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WMMck Wochen- nnd Nachrichtsblatt zugleich WD-AMM fiir SohnSttf, Killih, Vmisdoch RLsdarf, St. KBie», Heinrichsort, Rurieiia« M Miilseii. Amtsblatt für de« Stadttat zn Lichtenstein. —— —— ——— AS. Jahrgang. ——— —— —— ———— —.— Nr. 63. Freitag, den 15. März 1889. Dieses Blatt erscheint, täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden? Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis: 1 Mark 38 Pf. — Einzelne Nummer 5 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiserl. Postanstalten, Postboten, sowie die Ansträger entgegen. — In sie rate werden die viergespalten« Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Tagesereignisse. — Früher bestand der Brauch, während der christlichen Hauptfestzeiten die bezüglichen heiligen Ge schichten in sogenannten Festspielen dem Volke vor Augen zu führen. Hervorgegangen war derselbe aus dem Bestreben, den Laien das Verständnis der heili gen Schrift zu eröffnen, und vier Jahrhunderte lang hat derselbe in großen und kleinen Orten Deutschlands geherrscht. Die Festspiele verwuchsen mit den Haupt festzeiten so fest, daß man sich diese ohne jene so wenig denken konnte, wie heute ein Weihnachten ohne Liebes gaben und Lichterglanz. Der treuherzig derben Ge fühls- und Denkungsart des Volkes jener Zeit waren diese Darstellungen Bedürfnis geworden, und bei leid licher Aufführung konnten sie wohl dazu dienen, auf ein von den heute gebräuchlichen nervenerregenden Ge nüssen noch nicht angekränkeltes Gemüt tiefen Eindruck zu machen. Mit der Länge der Zeit aber arteten die Festspiele aus. Darsteller und Zuhörer fielen aus der Rolle. Ein Zerrbild nach dem andern schlich sich auf der Bühne ein, und das Volk besuchte die Vor stellungen nicht mehr, sich zu erbauen, sondern um sich zu belustigen; und es that dies auf eine oft nicht zu billigende Weise, die der Sache durchaus nicht an gepaßt war. Staat und Kirche sahen sich schließlich zugleich veranlaßt, gegen denselben Brauch gesetzlich einzuschreiten, zu dessen Entstehung sie einst beige tragen und welchen sie bisher geschützt hatten. Das einst geliebte und gepflegte Kind war seiner Unschuld entkleidet worden und man verwies es ans den Orten, wo es einst ergötzt hatte. Es rettete sich aus dem geräuschvollen Drängen der Großstädte hinaus auf das Land, wo man noch kindlich ausfaßte und em pfand. Doch die moderne Kultur drängte nach, und wo sie sich einbürgerte, da war jener Flüchtling der Vernachlässigung und schließlich der Vergessenheit ge weiht. Bald wird es ans der letzten Zufluchtsstätte Vertrieben sein und wie ein Märchen werden unsern Die Erbin von Wallersbrunn. Original-Roman von Marie Nomany. - - - (Nackdruck verboten.) (Fortsetzung.) Die ganze Fülle reiner Neigung, deren ihre junge Seele fähig war, hatte sie ihm als Dank für die ihr entgegengebrachte Liebe zu eigen gegeben und nun kam ein anderer, dessen Anrecht auf ihr besseres Fühlen er nicht verhehlen konnte, um Teilnehmer des bis dahin nur von ihm allein besessenen Glücks zu sein. Mußte er dem Himmel für ein Zusammenführen des Vaters und der Tochter, die nichts bis dahin von einander wußten, jetzt, nachdem er im Besitz seines jungen Weibes so glücklich war und ewig glücklich zu bleiben hoffte, wohl dankbar sein? Je weiter die Zeit voranschritt, desto mehr folterte die Qual der Eifersucht den jungen Ehemann. Zehn Tage waren nun vergangen, seitdem Herr von Erlenburg zum ersten male die Schwelle des Barloschen Hauses betreten hatte, in denen er seine Kinder mit Liebes- und Freundschaftsbezeugungcn über schüttete, eine kurze Spanne Zeit, während welcher er die sprechendsten Beweise von der Reinheit seiner Absicht gegeben; dennoch umdüsterte die Wolke, die Paolos Glück beschattete, die allgemeine Fröhlichkeit, deren Zauber sonst wie heiterer Sonnenglanz über dem kleinen Zirkel lag, Auch Herr von Erlenburg, obgleich er vordem niemals Zeuge der ruhigen Glückseligkeit gewesen war, empfand, daß ein Schatten lüber dem Horizont des Varloschen Paradieses lag. Er wußte sich über die Ursache keine Aufklärung zu geben. Man hatte ihm der Wahrheit gemäß mitgeteilt, daß die Thätigkeit des jungen Zimmermeisters