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Wochen- und Nachrichlsblait zugleich 8kschSsts-Anzeigcr siir HohiiSorf, Mlitz, BmÄorf, Nüskch St. ßOle», HmmchMh Mniemi! mid Wlsm. Amtsblatt für den Stadtrat zn Lichtenstein. —---------— —— — »s. Jahrgang. —— — — ——— Nr. 132. Sonnabend, den 8. Juni 1889. Dieses Blatt erscheint, täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden' Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis: 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer S Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Karserl. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespalteue Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. x Bekanntmachung. In Gemäßheit Z 24 des Gesetzes, die Wahlen für den Landtag betreffend, vom 31. Dezember 1868, und K 11 der dazu gehörigen Ausführungs-Verordnung machen wir bei der jetzt vorzunehmenden Revision der Landtagswahlliste auf das jeden Beteiligten zustehende Recht der Einsichtnahme der letzteren und die Not wendigkeit, etwaige Einsprüche gegen den Inhalt rechtzeitig anzubringen, an- durch aufmerksam. Wer seine Stimmberechtigung auf Steuerentrichtung außer halb seines Wohnortes zu gründen gemeint ist, hat dies unter Beibringung des nötigen Nachweises hier anzuzeigen. Lichtenstein, den 6. Juni 1889. Der Rat zu Lichtenstein. Fröhlich. BekanuLmachUKg. Nachdem Herr Adolf W. Eichler hier als II. stellvertretender Sparkassen- kontroleur der hiesigen Sparkasse gewählt worden ist, wird solches in Gemäßheit von Z 3 des hiesigen Sparkassen-Regulativs vom 11. September 1883 hierdurch bekannt gemacht. Callnberg, den 7. Juni 1889. Der Stadtgemeinderat. Schmidt, Bürgermeister. Sparkaffen-Expeditlonstage in Lichtenstein: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Tagesgeschichte. — Lichtenstein, 7. Juni. Gestern nachmittag wurde unserer Bezirksanstalt die hohe Ehre des Be suches Ihrer Erlauchten des Herrn Grafen und der Frau Gräfin Karl von Schönburg zu teil. Hochdie- selben wurden bei Ihrer Ankunft von Herrn Amts hauptmann Merz, Herrn Landtagsabgeordneten Ritt meister Gelbke, dem Anstaltsvorstand und den Hausbeamten der Anstalt ehrfurchtsvollst begrüßt und in die Anstalt eingeführt, woselbst des Hausverwalters liebliches Töchterlein Ihrer Erlaucht der Frau Gräfin mit kindlichen Worten einen prächtigen Blumenstrauß überreichte. Die hohen Herrschaften nahmen hierauf die Anstalt in allen ihren Teilen und Einrichtungen in eingehendsten Augenschein und machten sich in liebenswürdiger Weise mit dem ganzen Wesen der An stalt vertraut, wobei Hochdieselben über die ganze vor gefundene und bestehende Einrichtung und die überall in allen Teilen und Zubehörungen vorherrschende Reinlichkeit und Sauberkeit in höchst lobender und anerkennender Weise sich freundlichst aussprachen, um nach Verlauf einer Stunde die Anstalt unter noch maliger freundlichster Dankesbezeugung und huldvollster Ueberweisung eines sehr ansehnlichen Geldgeschenkes an den Anstaltsvorstand, zur Verwendung für die Anstaltsinsassen zu den bevorstehenden Pfingstfeiertagen, die Anstalt zu verlassen und die Rückreise nach Glauchau anzutreten. — Zur Erleichterung des Besuches der anläßlich der Wettiner Jubelfeier in Dresden