Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. VränumeraiionS- Meij 22i Sgr. (' THIr.) rlcrtctjayrtich, Z Thlr. sür da» ganze Jahr, ohne Er- HSHung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Men »rßnumerirt aus diese- Beiblatt her ÄUg. Pr. StaacS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Außlande bei den WohUohl. Post-Lemtern. Literatur des Auslandes. 1S4. Berlin, Dienstäg den 26. Dezember. Türkei. Frauen und Männer im Orient. Bon M. I. Quin"). Ehe ich in der Türkei reiste, konnte ich nie recht wissen, wie wich tig das Weib ist für die harmonische Vollkommenheit der Schürfung. Dort erst bekam ich so wenig von dieser Galtung zu Gesicht, daß ich zum ersten Mal anfing, sie zu vermissen. In den Städten, in den Dörfern, aus dem Felde, im Dickicht der Wälder wie auf den offenen Ebenen, überall sah ich Tag für Tag nur das Gesicht des Mannes. Dann und wann an der Schwelle einer Hülieiithür ließ sich au« der Ferne der weiße Schleier blicken, woran die Gegenwart eines Frauen zimmers zu erkennen war. Doch kaum Halle mein Roß die Richtung nach der heiligen Stelle genommen — denn heilig war sie damals in meinen Augen — so verschwand da« holde Bild, und stall seiner glotzte mich entweder die finstere belurbante Stirn meines eigenen Geschlechts an, oder gar ein grimmiger Bullenbeißer, der sich anschickle, mich zu verschlingen, wsun ich mich dem von ihm bewachten Gebiet allzu nahe gewagt hätte. Die Sache kam so weit, daß mir vor lauter MäiMcr-Gesichtern übel wurde. Mußte nicht auch der fortwährende Anblick von schwarz- braunen Gestalten mit starkem Bart, mit wildrollendem feurigen Auge, mit großen fleischigen Fäusten, mit den bauschigen Shawls um den Leib und Pistolen und IataganS im Gürtel, das Auge ermüden.? Mußte e« nicht mehr al« je nach den rosigen Wangen, den rubinrolben Lippe», dem fanslen Blick und den zarten langen Fingern einer Evastochter schmachten? — Doch weder im Thal, noch am Brunnen, weder im Weingarten, noch aus dem Hügel, weder im Walde, noch bei den Heerde» war ein Weib zu sehen. Uebcrall war Er und wieder Er und nicht« als Er. Ost Hörle ich aus der Ferne da« Läuten der Schaas- oder Ziegen- schellen. Halt, dacht' ich, dort auf der Höhe, wo die Thiere ihr Futter suchen, da muß gewiß eine Schäferin in der Nabe sehn, und sporn streichs ging's die Höhe hinaus, um, wie ich meinem Führer ein- redcle, zu botanisiren, in der That aber, um die innerste Sehnsucht meiner Seele zu stillen, um, wenn auch nur momentan, einen Blick zu erhaschen von der Maid, die vielleicht unter dem Schalten eines Felsens oder einem Hausen Strauchwerk schlummerte und mit dem Haberrohr oder ihrer zarten Stimme die Heerde unter Aufsicht hielt. Da« Kostüm war wir ganz gleichgültig: mag sie in einem ungefärbten Lammfell stecken oder in den Lumpen dessen, was einst ihrem Papa al« Mantel diente — das kümmerte mich wenig, wenn ich nur hinter der Vermum mung den verschämten Blick des weiblichen Geschlecht« entdecken konnte. — Aber auch hier sollte ich getäuscht werden. Tief eingewickelt in ein grobes Sacktuch oder in die Haut eines Rhinozeros lag ein kleiner Wilder da, halb Orangutang, halb Robinson Ernsoe, fest schnarchend, mit dem spärlich gestillten Schnappsack unter dem Kops und einem dürf tigen Slück Hirienstab neben