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Alle kaiserl. Postanstalten, Postboten, sowie die ZcttiingStrüger nehmen stets Bestellungen aus die .Sächsische Elbzeitung" an. Fernsprechstclle ^S.22. Die „Sächsische Elbzeitung'' erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Die Ausgabe des VlatlcS erfolgt TagS vorher Nachm. 4 Uhr- Abonnements -Preis viertel jährlich I Mk. 60 Pf., zwei- monatlich 1 Mk., einmonat lich 60 Pf. Einzelne Nummern 10 Pf. PostzeitungSbcstclllistc 6631. ÄUG LWU. AmtMM für im Wagt Amtsgericht und den Mdtrnth zu Schmidmi, somit für den AMgemeindernlh sn Milstein. Mit „Mustrrrt. Sonntcrgsbrcctt". Mit Humor. Beilage „Seifenblasen". Mit „Landwirtyschastk. Woistnge». Inserate, bei der wetten Bcrbi citung d. Bl. von großer Wirkung, sind Montags, Mittwochs und Freitags biSspätcstcnS vormittags !) lihr aufzugeben. Preis für die gespaltene CorpuSzcile oder deren Naum 10 Pf. Inserate unter fünf Zeilen werden mit 60 Pf. bcrcchen (tabellarische und complicirte nach Uebereinkunft). „Eingesandt" untcrm Strich 20 Pf. die Zeile. Bei Wiederholungen ent sprechender Rabatt. Jnscratcn-NnnahmesteNen: I» Schandau: Expedition Zaukcnstraße 134, in Hohnstein: bei Herrn Stadtkassirer Reinhard, in Dresden und Leipzig: die Annoncen-BurcauS von Haasenstein L Vogler JnvaUdendank und Rudolf Mosse, in Frankfurt a. M.: G. L. Daube L Co. und in Hamburg: Mroly L Liebmann. k r. 8S 43. Jeljlgmlg. Schandau, Dienstag, den 2S. Juli 1888. Dos WjHlW Zstldümm dkl Stillt Wlllw olS und 8'nrnri. 17V». 181)». Begünstigt vom herrlichsten Welter, das mit seiner intensiven Wärme die Menschen vvn selbst in dos übernns schön schaltiste, kühle Kiruitzschthal wies, nahmen am Sonnabend Abend die Jnbilänmsfeierlichkeilcn im Kur- garten und seinen Nebenränmcn ihren Anfang. Jung iind Alt, Fremde und Einheimische versammelten sich in der achlcn bez. nennlen Stunde zu einem geselligen Bei sammensein, das Ganze — ein äußerst buntes, belebtes Bild, das seine Entstehung in wesentlichen Theilen, be sonders in Bezug auf geschmackvolle Ausschmückung des Kurgarlcns sowohl, als mich seines Haupleiuganges, der hingebendcn Aufopferung der Herren ans der Badecommissivn verdankt. Die Darbietungen begannen programmgemäß mit drei Mnsikpiäccn, in bekannter Trefflichkeit ansgesührt von der hiesigen Kurkapelle unter der zielbewussten, temperamentvollen Leitung ihres Dirigenten, Herrn Musik- dircclor Schildbach. Hieran schlossen sich zwei Vorträge der vereinigten Mäuucr-Gesnugverciue: Das stimmungsvolle cigcmirtige, aber stets packende „Dankgebet" von Krcmser mit Orchester, und das muntere, melodisch überaus fesselnde: „Wo möchi' ich sein" von Zöllner. — Mit Erwartung blickte dann alles nach der Rednertribüne. Herr Bürger meister Wieck hatte in bekannter Liebenswürdigkeit den Trinksprnch ans Se. Majestät den König Albert über nommen : Hochverehrte Fcstgästc, wcrlhe Damen und Herren! „Wenn ich zu Beginn der festlichen Tage, welche unS bcvor- stehcn, die Aufforderung an Sic zn richten mir gestatte, dem Feste die richtige Weihe durch ein Hoch ans unsern geliebten Landesherr», Zwing Albert, zu verleihen, so gebe ich mich der angenehmen nud zuversichtlichen Hoffnung hin, daß diese Auf forderung nicht bloS in de» Herzen der hier anwesenden Sachsen emcn freudigen Widerhall findet, sondern daß sic auch bei dcncn freundlicher Shmpathie begegnen wird, wclcve Angehörige anderer - Länder und