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Nummer 8 Erscheint aller 14 Tage 14. April 1S3) Unsere Heimat Seransgegeden von Gustav Kleible Ein Eisenbahnjubiläum. Die Leipzig—Dresdener Eisenbahn ist 1V0 Jahre all. Vor 100 Jahren, am 3. April 1839, fuhr zum ersten Male ein Eisenbahnzug auf zusammenhänger Strecke von Leipzig nach Dresden. Die sächsische Regierung hatte be reits am 6. Mai 1835 die Bildung einer Aktiengesellschaft mit der Bezeichnung „Leipzig-Dresdner-Eisenbahn-Com- pagnie" verfügt. Die für das Bauvorhaben vorgesehene Summe van 2 Millionen Talern erwies sich als zu nie drig, so daß später die Bausumme auf 4,5 Millionen Ta ler erhöht werden muhte. Dieses Kapital wurde in Aktien von je 100 Talern aufgelegt, die innerhalb 2 Tagen ge zeichnet wurden. Der Gesellschaft wurde vorgeschrieben, daß das Fahrgeld der 1. Wagenklasse die Sätze des Per sonengeldes in den Kgl. Sächsischen Eilposten nicht über steigen und in der 2. Klasse nie mehr als das Personengeld in den gewöhnlichen Fahrposten betragen dürfe. Auch mußte die Gesellschaft der Kgl. Sächsischen Postanstalt das Mitbeförderungsrecht von Briefen und Fahrpost gegenständen einräumen. Der erste Spatenstich erfolgte am 1. März 1836. Hauptmann Kunz, ein erfahrener Techniker, leitete den Bau, der auf zwei Jahre festgesetzt war. Die erste Lokomotive mit dein Namen „Komet" wurde für 27 660 Mark in England erworben und traf Ende November 1836, in 15 Kisten verpackt, in Leipzig ein. Sie wurde auf Böcke gesetzt und geheizt, um die Be wegungen zu zeigen. So wurde das Wunderwerk der Be völkerung erst einmal gegen Geld vorgeführt. Eine zweite Maschine, der „Blitz", folgte bald. Auch der erste Loko motivführer, ein Engländer, war von der Gesellschaft für einen Wochenlohn von 60 Mark verpflichtet worden und noch vor dem „Kometen" in Leipzig eingetroffen. Eine kleine Strecke der Bahn bis zu dem Dorfe Althen wurde bereits im April 1837 erstmalig befahren. Eine ungeheure Zahl Schaulustiger hatte sich am Bahn körper eingefunden und grüßte mit dein zur Ordnung eingesetzten Militär den Zug. Mit dem Bau der Elbbrücke bei Riesa mit 11 steiner nen Pfeilern lvar bereits 1836 begonnen worden. Der Tunnel bei Oberau, der heute beseitigt ist, wurde rein bergmännisch durch Freiberger Bergleute von vier nieder gesenkten Schächten aus in Angriff genommen. Am 19. Juli 1838 wurde auch die erste Strecke von Dresden aus bis zur Haltestelle „Weintraube" unter großer Teilnahme der Dresdner Bevölkerung eröffnet. Am 7. April 1839 konnte endlich die ganze Bahn strecke mit drei Festzügen, von der Lokomotive R. Ste phenson gezogen, eingeweiht werden. Die Fahrt erfolgte unter Musik und Kanonenschlägen von Leipzig aus um 2 Uhr nachmittags. Der erste Zug kani gegen 6 Uhr in Dresden an. Am 8. April i-8 Uhr morgens fuhr der Zug von Dresden nach Leipzig zurück. Der regelmäßige zwischen Leipzig und Dresden ein gerichtete Verkehr wurde am 9. April 1839 mit einem Wagenpark von 16 vier- und sechsrädrigen Lokomotiven, 1-1 Wagen erster Klasse, 26 Wagen zweiter Klasse, 47 Wagen dritter Klasse und 47 Güterwagen eröffnet. Die Wagen dritter Klasse waren damals ganz offen. Die zweite Klasse wies zwar