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MMMckMWM Wochen- nun Ü«chrichtsblal! zugleich ßWfts-UUiM für holDhorf, USlitz, Bernsdorf, AMrs, St. KOie», Hciiirilhsort, MlUlkV« mid Mülsen. Nr. 244. Amtsblatt für den Stadtrat zu Lichtenstein. — »s Jahrgang. — —— Freitag, den 18. Oktober 1889. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nnmmer 5 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiserl. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen-— I n s e r a te werden die viergcspaltcne Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Nach der Abreise des Czaren. Kaiser Alexander III. ist auf der Rückreise nach Rußland. Der Aufenthalt in Berlin ist ohne alle Störungen verlaufen, und der Empfang des russischen Selbstherrschers dort durch die Bevölkerung würde nicht so lau gewesen sein, wie er thatsüchlich war, wenn man nicht zu sehr übertriebenen polizeilichen Maßnahmen gegriffen hätte. In den wenigen Fällen, wo man dem Publikum völlige Freiheit ließ, zeigt dies zwar keine herzliche, wohl aber eine freundliche Haltung, und es ist nicht der leiseste Zwischenfall zu verzeichnen gewesen. Indessen das Polizeiaufgebot ist in Rußland nun einmal Mode, und in Berlin, und selbst in dem stillen Ludwigslust hat man den Wünschen in dieser Richtung entsprechen müssen. Der Czar kam sehr ernst nach Deutschland; er ist über haupt eine zurückhaltende Natur, die wenig nach öffentlichen Festlichkeiten fragt und deshalb sind diese in Berlin auch auf das geringste Maß beschränkt worden. Aber im Laufe seines Aufenthaltes ist Alexander III. doch etwas, um einen volkstümlichen Ausdruck zu gebrauchen, „aufgetaut." Das war namentlich bei dem Frühstück in der Alexander-Kaserne der Fall. Der Czar war so angeregt, daß er plötz lich französisch, in welcher Sprache er sich bis dahin stets unterhalten hatte, — nur mit dem Kaiserpaare hatte er leise deutsch gesprochen — französisch sein ließ und sich zu einem Toast in deutscher Sprache auf deutsche Truppen verflieg. Dieser kurze Zwischen fall ist der bedeutsamste Punkt im ganzen Kaiserbe such. Der französisch gesprochene Toast im Weißen Saale, in welchem Kaiser Alexander sehr knapp er widerte, daß er ebenfalls freundschaftliche Gefühle für unsern Kaiser hege, wie dieser für ihn, bedeutet Praktisch wenig. Alle persönliche Freundschaft zwischen dem Berliner und Petersburger Hofe hat zu Leb zeiten Kaiser Wilhelms I. nicht den Abschluß des deutsch-österreichischen Bündnisses gegen Rußland ver hindert und auch in letzter Zeit hat es ja manche Weiterungen gegeben. Wenn aber der Czar die deutsche Sprache gebraucht, er weiß doch ganz genau, wie un gemein gerade auf diesen Punkt in Paris geachtet wird, um auf das Wohl deutscher Soldaten zu trinken, nun, so geht daraus doch wohl hervor, daß Alexander III. heute nicht an einen nahen Krieg mit Deutsch land denkt. Weitere Bedeutung diesem Trinkspruche zuzuschreiben, wollen wir uns aber hüten. Es ist auf die plötzlich höchst freundlich gewor denen Aeußerungen Petersburger Blätter hingewieseu, die sich sogar bis zu der Ankündigung versteigen, daß infolge des Czarenbesuches engere Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland eintreten würden. Wenn wir aber keine anderen Grundlagen dafür haben, als diese Preßstimme von der Newa, dann können wir unsere Hoffnungen nur ruhig an den Schornstein schreiben; denn russischen Zeitungen kann man nicht eine Stunde trauen. Einen derartigen Stimmungs wechsel, ein so gehässiges Verbunden des Nachbars, wie in Petersburg es möglich ist, giebt's überhaupt nirgends in Europa. Die Franzosen sind in ihrem Deutschenhaß sich konsequent, aber die russischen Zei tungen