Staate» sind. Don» die Liebe »nd Hoch achtung, welche unserm König entgegen gebracht wird, beschränkt sich nicht auf de» Bereich der griinwcißen Grenzpsählc; sie greift — bei verschiedenen Gelegcnheilcm, insbesondere bei der Feier des siebzigjährigen Geburtstags- und des sünfundzwanzigjähngcn Nc- giermigösilbiläumS hat sich dies gezeigt — lveit über Sachsens Grenzen hinaus; sie findet sich, nllwo die deutsche Zunge klingt. Ist doch mit der Person König AlbcrtS eng verknüpft die Erinner ung an eine der ruhmreichsten Epochen der deutschen Geschichte. — Der kriegerische Lorbeer, errungen in mehreren Feldzügen, in mancher, sür unser deutsches Vaterland, sür seine Ehre und Macht entscheidenden Schlacht, schmückt seine Stirn, und an dem Ruhme der Vollendung des großen Werkes unseres unsterblichen BiSmarck gebührt ihm ein wescMlichcr Antheil. Wie er aber an dem AuSbn» dieses Werkes seit dem Jahre 1870 unermüd lich mitgearbcitct hat, al« treuer Freund des hochscligen Kaisers Wilhelm, als väterlicher Frennd und Berather des jetzigen Kaisers, wie sein Nath erheischt und bewährt gesunden worden ist in mancher wichtigen Frage der inneren und äußeren Politik — wer von Ihne», hochverehrte Anwesende, wüßte cS nicht ? Und wie segensreich König Alberts Negierung sür unseres engercS Vaterland gewesen ist, das beweist der blühende Zustand unseres staatlichen Gcmciuwcscns; davon legt der Aufschwung von Handel, Gewerbe und Industrie, der frische belebende Zng, der alle Zweige des Baumes der Kunst und Wissenschaft durch dringt, die unter dem Schutze unseres kunstliebendcn Königs sich kräftig zu entfalten vermögen, beredtes Zeugniß ab. Und die Vorzüge des Königs und Monarchen — sie werde» verschöttl u»d verklärt durch die edlen, rein mcmschlichen Eigen schaften, welche unserm König innewohncn. Schlicht und wahr, menschenfreundlich und liebevoll, bieder und treu, wohlwollend, aber gerecht in feinem Urthcil, vorsichtig abwägend bei seinen Entschließungen, aber fest und sicher im Handeln, so tritt uns die Person unseres Königs entgegen — ein wahrer Vater seines Volks, ein guter edler Meusch im schönsten Sinne des Wortes. Darum lieben wir unsern König aus aufrichtigem Herzen und begrüßen freudig jede Gelegenheit, bei welcher wir nuferer Liebe Ausdruck verleihe» könne». So erhebe» wir auch heute wieder aus treuer Brust de» Nus, welcher diese Thäler scho» ost durch- hallt hat, und in de» ich Sic, hochverehrte AMvcscüdc, mit ci»- zustimmen bitte, den Nus: „Hoch lebe König Albert! Hoch! Hoch! Hoch!" Der mit allgemeiner Begeisterung aufgenommeue Trinksprnch ans unsc-rn allgeliebten Lnndcsherni fand sv lebhaften Widerhall, daß man an demselben Abend an Se. Majestät den König Albert ein Telegramm folgenden Inhalts abgehen ließ: „Die zur 100jährigen Jubelfeier des Bades , Schandau Versammelten senden Ew. Majestät ehr furchtsvollsten Gruß unter der Versicherung unwandel barer Treue und Ergebenheit" durch Bürgermeister Wieck. (Am Sonntag Morgen lief darauf aus Pillnitz folgende Antwort ein: „Ich danke allen zur 100jährigen Jubelfeier des Bades Schandau Versammelten herzlich für den Mir zugesaudten freundlichen Gruß." Albert.) Hierauf folgte der sinnig gewählte „Kröuungsmnrsch aus den „Fvlknugeru" von Kretzschmar sür Orchester. Die nächste Nummer des Programms: „Rückblick auf die verflossenen 100 Jahre seit Erbauung des alten Bndehauses" eignete sich selbstverständlich nicht für den