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Wichemlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration- - Preis 22j Silbergr. (I Thir.) riMOjährlick, Z Tdlr. für daS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit n. Comp., Iäaerslraße Nr. 25), so wie non allen König!. Posk-AmUcrn, angenommen. Literatur des Auslandes. 48. Berlin, Donnerstag den 20. April 1848. Frankreich. Zur Arbeiterfrage, von Michel Chevalier. IV. Ueber einige Maßregeln zur Lerbesserung der Volkö- zustände. Die Regierungen könnten noch einige Anordnungen treffen, die auf die Lage der Arbeiter für den Augenblick einen wirksameren, allgemeineren und heilsameren Einfluß ausüben würden, als die bisher erwähnten. Nichts beintrachtigt mehr den Wohlstand eines Volks, als die Menge der Steuern, welche cs an die Regierung zu zahlen hat. Die gezahlten Steuern wären eben so viele ersparte Noihpfennige. Wenn eine Nation eine Milliarde Steuern bezahlt, so kann man kühn behaupten, daß, wenn dieselbe nicht aus den Taschen der Bürger in den umfangreichen Seckel des StaatS-SchatzeS ge- flossen wäre, sieben bis acht Zehntheile dieser Summe das National-Kapital vergrößert hätten; mit den zwei oder drei anderen Zehntheilen hätte das Volk gebieterische Bedürfnisse befriedigen können. Wenn eine solche Summe zum Besten des Volks verwendet werden könnte, so dürfte Niemand Hunger oder Kälte leiden. Endlich könnte man ihm damit so manchen Genuß ver schaffen. Jedoch werden mit einem Theile der Steuern die Ausgaben bestritten, welche die Regierung machen muß, um die Nation zu unterrichten, ihre Ge fühle zu veredeln, so wie gute CommunicationSwegc auzulegen und zu erhalten. Dann kann man auch hierher diejenigen Summen rechnen, welche für eine gute Rechtspflege, für die einsichtsvolle Leitung der StaatS-Angelegenheiten nach Innen und Außen, für die Sicherheit der Verträge und des Eigenthunzs. verausgabt werden müssen. Der Staat aber muß diese Ausgaben auf das unumgänglich nothwendige Minimum reduziren. Ein so organisirtcs Budget wird das National-Kapital nicht schwächen, sondern nur vergrößern. Allge meine und gut geleitete Volks-Erziehung, gnte Transportmittel, durch welche man rechtzeitig mit dem Ucberfluß des einen LandeSthcilS den Mangel des anderen decken kann, sind selbst National-Kapital. Aber das ungeheure kriege rische Gepränge, womit sich alle Regierungen umgeben, ist unnütz. Die Herr scher vermeinen, durch große stehende Heere einander einzuschüchtern, oder wohl gar ihre eigenen Völker zu unterdrücken, und wir haben oft genug ge sehen, wie ihnen dieses Letztere gelang. Alle Gelder nun, welche darauf ver wendet werden, werden dem National-Kapital entzogen, bleiben für die Nation verloren. Man brauchte nur ein Viertel oder ein Sechstel von der gegen wärtigen Ausgabe auf den Militair-Etat zu verwenden. Diese Verschwen dung der VvlkSgelder ist eine strafbare Verletzung des National-Kapitals, und Nichts zeugt mehr von der schlechten Verwaltung des Staats durch das letzte Ministerium, als daß dasselbe die Kriegslasten Frankreichs so maßlos ver größerte, daß wir 1848 für den Krieg, welchen wir nicht führen wollten und nicht führten, 200 Millionen mehr bezahlten, als 1838. In ihrem Ehrgeiz haben die Herrscher Europa'S eine übermäßige Militair- macht unterhalten. Wenn ihnen nur nicht, wie Ludwig XIV., auf dem Todt- bette deshalb Gewissensbisse und Bedauern erwachsen! So haben die euro päischen Regierungen bisher den Völkern das beste Lebensmark ausgesogen, das Glück und die Größe der Nationen durch ihre eigene Unklugheit gehemmt. So kömmt eS, daß Europa noch immer so arm ist, nachdem es mehrere Jahr hunderte mit vielem Eifer und großem Verstände geschaffen und gewirkt, nach dem es 1800 Jahre der Kultur des Christenthums genossen hat. Wenn wir auf die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika unsere Blicke wenden, wird sich der Schade, welchen sich alle civilifirten Nationen durch diese thörichte Handlungsweise zugefügt haben, in vollem Maße Herausstellen: Was für eine ungeheure Land- und Seemacht hat Frankreich, und eine wie mikroskopische die Vereinigten Staaten, deren Marine-Budget das Viertel des unsrigen be trägt. Dann berechne man, was Frankreich seit zwanzig Jahren für sein Mi- litairspstem verausgabt hat, und vergleiche damit, was die Staaten und Privatleute in der amerikanischen Union zur Anlegung von Kanälen und Eisen- bahnen, zur Gründung von Banken, zur Eröffnung von Schulen verausgabt haben; so wird man finden, daß Frankreich eine Summe für seinen Militair- Etat bezahlt hat, die nach Verhältniß beiwcitcm diejenige übersteigt, welche die Vereinigten Staaten zu allen Verbesserungen gebraucht haben, und eben diese Verbesserungen haben bei ihnen den materiellen Wohlstand und die in tellektuelle wie die moralische Bildung auf eine so hohe Stufe gehoben. Wir haben dem Dämon des Krieges das zur Beute überlassen, was Kapital ge worden wäre; die Vereinigten Staaten haben ihren Einkünften