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Naunhofer Nachrichten. Orts blatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Erdmannshain, Eicha, Fnchshain, GroWeinberg, Klinga, Köhra, Kleinsteinberg, Lindhardt, Pomtzen, Staudnitz, Threna und Umgegend. Bezugspreis r Frei in's HauS durch Austräger Mk. 1.20 vierteljährlich. Frei jin'S HauS durch die Post Mk. 1.30 vierteljährlich. Mit zwei Beiblätter«: Illustriertes Gonntagsblatt und Landwirtschaftliche Beilage. Letztere «lle 14 Laue. Berlag und Druck: Günz L Enle, Naunhof. Redaktion: Robert Günz, Nannhof. Ankündigungen t Für Inserenten der Amtshauptmann- schäft Grimma 10 Pfg. die vierge spalten« Zeile, an erster Stelle und für Auswärtige 12 Pfg. Bei Wiederholungen Rabatt. Die Naunhofer Nachrichten erscheinen jeden DienStag, Donnerstag und Sonnabend Nachmittag 8 Uhr mit dem Datum des nachfolgenden TageS. Schluß der Anzeigenannahme: Vormittags 11 Uhr am Tage deL Erscheinens Nr. 123.Sonntag, den 12. Oktober 1902.13. Jahrgang. Oeffentl. StadtgemeinderatssiHrmg zu Naunhof. Montag, den 13. Oktober 1S02. Tagesordnung befindet sich am Ratsbrett. Der Bürgermeister. Igel. Ein ernstes Wort zu rechter Zeit veröffentlicht das „Chem. Tgbl." in folgendem lesenswerten Artikel: Fast keine Woche ver geht, in der wir nicht einen Konkurs erlebten oder von einem Zwangsvergleich hörten, den man dann noch fast wie zum Hohn Akkord zu nennen vorzieht. Vor diesen überaus traurigen, uns wirtschaftlich und unsern allge meinen Kredit schwer schädigenden Thatsachen dürfen wir die Augen nicht verschließen. Es ist nicht allein das Recht, nein, es ist ge radezu die Pflicht der Presse, die es mit dem Wohle eines Gemeinwesens gut meint und es nach ihrem Teile und mit ihren Mitteln zu fördern ernstlich gewillt ist, auch den krank haften Erscheinungen des öffentlichen Lebens, des politischen sowohl wie des gewerblichen, auf den Grund zu gehen und nach Mitteln und Wegen zu ihrer Heilung suchen zu helfen. Worin hat nun der so häufige und oft unverhältnismäßig bald nach der Eröffnung erfolgende geschäftliche Zusammenbruch, heiße er Konkurs oder Akkord, seinen Grund? Wohl kommt eS vor, daß auch ein scheinbar gut fundiertes, auf soliden, geschäftlichen Grund- lagen aufgebautes, mit Umsicht, Sach- und Fachkenntnis geleitetes Geschäft zusammen- bricht. Und wenn solche Katastrophe in all gemein schwieriger Geschäftslage durch Ver- trauenstäuschungen, durch den Zusammenbruch anderer Geschäfte oder andere entschuldbare und fast unabwendbare Umstände herbeige führt wird, dann werden sie gewiß allerseits mit lebhafter Teilnahme vernommen und dem schwer getroffenen Geschäftsfreunde streckt sich manche Hand entgegen, bereit, ihn wieder aufrichten zu helfen. Das ist aber nicht die Regel. Es spielt sich der Vorgang meistens ganz anders ab: Ein junger, in gar manchen Fällen viel zu junger Mann, der in anderen Städten, in fremden Geschäften bei weitem noch nicht genug Erfahrungen und Menschenkenntnis ge sammelt hat — nicht gesammelt hat, weil er sie natürlich zu besitzen glaubte — eröffnet ein Geschäft. Ihm fehlt also das erste und Wichtigste — kaufmännische Schulung, Sach- und Menschenkenntnis und was fast noch schwerer wiegt als dieser Fehler selbst: er weiß nicht und giebt nicht zu, daß er ihn besitzt. Und dazu kommt dann häufig noch ein anderer Mangel, über dessen Schwere er sich ebenfalls zuerst wegtäuscht, der sich aber nur zu schnell nach allen Richtungen