weiten, dicht- gesüllten Raum des Gartens. (Ursprünglich war ja die ganze Feier sür den Saal in Aussicht genommen; die drückende Wärme veranlaßte in letzter Stunde eine Aendcrung.) Nur einem verhältuißmäßig kleinen Theile der Anwesenden ivar cs vergönnt, den iutcressautcu Ausführungen des Herrn Vortragenden, nuferes Herrn Bürgermeister Wieck, folgen zn können. Eben deshalb thut es nns sehr leid, daß die mühevolle Arbeit dcö geschätzten Herrn Referenten unter so ungünstigen Verhältnissen viel zu wenig znr Geltung kam. Der Herr Redner führte etwa Folgendes aus: „Die Mineralquelle unseres Bades war schon nm das Jahr I58(> als solche bekannt; der dreißigjährige Krieg aber verwischte diese Erinucrnng gerade so als die Erinnerung »nd das Dasein manches anderen. Die neuere Zeit keimt das Vorhandensein dieser Quelle seil ungefähr >50 Jahren. Schon damals schätzte man dieselbe als zu Heilzwecken sehr geeignet. Die damaligen Bewohner Schandaus aber mußte» sich eine» Gebrauch derselbe» versagen, weil das Wasser aus Mangel an Abfall eine» Sumpf erzeugte. Als die betreffende Wiese 1730 in den Besitz des Flöß- meisters Christian Gottfried Häntzschel überging, schien die Sache vorwärts zn gehen. Dieser versuchte nämlich die Wiese trocken zu legen; dies mißglückte aber. Erst später gelang es ihm, das Wasser in einer Cisterue zN fassen. Amlsphysikns l)r. Cadner aus Pirna nahm die erste Unter suchung der Quelle vor, und auf Grund derselben ver ordnete er den Gebrauch derselben seinen Patienten bei Nervenschwäche, Hysterie rc. Das Wasser wurde übrigens zu dieser Zeit schon per Schiff nach Dresden verlade». Vorübergehend war die Quelle auch im Besitze eines Or. Siebers, Arzt auf dem Königstein. Die Kriegsnuruheu (siebenjähriger Krieg) möge» ih» abgchallcn haben, die Schandaner Quelle sofort zu cultivircu. Der erste bc- denlcude Fortschritt iu der Geschichte unserer Mineralquelle ist mit der Person des Bürgermeisters und Apothekers Heber und mit der Person des Kaufmanns Samuel Gotthelf Hering (1780) eng verknüpft. Letzterem genügte die Unter suchung 1)r. Eadners nicht, und er bat deshalb den kur fürstlichen Leibmedilus, Ur. Leonhardi, nm eine solche. Dieser lehnte jedoch ans Mangel au Zeit ab nud wies ihn an einen gewissen Ficinns, Apotheker zum Mohr. Dieser untersuchte die Quelle im Oeiobcr 1700 und wünschte den Schaudauern zu dieser „Gabe Gottes" viel Glück. Das Ergebnis; seiner Untersuchnng veröffentlichte er am 17. November 170!) wie folgt: Die Schaudauer Mineral quelle enthält in dreißig bürgerlichen Pfund: 1'/- Gran Extractivstoss, 1 Grau salzgcsäuerte Bittercrdc, 1'/« Grau Bittersalz, 10 Gran kohlen- und lustgesäuertes Eisen, 15 Gran desgl. Kalkerde, 1 Gran desgl. Bitlersalzerde, 3 Gran kvhlensnure Alannerde, 4 Gran Selenit, 8 Gran Kiesel- und Thonerde. — Das Bad war immer noch im Besitz Herings. Daß die damalige Regierung anderer Ansicht war, beweist die Thatsache, daß eines Tages (1816) drei erkrankte Soldaten mit einem Befehl der Militärbehörde bei der Stadtverlrelnng erschienen, wonach ihnen im Bade freier Gebrauch desselben nnd freie Verpflegung zn ge- währen sei. Die Stadtverlretung lehnte dies mit dem Hinweis ab, daß das Bad ja in Pcivathänden sei. Ans erneute Vorstclluugeu der Behörde verstand sich die Stadt dazu, ausüuglich pro Tag eine» Groschen, später drei Groschen ans ihrem Säckel zn verwilligcn. — Nach „Hering" kam das Bad in den Besitz eines gewissen Panli. Einen