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MMMckMNM Wochen- nud ilachrichtsblatt zugleich 8Wfts-R«jeiitk f!r HihiSsrf, Rositz, NerisUrf, 3Hi§i>»rf, Et. Wiiti, Heiirilhsttt, Rari»« M Riilst«. Amtsblatt für den Stadtrat zn Lichtenstein. — — »«.Jahrgang. — ——— Nr. 101. Donnerstag, den 2. Mai 1889. Dieses Blatt erscheint, täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden" Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis: 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 5 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene . Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Einkommensteuer fällig! Tagesgeschichte. — (Vom Lande.) Wir hatten vergangene Woche anhaltend Regenwetter und von vielen Seiten werden Klagen über das Uebermaß von Nässe laut, welches die Feldbestellung beträchtlich erschwert und verspätet. Im Getreidegeschäft herrschte zwar feste Stimmung, aber der Bedarf versorgte sich noch immer nur von Hand zu Mund und waren die Umsätze daher wiederum recht beschränkt. Ueber den Stand der Felder in unserer Gegend läßt sich noch nicht ganz zuverlässig urteilen, doch scheinen die Roggensaaten befriedigend zu stehen, während Weizen und Oelsaaten hier und da zu wünschen übrig lassen. Weizen ist an manchen Stellen umgeackert worden und Raps zeigt viele kahle Stellen, die den Ertrag schmälern werden. — Das Vagabundenwesen hat sich ganz bedeutend vermindert, ein Beweis, daß die Erwerbsverhältnisse etwas gesunder geworden sind. Nach dem Kgl. stati stischen Bureau betrug in Sachsen die Zahl der Be strafungen wegen Bettelei und Landstreichens im Jahre Bestrafungsfälle Bestrafte Pers. 1880 22,337 14,066 1881 19,377 12,432 1883 18,622 11,727 1884 18,077 11,098 1885 17,707 10,717 1886 18,340 10,868 1887 17,216 10,780 1888 14,793 9,412 Nach dem Geschlechte wurden bestraft: 1880: 13,336 männliche, 730 weibliche, 1887: 8991 männliche, 421 weibliche. Die Landstreicher jugendlichen Alters haben ganz bedeutend abgenommen. 1880: 13—20- jährige 2636, 1880: 20—30jührige 4717, 1887 nur 2507. — Aus den Kreisen der Beamten der Ober- Postdirektionsbezirke Leipzig und Dresden ist vielfach der Wunsch geäußert worden, ihrer Verehrung für das sächsische Königshaus bei Gelegenheit der Wettiner Jubelfeier durch eine gemeinsame Huldigung Ausdruck zu geben. Infolgedessen hat sich ein Ausschuß von Vertretern aller Kategorien der Post- und Telegraphen beamten der Bezirke Leipzig und Dresden gebildet, um der Angelegenheit näher zu treten. Derselbe ist dahin schlüssig geworden, sich durch Stellung einer eigenen Gruppe an dem Huldigungszuge zu beteiligen. — Dresden, 30. April. Bei freundlicher Wit terung traten gestern vormittag Ihre Majestäten der König und die Königin die bereits beabsichtigte Reise nach Sibyllenort an. Zur Verabschiedung hatten sich im Königl. Wartezimmer des Schlesischen Bahnhofes Ihre Königl. Hoheiten Prinzen Georg, Friedrich Au gust und Prinzeß Mathilde eingefunden, ferner Stadt kommandant Generalleutnant o Byrn, Exz., Polizei präsident Schwauß, Generaldirektor der Staatsbahnen Hoffmann, Betriebsdirektor Mieth, Kammerherr v. Minckwitz, Polizeihauptmann Nehrhoff v. Holderberg, Platzmajor Hauptmann v. Carlowitz, Premierleutnant Freiherr v. Könneritz. Ihre Majestäten bestiegen mit dem Gefolge den Salonwagen und verabschiedeten sich von den Prinz Georg'schen Herrschaften auf das herz lichste. Se. Majestät der König trug Civilkleidung. Herr Transport-Inspektor Falkenstein gab dem Zuge, der auch die Dienerschaft mit 3 munteren