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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumcrationS- Prei« 22j Sar. s- Lhln) vierteljährlich, 3 Tblr. sür in- ganze Jahr, ahne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man xränumeeiri aus diese- Beiölatt der Mg. Pr. SlaatS- Ieilung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. Z4); in der Provinz so wie im Au-lande bei den Wodllöbl. Pest - Aemtern. § ? r c r a t u r d c s A ll s! a n d e s. Bcrlin, Montag den 9. Januar 1837. Frankreich. Jean Gliörin am Hofe Napoleon'S. Au« dem Leben diese- Künstler«, von Loni- Levrault. Zn einem eleganten Boudoir des Palastes der Tuileriecn, dessen blaue Alla«-Tapete reich mit goldenen Adlern verziert war, beendete eben ein Maler in Hosklcidung da« Portrait einer Dame, die nachlässig aus einem Divan von kostbarem Indischen Kaschemir saß. An ihren Zügelt, die noch sansl und lieblich waren, obgleich der Reiz der ersten Jugend sie verlassen, an dem Schmachten ihrer großen schwarzen Augen, an ihrem kreolische» Teint, dessen glühende Farben noch von dem Hauch einer tropischen Luft belebt zu sevn schienen, vorzüglich aber an der seltenen Grazie, die über jede ihrer Bewegungen aukgegoffen war, hätte wobl da« ganze Europa der damaligen Zeil eine Herrscherin, die .-kaiserliche Gemahlin de- Helden unseres Jahrhundert«, Josephine, den guten Geniu« Napoleon'«, erkannt! Mit dem Künstler sich unterhal tend, fragte sie ihn wegen ihrer Toilette um Rath, versuchte mit an- mulhigcr Koketterie, ob diese oder jene Blume sie besser kleide, ob da« in dem Feuer von hundert Schlachten geschmiedete Diadem einen Theil der Stirn bedecken ober sie ganz frei lassen sollte — al« sich plötzlich die Thür de« Boudoir« öffneie und der Kaiser einlrat. Er setzte sich neben Josephine auf « Sopha, flüsterte ihr einige Worte zu und neigte dann den Kopf über die Schulter de« Maler«, um da« Portrait zu betrachten. Wie groß mußte Napoleon s Erstaunen kev», al« Jean Guörin schnell mit seiner Hand da« Miniatur-Bild bedeckte und mit Künstlei- stolz sagte: „Verzeihen Ew. Majestät, ich lasse meine Gemälde nur dann erst sehen, wenn sie ganz vollendet sind." — „So machen Sic bei mir eine Ausnahme", crwiederte der Kaiser mit freundlicher Stimme. — „Ich muß e« Ihnen abschlagen, Sirr.... Auch die Maler haben ihre Koketieriecn." Napoleon besteht indessen daraus, und von dem hartnäckigen Wi derstand de« Malere ausgebrachl, ruft er endlich mit der Herrscher- Stimme de« Kaiser«: „Ich will e«!" Bei diesen Worten, vor denen halb Europa erzitterte, wenn derselbe Mund sie an«sprach, blieb Jean Guörin unbeweglich; die «»«gestreckte Hand bedeckte noch immer da« Portrait, und — der Kaiser gab nach. Lächelnd sagte er, indem er da« Zimmer verließ: „Ich räume Ihnen da« Schlachtfeld, Herr Guerin!" Am anderen Tage ward der Maler von dem Hof-Marschall Duroc nach den Tuileriecn beschieden. Er sollte ein neues Portrait beginnen; — c« war da« de« Kaiser«. .... Guörin wurde im Jahre I7S0 in dem Straßburger Münz- Gebäude, wo sein Later al« Graveur angestellt war, geboren. Sei» erster Lehrer, Huin, war damals al« Pastell-Maler berühmt; Guörin« vortreffliche Arbeiten in diesem Fache zogen bald die Aufmerksamkeit de« Gouverneurs vom Elsaß, Herrn von Contade-, und die vieler anderer