be° dcntenden Aufschwung aber nahm es um das Jahr 1851 unter Gottfried Haude »nd der ärztliche» Leitung des bewährten Or. Petreuz. Sv wurde das Bad immer mehr bekannt. Im Jahre 1880 kaufte es die Stadt von dem Apotheker Böttger für 175000 Mk. Es wurde uuu mit einem Kvstenauswaude von nahezu 500000 Mark voll kommen den Ansprüchen der Neuzeit gemäß gebaut und eingerichtet. Am 1. Jnui 1882 fand die seierliche Einweih ung des neuen Bades statt. Die ärztliche Leitung lag m den Händen der hier wohnenden Aerztc. Selbige hielten im Bade ihre Sprechstunden ab und beaufsichtigten die verschiedenen Kuren ihrer Patienten. Wiewohl sich diese Einrichtung gut bewährt hat und infolgedessen die Ver dienste dieser Herren nm die Hebung des Bades nicht ver kannt werden ivllen, sv beschloß die Sladt doch, einem Arzte das Bad pachtweise zn übertrage», in der Hoffnung, dadurch die Einnahmen zn erhöhen.' (1805). Der erste Pächter war Ur. Wenninghausen aus Wörrishofen, Ver treter der Kneipp'sche» Kaltwasser-Heilmethode. Die An sichten darüber, ob die Einführung dieser Kur ein Vortheil gewesen sei, sind sehr verschieden, nnd es kann nicht meine Aufgabe sein, ein Urtheil zu fällen, soviel aber, daß der Besuch in den ersten beiden Jahren ein außergewöhnlich guter war, während er im dritten Jahre scho» wieder ab nahm. Andrerseits erfordert es die Gerechtigkeit, zu cvn- statiren, daß mancher uns lieb gewordene Kurgast uns infolge der Einführung der Kneipp-Kur ferngeblicben ist, was wohl darauf zurückzusühren ist, daß die Qualität eines großen Theils der Kneipp-Kurgäste in gesellschaft licher Beziehung zu wünschen übrig ließ, nud daß vvn Seiten der Aerztc Schandnn in dieser Zeit nicht mehr empfohlen worden ist. Seit 1897 ist Herr Ur. Schulze Pächter der Anstalt, während die Bewirthschaftung in den Händen des Herrn Hotelier Dressel rnht. — Die Hoff nungen, die man bei der Renovation bezüglich der Renta bilität gehegt hatte, sind nicht in dem Maße in Erfüllung gegangen; (dies dürfte erst zu erwarten sein, wenn die Amortisation weiter gefördert oder beendet ist (1929)) viel mehr mußte alljährlich wegen der hohen Unterhaltungs kosten nnd wegen der Nothwcndigkeit der Amortisation und Verzinsung des hohen Anlagekapitals von feiten der Stadt ein erheblicher Zuschuß geleistet werden. Gleichwohl wäre es kurzsichtig nud thöricht, wen» man den indirecten Nutzen des Bades, durch welches Schandau doch haupt sächlich erst in der Welt bekannt geworden ist, außer Augen lassen wollte." Znm Schloß dankte der Herr Referent noch allen denen, die der Hebling des Baoes ihre Zeit nnd Kräfte gewidmet haben nnd beendet seinen Rückblick mit einem warmen Appell an die anwesenden Kurgäste, unserm Badeorte auch fernerhin tren zu bleiben und ihn recht oft zn besncheii. — Lebhafter Beifall lohnte die mühe volle Arbeit des Herrn Vortragenden. Erwähnt sei noch, daß die Frequenz unseres Bades laut amtlicher Angabe im Jahre 1875 UU2 Personen betrug; jetzt schivaiikt die Zahl zwischen 3000 nnd 4000 Kurgästen. Orchester- und Gesangs-Vorträge folgten einander nun in buntem Wechsel, nud jeder giug wohl an diesem Abende mit dem Gefühl nach Hause, unter dem angenehmen Grün der Bäume des Kurgartens einen angenehmen ge nußreichen Abend verlebt zn haben. Der zweite Festtag — Sonntag, den Li!. Juli. Die bedeutende Wärme am Sonnabend hatte in der Nacht durch Gewitter eine kleine Abmiuderuug erfahren. Ein schöner frischer