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Naunhofer Nachrichten Orts blatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Erdmannshain, Fuchshain, GroWeinberg, Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Lindhardt, Pomszen, Staudnitz, Threna und Umgegend. Bezugspreis r Frei inS HanS durch Austräger Mk. 1.20 vierteljährlich. Frei ins ;HauS durch die Post Mk. 1.30 vierteljährlich. Mit zwei Beiblätter«: Illustrierte- Tonntagsblatt und Landwirtschaftliche Beilage. Letztere «lle 14 Lag«. Verlag und Druck: Sünz L Eule, Naunhof. Redaktiou: Robert Günz, Naunhof. AEudiguugeut Für Inserenten der AmtShauptmann- schaft Grimma 10 Pfg. die fünfge spaltene Zeile, an erster Stelle und f für Auswärtige 12 Pfg. ! Bei Wiederholungen Rabatt. - ) Die Naunhofer Nachrichten erscheinen jeden DienStag, Donnerstag und Sonnabend Nachmittag k Uhr mit dem Datum deS nachfolgenden TageS. Schluß der Anzeigenannahme Vormittags 11 Uhr am Tage deS Erscheinens Nr. 21. Mittwoch, den 18. Februar 1903. 14. Jahrgang. >> I . .. -«> O .. ..... »--EE««»-—-—S«> Bekanntmachung. Herr Karl Albert Harzer aus Döbeln ist heute als Gasmeister für die städtische Gasanstalt in Pflicht genommen worden und Hot Auftrag erhalten, mit allen Zeichnern von Hausanschlüffen über die Einführungsstelle des ZulestungSrohres und über die Größe des benötigten Gasmessers zu verhandeln. Naunhof, am 15. Februar 1903. Der Stadtgemelnderat. Igel, Bürgermeister. Kurpfuscher. In Berlin ist in den letzten beiden Wochen ein Prozeß geführt worden, der einen lehrreichen Einblick in die schweren Schädig ungen gewährt, die dem öffentlichen Woh durch Kurpfuscher zugefügt werden. In dem Haupthelden des Dramas, dem Angeklagten Nardenkötter, wuroe ein Schmarotzer der leidenden Menschheit entlarvt, wie er ge wissenloser nnd gemeingefährlicher nicht ge dacht werden kann. Nardenkötter pries sich in marktschreierischen Prospekten als unfehl baren Spezialisten gegen alle mögliche Krank heiten an. Fünfzehn Millionen seiner schwindelhaften Flugblätter, die von bom bastischen Anpreisungen und den tollsten, lügenhaftesten Uebertreibungen strotzten, brachte er in der Provinz an den Mann. Durch seine unwahren Behauptungen hatte er den Nimbus um sich verbreitet, daß er imstande wäre, auch denen noch Heilung zu bringen, die unrettbar verloren und von den Merzten als hoffnungslos aufgegeben wären. Und das genügte, um eine Menge von Leicht gläubigen anzuziehen. Wie sehr es Nardenkötter verstand, Reklame zu machen, beweisen seine Einkünfte. Der Herr „Direktor" und .Spezialist" — so nannte er sich großspurig — hatte jähr lich ein Jahreseinkommen von 90- bis 160000 Mk. Das sind Summen, die von den approbierten Aerzten nur verschwindend wenige, und zwar die hervorragendsten Au toritäten, verdienen. Freilich verstand e» Nardenkötter auch, seine leichtgläubigen Klienten gehörig zu rupfen. Während sich ein wirk- sicher Arzt für eine gewöhnliche Konsultation oder einen Krankenbesuch 1 bis 5 Mork zahlen läßt und Minderbegüterten einen Preisnachlaß bewilligt, nahm Nardenkötter auch den ärmsten seiner Patienten 45 bis 90 Maik und oft noch viel mehr ab. Außer dem behandelte er — was auch kein ge- wiffenhafter Arzt tut — die Patienten, ohne sie gesehen zu haben, brieflich. Zwar batte er auch einen approbierten Arzt angestellt, angeblich um die maffenhift emlaufin- den Krankenberichte zu prüfen, und die Heilmittel zu verschreiben. Das war aber nur zum Schein; denn thatsächlich wurden die Rezepte einfach au» einem ärzt lichen Buche abgeschrieben, sie mochten paffen