sprechen heute so und morgen so. Sie sind fast alle in den Händen der Panslavisten, und zwischen Pauslavisten und Deutschen ist keine ehrliche Freund schaft möglich. Wir erkennen es dankbar an, daß der Czar dem Kriegsgeschrei dieser Partei bisher hart näckig Widerstand geleistet hat und hoffen, daß er das in Zukunft erst recht thun wird. Ein sehr liebens würdiges Bild bot das Verhalten des Czaren gegen über dem Reichskanzler; daraus geht doch soviel her vor, daß er von seinem bekannten früheren Argwohn, Fürst Bismarck intriguiere heimlich gegen Rußland, gänzlich abgekommen ist. Was zwischen dem Kaiser und dem Kanzler in ihrer langen Unterredung be sprochen worden ist, läßt sich unschwer erraten; es handelte sich um die leidige bulgarische Angelegenheit. Daß Alexander III. hierin seine Anschauungen ändert, ist ausgeschlossen, und das läßt schon sein Stolz nicht zu. Bekannt ist aber auch, daß Fürst Bismarck nach seinen großen Reichstagsreden in Sachen Bulgariens Rußland die weitesten Konzessionen macht. Er teilt durchaus nicht die Anschauungen Oesterreichs und hat nichts gegen einen Einfluß Rußlands in Sofia einzu wenden. Nur der Forderung, Oesterreich-Ungarn zu bewegen, sich dem Willen des Czaren zu unterwerfen, der kann und darf er nicht entsprechen, denn dann wäre es mit dem Friedensbunde aus. Eine Lösung der in der europäischen Lage bestehenden Schwierig keiten hat der Czarenbesuch also nicht gebracht, höchstens etwa eine Beruhigung. Wenn keine urplötzlichen neuen Zwischenfälle eintreten, ist die Beruhigung aber wohl geeignet, eine schließliche Lösung vorzubereiten. Freilich wird darüber noch viel Wasser ins Meer laufen. Allzu großen Hoffnungen wollen wir uns nicht hingeben, nur die eine Gewißheit können wir wohl haben: Mit dem französisch-russischen Kriegs bündnis ist es vor der Hand rein nichts! Tagesgeschichte. * — Licht enst ein, 17. Oktbr. Heute hielt die hiesige Schützengesellschaft ihren diesjährigen Einzug, verbunden mit Preisschießen und Ball. * —- Dienstag, den 22. Oktober, findet von vor mittags Uhr an im großen Saale des Kasino in Glauchau die diesjährige, gesetzlich angeordnete Hauptkonferenz der Direktoren, Lehrerund Lehrerinnen an den Volksschulen des Schulinspektionsbezirks Glauchau statt. Die Tagesordnung ist folgende: Ge sang, Begrüßungswort des Bezirksschulinspektors Schul rat Gruhl, Boitrag des Herrn Schuldirektor Pfeifer aus Gersdorf über: Die Pflege der Liebe gegen das engere Vaterland und sein Fürstenhaus durch die Volksschule. Mitteilungen des Herrn Bezirksschulin spektor Schulrat Gruhl. Schlußgesang. Gegen 2 Uhr soll ein gemeinschaftliches Mittagsmahl stattfinden. * — Die VIII. diesjährige öffentliche Bezirksaus schuß-Sitzung findet Mittwoch, den 23. Okt. 1889, nach mittags 3 Uhr, im Verhandlungssaale der Königlichen Amtshaupt'nannschaft in Glauchau statt. * — Das hier beobachtete und in vor. Nummer erwähnte Meteor ist auch anderwärts gesehen worden. Aus Glauchau schreibt man darüber, vom 16. Okt.: Gestern abend kurz nach Vi7 Uhr konnte man ein herrliches Meteor beobachten, welches, einen langen Hellen Streifen hinter sich lassend, von Osten nach Westen zog, wo es in der Nähe des großen Bären, in einzelne Teile sich teilend, verschwand. Dasselbe zeigte sich in deu prächtigsten Farben, wie eine große Leuchtkugel, so hell, daß einige Sekunden lang die ganze Umgebung fast taghell erleuchtet war und man wie von elektrischem Lichte beleuchtet dastand. — Von anderer Seite geht folgendes zu: Gestern abend bot sich bei Waldenburg ein großartiges Naturschauspiel. Kurz vor 7 Uhr fiel, vom Bahn hof Waldenburg aus in nördlicher Richtung gesehen, eine Sternschnuppe langsam zur