Souutagsmorgcn, wenn auch immer noch warm, war angebrochen. Kaum war der erste sonn tägliche Glockenruf verhallt, so erklang von der Höhe un weit der Frienstcinruine eine wundervoll wirkende Morgcn- nmsik herab in Stadt und Thal. Von '/.U1—'/-I uhr saud darauf das übliche Emmert im Kurgarten statt, welches sich eines ungemein starke» Zuspruchs erfreute. Das Leben in der Stadl war ein ungemein bewegtes. Tausende von Fremden kamen nnd gingen. Eine Art „Völkerwanderung" aber konnte man gegen Abend nach dem Bad beobachten, woselbst ein großes Fcstconccrt, verbunden mit festlicher Beleuchtung des Kurgartcus und Knrparkcs, sowie der nm- gebeudcn Hvhcnzüge bei einbrechendcr Dunkelheit, statlfand. Die Darbietungen der Knilapelle waren treffliche, was wir bei der Anstrengung am gestrigen und heutige» Tage besonders hoch anerkennen müsse». — Unser Bad hat seit seinem Bestehen wohl noch nie so viel Menschen gesehen, wie an diesem Abend. Wir schätzen die Zahl der Besucher ins dritte Tausend und glauben damit nicht zn hoch ge griffen zu haben. Kurgarteii und Kurpark boten ein gläiizendes, überaus farbenprächtiges Bild. Tausende von Lampions nud Lämpchen gaben dem Ganzen einen geradezu mäicheuhnftcn Schein. Funkensprühende Raketen, lnmgali- sches Feuer und sonst allerlei Feuerwerk vervollständigten das Ganze zn einem in jeder Beziehung wohlgcluugenen Abend. Den unermüdlichen Veranstaltern sei auch hier für ihre geschmackvolle Anordnung und nnfvpfernde Arbeit bester Dank ausgesprochen. Gewiß wird dieser herrliche Abend — und das mit Recht — noch lange im Andenken seiner Bcsncher bleiben. Montag, den 24. Juli findet im Kursaale Festrvnnion statt, zn welcher eine sehr starke Vetheiliguug zu er- warteu steht. 1icII. Rußland und eine etwaige Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich. Ein Theil der russischen Presse hat die durch den Besuch des deutschen Kaisers auf dem französischen Schul- schiffe „Iphigenie" im Hafen von Bergen nahe gerückte Möglichkeit einer Berstäildiguug Deutschlands nnd Frank reichs sehr hämisch krilisirt nud dabei dnrchblickcn lassen, daß eine Aimähernng Deutschlands und Frankreichs nur auf Kosten Rußlands nud zum Nachtheile des russisch- frauzösischeu Bündnisses stattsiudcn köime. Jedenfalls sieht man daraus, welch' eine Wendung der politischen Lage ein deutsch-französisches Bündnis; im Gefolge haben würde, eine Wendnng mit großartigen, ganz unberechenbaren Folgen die aber keineswegs eine feindselige Spitze gegen Rußland haben würde. Deutschlands und Frankreichs Annäherung würde nämlich die festeste Bürgschaft des europäischen Friedens bedeuten, also den erhabenen Friedcnsabsichten des russischen Kaisers praclisch viel mehr dieiicn, als Friedcns- evngresse mit hinterlistigen Nebengedanken gewisser Mächte, wie England >md die Vereinigten Staaten von Nordamerika bereits zeigten. Welche Macht der Erde könnte sich wohl den Heeren und Flotten Denlschlands nud Frankreichs zn wider setzen wagen? — Da könnte jede Frechheit nnd Anmaßimg, jede Tücke und Hinterlist ans internationalem Gebiete, wie sie jüngst noch mehrfach vvrgekvmmen sind, sofort im Keime erstickt oder sonst gebührend behandelt werden. Jedenfalls wäre nnler keinen Umständen daran zu denken, das; eine Ver- stündigungDeutschlauds undFrankreichs eine feindliche Spitze gegen Rußland haben würde, wohl dürften aber Deutsch land und Frankreich, befreit von dem Banne gegenseitiger