hin fühlbar macht, der Mangel an dem eigenen ausreichenden Betriebskapital. Der gerade ist es, der dem Anfänger, sobald er nur die ersten Zahlungsfristen nicht pünklich innehält, den Kredit verkürzt, seinen besser fundierten Konkurrenten gegenüber in den Schatten stellt, ihn auf die schiefe Bahn bringt, mit den Preisen zu schleudern, was er selbst natürlich „sich mit geringerem Verdienst begnügen" nennt, auf die Bahn, die unaufhaltsam zum Abgrund führt. Was war es denn aber, was den jungen Mann bewog, so frühzeitig ein eigenes Geschäft zu gründen? Das Be streben, nicht mehr in fremdem Dienst zu stehen, seine Füße nicht mehr unter fremden Tisch stecken zu müssen, „selbständig" zu sein. „Ches" zu heißen. Welche ganz andere Stellung! Wie ganz anders kann man auftreten! Welche Rolle kann man da spielen in Gesellschaften, in Vereinen! Mit wie ganz anderen Augen wird man angesehen! Geld ist ja meistens in der Kasse. Da stellt sich auch noch gar zu oft der verhängnisvolle Irrtum ein, das sei alles eigenes Geld. Nein, das ist werbendes Kapital, das zum allergrößten Teil den Gläubigern gehört. Zuerst redet er sich ein: du mußt unter die Leute gehen, du mußt dich sehen lassen. Wie soll man dich sonst kennen lernen, wie willst du da Geschäfte machen? Bis zu einem ganz bescheidenen Grade mag das richtig sein; wer aber der Meinung ist, die Hauptgeschäfte würden in den Kneipen abgeschlossen, befindet sich in einem verhängnisvollen und kostspieligen Irr tum. Und in diesem ist leider mancher junge Geschäftsmann befangen; ja, er giebt sich noch der allgemeinen Selbsttäuschung hin, daß es geschäftliche Pflichterfüllung sei, wenn er die Gasthäuser und Restaurants auch zu solchen Tagesstunden fleißig besucht, wo er nirgends anders hingehört, als in sein Ge schäft. Das Geschäft geht aber nicht so glatt und flott, als er erhofft, es kommen Sorgen und Schierigkeiten. Anstatt daß er nun ver suchte, ihrer Herr zu werden in doppelter Anstrengung, bemüht er sich auf leichtere Weise, sich ihrer zu entschlagen. Er will einmal „auf andere Gedanken kommen", er sucht Zerstreuung, er sucht sie außerhalb des Hauses und Geschäfts, er sucht sie häufiger und länger, zu häufig und zu lange. Daß, wenn der „Chef" saumselig und leichtlebig wird, seine Leute nicht mit ver doppelter Lust und mit regerem Eifer arbeiten, daß wenn der „Herr" morgens spät und übernächtig ins Geschäft kommt, diese sich bis dahin auch nicht zu Tode gearbeitet haben, das hat er zwar früher gewußt, jetzt aber vergessen. Jetzt denkt er daran nicht mehr. Das Geschäft wird ja immer stiller, aber sein Auftreten nach außen hin nicht. Um Gotteswillen nur nichts merken lassen von dem, was natürlich jeder Einsichtige kommen sieht! Im Gegenteil, durch ein flottes Auf treten will er vielleicht doch noch über seine Lage und Kreditfähigkeit Andere täuschen, oder wenn ihm das nicht gelingt, sich selbst auf Augenblicke betäuben. Doch auch be> täubungs- und andere Palliativmittel, wie Schleuderpreise, können auf die Dauer den Sturz nicht aufhaltcn. Eines Tages kommt das Erwachen. Der Bankerott ist da, oder wenn der Zusammenbruch nicht ganz die drohende Gestalt annimmt, der Zwangsver gleich vollzieht sich im Stillen, die Gläubiger büßen, je nachdem, 25—50 Prozent, manch mal wohl Alles ein. Und wer leidet außer dem in Konkurs geratenen Geschäftsmann und den schwer getroffenen Gläubigern noch? Alle braven ehrlichen Geschäftsleute derselben Branche, alle