vornehmer Herren auf sich; der junge Künstler ward nach Paris ge schickt, nm sich in der Malerei zu vervollkommnen und sbin Glück zu versuchen. — Er blieb dort nicht lange unbemerkt. Die Pastell-Malerei war damals schon aus der Mode gekommen, und der'berühmte Augustin halte der Miniatur-Malerei, dieser jetzl gänzlich enllbronien Kunst, einen mächtigen Schwung gegeben. Ein sprechend ähnliches Bildniß der Frau von Malignen, der Tochter des Premier-Minister«, Baron« von Breteuil, brachte Guörin in Mode, und Alles, was in Paris Anspruch auf seinen Ton und Vornehmheit machte, wollte sich nur von ihm malen lassen. — Wie eine Flamme, die dem Verlösche» nabe ist, noch einmal bell auflodert, cbe sie erstirbt, so strahlte auch um diese Zeit die ehemalige Aristokratie in ihrem schönsten Glanze. Unbekümmert um die Zukunft, beschäniate sich der Französische Hof mit den schönen Künsten und Festen, lanzir über dem schon bald geöffneten Abgrund der Revolutionen, und gleich den Opfern, die man schmückt, ehe sie zum Tode geführt werden, wanden sich die Frauen Blumenkränze durch die vielleicht einsi von der Guillotine durch schnittenen Locken. — Die Königin Marie AmoineUe ivteresstrle sich sür tcn jungen Straßburger Künstler. Zwischen zwei Bällen und zwei Festlichkeiten in Trianon ließ sie sich von ihm malen; und von dieser zeit an wurde Guörin der Liebliiig, der tägliche Gast der berühmtesten «je der vornehmsten Bewohner der Hauptstadt. < Während dieser glänzendsten Epoche seiner Laufbahn knüpfte er ein innige« Freundschaft-, B-mdniß mit Kleber. Sie wäret, in Straßburg Spielgefährten gewesen, und Kleber war nach Pari« gekommen, um sich in tcr Bildhauerkunst, wie Guerin in der Malerei, zu vervoll. kommnen. Diese anscheinende Gleichheit der Bestrebungen brachte sie noch näher zusammen, und bald wurden sic unzertrennliche Freunde. Ader eines Tage« machte sich Kleber auf, um in Ocstcrrcichischcr Uniform gegen die Türken zu Felde zu ziehen. Zehn Jahre später wurde» sie aus« neue vereinigt; der Bildhauer hatte dem Helden der Republik Platz gemacht; aber dec Maler sand seinen Kleber dennoch unverändert wieder. Nach dem lü. August verbannt, flüchtete Guörin zuerst nach Straß burg, um unter dem väterlichen Dache Schutz zu suchen. Dort machte er Desaix'« Bekanntschaft, und bald zählte Kleber'« Liebling einen Heldcn mehr unter seinen Freunden. Al« Monnet, der Maire von Straßburg, den Beseh! erhalten Halle, Guörin sestzu»rbmeu, reltcle ihm Desais die Freiheit und wahrscheinlich auch da« Leben; er steckte ibn in Soidalen- Kleider, nahm ibn mit sich zn den Vorposten und half ibm in das Schloß Illenwiller, nahe bei Andlau. Diese« gekörte damals derselben Familie, in deren Mitte Guörin vierzig Jahre später seine letzten Tage verlebte. Der Künstler blieb bis nach der SchrcckenSzeit in Illenwiller verborgen. Endlich schienen sür Frankreich glücklichere Tage anzubrcchen, und Gnöcin konnte sich aus'« neue den Künsten weihen. Er kam nach Paris zurück und ward durch die Verwendung mrbrcrer berühmter Generale von dem Direktorium, wenn auch nicht beschützt, doch geduldet. Sein Rus verbreitete sich jetzt weil und breit; Kleber « Bildniß erschien um diese Zeit, von ihm gemalt, und war so vortrefflich, so sprechend ähn lich, daß c- die Aufmerksamkeit Bonaparte'«, der damals