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Naunhofer Nachrichten Aukündiguugenr Für Inserenten der Amtshauptmann- schäft Grimma 10 Pfg. die virrge- spaltene Zeile, an erster Stelle und für Auswärtige 12 Pfg. Bei Wiederholungen Rabatt. < Bezugspreis r ! Frei in'8 HauS durch Austräger Mk. 1.20 vierteljährlich. ' Frei sin'S HauS durch die Post § Mk. 1.30 vierteljährlich. Mit zwei Beiblätter»: Illustrierte- Gormtagsblatt und Laudwirtschaftlich- Beilage. Letzter« »Le 14 Lage. Berlag und Dr«ck: Süuz L Gute, Naunhof. z Redaktio«: ! Robert Güuz, Naunhof. Ortsblatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Erdmannshain, Eicha, Fuchshain, Grotzsteinberg, Klinga, Köhra, Kleinsteinberg, Lindhardt, Pomtzen, Staudnitz, Threna und Umgegend. Die Naunhofer Nachrichten erscheinen jeden DienStag, Donnerstag und Sonnabend Nachmittag L Uhr mit dem Datum de« nachfolgenden TageS. Schluß der Anzeigenannahme : Vormittag« 11 Uhr am Tage de« Erscheinens Nr. 125. Freitag, den 17. Oktober 1902. 13. Jahrgang. Bekanntmachung. Für die hiesige Schloß- und Wald-Straße sind sofort etwa 360 laufende Meter Bordkanten steine (Kopfstärke 12, Länge nicht unter 70, Höhe nicht unter 35 em), nicht mindcr etwa 360 laufende Meter Schnittgerinnepflaster, 50 om breit, zu liefern und zu verarbeiten. Schriftliche Angebote werden umgehend anher erbeten. Naunhof, am 14. Oktober 1902. Der Prager MMiouenschwindel dürfte besonders der katholischen Geistlichkeit im Reiche der Wenzelskrone recht fatal sein. Denn sie hat verschiedentlichen Anteil daran, und Wilhelm Buschs unsterblicher Pater Filu- cius würde sicher auch von diesem Prager Fall sagen, „daß er ihm mache viel Verdruß". Redlich hat man sich erst Mühe gegeben, den ganzen ungeheuren Betrug zu vertuschen und zu verschleiern, aber — auch frei nach Busch — „man wollt' auch hier schon wieder nicht so wie die Geistlichkeit" der soalsLia nailitano romLva. Heiliger Wenzel hilf! werden die geprellten St. Wenzels-Kassenmitglieder rufen, wenn sie nicht sündhafter Weise in ihrer Be drängnis und ihrem gerechtfertigten Aerger über da«, was ihnen passiert ist, „Hilf Samiel!" schreien. Neuestens sind nämlich Veruntreuungen in Hohe von 1 537 061 Kronen in bar und 2 Millionen in Wechseln sestgestellt worden! Das Kapital der St.- WenzelS-Vorschußkasse im goldenen Prag im Böhmerlande betrug aber nur V, Million, der Reservefond über */, Million. Die letzte Bilanz weist 15 Mill. Einlagen auf. Dreitausend Mitglieder der Genossenschaft — meist frumbe Tschechen! — haften unbe schränkt. Die Veruntreuungen reichen fünf undzwanzig Jahre zurück und wurden durch falsche Bilanzen und buchmäßige Verluste maskiert. Bereits die Veruntreuungen des inzwischen (durch eigene Hand) „verstorbenen" Buchhalters Ort, die vor Kurzem im Betrage von 378070 Kronen entdeckt wurden, riefen einen Sturm auf die Kaste hervor, der jetzt erbauliche Wiederholung findet. Präsident des Verwaltungsrates des Schwindelunter nehmens war Monsignore Drozd, Mitglied des Prager Domkapitels und päpstlicher Kämmerer. Er wurde jetzt, wo'S zu spät ist, verhaftet; ebenso wegen Mitschuld der Direktor Kohoft, der letzthin abgesetzte Direktor Kohout, der Schatzmeister der Pfandleihabteilung, ein Oberbuchhalter und zwei andere Beamte der Anstalt. Drozd, so wird der „Voss. Ztg." berichtet, erhielt seinerzeit