eine Bedachung auf, doch waren die Räume sehr zugig, da die Seitenwände nur aus Lein wand bestanden, die zum Auf- und Niederziehen einge richtet war. Die erste Klasse war dagegen so gebaut wie unsere heutigen Personenwagen, nur nicht so bequem ein gerichtet. Nach dem Fahrplan fuhren täglich je zwei Züge von Leipzig nach Dresden und zurück, die vier Stunden Fahrzeit benötigten. Die Fahrpreise waren noch verhält nismäßig hoch. Sie betrugen auf dieser Strecke für die erste Kursfe 3 Taler, für die zweite 2 Taler und für die dritte Klasse 1 Taler 6 Groschen. Gegenüber der lang samen und äußerst unbequemen Extrapost war die Eisen bahn damals ein ungeheurer Fortschritt. Wer z. B. vor dem Bau der sächsischen Eisenbahnen von Görlitz nach Leipzig reisen wollte und Görlitz um 8 Uhr früh verließ, kam erst nachmittags 5 Uhr in Bautzen an und war nachts 12 Uhr in Dresden. Etwa eine Stunde später ging es weiter. Um 5 Uhr früh fuhr man über die Meißner Elbbrücke, um 10 Uhr war der Postreisende in Stauch nitz, um 5 Uhr nachmittags in Wurzen und um 8 Uhr abends endlich in Leipzig. Der Postreisende war also von Görlitz bis Leipzig volle 36 Stunden unterwegs. Heute braucht der D-Zug von Görlitz bis Leipzig reichlich 3 Stunden. H. Sberlausltzer guerköpse. Oberlausitzer Geschichte von Hermann Klippel. Alte Leute aus der Heimat, die die Dinge aus ihrer Jugendzeit wissen, haben mir oft diese Geschichte erzählt: Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts kam das Eisenbahnfieber in die Oberlausitz. Nachdem im Jahre 1846 das Dampfroß bis Bautzen und später bis Löbau und Görlitz vorgedrungen war, begannen auch die uäher an der Grenze liegenden gewerbefleißigeu Ortschaften immer stärker nach dem neuen Verkehrsmittel zu ver langen. Sie erkannten mit weitem Blick, daß der Schie nenweg ihnen und ihren Waren, vor allem den Textil erzeugnissen, bessere Verbindungen in die Welt und den Ortschaften selber neuen Auftrieb geben würde. So ent wickelten sich in den sechziger und siebziger Jahren rasch die Strecken Löbau—Ebersbach (1873) und Ebersbach- Neugersdorf—Seifhennersdorf (1874). Von Ebersbach sollte die Linie westwärts über Sohland und Neukirch nach Bischofswerda verlaufen und Anschluß an die große Strecke Görlitz—Dresden finden. In jener Zeit saß eines Tages der sächsische Staats minister Hermann von Nostitz-Wallwitz auf Sohland in seinem Arbeitszimmer und war mißvergnügt. Die Sache der neuen Eisenbahnen lag ihm sehr am Herzen. Dock) überall türmten sich Schwierigkeiten auf, vor allem in der Frage der Landankäufe. Zwar waren für die Teilstrecke von Ebersbach nach Sohland alle Hindernisse beseitigt, aber wie es von Sohland nach Neukirch weitergehen sollte, das stand durchaus noch nicht fest. Stirnrunzelnd blickte der Minister auf die Karten und Entwürfe. Es lagen vorläufig zwei Pläne vor. Nach dem einen sollte der Verlauf der Strecke von Sohland über Schirgiswalde und Wilthen nach Neukirch gehen, wobei die vorgesehene Querverbindung von Bautzen nach Schandau in Wilthen auf die große Bahnlinie stoßen und in Niederneukirch nach Sebnitz und Schandau abzweigen sollte. Obwohl die Landankaufsfragen über Schirgiswalde und Wilthen am