Hunden ausgenommen hatte, das Geleite. — Mülsen St. Jakob, 30. April. Ter Ver sicherungsagent Hermann Andrä hier, seit 30 Jahren Gemeinderatsmitglied, ist vorgestern in den hochan- geschwolleneu Dorfbach gestürzt und darin ertrunken. — Kirchberg. Seit dem Osterfeste sind un sere Chorknaben mit geschmackvollen Mänteln und entsprechender Kopfbedeckung bekleidet. Die erste An regung hierzu gab Herr Kantor Neubert durch Auf führung eines Konzerts, dessen Reinertrag von 82 Mark dafür bestimmt wurde. Außerdem schenkten die Fabrikbesitzer und Kirchenvorsteher M. Unger 100 Mark und Stadtrat L. Singer 10 Mark. Der Fehl betrag wurde von der Kirchengemeindekasse bereit willigst übernommen. Das Tuch lieferte in anerken nenswerter Qualität und zu ermäßigtem Preise die Firma Gerlach u. Co. Herzlichen Dank allen, welche zur Verwirklichung dieses längst gehegten Wunsches beigetragen haben! — Wie schon früher aus anderen festlichen An- läfsen hat Herr Uhrmacher Muth in Annaberg auch zum Wettrner Jubiläum „Wettiner Pfennige" angefertigt. In der einen Hälfte bergen dieselben die Photographie unseres Königs oder der Königin, in der anderen den Spruch: „Du alter Stamm, sei stets erneut zu edler Fürstenreihe, wo allezeit Dein Volk Dir weiht, die alle deutsche Treue" 1889. — Auf Jahnsbacher Flur ist am Sonntag der Leichnam einer Frauensperson aufgefunden worden, welcher deutliche Spuren eines gewaltsam erlittenen Todes aufweist. Es liegt Raubmord vor. Die Tote war gut gekleidet, doch waren ihr sichtlich Schmucksachen und Geld entrissen worden. Näheres wird erst noch mitgeteilt werden. — Ein äußerst eigentümlicher Selbstmord wurde bei Obergrund (bei Bodenbach) beobachtet. In ei nem Kahne kam ein Mann die Elbe herab. Oberhalb Rassel fuhr er an's Ufer, lud dort Steine in den Kahn und ruderte hierauf wieder in die Mitte des Stromes. Nach kurzer Fahrt, während welcher er den Kahn treiben ließ und die Steine in seine Tasche steckte, richtete er sich plötzlich im Kahne auf und stürzte daM kopfüber in die Flut. Von dem Selbstmör der hat man bisher keine Spur. — Vom Fuße des großen Winterberges, 28. April. Ein Unwetter sondergleichen ging in diesem Teile des Elbthales, sowie im Gebirgsgebiete am Freitag Abend hernieder und fand am folgenden Tage teilweise seine Fortsetzung. Erst in den Spätnachnnttagsstunden des vergangenen Sonnabend wurde es einigermaßen hell, ein günstiger Luftzug erhob sich, wodurch die Aufklärung des Himmels erfolgte. Das Gewitter, welches das Elbthal heraufkam, auf Pirna-Königstei ner Gegend hart auftraf, blieb hier volle fünf Stunden stehen — von nachmittags 3 bis abends 8 Uhr. Blitz auf Blitz, Schlag auf Schlag folgten einander und der Regen goß meistens in Strömen hernieder. Dieses Unwetter erreichte in Schandau etwa um 7 Uhr seinen Höhepunkt. Der Aufenthalt im Freien war un möglich, von allen hochgelegenen Flächen fchoß die Flut in die Straßen herab, Ostrau, Postelwitz und das Schrammsteingebiet wurden am meisten betroffen. Ein Gang durch die PostelwitzerBrüche oder von hier nach Herrnskretschen war nach Aufhören des Gewit ters ohne Begleitung unmöglich geworden. Die her abstürzenden Wassermasfen sperrten teilweise den Weg oder hatten soviel Gerölle und größere Steine Herun tergetrieben, daß man, um vorwärts zu kommen, diese Schuttanhäufungen überklettern oder umgehen mußte. Das schnelle, anhaltende Steigen des Elbstromes ver ursacht die meiste Sorge. Am Sonnabend Abend be spülten die Hochwassermassen bereits fast sämtliche Elbwiesen. Die Flut