Erde; dieselbe hatte einen ganz ungewöhnlichen Glanz und teilte sich vor ihrem Niedersall in 3 Stücke. — Zur selbe» Zeit und in derselben Richtung fiel etwa 50 in vom Gasthof Kertzsch entfernt ein Meteor, in seinem Falle auf 5 Sekunden Tageshelle verbreitend. Die Me- teorolithen leuchteten in allen Farben und hat das seltene Naturschauspiel allen, denen zu sehen es vergönnt war, einen erhebenden Eindruck gemacht. — Pachtfrei werden die Bahnhofsrestaurationen zu Schmölln (Sachsen-Altenburg), Adorf am 31. März 1890, Nerchau-Trebsen 30. April und Radeburg 30. Juni 1890. — Gutem Vernehmen nach tritt der Landtag am 11- November zusammen. Die feierliche Eröff nung soll am 13. November stattfinden. — Auswanderungslustigen ist es in den seltensten Fällen bekannt, daß beim Betreten des Festlandes von Amerika von jedem Einzelnen eine Barsumme vorzuweisen ist, welche die betreffende Person in den Stand setzt, eine gewisse Zeit beschäftigungslos zu leben, ohne der öffentlichen Unterstützung anheim zufallen. Es ist dies eine seit wenigen Jahren be stehende Bestimmung der Bundesregierung, um unbemittelten Personen die Einwanderung unmöglich zu machen. Solche Leute werden dann ohne wei teres wieder nach Europa zurückgeschickt, sodaß sie ärmer hier eintreffen, als sie vordem waren. — Bei der Königlichen Altersrentenbank zu Dresden (Landhaus, König Johannstraße) sind im Monat September d. I. '257 201 Mk. in 508 Einlagen eingegangen. Das dritte Vierteljahr 1889 führte der Bank im Ganzen 1649 Einlagen mit 646 350 Mk. zu, während bis zum 30. September überhaupt im laufenden Jahre 2 010 472 Mk. in 4 915 Einlagen zur Erwerbung von Alters- und Zeitrenten eingezahlt worden sind. — Dresden, 15. Okt. Baumeister Zeibig in Striesen ist heute bei einem Jagdausflug in Königsbrück durch Zufall getötet worden. Es ver lautet, daß sein Gewehr umgefallen ist und sich dabei entladen hat, wobei ihn die volle Ladung in die Brust traf. — Der als Fiaker des dahingeschiedenen Kron prinz Rudolph von Oesterreich bekannte Rosseleuker Joseph Bratfisch unterhält jetzt in Wien ein Fiaker- Quartett, mit dem er dieser Tage nach Dresden kommen und im Restaurant Sociötä gleichzeitig mit der Wiener Damenkapelle E. Paeckert auftreten wird. Diejenigen, welche jedoch glauben, sie werden Bratfisch über die Katastrophe von Meyer ling ausfragen können, dürften die Rechnung ohne den Wirt machen, denn B. hüllt sich in diesem Falle in ganz energisches Dunkel und verweigert jede Auskunft. Nichtsdestoweniger ist Bratfisch für viele eine interessante Persönlichkeit. — Allgemeines Aufsehen erregt zur Zeit auf der Leipziger Messe eine Schaustellung, bestehend aus mehreren großen Tableaux mit den Personen des Kaisers Wilhelm, Kaisers Friedrich, Königs von Sachsen, Fürsten Bismarck, des Papstes und der Germania. Diese Figuren sind in Lebensgröße natur getreu in kunstvoller Weise aus nicht weniger als 85,000 Briefmarken aller Länder gebildet, und diese interessante Sehenswürdigkeit stellt eine Arbeitszeit von 8 Jahren seitens des Verfertigers, eines 90jährigen Greises, Namens Förster in Berlin, dar. — Im Frühjahr dieses Jahres verschwanden aus eiuem Rittergut irr der Leipziger Gegend zwei kleine-Ferkel und da man von denselben nichts wieder entdeckte, nahm man natürlich an, die Tierchen seien gestohlen. Längst waren dieselben vergessen, da war man eines Tages genötigt, eine hinter der Scheune hinführende Schleuße zu öffnen. Wer beschreibt nun das allseitige Erstaunen, als man in der Schleuße zwei muntere, fette Borsten tiere entdeckte. Die schon verloren gegebenen Schweine hatten darin nahezu 8 Monate gelebt und sich von den Abfällen, welche die Schleuße durch-