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WichtMlich »scheint» drei Nummern. Pcänumcration«- Pni« 22j Dgc. (j Tblr.) »icrtctjgbrlich. 3 Lhlc. für da- ganze Jahr, ohne Er- HSHung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prtnumerict aus -lese« Beiblatt der Allg. Pr. Slaal«. Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Aukland« bei den WolMbl. Post > Aemtern. Literatur des Auslandes. Berlin, Montag den 18. Januar 1837 Frankreich. Die Geschichte zum Kranklachen. Bo» Fröderic Soulie. Meiner hieß Gangnernet; meinet, füge ich, denn wahrscheinlich hat jeder Leser seine» eigenen, von dein er zu erzählen weiß. Ich darf die Art Menschen nur deschreibe», und jeder Leser wird sich erinnern, daß ihm so einer schon vorgekommen ist. Klein, untersetzt, dick und rund, kurzes starres Haar, niedrige Stirn, graue Augen, Nase mit breiten Flügeln,'ausgebauschte Backen, — Alles an der ganzen Figur in einander geschoben, der Hals zwischen die Schultern, die Brust ans den Magen, der Magen an den Bauch, der Bauch auf die kurzen Beine. So ein Menschlrin-kugeli und kollert Luch vor die Füße, kichert und kreischt Euch in die Ohren, — packt Euch aus der Straße von Hinte» beim Kops, hält Euch die Auge» zu und fragt, wer bi» ich? — zieht Euch den Stuhl hinieirücks weg, wenn Ihr Euch gerade setzen wollt, — zieht Euch das Schnupftuch aus der Hand, wenn Ihr s just an die Nase bringen wollt, — und wenn man dem Mannchen darüber einen grimmigen Blick zuwirft, so kommt es nicht im mindesten aus der Fassung, sondern reibt sich vergnügt die Hände und schnarrt: „Ha, ha, das ist zum Kranklachen! " Also, lieber Leser, Du weißt, wie Deiner beißt, und ich sage Dir, wie meiner heißt: Ganguernet. Zu Rennes habe ich ihn kennen gelernt; dort trieb er al» Pcffenrrißcr sein Handwerk, und er trieb es so recht mit allen Griffe» und Kniffen. Niemand übertrat ihn in der Kunst, an den Klingelzug einer großen HauSlhür ein Stückchen Fleisch oder Wurst zu bescstigen; jcder herrenlose Hund, der nur vordeilies, sprang und schnappte nach dem Biffen, und so wurden die Domestiken zehnmal in der Nacht aufgeweckt. Mit »och größerer Virtuosität wußte er Ladenfchilder abzuuchmc», anszubänge» und mit einander zu ver tausche». Einmal hob er das Schild eines Friseurs ab, sägte es ent zwei und leimte es mit dcr Halste von dem Schilde eines anderen Nachbars zusammen; am anderen Morgen war zu lesen: M. Roblot vermietbet Lohnsuhren und falsche Locken a I» pari--. Sin andermal hängte er die hölzerne Schildlasel eines Puppen-Theaters über einer Apoldele ans, so daß ganz Rennes am Morgen las, wie solgt: Jahr markt-Theater in. ter Apotheke von M. F Waren Herrn Gcmguernet's Streiche in der Stadt so anmutbig, so warrn ste aus dem Lande vollend» liebenswürdig. Mil dem größten Geschick zerschnitt und verstreute er die Haare einer Bürste im Bette feines gute» Freundes, so daß der Mann es keine Viertelstunde im Belle au»hailtn konnte, ohne vor Kratzen und Stechen in der Haut rasend zu werde». Wenn Jemand etwa in einem Zimmer schlief, das von Herrn Gangnernel's Zimmer nur durch eine Holz- oder Lapeien- wand geschieden war, so wußte unser Freund diese Wand höchst künst lich zu durchbohren und eine Schnur hindurch zu prakiizirrn, die er an der Bettdecke des Nachbar» befestigt batte