oder nicht. Die Arzneien wurden nicht in der Apotheke hergestellt, sondern von seiner Wirtschafterin und seinen Schreibern in einer Badewanne, die nebenbei zum Baden benutzt wurde, zusammengegoffen. Stark wirkende Gifte wurden in so kolossalen Mengen ver arbeitet, daß sie ausgereicht hätten, Millionen Menschen zu vergiften. Und wenn die be- thörten Gimpel, nachdem sie lange genug seine ekelhaften Medikamente geschluckt Hütten, sich über das Ausbleiben des Heilerfolges be klagten, dann wurde der Herr „Direktor" noch ungnädig und machte seinen Unwillen in schnöden, cynischen Bemerkungen Luft Nardenkötter ist leider der gerechten Strafe für seine gewissenlosen Betrügereien durch die Flucht entgangen. Damit ist er wenigstens für Deutschland nnschädltch gemacht worden, aber e» giebt bei uns noch zahlreiche andere Kurpfuscher, Gesundbeter, Naturärzte und Wunderheiler, die ihr Handwerk weiter betreiben. Aus dem Tagebuch Luisens von Toscana. Eine Dame des österreichischen Hochadels die in früheren Jahren dem toscanischen Hofstaate angehörte, gab dem Vertreter deS französischen Blatte» eine Reihe von inte- reffanten Aufklärungen. „Prinzessin Luise," sagte sie, «ist von ihrer frühesten Jugend an eine überaus schwärmerische und poetische Natur gewesen. Ueber ein schönes Gedicht, über ein zum Herzen gehende» Tonstück konnte sie Thränen vergießen. Sie dichtete und komponierte, um dem Ueberschwall ihrer Gefühle Luft zu machen, und wurde von brennen der Sehnsucht nach Liebe und Verständnis ver zehrt. Weder die trübe Stimmung deS mediatisierten toScanischen Hofes noch die trotzige Grandezza des sächsischen LeremoniellS vermochten das glühende Verlangen ihres Herzens zu befriedigen. Nur wer in da» Tagebuch dieser unglücklichen Fürstentochter dem sie seit Jahren die geheimsten Mysterien ihrer lechzenden Seele anvertraute, Einblick gehabt, vermag ein Rätsel ihrer Ehe uud ihrer Fehltritte zu verstehen. Glauben Sie kein Gerichtshof, dem man dieses Tagebuch vorlegen würde, konnte die Prinzessin ver urteilen, selbst wenn er aus den strengsten und unerbittlichsten Hütern der öffentlichen Moral bestünde. Er würde sagen: Sie hat geirrt, aber kein irdischer Richter vermag ne zu verurteilen. Prinzessin Luise ist gewiß eine der gebildedsten und geistvollsten Prinzessinnen Europas, und nicht mit Unrecht war sie dazu ausersehen, die künftige Königin des hoch- zivilisierten Sachsen zu sein. Ich habe in ihren Tagebuche zu blättern Gelegenheit ge habt und war so tief ergriffen, daß mir manche Stelle im Gedächtnis haften geblieben ist. An einem Tage schreibt sie: „Meine gute Mama sagt mir: Kind, Du mußt glücklich sein! Wir haben eine Krone verloren, und Du hast eine schönere Krone gewonnen. ! Da fiel ich der Mama weinend um den ! Hals und erwiderte: Nein, glücklich bin ich nicht. Ich habe Liebe gesucht und nur den Zwang der Etikette gefunden. Mein Herz ist leer und vereinsamt geblieben." An einer anderen Stelle heißt es ungefähr: „Siebt so der heilige Bund der Ebe^ aus? Ist sie wirklich nichts als der Ehekontrakt, der dem Manne das Recht auf Leben und Tod giebt und ihn von dem Augenblicke an, wv er den Vertrag in der Tasche hat, alle Herzens pflichten, entbindet? Die Enttäuschung ist eine furchtbare. Und an einer anderen Tagebuchstklle schreibt die Prinzessin: „Keinen größeren Schmerz gibt es onf Erden, cts von denen mißverstanden zu werden, welchem man sich ganz enthüllt hat, als sich ungeliebt zu fühlen, wo allein man ans wahre Liebe zu hoffen noch ein Recht hat." Neber die Höflichkeit am Poftfchalter schreibt