vom Papste das Ehrenkreuz pro sedosia st pontisiss. Er war früher ReligionSprofestor und besitzt den Titel eines fürsterzbischöflichen Notars. Bis vor Kurzem war er auch Verwaltungsrat der größten tschechischenBank„Zionostenska Banka." Nach der vorläufigen Untersuchung ergiebt sich, daß der 65jährige Herr große Verluste im Liebes- und Börsenspiel hatte. Er soll durch Vertrag sein Vermögen seiner Wirt schafterin und deren Sohn zugewendet haben. Bei der Oefsnung des Schreibtisches fand man skandalöse Privatbriese. Auch die Wirt schafterin des Monsignore Drozd, Anna Mädel wurde infolgedessen festgenommcn; man fand bei ihr zahlreiche Wertsachen und über 30 000 Kronen in barem Gelbe. Der Stadtgemeinderat. Igel, Bürgermeister. Das Gebäude der Wenzelskasse wurde Sonnabend polizeilich besetzt, da sich zahlreiche Einleger ansammelten, die Drohungen und Verwünschungen ausstießen. Zurückgezahlt wurde nichts, da die Revision noch nicht ab geschlossen war. Im „Berliner Tageblatt" steht wörtlich: Monsignore Drozd war ein Lebemann ooraws i1 kaut. Er besaß zwei Villen bei Prag und erregte gradezu AergerniS durch seinen Lebenswandel. Der Bischof verbot ihm zuletzt, als Führer der tschechischen Pilgerzüge nach Rom zu gehen. Der Selbst mord des Oberbuchhalters Ort, der sich vor zwei Monaten vergiftete, führte zur Aufdeckung der übrigen Unterschleife. Die Untersuchung ergab den Mangel jeglicher Kontrolle. Ein neuer Verwaltungsrat wurde eingesetzt; er nahm eine Revision aller Bücher vor, die zahlreiche Fälschungen aufdeckte. In den Bilanzen waren weniger Einlagen ausgewiesen, als eingezahlt. Viele Einlagen waren in den Büchern gar nicht eingetragen. In der Pfandabteilung versetzte Papiere wurden zweimal belehnt. Drozd war fluchtverdächtig; in seiner Wohnung wurden mehrere Koffer mit Geldsummen und Wertsachen zur Abreise bereitstehend gefunden. Kurz eine saubere Schwindelaffäre, die sich im goldenen Prag abspielt. Die neueste Ballonkatastrophe in Paris dürfte in hiesigen Kreisen lebhaftes Interesse erregen, da der Leiter des BallonaufstiegS Bradsky identisch ist mit dem früheren Offizier im 2. sächs. (Königin-) Husaren-Regiment Nr. 19 in Grimma, Premierleutnant Arno Theodor Otokar v. Bradsky-Laboun. Der jetzt Verunglückte ist im Jahre 1886 als Portepeefähnrich in das genannte Regiment eingetreten. Nach seiner Verabschiedung vor einigen Jahren — bis 1900 stand er ä la suits — hat er sich verschiedenen Zweigen der Jngeuieurwistenschaften zugewendet. Längere Zeit reiste er in Ostasien, seit 1899 lebte er Pari- und befaßte sich im Besonderen mit der Luftschifffahrt. Ueber das Unglück in Paris liegen folgende weitere Nachrichten vor: Schon seit acht Tagen war der Aufstieg Bradsky'« mit seinem neuen Ballon „Dirigeable" erwartet worden. Am Montag früh um 8 Uhr ging er nun von Statten. In der Gondel befand sich iußer Bradsky noch ein Passagier Namens Martin, der erst im letzten Augen blick den Platz von BradSky'S Gattin ein genommen hatte, die erst mitfahren wollte. Der erste Teil der Fahrt vollzog sich mit überraschend günstigem Erfolge. Da» Publi kum auf dem „Place de la Concorde" und dem Börsenplätze, die Passanten der großen Boulevards bewunderten die prompte Be Oeffentl. Stadtgemeinderatssitzung zu Naunhof. Freitag, den 17. Oktober 1902. Tagesordnung befindet sich am Ratsbrett. Der