sogenannten Konkurrenten. Ihnen ist der ehrliche Wettbewerb schon vor her durch die Schleuderpreise sauer gemacht, ihnen droht nun noch der Konkursmassen- Ausverkauf neue Schädigung zu bringen. Ja, und wird denn nicht, wenn wir eine Häufung von Konkursen erleben, der Kredit der Ge schäftsbranche erschüttert? Welchen Eindruck soll es denn machen, wenn es heißt: „in dieser oder jener Stadt ist schon wieder ein Geschäft bankerott ?" Und solche Nachrichten gehen doch durch alle Handels- und politischen Zeitungen. Der Wege giebt es viele, dem schweren Uebelstande abzuhelfen, Jeder helfe, wie er kann ; ja dabei können fast Alle helfen! — Zu jun-e Leute dürfen sich nicht selbständig machen, das müssen Eltern, Vormünder, Freunde auf jeden Fall zu verhindern suchen. Laßt sie sich erst in der Welt umsehen, draußen lernen, Erfahrungen sammeln, aufge klärt heimkommen und dann erst ein eigenes Geschäft begründen. Ohne die genügenden Barmittel anzufangen, heißt heute mehr als je dem sicheren Ruin entgegengehen! Darum helfe Jeder, damit es besser werde mit unserem GeschästSleben, mit unserem Kredit und mit unserem geschäftlichen Rufe! Rundschau. — Für das Deutschtum auf der ganzen Erde nimmt man eine Kopfzahl von rund 88i/j Mill. an. Die Zahl der Deutschen in Europa beträgt etwa 76Vz Mill, oder mehr als ein Fünftel der gesamten europä ischen Bevölkerung. In Holland sitzen über 5, in der Schweiz über 2 Mill. Deutsche, in Oesterreich-Ungarn etwa 11 Mill. Nord- Amerika weist 10 Mill. Menschen deutscher Abstammung auf, Afrika 623000, Asien 8 800, Australien 109500. — Die Düsseldorfer Ausstellung wird 20. Oktober im Beisein verschiedener preuß. Minister geschlossen werden. Die Gesamt einnahmen der Ausstellung belaufen sich bis her auf rund 2^/z Millionen Mark, und etwa 2,9 Millionen Personen haben die Ausstellung besucht. Ein Fehlbetrag ist nicht zu erwarten, ebensowenig allerdings ein großer Ueberschuß. — In einer Deutzer Fabrik sind noch einer Mitteilung der „Post" aus Köln be deutende Diebstähle entdeckt worden. Nach und nach seien für 84 000 Mark Gummi gestohlen worden. Einigen Schuldigen ist eS gelungen nach dem Auslande zu flüchten. — Kiel. Prinz Heinrich von Preußen hat sich gestern per Automobil nach Darm stadt begeben. Hamburg. Der Mittwoch Abend von hier abgegangene Dampfer „Pellworm" hat bei Neumühlen einen Ewer überrannt. Der Ewer sank, zwei Mann, die sich darauf be fanden, sind ertrunken. — Bremerhaven. Die Eisenbahnver- ladungsarbeiter in Bremerhaven und Geeste münde sind gestern in den Ausstand getreten. Sie verlangen eine Lohnerhöhung. — Wien. Wie das „Armeeverordnungs blatt" bekannt giebt, ernannte der Kaiser von Oesterreich den König Georg von Sachsen zum Oberstinhaber des 3. Dragoner-Regiments, den Prinzen Johann Georg von Sachsen zum Oberstinhaber der 11. Jnfanterie-RgtS. und den Prinzen Ruprecht von Bayern zum Oberstinhaber des 43. Infanterie-Regiments. — Prag. Wegen großer Defraudation in der hiesigen Wenzel-Vorschußkasse wurden heute dec Direktor Monsignore Drozd und ein höherer Beamter verhaftet. Weitere Verhaftungen stehen bevor. — Genf. Der Bundesrat beschloß die Mobilmachung weiterer Truppen und die Schließung des Theaters. Etwa hundert Personen wurden heute über die Grenze ab geschoben. Vor der Buchdruckerei des „Genfer Journals sammelte sich heute Vormittag eine große Menge Ausständiger an, weil 10 Arbeiter ihrer Beschäftigung nachgingen. Der Direktor des