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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prönnmeratisn-Prei« 22z Sitbergr. (j Thlr.) vierteltöhrlick. li Tblr. für das ganze Jahr, ohne ErddH ung, in atten ^heilen der Preußischen Monarchie. für die Pränumerationen werden von lede» Buchhandlung (in Berlin dei Deik >1. Eomv., IügerKraSe Nr. 28), I» wie von allen König!. Post - Acmlcrn, angenommen. Litcratur dcs Auslandes. ^1/ 68. Berlin, Donnerstag den 8- Juni 1848. England. Bemerkungen über die Agrikultur-Verhältnisse in Irland.') Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die Noth, von welcher der größte Theil der zahlreichen Bevölkerung Irlands von Zeit zu Zeit heimgesucht wird, keine blos vorübergehende ist. Mehrere Schriftsteller, z. B. auch v. Raumer, haben treffend bemerkt, daß eine der hauptsächlichsten Veranlassungen dazu in einer großen Zerstücke lung des GrundcigcnthumS unter sehr viele Pächter zu suchen scy. Solche Zerstückelung ist nun durch mehrfache Achterpachtungen gewissermaßen potenzirt und zu einem solchen Grade gesteigert, daß das Bestehen des letzten kleinen Pächters fast unmöglich gemacht wird. Da ich nun zufällig damit bekannt geworden bin, wie die Ackervertheilung gegenwärtig, wenigstens in einigen sehr fruchtbaren Theilen jenes von der Natur so sehr gesegneten Landes statthat, so werde ich versuchen, dies einfach durch ein der Wirklichkeit entnommenes Beispiel darzulcgen. Herr H. Montgomery, Grundbesitzer in einem der fruchtbarsten Theile Irlands, besitzt daselbst, laut seiner mir persönlich gemachten Mittheilung, als Majorat ein zusammenhängendes Areal von über 0000 englische Acres, also etwa 10,000 preußische Morgen, oder fast eine halbe Quadratmcile des besten Bodens, noch dazu in einer sehr stark bevölkerten Gegend, die sich des vorzüg- lichsten Absatzes erfreut. Auf die Frage meines genannten Gastes, wie hoch ich wohl seine Ein nahmen von dieser Fläche schätzen möchte, entgegnete ich: Analog der Qualität Ihres Bodens, welcher dem des Oderbruches gleichstehen soll, dortiger Preise der Produkt», der sehr starken Bevölkerung und des großen Kapital-Reich» thumS, welcher in Großbritanien vorausgesetzt wird, glaube ich als Marimum eine Rente von 24,000 Pfv. Sterling annehmen zu können. Mein Gast ent- gegnetc zu meinem Erstaucn, daß etwa tOOO Pfv. der ganze Betrag sey. ES entspann sich in Folge solcher Angabe eine sehr ausführliche Erörterung über die Veranlassung zu einer so großen Differenz meiner Ansichten von der Wirklichkeit, bis folgende Ergebnisse unserer Unterhaltung die Ursachen klar herausgestellt haben. Meine Vorfahren, entferntere und nähere Verwandten, sagte Herr H. Montgomery, verpachteten die Accker, so wie zur Zeit Theile derselben pachtfrei wurden, nicht auf bestimmte Jahre, sondern nach Lebens zeiten, bald auf deren it bis 10, bis IS, ja, selbst SO, allo allenfalls bis soo Jahre. Auf diese Weise mag die Zahl meiner größeren und kleineren un mittelbaren Pächter im Verlauf der Zeit wohl bis 00 gewachsen seyn. Jeder von ihnen hat viele Stücke Landes in den verschiedensten Theilen Les ganzen ArealS; denn diese Leute find insgesammt nicht Landbauer, sondern Acker- spckulanten, deren jeder mit vielen