Bürgermeister. Igel. wegung der Schrauben des Luftschiffes. Die oberhalb der Sacrcoeur-Kirche ausgeführten Drehungen des Ballons um die eigene Achse erschienen fast noch sicherer als die des Fahr zeugs von SantoS Dumont, später hatte man den Eindruck, als gehorche der Ballon dem schwachen Südwinde, aber bald machte er eine ganz entschiedene Wendung nach Saint Quen, das als Ziel dieses ersten Ausflugs bestimmt war. Bis nach Stains bei St. Denis ging Alles glücklich. Hier aber scheint das Steuer nicht mehr richtig funktionirt zu haben. Die Luftschiffer riefen einen Mann Namens Aubert, der auf der Erde unter ihnen stand, durch das Sprach rohr an. Da aber eine Verständigung nicht gelang, wollten die Luftschiffer die Gondel an den Halttauen senken. Im nächsten Moment stürzte die Gondel mit ihren Pasta gieren hinab, während der Ballon sich hoch in die Lüfte erhob und davonflog Bei dem furchtbaren Sturze wurde Bradsky auf der Stelle getödtet, Martin erlag nach wenigen Sekunden seinen Verletzungen. Die Leichen der Unglücklichen wurden nach St. Denis gebracht. Die Leiche BradSkyS ist furchtbar verstümmelt, sein Begleiter Martin erlag einer Gehirnerschütterung. Nach den Angaben des von den Aeronauten vor der Katastrophe durch das Sprachrohr angerufenen Auber machte der Ballon noch Bewegungen gegen Osten, dann hörte man ein Geräusch, wie wenn Stoff zerreißt, und die Gondel stürzte herab. Die söge- nannten Fallflügel konnten nicht wirken, weil sie an der fortgeflogenen Ballonhülle angebracht waren. Der Ballon wies eine cylindrische Ballon hülle von 22 Metern Länge auf, die mit zwei konischen Ansätzen — der vordere von 8 Meter, der Hintere von 4 Meter Länge — versehen war, sodaß ihre ganze Ausdehnung 34 Meter betrug. Der 17 Meter lange, aus einer Stahlrohre bestehende Tragebalken, der am Ballon horizontal befestigt war, daß die Luftschiffer der Schwerpunkt des ganzen Luft vehikels durch Aenderung ihrer Plätze verlegen konnten. Der verwendete Motor hatte 16 Pferdekräfte, die Propellerschraube zeigte einen Durchmesser von 4 Meter, machte 350 Um drehungen in der Minute, befand sich am Hinteren Teile des Ballons, zusammen mit dem 4 Quadratmeter breiten Vertikalsteuer. Ein wenig unterhalb des Ballonäquators waren zwei Segelflächen angebracht, die eine Länge von 12 Meter und eine Breite von 1,5 Meter aufwiesen. Sie sollten den Zweck haben, gemeinsam mit dem Vertikal steuer zur Gleichgewichtslage des Luftschiffes beizutragen und eventuell als Fallschirm zu dienen. Dr. Nachr. Ueber die Heilbronner Gewerbebank vordem Schwurgericht schreibt die „Frk. Ztg.": Ob Zuchthaus oder Gefängnis, ob bei den Angeklagten von dem Staatsanwalt gemeine Gesinnung anzunehmen sei, oder mit der Vertheidigung der Zwang der Umstände, die anschwellende Konsequenz der ersten Verfehl ungen, das war das Wesentlichste in dem Kampf der PlaidoyerS. Die Geschworenen haben nach fünfstündiger Beratung den be trügerischen Bankerott verneint, ober sie ge währten mildernde Umstände einzig für die Urkundenfälschung, und sie erklärten Fuchs sowie Keefer für schuldig der Untreue, der Verschleierung, Unterschlagung, der betrüger ischen Kursspannung und des Betruges in einer Reihe von Fällen, sowie de» einfachen Bankerrotts für das Vermögen der Bank, wie für da» eigene, sie erklärten Krug für schuldig der Beihilfe zu