Blattes mußte polizeilichen Schutz nachsuchen. Das Blatt beschloß, seine Werkstätten zu schließen. Alle übrigen Blätter thaten das Gleiche. Gegen Mittag durch zog ein ordnungsloser Zug Ausständiger die Straßen und zwang die dort thätigen Arbeiter die Arbeit zn verlassen. Auf den Bauten ruht die Arbeit seit zwei Uhr gänzlich. E» wird gemeldet, daß die Gemeinderäthe der benachbarten französischen Gemeinden bei der französischen Regierung gegen die Unterbrechung des Straßenbahnverkehrs, die die Gemeinden schwer schädigt, Einspruch erhoben haben. Die ausständigen Angestellten der Straßen bahngesellschaft selbst verhalten sich ruhig, da sie sich des guten Ausgangs des Ausstandes sicher glauben. — Genf. Gestern wurden hier sämtliche Führer der Ausständigen verhaftet. Eine Abordnung der ausständigen Straßenbahn angestellten erklärte sich auf Aufforderung der Regierung bereit, die Direktion der Gesell schaft um eine Konferenz anzugehen, in der versucht werden soll, eine Verständigung her beizuführen. — Madrid. In Lalinea bei Gibraltar, wo 25000 Mann streiken, wollte die Gen darmerie eine Versammlung im Stier-ZirkuS verhindern, sie wurde aber mit Steivwürfen angegriffen, und gab Feuer. Drei Arbeiter wurden erschossen und sehr viele verwundet. Vorher hatte die Menge die Brodläden ge plündert und die Wohnung des Bürgermeisters zertrümmert. Die Stadt ist von Infanterie besetzt. In Sevilla steht der Generalstreik bevor, in Barcelona, Murcia, Madrid und Xeres sind die Aussichten ebenfalls bedenklich. — Paris. Der ehemalige Minister Guyot behauptet im „Siscle", daß die eigentlichen Urheber des Streiks im Dienst der Jesuiten stehen die der. Regierung alle möglichen Schwierigkeiten bereiten wollen. Nachdem sie in der Bretagne Offiziere zum Ungehorsam verleitet hätten, wollten sie nun auch die Arbeiter zum Ausstande verleiten. „Echo de Paris" erklärt die Beschuldigung, daß die Kongregationen hinter dem Ausstande stehen, für kindisch. — Nahe bei Irkutsk in Sibirien öffnete sich nach einem donnerartigen, lange < an haltendem Getöse der Erdboden, und eine riesige Dampfsäule stieg aus demselben empor, während die Atmosphäre sich mit starkem Schwefelgeruch füllte. Die entstandene Erd spalte ist 35 Fuß breit und einige 1000 Fuß lang. — Die letzten Streiche gegen die finische Selbstverwaltung sind geschehen. Finland ist von jetzt an nur noch ein russischer Ver waltungsbezirk, der vom Gouverneur beherrscht wird. Der Senat ist nur noch Verzierung. Er darf über wichtige Beschlüsse nur dann Entscheidung treffen, wenn der Generalgou verneur oder sein Adjutant der Sitzung bei wohnt und den Vorsitz führt. Beide können auch gleichzeitig zugegen sein und mitstimmen. Die Beamten die sonst nur nach richterlicher Untersuchung abgesetzt werden können, werden ünftig auf dem Verwaltungswege ihrer Posten enthoben, wenn sie in einer Weise auftreten, die „mit ihrer amtlichen Stellung unvereinbar ist". Wenn man sich vergegen wärtigt, daß der Generalgouverneur s. Z. den Senat aufgefordert hatte, gegen die Be amten vorzugehen, die die bekannte Maffen- adresse an den Zaren unterschrieben hatten, n der sich die Bevölkerung auf die finischen Gesetze berief, daß der Senat aber keine Ver anlassung fand, gegen die Unterzeichner der Adresse vorzugehen, ist schwer zu erraten, was die Beamten in ähnlichen Fällen zu gcwär- igen haben. Auch die Richter können ohne Urteilsspruch einfach auf dem Verwaltungs wege abgesetzt werden.