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Belehrung und Unterhaltung. . 34^6 Stück/ den 2. Mai l8o8. Ansichten von Indien. I. ^^6 gibt Völker, welche der Geschichte Zwar keine hochwichtigen Thatsachen liefern und keine großen Erinnerungen erwecken, aber in ihrer Physiognomie, in ihren Meinungen und Sitten so viele Eigenheiten, in ihrem Klima, und selbst in der Dunkelheit und Ungewißheit ihrer historischen Erinnerungen etwas so poetisches haben, daß ihr Nähme allein die Einbildungskraft ergreift, und neu gierige Theitnahme weckt. So die Nach barn der Morgenröthe, wie der äl teste griechische Geschichtschreiber sie nennt, die Bewohner der schönen und fruchtbaren Gegenden, die der Ganges und Indus durch- strömen. Von den frühesten Zeiten an, wo diese Gegend schon durch Handelsverkehr mit den übrigen in Verbindung war, hatte sie großen Einfluß auf die Meinungen der civi- lisirtesten Nationen. Die Indischen Weisen wurden als die Weisen der Menschheit be trachtet, und nichts glich in der alten Welt dem Ruhme der Gymnosophisten und Drah- manen. Die Griechen, so stolz auf ihr ei- grnes Verdienst, nahmen stets die Indier von der Verachtung aus, welche sie auf alle andre Völker warfen. Ihre berühmtesten Weisen holten Unterricht von den Indischen Philosophen, und wer bis an die Ufer des Ganges gedrungen war, die man für die Heimath hoher Weisheit hielt, dessen Ruf war fest gegründet. Die Römer, die andre Völker nicht minder verachteten, und die Kunst des Kriegers für das höchste hielten, hatten eine eben so hohe Meinung von den Indiern, welche von jeher die sichre Beute jedes Eroberers wurden. Diese sonderbare Verehrung jener fer nen Gegenden, diese hohe Meinung von der Indischen Weisheit, die sich, wie so viele andre Meinungen, auf einen Aberglauben gründete, den die Entfernung der Gegen stände und Unkunde erzeugten, verlor sich bei den Neuern. Leichtere und häufigere Reisen haben ihnen genauere und gewissere Nachrichten gegeben, und wenn sie auch die Schönheit und Fruchtbarkeit jener Gegenden, den Neichthum lind die Mannigfaltigkeit, ihrer Erzeugnisse besser kennen und würdigen, als cs bei den Alten der Fall war, so ziehen sie doch nicht als Philosophen an die Ufer des Ganges, sondern bloß als Kaufleute, Ll