Achterpächtern, auf Grund des eigenen Vertrages, ähnliche Abkommen getroffen hat. Diese Achterpächter verpachten wiederum auf mehrere Menschenleben, und deren Pächter vereinzeln die Aecker in ganz kleine Stücke, häufig irr eines preußischen Morgens umfassend, auf I bis S, selten >0 Jahre. Das Detailliren der Pachtstücke geht endlich so weit, daß viele von den kleinsten Pächtern die Pacht für das ihnen gewordene Kar- toffel- und Kohl-Land nicht mehr in Geld abtragen, sondern dadurch den Pacht- zins entrichten, daß selbst mehrere zusammen dem Verpächter ein Schwein aus- mästen müssen. So ist das große zusammenhängende Areal von >0,000 Morgen in meh rere tausend Pachtstückchen zersplittert, deren oft derselbe Klein-Pächter in den verschiedensten Theilen der Feldmark einige inne hat. Sie liegen ungeregelt durch einander, oft nur mittelst Fußsteigen zugänglich, wodurch Düngung, Ackerung, Kultur und Aerndte, auch Aufficht höchst beschwerlich werden. Schlecht müssen mithin die Feldarbeiten vollführt werden, obwohl fie einen unglaublichen Aufwand von Arbeitskräften verzehren. Spaten und Hacke haben den Pflug verdrängt. Mit Kartoffeln und Rüben wird auch der ent legenste Acker auf eine sehr kostspielige Art bebaut. Wohl kann ein ziemlich hoher Ertrag an Früchten im Vcrhältniß der Dungkraft des Bodens erreicht werden-, werden jedoch von solchem die übergroßen ArbcitSkosten »c. abge zogen, so verbleibt nicht der geringste Reinertrag und den Arbeitern nur ein sehr karger Lohn ihrer großen Anstrengung. 's Tille Bemerkungen wurden von ihrem Versager, Herrn Oekonomieraih Thaer in Mögiin, lereit« vor mehreren Jahren sldl«) niedergeschrieben. find sedoch die NHI noch nirgend« gedrulkl worden. Ihr Jnniige Haden dieselben auch heule noch nicke verloren. D. R, AuS dem Gesagten geht nun hervor, wie durch verderbliche Einrichtungen der Mensch alle Segnungen gebannt hat, welche ihm in Boden, Klima, Lage, Handelsverkehr gegeben worden find. Beide wahren Quellen des National» Einkommens, Grund und Boden sowohl als Arbeit find durch übermäßige Zerstückelung des GrundbefitzeS verstopft: Ersterer, welcher durch den Menschen (d. i. die Gesammtzahl seiner Bewohner) thätig gemacht, das Produkt giebt, letztere, welche durch solches Produkt erhalten werden muß und Reichthum ge biert, sobald fie mehr hervorbringt, als ihre Erhaltung kostet, dagegen aber auch verzehrend wirkt, wenn fie mehr kostet, als der Ertrag werth ist. Muß der Tagelöhner ein Fünftel Scheffel Brodgctraide täglich erwerben, wenn er seine und seiner Familie Bedürfnisse zureichend befriedigen will, muß außerdem noch ein Gewinn für den Arbeits-Unternehmer verbleiben, wenn An reiz zii gewerblichen Unternehmungen bestehen soll, so muß allgemeine Armuth da einkehren, wo solcher Klein-Pächter täglich nicht einmal den Werth eines Zehntel Scheffel BrodgetraideS erwirbt. In Irland fehlt nun aber durch die groß« Splitter. Verpachtung alles Ackers dem Arbeiter die Gelegenheit gegen Lohn beschäftigt zu werden; er muß Klein-Pächter sepn oder müßig gehen. In günstigen Jahren erwirbt er neben der Pacht auch so viel Kartoffeln, als er und seine Familie bedürfen, in mittleren hungert fie etwas, in schlechten Aerndtejahren aber droht und kömmt auch wirklich