Wem, dann der Andere schlief, fing rr ganz sachte an, die Lecke hinwegzuzieben, so lange, bis der Schlafende nicht» am Kopf und nicht» an den Füßen batte. Be sonder» wenn die Nächte recht kalt und feucht waren, pflegt, Herr Ganguernel sich dieses Vergnüge» zu machen. Der Schläfer erwacht ganz starr vor Kälte, wickelt sich sorgfältig ein und legt sich ,„»» Ohr, ohne etwas Arges zu denken. Kaum merkt das Gaugucrncl, so zieht er sachte wieder am Schnürchen, bi» dec Andere vor Acrger, Ungeduld und Frost zu. brummen und zu fluchen ansängt; dann legi Ga»guernel den Mund an da» Loch in dcr Wand und ruft: „Ha, ba, das ist zum Kranklachen!" Wenn unserem Freund eine Person von recht einsälligem Gesichte, eine von de» Figuren in den Wurf kam, bei denen man schwer dcr Versuchung entgeht, sie zum Narren zu haben, — dann führte Herr Ganguernel folgendes Lieblingssiückchen aus. Er enlwcndcl dem Schla fenden Hose und Rock und naht ste mit vielen Slicheu dermaßen zu sammen, daß ste bedeutend enger werden; er legt ste wieder hin, dann lriu er ans Brtt, rüttelt den Bedauernswürdigen, er soll aussprmgen, sich schnell ankleiden und uni aus die Jagd gehen. Der Mann springt auf. will in seine Hosen sahren und kann nicht hinein „Um Gottes- willrn, mein Bester", ruft Ganguernel, „was ist denn da» mit Ihnen, was fehlt Ihnen denn. Sie sind ja ganz geschwollen." — „Wie, ich?" — „Und wie geschwollen!" — „Wirklich?" — „Ich wollte mich gern geirrt haben, klcidcn Sie sich nur an, kommen Sic hinunter, wir wollen die Anderen frage», ob sie's auch merken." — „Aber ich kriege die Kleiber nicht an!" — „Sehen Sie wohl, Sie sind geschwollen; wenn es nur nicht die galoppirendc Wassersucht ist." Und so fuhr er fort, den Armen zu ängstigen, bis die Poffe sich mit dem hergebrach te» Worte löste: „Ha, ha, 'S ist zum Kranklachen!" Der abscheulichste Streich in dieser Art war wohl folgender, womit er einem Maune, der allgemein für äußerst muthig galt, einen lödtli- chen Schreck einjagte. Der Mann legt sich zu Bette uiid fühlt unten zu Füßen etwas Kaltes, Klebriges, Glatte»; cr betastet es mit den Füßen, cs ist ein runder, länglich gestreckter Körper; er rührt es mit Händen an; wahrhaftig, es ist eine zusammengerollte Schlange. Bon Schreck und Ekel übermannt, springt er mit einem lauten Schrei aus dem Bette: steh da, Ganguernet" kommt aus seinem Versteck hervor, klatscht i» die Hände und schreit: „Ha, ha, zum Kra»klachcn!" — Was nämlich jenem so große Furcht eingejagt, war nichts als eine Aalhaut, mit nassem Lehm auSgestopst. Der Gefoppte war wülhend und wollte dem Spaßmacher den Hirnschädel einschla^en; Ganguernet wars ihm, sich venbeidigeud, eine ungeheure Kanne mit Wasser an den Kopf und lies eiligst davon, während er in einemsort schrie: „Ha, ha, zum Kranklachen!" Die Hausleute liefen auf den Lärm herbei, und e« gelang ihnen, den Wülhendcn, Gefoppten, Begossene» zur Ruhe zu dringen, indem sie ihm vorstellten, was der Ganguernel für ein treffli cher Kerl wäre, ein munterer Zeisig, ein Bruder Lustig, ohne den man vor Langeweile umkommcn müßte, zumal aus dem Landr. Der Meinung werde» unsere Leser nicht sehn; vielmehr gehörte Herr Ganguernel zu den uneriräglichen Kreaturen, die ihren Neben- menschen überall in dir Quer kommen, gerade wie wenn Euch ein Hund übers Brettspiel