stattfindenden Festlichkeiten wird die sächs. Staats- bahn-Berwaltung denjenigen Rückfahrkarten, welche am 17., 18. und 19. Juni d. I. nach Dresden, be ziehentlich, soweit direkte Karten nicht vorhanden, in der Richtung nach Dresden gelöst werden, je eine 6tägige Giltigkeit zur Rückfahrt beilegen. — Wie Rudolf Falb bekannt giebt, werden die folgen den kritiscken Tage der 13. und 28. Juni, der 12. und 28. Juli, der 11. August, der 9. September und der 24. Oktober sein. Die Katastrophe in Pennsylvanien am 30. Mai ist nach Falb ebenfalls in die Kategorie der atmosphärischen Hochfluten einzureihen. Die Tage um den II. August, den 9. September und 24. Oktober weisen die nächsten Flutwerte auf. — Der Huldigungszug zurWettinfeier wird wie folgt geordnet sein: I. 25 bewaffnete Meißner Bürger im Kostüm des Jahres 1089. 2. Die ritter- schaftlichen kreisständischen Korporationen der Erb lande. 3. Turnierzug der Lehnsmannschaft des Markgrafen von Meißen und Osterland und Land grafen von Thüringen, Friedrich der Ernsthafte. 4. Die Ritterschaft des König!. Sächs. Markgrafen tums Oberlausitz. 5. Residenz Meißen. 6. Residenz Freiberg. 7. Residenz Dresden. 8. Stadt Bautzen. 9. Der Jagdschutzverein (die Rückkehr des Chur fürsten August von der Jagd darstellend.) 10. Die landwirtschaftliche Gruppe: a) die drei Schmuck wagen des Landeskulturrats mit Begleitung; b) der Erntewagen von Kaditz; o) die,Drufchgruppe (C. A. Klinger in Altstadt-Stolpen); ck) der Schmuckwagen der Dresdner Molkerei von Gebr. Pfund. 11. Wendische Osterreiter und wendischer Hochzeitszug. 12. Der Verband der Gartenbauvereine im König reiche Sachsen. 13. Die vereinigten Erzbergreviere und Hüttenwerke Sachsens. 14. Sächsischer Kohlen bergbau: a) Revier des Plauenschen Grundes; k) Zwickauer Revier; o) Lugau-Oelsnitzer Revier. 15. Gruppendarstellungen und Abordnungen der sächsischen Städte: die Stadt Leipzig (in deren Gefolge Leipziger Künstlerverein und Leipziger Fischerinnung); die Stadt Chemnitz; die Stadt Zwickau; Abord nungen der Städte Döbeln, Hohenstein, Hohnstein, Marienberg, Geithain, Borna, Oederan; die Stadt Pirna; Abordnungen der Städte Lommatzsch, Johann- Der Herr Professor und 's Mariele. Pfingsterzählung ans der schwäbischen Alp' von Th. Ebner. (Nachdruck vervoten.) Herr Amadeus Zwißler war trotz seiner jungen Jahre ein sehr gelehrter Herr! Die kleine schwäbische Oberamtsstadt, in welcher er in ruhiger Würde die Lateinschule leitete, wußte freilich nicht, welche Auto rität auf dem Gebiete der Pädagogik sie in Herrn Zwißler besaß, und wenn dieser manchmal in aner kennenswerter Bescheidenheit den guten Bürgern eine mit allerhand bedeutenden Namen ausgeschmückte Rede hielt, in welcher er von diesen seinen Verdiensten sprach, so saßen sie wohl stumm und bewundernd bei ihrem Schoppen „Alten." Allein auf dem Heimwege sagte wohl einer: „Wenn der Zwißler moint, mer besseret em dcs- wege auf, no ischt er auf'm Holzweg", und sein Ge vatter bestätigte ihm mit einem „Recht hoscht" diese Meinung. Herr Amadeus Zwißler aber saß daheim, cin- gehüllt in den Rauch, der in gewaltigen Massen aus seiner Pfeife aufstieg, und im Genuß seiner Klassiker vergaß er die Aufbesserungsfrage vollständig. Er war im Grund seines Herzens