da« „Berliner Tageblatt": So mancher, der ungeduldig ein Telegramm oder einen markenlosen Brief in der Hand vor I dem Postschalter stand, wird wohl die Wahr- I Nthmung gemacht haben, daß hier nnd da I bei unseren lieben „Postmenschen" nicht I immer die Pflichten der Höflichkeit gewahrt I werden. Er wird mitunter bemerkt haben, I daß der Postbeamte, während er auf Abfertig- ! ung lauert, sich hinter seinem Schalter gar- I nicht rührt, oder daß er mit seinem Kollegen ! ein Gespräch anknüpft, das nicht immer dienst- I sicher Natur ist. Die Beobachtungen muffen I schon bis nach „oben" auigefallewsein. Denn I jetzt hat eine auswärtige Oberpostdirektion I folgende bemerkenswerte Verfügung über die ! Höflichkeit im V rkehr zwischen den Post- I beamten und dem Publikum erlassen: Bei der Abfertigung des Publikums an den Schalterstellen werden noch immer Klagen dadurch hervorgerufen, daß einzelne Beamte, die an den Schaltern verkehrenden Personen lange Zeit unbeachtet lassen, sei es um anderweite Arbeiten zunächst zu erledigen oder um begonnene dienstliche Gespräche mit anderen Beamten zu Ende zu lühren und dergleichen. Wie im gewöhnlichen gesell g-n Verkehr der Gebildete es nicht unterlaff.n wird, die Personen, denen er aus irgend einem Grunde nicht gleich Gehör zu scheuten ! vermag, in artiger Weise davon Kenntnis zu setzen, daß er augenblicklich nicht zu Dimsten sein könne, so darf diese Rücksicht auch von dem Schalterbeamten dem wartendem Puv- likum gegenüber, dessen Abfertigung seine erste und wichtigste Ausgabe ist, nicht hintan gesetzt werden. Ist eine kurze Unterbrechung in der Abfertigung deS Publikums unum gänglich notwendig, so erfordert es schon die I Pflicht der Höflichkeit, die am Schasi-r I wartenden Personen von dem Grunde der I Verzögerung mit dem Ersuchen in Kenntnis I zu setzen, sich nur kurze Zeit zu gedulden. I Vielfach wird auch durch die Art und Welle I wie dem Publikum eine verlangte Auskunft I erteilt wird, Mißst mmuug hervorgerufen. I Von dem Taktgefühl der Beamten muß er- ! wartet werden, daß Belehrungen und nam nt- I sich auch die Hinweise auf bestehende Vor- I schriften niemals in einem durch Schroffste t I oder Unwillen verletzenden Ton erfolg-m. I sondern immer die im Verkehr unter Ge bildeten übliche zuvorkommende Bereitwillig- I keit erkennen lassen Eine Gefälligkeit ve - ! lieri ihren Wert ganz, wenn sie mit Wider- I willen oder unfreundlich ansg fuhrt wird. I Solche P rjonen, die durch den erteilten I Bescheid nicht befriedigt sind, soll der Be- I amte in aller Ruhe und ohne unnütze Worte I ersuchen, sich an den Borstest r der Verkehrs- I anstatt zu wenden; es duf dies nicht in I abweisender Form geschehen, sondern der I Beamte muß den Vorst»her tunlichst I selbst herbeiruien oder die sich beschwert I fühlenden Personen zu ihm führen oder I führen lassen. — Angesichts dieser danken». I menen Verfügung muß man sich übrigens I wundern, daß solche Mahnung von unserer I obersten Postbehörde nicht verallgemeinert I worden ist. Schaden könnte das wirklich I nicht. Eine ncne Rcligionsflatiftik der Erde veröffentlicht der Direktor H. Zeller vom K. Württ. statistischen Landesamt in oer All gemeinen Minimiszeitschrifl Darnach be tränt d e Summe aller Erdb wolmer 1 544510000. Bo i dielen sind 53494000» Christen, 108ü»»»0 FSrmlluen, 175 290000 Mohammedaner und 823 420000 Heiden. Unter letzteren sind die KonfufiuS-Anhäuger am zahlreichsten, reichlich 300 Millionen. Auf je 1000 Menschen kommen 346 Christen, 7 Israeliten, 144 Muhammedanner und 533 Heiden. Es liegt