liefe und mit seinen vier Pfoten alle Eure Lieb lingspläne zu Schanden würsr. Nein fürwahr, ein solcher Mensch ist schlimmer und unerträglicher al» ein Hund, denn man kann sich ihn nicht so leicht vom Halse schaffen. Nicht im Ernst, nicht im Scherz, nicht in der Freude, nicht in der Traurigkeit ist man vor ihm sicher; jeden Gedanke», den man sich macht, jede Empfindung, di« Einen be schleicht. jede» Vorhaben, mit dem man umgeht, sie lauern darauf, sie späben es aus, und dann paffen ste genau den Augenblick ab, wo sie Einen mit ihren Verbal- oder Nealpoffe» ärgern Und verblüffen können Sie sind nicht allein lästig, sondern wirklich gefährlich; denn sie bringen Euch dahin, daß Ihr unwillkürlich über Ändere lacht, hie gcsopvl «erden, gleichviel obs Eure besten Freunde oder Eure bittersten Feinde sind, und indem Ihr solchergestalt Vergnügen oder Echadeu- sreudc an den Neckereien empfindet', womit man Andere heimsuchl, werdet Ihr gewissermaßen zu Mitschuldigen des Possenreißers. Unver sehens kommt die Reihe an Euch selbst, und dann bürst Ihr so wenig auf Barmherzigkeit^ rechnen, als Ihr ste selbst geübt habt Da« Klügste ist dann, sich so wenig al» möglich darüber zu ärgern, wenn man Euch tüchtig auelacht, uud am besten ists, wen» Ihr selber mil lachen könnt. Indeß auch unter den Possenreißern gkebl cs verschiedene Stufen des Ranges und der Kunst. Manche ergehen sich in so gemeinen uud trivialen Späßen, daß sie sich sehr schnell um allen Netpek» bringen. Das Repertorium ihrer Farcen und Streiche ist ziemlich bekannt und leicht ausgebraucht. Z. B. Man fährt zur Nachtzeit unvermulhet mit dem Kopse durch das geölte Papiersenster einer Schuhflicker Werkstatt und tragt den Mann drinnen, ob er wisse, wo der Finanz-Minister oder Erzbischos wohnt, oder: man ziel» im Dunkeln eine Schnur quer über die Treppe, so daß Alle, die binuntcisteigen, eine Rutschsahrt z«>r zwnle- rinrn machen müssen, oder man weckt mitte» in der Nacht einen No- larius aus und heißt ih» eiligst zu dem und jenem seiner Klienten kommen, dcr im Sterben liege und ein Testament machen wolle, wäh rend der Manu natürlich sich so gesund befindet, wie ein Fisch >m Wasser. Dergleichen Streiche giebt'» tausenderlei; es sind die AnsangS- gründe, die ersten Handgriffe zum Melier; wer zweifell daran, daß Ganguernel ste meisterlich verstand? Aus seinem Repertorium standen aber noch ganz andere Dinge von seiner eigenen Erfindung, und aus diese gründete sich eigentlich sei» ungeheurer Rus Einmal war ich Zeuge von einer wirklich geistreichen Mvstificalion, die er angestistet balle. Wir befanden uns in zahlrei cher Gesellschaft aus dem Landt. Eine etwa dreißigjährige Dame ge noß die Ebre, daß Ganguernel ihr vorzügliche Aufmerksamkeil widme»; sie aber, eine entschiedene Freundin des Modische», Eleganten, Parisi» fchen, sand an dem blaffen, seinen Angesicht eines ziemlich hübschen und ziemlich einfältigen jungen Manne» mehr Geschmack, als an Gan« giiernei's rundem glänzenden Purpuranilitz So sehr auch Ganguernet den schönen Helden in Gegenwart und vor Augen der Dame hänseln mochte, seine Einfalt galt bei ihr immer für poetische Zerstreutheit und seine Leichtgläubigkeit für ehrliche? Kemülb. Eines Abend» ginge» wir au« sinander und zur Ruhe; e« war eben zuvor von dem blaff.» jungen