die Bestim mung gegeben, welche die Natur und die Vernunft ihnen zu geben gebieten. Sie sind dafür durch den blühenden Zustand des Volks belohnt worben. Wir haben uns thöricht betragen oder Thorheitcn gestattet, wir find dafür durch das gährcnde und anspruchsvolle Elend eines TheilS unserer Brüder bestraft worden. Suchen wir das Verlorene wieder zu gewinnen! Wenn, wie zu erwarten steht, die Mächte auf die friedlichen Verheißungen des Herrn v. Lamartine durch eben so beredte Kundgebungen ihrer friedlichen Gesinnung antworten, so muß man so viel als möglich die nachtheiligen Staatslastcn und besonders die Ausgaben für Krieg und Marine beschränken. Aber wie kömmt cS doch, daß die Arbeiter, sobald der Ruf zu den Waffen erschallt, mit dem größten Freuden geschrei darauf antworten? Ferner leidet unser Verwaltungsspstcm an den altem Gebrechen, einen langsamen, unendlich umständlichen und verworrenen Geschäftsgang zu haben. Wir sind bei aller unserer Freiheitsliebe das umständlichste und in großen Unternehmungen am wenigsten freie Volk in ganz Europa. In Frankreich be steht noch ein kompakter Despotismus vermittelst der administrativen Aktenstöße. Der Despotismus des alten Regiments ist gestürzt; der Napoleon'S unterlag, als der KriegSruhm ihn nicht mehr aufrcchterhalten konnte. Der der Beam tenherrschaft blüht mehr als je, und während der letzten dreißig Jahre hat er gar wohl die ihm gegönnte Muße zu benutzen gewußt, nm tief in dem StaatS- boden Wurzel zu fassen. Wir müssen ihm von allen unseren Absichten Rechenschaft ablegcn, wir müssen ihn um Erlaubniß fragen, ob wir etwas thun oder lassen sollen. Er nimmt unsere Anfragen mit einem leichtsinnigen Wesen auf, wendet sie um, dreht sie wieder um, sendet sie, wie und wann cs ihm guidünkt, von einem töeschäflSzimmcr ins andere. Er stellt unsere Geduld auf eine harte Probe, verdammt unseren Thatendurst zur Ruhe, und läßt die gerechtesten Wünsche unerfüllt. Bor einigen Jahren hat man die Masse von Formalitäten veröffent licht, denen ein Grundbesitzer sich unterziehen muß, wenn er das Recht haben will, eine» Nachen aus einem Fluß zu halten, an den seine Ländereien gränzcn. Es bedarf dazu nicht weniger als 40 oder SO Ausfertigungen, und nach dem gewöhnlichen Schlendrian dauert das so lange, als die Belagerung von Troja. Dieser zusammengesetzte und verwickelte Geschäftsgang wirkt sehr nachthcilig auf das VolkSwohl. Unser Beamtenthum hat eine wahre Antipathie gegen die Freiheit, aber darauf will ich mich hier weiter nicht cinlaffen. Man kann die Wirkung dieses Regiments auch nach der Seite hin betrachten, daß es uns Allen eine halbe Stunde oder eine Stunde täglich von acht oder neun Stun den wirklicher Arbeit entzieht. Das Ergcbniß ist also dasselbe, als ob man der Gesellschaft den achten, den neunten oder wenigstens den sechzehnten Theil ihres Kapitals entzöge. Und doch soll dieses Kapital uns Reichthum, Zufrie denheit, Lebensunterhalt verschaffen. . Noch ein Andercs ist der Beachtung wcrth. Der Lohn ist nur da zur Befriedigung der Bedürfnisse. Der Handwerker arbeitet nicht und empfängt keinen Lohn, weil er etwa das Vergnügen haben will, ein Geldstück betasten zu können, sondern damit er die Mittel habe, sich Nahrung, Kleidung und Wohnung zu verschaffen. Die zwei oder drei Franken, welche ein Arbeiter täglich erwirbt, dienen dazu, eine gewisse Menge von den nöthigstcn Sache» und besonders von Lebensmitteln anznkaufcn. Nu» ist cs zwar nicht möglich, die Erhöhung des Lohns durch Beschlüsse der Regierung zu dekretircn, wie wir oben bewiesen haben, aber man kann das Verhältniß der ihm »numgäng- lich nothwendigen Sachen durch Verfügungen von Seiten des StaatS ver mindern. So sind die Consumtionssteuern die härtesten Abgaben; nur Einige habe» Vorthcil dabei, die Volksstimme hat über sie mit Recht ein allgemeines VerdammungSurthcil gefällt. Besonders leiden die arbeitenden Klassen da durch, daß vom Brod und Fleisch eine Abgabe erhoben wird. Solche An- ordnungcn sind eben so gut, als ob man den Arbeitslohn verminderte, oder einen Theil des Kapitals, welches der industriellen Thätigkeit zur Kräftigung dient, ins Meer werfen würde. Die Besteuerung der ersten Lebensbedürfnisse kömmt nur den Reichen und Bevorrechteten zugui, die vcrhältnißmäßig wenig davon konsumircn. Das erste Geschäft einer wahrhaft populaircn Ne gierung müßte sepn, jede Institution dieser Art abzuschaffen und statt der selben vielleicht eine Einkommensteuer einzuführen. Wie ich oben gesagt, ist die Tüchtigkeit des Arbeiters, seine Lust und Liebe zur Arbeit, sein Eifer ein sehr werthvolles Kapital. Dies Kapital hat außerdem die Eigenthümlichkeit, daß es ganz und gar dem Arbeiter gehört. Eine populaire Regierung muß es sich daher besonders angelegen sepn lassen, dieses Kapital zu vergrößern. Sie hat das Mittel dazu in der Unterweisung in allen zum Handwerke gehörenden Fächern. In Frankreich aber wissen wir von einem Unterrichte des Handwerkers in seinem Gewerbe sehr wenig. Nur