fast allen diesen Verfehlungen. Daraufhin verurteilte der Gerichtshof den Hauptangeklagten Fuchs, wie gemeldet, fast ganz in Höhe der Anträge des Staatsanwaltes, zu acht Jahren Zuchthaus und ebenso langem Ehrverlust, ferner den zweiten Direktor zu 4^ Jahren Zuchthaus, den Prokuristen Krug zu 3 Jahren 2 Monaten Zuchthaus. Zur Begründung für das Straf maß führte der Vorsitzende etwa au», im Allgemeinen sei in Betracht zu ziehen ge wesen, die schnöde Geldsucht der Angeklagten da» große Unglück als Folge ihrer Thaten und die Täuschung jeglichen Vertrauens. Fuchs speziell habe vermöge seiner geistigen Ueberlegenheit als der geistige Urheber aller Strafthaten und als Verführer der Mitan geklagten erscheinen müssen. Die Strafen werden wohl überall als schwer empfunden werden, zumal wenn man sie damit vergleicht, daß für den noch weit verhängnisvolleren Leipziger Krach einzig über Exner als den Hauptschuldigen Zuchthaus und Ehrverlust verhängt wurde, und nun gar, daß im Sanden-Prozeß einzig der Hauptschuldige zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, seine Mitschuldigen aber sehr glimpflich davon kamen. Das erst 1889 aus einer Genosten schaft zur Aktienbank umgewandelte Heil bronner Institut hatte anfänglich nur 500000 Mk. Grundkapital, schon 1892 ver doppelt auf 1. Million, 1894 weiter auf 2 Millionen und 1898 geschah die Erhöhung auf 3 Millionen. Diese forcirte Vermehrung des Kapitals mag zu forcirter Erweiterung der Geschäfte geführt haben; aber natürlich entschuldigt das in keiner Weise, daß jetzt Verluste vorliegen, nach denen Aktienkapital und Reserven verloren sind und auch den Gläubigern nur etwa 80 Prozent in Aus sicht stehen, noch weniger, daß die Direktoren zu Spekulationen griffen, für deren Verluste jetzt die Bank mit 1 900 000 beansprucht ist. Fuchs hatte nach seiner Angabe schon 1892, also bald nach seinem Eintritt, mit dem Spekuliren in Minen-Aktien begonnen und er hatte das Mißgeschick, bis 1895 etwa 100 000 Mk. zu gewinnen. Gerade das ermuthigte ihn und die Anderen, derart in's Zeug zu gehen, daß schon Ende 1895 350 000 Mk. Verlust Vorlagen, und dann spekulirten sie immer toller auf sie los bis zuletzt viele Millionen engagirt waren, an einzelnen Stellen 4, 5, auch 8 Millionen. Spekulirt wurde in London, Paris, Brüssel, vereinzelt auch in Wien und Frankfurt a. M. So wahnsinniges Spielen mit fremden Geldern suchten die Angeklagten vergeblich zu ent schuldigen, die spekulativen Strömungen oder Ueberredung hätten sie verleitet. Dies solange zu verdecken, wurde erleichtert dadurch, daß die Direktoren darin gemeinsam operierten und daß der Aussichtsrat allem Anschein nach auch dort unter dem dominierenden Einfluß des ersten Direktors stand, der es sogar fertig brachte, das gewichtigste Engagement, das in Backnang, oder doch dessen Stand dem Auf- sichtSrat zu verheimlichen. Strafrechtlich wurde vermutlich gegen kein Mitglied des Aufsichts rats vorgegangen; zivilrechtliche Ansprüche schließt das natürlich nicht aus, und solche werden thatsächlich erhoben. Rundschau. — Berlin, 15. Oktober. Die Buren- generale werden am Freitag Kränze an den Denkmälern Kaiser Wilhelms I. und des Fürsten BiSmarck niederlegen. — Die Reichstagswahlen sollen, wie ein Abgeordneter auf Grund zuverlässiger In- formationen mitteilt, im Juni nächsten Jahres stattfinden.