tritt hier und da an die Wege heran, und da es auch im benachbarten Böhmen stark geregnet -hat, sind demnach weitere Wassermassen zu erwarten. An der Hirschmühle, gegenüber von Schmilka hat die Hochflut zur Stunde die Wegverbindung unter brochen. — Oelsnitz. Einen seltenen Transport führte am vergangenen Sonnabend der ab Eger vormittags i/sst Uhr nach Plauen verkehrende Personenzug in ei nem Wagen am Schluffe mit, nämlich den Leichnam eines in Catania in Sizilien verstorbenen Herrn Theo dor Müller, welcher zur Verbrennung nach Gotha über führt wurde. Der Transport dieses Toten ist ein ziemlich kostspieliger, denn die Fracht betrug bis Eger schon weit über 100 sl. Den Leichnam, welcher in 3 Metallsärgen und einem hölzernen Uebersarg ruhte, begleitete eine ältere Dame; dieselbe führte auch zur Aufnahme der Asche eine goldne Urne mit sich. Z Berlin, 30. April. Um 10 Uhr vormittags fand heute die Eröffnung der Deutschen allgemeinen Ausstellung für Unfallverhütung in Gegenwart Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin, des Prinzen Alexander von Preußen und des Erbprinzen von Meiningen im Hohenzollernsaal des Landesausstel lungspalaste« statt. Anwesend waren die Spitzen der Reichs- und Staatsbehörden, Bundesratsbevollmäch tigte, unter ihnen der sächsische Gesandte Graf Hohen- thal, hohe Militärs, darnnter Graf Moltke und Graf Waldersee, die Reichstags- und Landtagspräsidenten, die städtischen Behörden, Gelehrte re. Der Vorsitzende des Vorstandes, Richard Rösicke, berichtete über die Entwickelung des Unternehmens und bat um die Er laubnis, die Ausstellung für eröffnet zu erklären. Se. Majestät der Kaiser hielt hierauf eine Rede. Er habe die Ausstellung mit Freuden begrüßt; sie sei bestimmt, die gewerbliche Arbeit gegen die in der Neuzeit gesteigerten Gefahren des Berufs zu schützen. Dabei komme die Nächstenliebe thatkräftig zum Aus druck. Der Kaiser gedachte seines kaiserlichen Groß vaters, dessen Verdienste und pflichtmäßige Fürsorge für das Arbeiterwohl stets zum allgemeinen Bewußt sein gebracht werden müßten. Se. Majestät erklärte, er wolle selbst die Lösung der sozialen Aufgaben fort setzen und hoffe, die Ausstellung werde nicht ohne reichen Segen sein. Er dankte allen, die an dem Werke gearbeitet. Zur Anerkennung möge es ihnen gereichen, dazu mitgewirkt zu haben, zu zeigen, was zum Schutze der Arbeiter, zur Förderung ihrer Inte ressen gereiche. Se. Majestät erklärte dann die Aus stellung für eröffnet. Ehrenpräsident Boediker dankte und schloß mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und sein Haus. Gesang der Nationalhymne folgte. Hierauf sand ein Rundgang durch die Aus stellung statt. Z Berlin, 30. April. Ueber die gestrige erste Samoakonserenz liegen nähere Mitteilungen vor. In der Eröffnungsrede hob Graf Bismarck hervor, Deutsch land sei keineswegs von geheimen selbstsüchtigen Plänen erfüllt und wolle weder «samoa annektieren, noch überhaupt Besitzungen im Stillen Meere erwerben. Wohl aber habe Deutschland die Pflicht, die Rechte der deutschen Unterthanen, die auf der Samoagruppe große -Besitzungen erworben haben, entschieden zu schützen. Die deutsche Regierung werde nie etwas verlangen, was sich mit den mit Samoa und den Konferenzmächten abgeschlossenen Verträgen nicht ver einbaren lasse. Aehnliche Erklärungen wurden von den Vertretern Englands und Amerikas abgegeben. Der letztere fügte hinzu, seine Regierung hoffe, die Samoafrage werde aus einer Grundlage gelöst werden, welche die Autonomie und die Unabhängigkeit der