nahe, diese jetzigen Verhältniszahlen mit denen früherer Zeiten zu vergleichen, etwa mit denen vor 100 Jahren. E» giebt in der Tat eine Be- I rechnung de« französischen Geographen Malte- ! Brun von 1810, wonach e» danach 220 I Millionen Christen und 5 Millionen Juden I gegeben haben soll, während die ganze Erd- I bevölkerung auf 545 Millionen geschätzt I wurde. Aber letztere Zahl ist so wenig zu- I verlässig, daß mau keine sicheren Schlüffe I daran« ziehen kann. E» darf mit Sicher- I heit behauptet werden, daß die Christen viel stärker wachsen, al» die Anhänger der anderen Religionen. Asien, die Wiege des Menschengeschlechts, der höchst wenn auch nicht dichtest bevölkerte Erdteil, hat die bunteste Mischung der Religionen. Mehr als ein Drittel seiner Bewohner hängt der Lehre des Konfuzius an, ein Viertel sind Brah- manen, je ungefähr ein Siebentel Muham medaner und Buddhisten, auf die übrigen Religionen zusammen entfällt nicht ganz ein Zehntel der Asiaten. In Afrika huldigen nahezu drei Viertel der Bewohner einem rohen Polytheismus; neben ihm ist nur die Lehre Muhammeds von zahlenmäßiger Be deutung, weicher von 1000 Afrikanern nicht weniger al« 229 anhängen und die nach den Angaben mancher Afri.aforscher hier noch eine namhafte Werbekraft entfal'.-t. Asien und Afrika bergen die Stätten der frühesten Kultur der Menschheit; ein kleines Ländchen Asiens wurde zur Geburtsstätte der christlichen Religion; breiten, und wie es schien, festen Fuß hatte das Christentum während der ersten Jahrhunderte in Asien und Afrika gefaßt, c« ist aber dort bi« auf spärliche Reste zusammengesunken, und erst seit 100 bis 150 Jahren bahnt sich das Kreuz langsam und mühevoll wieder seinen Weg. Rundschau. — Der deutsche Reichstag scheint aus der zweiten Beratung de« Etat» des Innern nicht herauskommen zu sollen, so baß man es kaum noch für möglich halten kann, daß da» ganze Budget bi« zum Beginn des neuen ElMsjahres, also bis zum 1. April, noch zur Annahme gelangt. Schuld daran trägt ver Umstand, daß die Sprecher fast aller Pinnen Reben zum Fenster hinaus haiien, um chre Fürsorge für die Arbeiiec uud dein Mitteluaud zu beweisen, was ihnen bei den Wahb n zu Gute lominrn soll, — und zwar Raden von unglaublicher Länge. Ein sozial- demokrauscher Abgeordueier z. B. sprach 3 Siuuden lang und füllte die ganze Sitzung aus Man kann nun nicht mehr hoffen, daß das neue Krankenkaffengesetz uud da« Gesetz, betreffs Einrichtung von Kaufmann«- geeichten noch vor Ostern zur Erledigung ge langen. Die meisten Abgeordneten fühlten «ich durch diese Reden so gelangweilt, daß sie wegblieben und die Frequenz des Hauses oft 2 Dutzend Köpfe nicht überstieg. Es ist ja auch viel billiger, die Reden zu Hause in den Zeitungen zu leien, al« sie im diäten- loken Reichstag anzuhören. — Der deutsche BuudeSrat hat die vom Reichskanzler emgebrachte Vorlage betreffs Sicherung de« Wahlgeheimnisse« bei den Wahlen lür den Reichstag genehmig. — Im Reichsjustizamt trat am 10. Februar die vom Staatssekretär der Justiz mberulene K. iiferenz zur Reform der Sn,f- prozeßorbuun > zusammen, deren Verhand lungen vertraulich geführt werden i-Uen. — Das preußische Abgeordnetenhaus erledigte die 2. Lesung de« Just zetat«, wobei eine Masse von Anfragen und Wünsche zwecks Beseitigung wirklicher und-vermeint licher Mißstände zur Erörterung gelangten. — Ein konservativen Kreisen nahestehender Parlamentsberichterstatter meldet: In poli tischen Kreisen erzählt man, daß sich die Regierung neuerdings mit ihrem Verhältnis zum Bunde der Landwirte beschäftigt habe.