der Hungertod. Wir sehen so durch Ackerzersplitterung (nicht Theilung des Ackers in viele kleine abgerundete Besitzungen) die Bodenrente und die Arbeitskräfte eines kör. pcrlich rüstigen, arbeitsfähigen und genügsamen Volkes verzehrt werden. Der Ackerbau besteht fast nur, um darbende Arbeiter zu erhalten, deren Kräfte er aber auch sämmtlich wieder verbraucht. Dieser Ackerbau verzehrt in solcher Art gewissermaßen seine eigene Geburt, raubt aber dabei den Fabriken alle Arbeiter, ausgenommen solche, welch« Irland verlassen und in anderen Län dern den Fabriken oder Herren dienen. In manchen Theilen von Alt - England und Schottland ist die länd liche Bevölkerung so produktiv beschäftigt, daß 40 bis LV Ackerbauer alle Be» dürfniffe für >00 Fabrikarbeiter liefern. Ein diesem nahestehendes Verhältniß finden wir in den Theilen Irlands, wo abgeschlossene Wirlhschaften von 20 bis 200 Morgen bestehen, in deren Mitte die Gebäude liegen, während in sol chen Distrikten, wo die Aecker zersplittert find, ein unvergleichlich ungünstigeres Verhältniß obwaltet. °> Eine solche theilweise schon bestehende Ackervertheilung in Wirlhschaften von angemessener Größe möchte in Irland allgemein werden. ES müßten Gk- meinheitS-Theilung, ServitutS-Adlösungen und Regulirungcn in großartigster Ausdehnung und kräftigster Hand in Anwendung treten; dort fehlt Friedrich Wilhelm III., dessen landesväterliches Regiment weise Männer um den Thron zu sammeln wußte und mit ihrer Hülfe tausend Jahre des Segens über unser Vaterland auSgeschüttet hat. Wie Maßregeln, ähnlich den in Preußen ange» wandten, in großartigster Ausdehnung mit den in Irland statthabenden Besitz, rechten, mit den geltenden Begriffen von Eigenthum und EigenthumSrccht in Einklang zu bringen seyen, überlasse ich Anderen. Für gewiß aber vermeine ich annehmcn zu können, daß Allen geholfen werden könne, wenn Grundherren, Pächter und Achterpächter Armuth schaffende Prärogative willig anfgebcn gegen Rechte, welche vergrößertes Einkommen und Wohlstand für Alle herbeiführen, da Jedem Neichthum aus den Opfern erwachsen wird, welche er dem Gemein» wohl bringen würde. Schnell dürfte das segensreiche Werk vorschreiten, wäre die Zahl dnrchgebildetcr, denkender Landwirthe größer, führte Einficht und Va terlandsliebe zu Einverständnissen, die, zu gesetzlichen Bestimmungen erhoben, fruchtbar würden. Aber man erwarte nicht, daß durch O'Connell und andere Landspekulanten die wirkliche Wurzel deS Uebels bloßgclegt werde. Solche Männer klagen lieber die Grundbesitzer an, obwohl diese gegenwärtig nur durch eine kleine Rente mit ihrem sogenannten Eigcnthum verbunden find. Ihre Vorfahren haben gefehlt, weil sie cS bequemer fanden, eine sichere Ein nahme durch Landspeknlanten zu beziehen, als sich mit ihren Gütern zu beschäf tigen , jetzt haben viele kaum noch eine Villa auf der umfangreichen Erbschaft ihrer Vorältern. A. P. Thaer. -) Zum Vergleich diene: Für die Mark Vrandcndnrg ergeben fiaüfiit'ckc Tabellen UL Landbewohner gegen >00 Städters- gewiß aber betrag, in der Mark die Anzahl der ans dem Lande wohnenden Fabrikarbeiter mehr alb ein Sechfiel der landlicken Bevölkerung, so daß fich da« Verhältniß der Fabrikarbeiler zu den Landbanern etwa wie >rv zu fiMen mag.