sich. Kurz, Frankenstein"") selbst war feiner eigenen Schöpfungen nicht halb fo überdrüssig, als ich diese« ewigen Einerleis von Mannern, an deren Existenz ich so ganz unschul dig war. -- Kc« Nachts spät kamen wir an eine Anstalt, wie man sie j» Frankreich eine ->ul>erz«: nennen möchte, in der Mille einer kleinen Häusergruppe. Wir wollten ein Paar Belten und ein warmes Adend- brod, keinen Kaffee, auch nicht einen Fingerhut voll, denn nach einem fo langen Ritt und nachdem wir den ganzen Tag nichts gegtssen, als eine Brodkrustc, eine Zwiebel, drei Harle Eier und eine Handvoll Stein- falz, konnten wir unmöglich mit Kaffee zu Bett geben. Wir wurden, wie gewöhnlich, von einem Manne empfangen, der sich anschickte, die Kvhicn auf dem Heerd anzublasen und seinen Kaffee-Apparat in Ord nung zu bringen. Doch so woblseil war ich nicht zu besriedigen. Ver gebens entschuldigte er sich damit, daß seine ganze Familie in den Bel- icn wäre. Ich blieb dabei, ick> müßte da« Beste bekommen, was da« HanS beschaffen könne. — Während noch meine Befehle zwischen dem Führer und dem Gastwirtb hin und her diskutirt wurde», ging ich selbst an eine nähere Prüfung meine« Gewissen«, und da mußte ich mir denn gestehen, daß eine gute Mahlzeit zwar nichts schaden könne, daß cs aber bei diesem dringenden Verlangen nach warmem Abcndbrod auf etwa« Anderes abgesehen wäre: ich hoffte dadurch eine von den Frauen der Familie au« dem Harem in das Küchen-Departement des Hause« hinauSzulcckc». Wirklich sah ich auch von draußen mehr als ein Ker zenlicht hinter den vergitterten Fenstern deS Oberstock« hin- und zurück- ') Dun Verfasser der „Donau-Reife mit deni Dampfkoole durch Ungarn, die Türkei ec." "') Der Hel» eine« Englischen Roman«. 1837. MWSMll wandeln, und im Hause selbst konnte ich deutlich mehrere leise Fußtritte vernehmen, die rasch über mir hinglitien. Jetzt, dachte ich, sind sie ausgestanden, und sobald sie sich angekiridcl und verschleiert, müsse» sie mit ihren Schmorpfannen, ihren Schüsseln und den Produkten ihrer Speisekammer herunter kommen. Sind dann auch die Gesichter so viel wie möglich versteckt, so lassen sich doch die Augen nicht znschlicßcn, und selbst dann bleibt noch der sylvhenariigc Zauber ihrer Gestalt und die Musik ihrer sanslen, zarten Stimme, und die schöne Hand endlich, die das Mehl zu kneten oder den Kuchen auf dem Heerd zu drehen hat. — Aus diesen poetischen Träumen weckte mich die ausgehende Thür; ein Mann mit einer großen hölzernen Mulde trat herein, setzte die Mulde aus die Erde nieder, und zu meinem Schrecken erkannte ich einen sc» tigcn warmen Küche» und einen hölzernen Napf mit geschmortem Reb huhn, Zwiebel und Reis. Hierauf brachte mein Wirlh einen Krug und eine Serviette, goß etwa« Wasser auf meine Hände und überreichte mir die Serviette mit dem gastlichen Blick eines Patriarchen ans der Vor zeit, indem er mich freundlich zu dem Mahle einlud, das wie wunder bar vor mir bergezaudert war. Ueber uns wurde c« immer stiller, bald Hörle man keinen Fußtritt mehr, und cs schien, al« ob in dem ganzen Hause des Manncs kein weibliches Wesen vorhanden sey. Die letzte Pest, dachte ich, hat gewiß sämnttliche Franc» au« diesem Theil der Osmanischen Besitzungen mitgenommen. Woher e« kommt, daß da« Weid gerade in dem Erdthcil, wo e« seinen Ursprung hat, so allgemein