportzwecke auf dem Kriegsschauplätze in Deutsch Südwest- afrika zu liefern hat die bekannte Firma Hagenbeck in Hamburg übernommen. — Berlin. Der Kaiser wohnte in der Technischen Hochschule einem Vortrage des Hauptmanns v. Kehler von» Luftschifferbataillon über die neuen lenkbaren Luftballons bei. — Der Bischof von Hildeskeim, Dr. Wilhelm Sommermerk, genannt Jakobi, ist gestorben. — Im Laufe des gestrigen Tages haben drei englische, heute nacht zwei französische Kriegsschiffe Kuxhaven,den Kaffer Wilhelm- Kanal passiert, nm den Staatsangehörigen in Riga, Dorpat und Petersburg ihren Schutz angedeihen zu lassen. — Posen. Referendar Dr. Lehmann wurde wegen eines schweren Sittlichkeitsver brechens gegen ein dreizehnjähriges Schul mädchen verhaftet. - Esse«. Der Redakteur des hiesigen Zentrumsblattes, der „Essener Volkszeitung", wurde von der Klage wegen Beleidigung des Alten Bergarbeiterverbandes freigesprochen. Der Angeklagte hatte vor der ReickMagS-Wahl den Verband beschuldigt, sozialdemokratische Tendenzen verfolgt und die zeitige Verab schiedung der Bergarbeiterschutznovelle als Hetzmaterial benutzt zu haben. Die Frei sprechung erfolgte, weil das Gericht die Be hauptungen des Angeklagten für völlig be rechtigt ansah. — Beschämend! Eine Sammlung des „Essener Generalanzeigers" ergab: Für die russichen Juden 15 563,50 Mark, für die deutschen Truppen in Südwest-Afrika 39 Mark. Jeder Zusatz dazu ist überflüssig! — Die in Colmar stattgehabte Konferenz der sozialistischen Partei in Elsass-Loth ringen beschloß, am Sonntag vor Beginn der Session des Landesausschusses im ganzen Lande Wahlrechtsdemonstrationen zu veran stalten. - .... .. -------- - - -