mit den Vor bereitungen zur Expedition »ach Aegypten beschäftigt war, auf sich zog; er ließ den Künstler darum bitten und behielt es mehrere Tage auf seinem kleinen Zimmer in der rue Oumtoreine. Nach diesem Portrait sind alle später.erschienene Bildnisse Kleber'« kopirt worden. Guörin'« Manier hat sich immer vor der der beiden anderen großen Meister in der Miniatur-Malerei au-gezeichncl; viele Kenner behaup ten, daß Augustin sauberer ui der Anssubrung und Zsabey energischer, aber weniger korrekt gewesen sev. Während de« Kaiserreich« waren Itabey und Guörin Hofmaler, und Jeder von ihnen hatte seine ent schiedenen Anhänger und Gegner. Die Meisten, Napoleon an der Spitze, zogen Isabev vor, aber die Kaiserin und ihre Hofdamen prote- girlen Guörin und liebten nur seine Manier. Wir haben gesehen, mit welchem Mulbe er seine Künstler-Unabhängigkeit zu vertbeidigen wußte. Diese wohlbekannte liebenswürdige Dreistigkeit, mit der er immer aus die feinste Art und unter alle» Formen de« höheren Gesellschafts-Ton« seine Unabhängigkeit zu erhallen suchte, trüge» vielleicht eben so viel, wie sei» Talent, dazu bei, ihn bekannt und berühmt zu machen. Er malte stets in seinem Hause und machte nur bci dem Kaiser und der Kaiserin eine Ausnahme von dieser Regel. Was die Prinze» der Kai serliche» Familie und die fremden regierenden Häupter betrifft, welche damals nach Paris kamen, so mußten sie, wie einfache Privatleute, den Maler in seiner Wohnung aus dem Huai Voltaire aussuchen u»d ihm dort sitzen. Seine liebenswürdige, geistreiche Unterhaltung verlieh übrigens diesen Sitzungen einen seltenen Reiz, und ost besuchten ihn die hoben Modelle noch, nachdem da« Portrait vollendet war, um mit dem Künstler sich zu unterhalten. So ward Guörin, säst ohne e« zu wollen, in mehrere galante Intriguen jene« jungen militairischen Hose«, welcher die seinen Sitten mit der Ungebundenheit und Zügellosigkeit eine« Feldlager« vereinigte, eingcweibi. Wahrlich, Niemand hätte wohl leichter al« er seinen Beitrag zu der tchrnnigue «nunilsleu»» aus der Kaiserzeit liefern können; aber Guörin'« Redlichkeit verbot ihm jede Indiskretion, und wenn seine Freunde in ihn drangen, daß er ihnen auch nur die kleinste unbedeutendste Einzelnheit aü« seiner Künstler- Laufbahn miitheilcn möge, wenn sic ihn mit Fragen über Dinge, die ibm allein bekannt waren, bestürmten, erwiederle er ihnen lächelnd: „Ein Miniatur-Maler ist wie ein Notar oder Beichtvater; die Pflich ten seines Standes erheischen liefe« Stillschweigen von ibm." Die folgende Anekdote, die er gern zu erzählen pflegte, möge dazu dienen, den Charakter einc« Helden jener Zeit, in Bezug auf diesen Gegenstand, recht treffend zu schildern. Joachim Mural, dieser Husar, der sich durch seine» Säbel zum König von Neapel cmporgcschwunge» balle, besuchle den Maler Guörin, um sich portrailiren zu lassen. „Wie viel Portrait«, glauben Sic wobl, habe ich von Ihnen schon?" fragte der König im Lause des Gespräch« ilnsertn Guörin. „Sire, ich hatte bis jetzt noch nicht die Ehre, sür Ew. Majestät zu arbeiten." — „Bab, Sic wissen freilich nichts davon, offiziell ist es das erste Mal, aber ohne daß Sie es vermmbeien, haben Sie schon ost sür mich gemalt. Erinnern Sie sich nicht noch gestern der kleinen Herzogin von <Iean Guörin nannte den Namen nie«