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Nummer 17 Erscheint aller 14 Tage 27. August 1S3S Unsere Heimat Herauögegeben von Gustav Kleidle Der deutsche Wald spricht zu allen Wanderern: Ich habe mich für Euch geschmückt mit lichter, grüner Seide, und frühlingsbunt mich ausgestickt durch blumiges Geschmeide. Ich ströme Euch gar würz'ge Lust in Eure müden Kehlen, und will mit meinem frischen Duft erfrischen Eure Seelen. Ich lasse süßen Vogelschall von allen Zweigen klingen, das Lied der kleinen Sänger all soll Euch zu Herzen dringen. Nun ist's an Euch, das liebevoll verstehend aufzunehmen, Gebärdet Euch nicht übertall: Ich müßt mich Eurer schämen! Beim SberlauMaiier. Von Hermann Klippel. Blank und gepflastert geht die Straße durchs lange Dorf und hastet vorbei an Schulen und Wohnhäusern und Verkaufsläden. Hinten aber, der großen Straße parallel, wo die Obstbäume stehen und die Wiesengärten hinaus- greifcn, da läuft an Zäunen entlang, schmal und holperig gewunden, die „Hintere Dorfstraße". Ein Quäntchen Stille und Friedlichkeit ist hier wohnen geblieben, wo es noch nicht ganz so scharf mit den Verkehrsvorschriften her geht und wo, unter Apfel- und Birnbäumen verschanzt, die Häuser der Lausitzbauern stehen. Ich streife am alten Stangenzaun mit den schiefen Steinsäulen entlang, bis ich an das Lattentor des Richter- Bauern komme. Pflichtgetreu beginnt der Wolfsspitz an der Kette zu toben, als ich die Staketentür aufstoße, und vor der weißen Gänseschar zischt gar böse der Gänserich mit waagerecht gestrecktem Hals. Gedehnt kommt, ob des Lärmes auf dem Hofe, ein muhendes Fragen hinter iE angelchnten Stalltüre hervor. Drüben in der Scheune, wo man beim Dreschen ist, da rattert und rauscht und rumort es und graue Staubschwaden ziehen aus dem weit geöffneten Scheunentor hervor. Ein naturlebendiges Treiben und Tönen ist ringsumher, und unter den runden Balkenbögen der hölzernen Wohnstube, grüßt vor den wei ßen Fenstern eine üppige Front brennender Pelargonien und zierlicher Glockenblumen. Wie immer, wenn ich einen dieser Bauernhöfe betrete, ist es mir, als sei ich auf einer warmen Insel angelangt, da man sicher und gebor gen leben kann. Drinnen trete ich nicht an die erste Tür, denn da ist die zumeist verschloßene gute Stube. Weiter hinten im Flur muß ich anklopfen, wenn ich ein „Herein" erwarten will. Und dachte ich mirs doch: die alte Mutter Richtern sitzt in der großen Küchenstube vor einem Korb voll repa raturbedürftigen Strumpfwerkes. Sie rückt die Brille auf die Stirn hinauf und lächelt mir zu. Sie ist gar nicht ungehalten über die abwechselnde Störung; kennt sie mich doch seit Jahr und Tag. Ich setze mich an den mächtig ausladenden, weißgescheuerten Tisch unter das Wand brett, wo griffbereit die zerlesene Bibel und das Gebet buch liegen. Und die alte Bäuerin beginnt zu erzählen von Frucht und Ernte, von Gott und von Haus und Fa milie. Wie sich die jungen Leute machen, frage ich; denn der Max, der Sohn, hat seit einem Jahr mit seiner jungen Frau, die eine Tochter vom Zenker-Bauer aus Weifa ist, die Wirtschaft übernommen. Die junge Frau tät gut in die Wirtschaft passen, aber nobel sei sie auch. Dabei öffnet die Alte die Glastür zur guten Stube und läßt mich einen Blick auf die neuen Möbel werfen. Obgleich ich den-heim lichen Stolz in ihrem Gesicht lese, tut sie so, als sei sie un zufrieden und spricht: „A bissel Zucht mit dar Putzerei! Ich hoa immer gesoit: de Putzstube vu dr Bauersfrooe is dr Stoall, ock alleene dr Stoall!" und an ein eigenes Le ben voll Beten und Bangen denkend, zittert durch ihre Rede der Wunsch, der Herrgott möge der jungen Bäuerin gnädig sein und ihr eine glückliche Hand schenken mit dem Vieh,'dem lieben Vieh. Drüben in der Scheune treffe ich inmitten von Staub und Stroh auf fleißigsten Betrieb. Sausend schießen die Garben über die Trommel der Dreschmaschine, rauscht das Stroh über die Schüttler und wird unten von flinken Händen wieder zu Gebunden geschlungen, die sich hoch zu Bergen türmen. Unter der Maschine aber rinnt ein stetes Flüßlein schweren Kornes in die Säcke. Der junge Bauer gewahrt mich und lacht mir aus verstaubten Augen entge gen. Dann reißt er den Hebel des Elektromotores herab und legt eine allen willkommene kurze Pause ein. Lachend und schwitzend kommen die junge Frau und die anderen hinter dem Stroh hervor. Und noch einer tritt langsam vom Hinteren Tore heran. Es ist einer aus der großen Stadt, der im Dorf zur Sommerfrische weilt und beim Dreschen zugeschaut hat. Ich trete zu den vollen Säcken und lasse die köstliche Gottesgabe durch die Hände rieseln. Da sagt der Fremde: „Das ist ja eine saure Arbeit mit dem Korn." Jawohl, und die Gedanken reihen sich an einander um Aussaat und Wachstum, um Reifen und Ernte, um Ausdrusch und Ausmahlen, bis zum heißen Ofen des Bückers. Es ist ein langer Weg voll Hoffen und Bangen, voll Schmeiß und Arbeit und Gebet, voll Glück und Unsicherheit, ehe wir das weiße Brot zum Munde führen können. Die Arbeit drängt wieder nach kurzer Unterhaltung. Wo der Vater sei, frage ich den jungen Bauer. Der ackert droben am Birkenhübel. Freilich will ich auch den alten Bauer begrüßen u. strebe den Feldweg hinaus, dem Gespann mit den Braunen entgegen, die ich draußen vor dem Walde über den Berg stapfen sehe. Ruhig greift der Pflug ins Land und zur Tiefe und wendet Scholle um Scholle in drehender Spirale, damit der Boden neue Gare bilde für neue Frucht. Als mich der alte Bauer erkennt, zieht er die Leine straff und macht in der Furche Halt. Er streckt mir die harte erdige Hand entgegen und wir set zen uns ein Weilchen am Feldrain auf den Rasen. Ernst geht die Rede um Ernte und Preise, um Weltgeschehen und Wetter und neue Aussichten. Immer wieder hat uns