und so ängstlich abgcspem wirp, ist eine Frage, die ich noch mehl genügend beantwortet gefunden. Ohne Zweifel ist es cine Sitte, die sich schon von den allcraltestcii Zeilen verschreibt. Es geht aus vielen Stellen in den heiligen Schriften her- ' vor, daß die Franc» der Familie in de» Zeiten wenigstens, von welchen diese Bücher handeln, meist nur in den inneren Gemächern de« Hauses zu finden waren. Ma» sicht ans de» schönen Schilderungen häuslicher Beschäftigung, wie sie in der Odvssec so häufig Vorkommen, daß die Lllercn Griechen eine ähnliche Sitte hatten, die selbst heute »och nichr unter ihrer Nachkommenschaft erloschen ist. Die polytheistischen, wie die muhammedamschc» Hindu'S, die Perser, die Armenier, die Türke». Alle, »amenttich die Letztere», beobachten ganz dasselbe Gesetz; sie alle hallen ibre Weiber, ihre Beischläferinnen (oder, wie Miß Pardoe") sie ncniil, Odalisken) und ihre Töchlcr vor den zudringlichen Blicken der Außenwell abgesondert, und man sieht also, daß diese« Verfahren nicht, wie Biele geglaubt haben, in de» Vorschriften des Korgn seinen Ur sprung hat, sondern in einer alten Sitte, die säst in allen Ländern Asiens gleiche Geltung zu haben scheint. Einem Europäer aber, der zum ersten Mal dorthin kommt, kann nicht« schrecklicher seh», als wenn er unter allen Arlen von Männer- Unppen, die er ans der Reise antrifft, vergebens nach einer weiblichen Gestalt sucht. In Bulgarien, wo noch unter den Anhängern des Pro pheten ein ansehnlicher Rest christlicher Familien lebt, scheinen die Frauen, die dem Krenz angchörcn, mehr Freiheit zu genießen, al« ich sonst in diesen Gegenden bemerk!. Sic gchcn srei umher, wie im eivi- lisirlen Europa, oft im bloßen Haar, zuweilen glich mit Tüchern um den Kopf, meist nnverschleiert. Als Zeichen der Berechtigung auf diese Privilegien, die ihnen durch Rußlands Fürsprache zugesichert worden, müssen sie auf der linken Schuller oder Brust ein rolbes Kreuz tragen, da« gewöhnlich in Seide gcarbeitct oder auf ihre Kleidung gestickt ist. Dieses heilige Symbol macht einen herrlichen Eindruck. ES erinnert an die Tage der Kreuzfahrer und giebt einen mächtigen Beweis von ter civilisirendcn Kraft des Cbristenibum«. Besonder« scvön nimmt e« sich in der Ferne au«, umringt von lauler mubammcdanischem Wesen, da ist e« recht dazu gemacht, jene Liebe und Harmonie in das Leben zurückzusührcn, die durch den monotonen MännerdeSpokiSmuS der Tür ken daraus verbannt war. Bei meiner Ankunst in Konstantinopel sand ich in diesem Abson derung«-System der Frauen eine größere Milderung, al« ich erwartet. Obgleich die Zahl der Männer auf den Straßen '»och immer größer war, al« die drr Frauen, so sah man doch die Letzteren ganz frei nach den verschiedensten Richtungen ihren Weg nehmen; alle aber mehr oder weniger dich! verschleiert. Eine Europäische Dame versiebt unter dem Ausdruck „verschleiert" eine oder ein Paar Quadrat-Ellen von feinem Musselin oder Spitzen, so über Kops, Busen und Rücken ge worfen,-daß man noch Gesicht u»d Gestalt deullich unterscheiden kann, wie die Sonne hinter einer Nebelwolke. So haben wir diese Mode au« Spanien bekommen, und ein Schleier der Art ist wahrscheinlich nur eine Modifikation der strengen Tracht, die von de» Mauren in ') Die Verfassers» re« Bucke«- „IM cttx «k eü« 8°!-»»."