ein guter und wackerer Mensch. — Als seine Mutter, die ihm die Wirtschaft führte, zum Tode krank war, da pflegte er sie mit rührender Sorgfalt, und als sie tot war, da blieb er allein. Ans Heiraten hatte er nie gedacht immer mehr spann er sich in seine Einsamkeit ein, aus seiner Schule in seine Wohnung, und von dort wieder in die Schule, das war gleich dem Pendel- fchlag einer Uhr sein regelmäßiger Gang. — Er merkte es kaum, daß es Frühling war, er sah nichts von der Blütenpracht, die rings um ihn zu sehen war. Herr Amadeus Zwißler war eben in die Lektüre seines „göttlichen Homer" vertieft, da huschte mit einem Male ein Sonnenstrahl über das Buch hinweg, und als er aufsah, da sah er an seiner Wand, just über dem Bild seiner seligen Mutter, einen zweiten Sonnenstrahl dahinhuschen. — — Amadeus erhob sich und trat ans Fenster. Und während er hinaussah auf die grünen Bäume, da klangen vom Kirchturm die Glocken, und es fiel ihm mit einem Male ein: Morgen ist ja Pfingsten. Und wie es kam, daß er mit einem Male seinen Cicero und seinen Homer vergessen hatte, wußte er nicht. — Da kamen die Erinnerungen an die Jugend, an die fröhlichen Pfingstfahrten mit den Schulgc- nossen, da regte sichs mit einem Male mächtig in ihm, ihm wars, als sei er eine Pflanze, die einen langen, langen Winter über in der dumpfen Stube hatte bleiben müssen, und deren Lebenssäfte dabei beinahe vollständig ausgetrocknet waren. In der That — Herr Amadeus Zwißler hatte Mitleid mit sich selbst, in seinem Herzen regte sich ein Gefühl der Einsam keit — er gedachte seiner toten Mutter, und mit einem Male stand der Entschluß in ihm fest: „Ich mache eine Pfingstreise." — Es war früh am Morgen, als Herr Amadeus Zwißler seine Wohnung verließ. In dem Ränzchen, das er auf dem Rücken trug, befanden sich neben den nötigsten Reiseutensilien natürlich auch einige Bände seiner geliebten Klassiker. — Wohin der Weg gehen sollte, wußte er eigentlich selbst nicht — es war ihm dunkel in Erinnerung, daß droben auf der Alp eine Schwester seiner Mutter wohnte, wie wärs, wenn er die einmal besuchte. Als er zum Bahnhof kam und ein Billet nach K. löste, sah ihn der Kassierer wie ein Gespenst an: „Ja, Herr Professor", meinte er, „was fällt denn Ihnen ein?" Herr Amadeus wurde rot wie ein Mädchen. „Eine kleine Erholungstour", meinte er leise — „ich, ich" — „Nun, dann viel Vergnügen", rief ihm der Kassierer nach. — Herr Amadeus Zwißler schritt von K. aus ruhig fort. — Erst gings durch grüne Wiesen, dann stieg allmählig der Weg. Waldeskühle umfing ihn, um ihn war alles ruhig und stille. — Und während er so dahinschritt, gedachte der Herr Professor seiner Jugend. Ihm ward, als tauchte aus weiter, weiter Ferne das Bild eines blonden Mädchens auf, mit dem er gar oft gespielt, deutlicher und deutlicher wurde das Bild — „Drei Lilien, drei Lilien, die Pflanzt ich auf mein Grab" klang es auf einmal neben ihm, und als er sich umsah, da guckte ihm ein frisches und fröhliches Mädchen gerade ins Gesicht: „Gute Marge, Herr", sagte sie, „wo ganget Se nah?" Herr Amadeus zog höflich seinen Hut: „Ge statten Sie, mein Fräulein" — Das Mädchen lachte: „O, sent Se net gar so höflich, meinte sie, „das paßt net uf d' Alp und net uf Pfingste."