von Monat zu Monat bessere Früchte trage, er sah, daß innige Liebe die beiden Gatten vereinte, daß der Liebreiz der kleinen Emmy das junge Paar beglückte, und dennoch fühlte er das Unbehagen, welches seinen dunklen Schatten warf, sobald -r Paolo gegenübertrat. Nur in der Absicht, das wirkliche oder imaginäre Ungemach, soweit es ihm möglich sein würde, aus dem Wege zu räumen, tastete er daher, sobald sich die Gelegenheit zeigte, der Ursache nach. „Ich bin reich, wie ich schon mehrmals erwähnte", begann er zu Paolo gewendet, als die Mittagstafel, an der er Teil genommen hatte, vorüber war und Cäcilia sich mit der Kleinen entfernt hatte, um das Kind, wie es ihre Gewohnheit war, zur Ruhe zu wiegen! „es war meine Absicht, meiner Tochter ein Legat zu vermachen, welches ihr eine Rente zumeist, die ihr das Leben in glänzenderen Farben zu sehen gestattet." „Und warum das? fragte Paolo glattweg, als handele es sich um eine tägliche Angelegenheit. Der Freiherr stutzte. Meine Frau hat nichts vermißt, so lange sie nicht wußte, daß die Geburt sie zn einem höheren Lose, als ich es ihr bereiten kann, bestimmte," fuhr Paolo fort. „Und wenn ich Cäcilia richtig verstehe, so glaubte ich, daß sie auch für die Zukunft mit dem, was mein Beruf uns eiubringt, zufrieden sein wird. „Das heißt —" „Nein, nein," wcndde Paolo geschwind ein, da er glaubte, in der Erregung, die sich bei der Berüh- Kindern die Erzählungen von den einstigen Festspielen erscheinen. Es dürfte darum wohl an der Zeit sein, vor ihrem Verschwinden noch einen Blick auf sie zu werfen, sie in ihrem Thun zu belauschen. Ein Stand ist es vor allem, welcher sich in Sprache, Tracht und mancher Sitte einen Schatz aus alter Zeit treu be wahrt hat, und in welchem sich ein Festspiel bis auf den heutigen Tag erhielt, es ist der Bergmannsstand. In Freiberg freilich, einem Verkehrsknotenpunkte, hat der Bergmann dem Andrüngen der Neuzeit am we nigsten erfolgreich widerstehen können. Sein oberge- birgischer Kollege blieb von diesem Kampfe verschont. Von den Freiberger Bergleuten kennt wohl auch kaum einer mehr — so heißt es in einem „Ein sächsisches Oberammergau" überschriebenen und von H. Herm unterzeichneten Artikel des „Freib. Anz. und Tagebl." — den Text eines alten Festspieles, wenn er denselben nicht etwa schon mit hierher gebracht hat. In dem Bergstädtchen Altenberg dagegen, wo die Bevölkerung gern und fest auf ihrer Scholle verharrt und jede Neuerung mit einem gewissen Mißtrauen anschaut, da findet auch vonZeitzuZeit um das Weihnachtsfestnoch eine Ausfüllung des heiligen Dreikönig-Spiels statt. Die Darsteller sind Bergleute. Der Text des Stückes hat sich durch Jahrhunderte vom Vater auf den Sohn sortgeerbt. Die Zuschauer sind zum allergrößten Teile echte altbiedere Erzgebirgler mit offenem Herzen und geradem Sinne, anspruchslos in ihren Forderungen, dankbar für das Gebotene. Am Sonntage zwischen Weihnachten und Sylvester 1888 fand eine solche Aufführung in dem Saale eines dortigen Gasthofes zum Besten einer Unterstützungskasse der Bergleute statt. Der Zudrang der Bevölkerung bewies, daß man hier einem Bedürfnisse nachkam, denn in kurzer Zeit war der Saal überfüllt. Die Kapelle, zwei Ziehharmonikaspieler, gaben ihre besten Weisen, den Radetzkymarsch und dergleichen, nnd sie befriedigten allgemein. Niemandem fiel es ein, diese Darbietun gen und den Inhalt der angesagten Aufführung auf ihr Zusammenpaffen zu vergleichen. Die Bühne war denkbar einfach hergerichtet. Bunte Gardinenstoffe, weiße Leinwand und buntes Papier hatte zum Auf bau derselben genügt. Lebensgroße Figuren zweier Weisen des deutschen Volkes, Sr. Maj. des Kaisers Wilhelm I. und des Turnvaters Jahn, waren links und rechts vom Vorhänge angebracht. Ueber dem Aufbaue hing an einem Balken der Decke ein Trans parent mit dem erleuchteten Sterne. Uno als sich nun der Vorhang hob, da stand der Darsteller des Josef auf der Bühne, ein Mann der sonst in der Grube Zwitter gewinnen Hilst oder solche über Tage unter die Pochstempel zu karren hat, und deklamierte mit keiner schlechteren Betonung, als man sie bei herumziehenden Theatergesellschaften oft auch hören muß, aber mit Innigkeit: Am Himmel ist, dem dunkeln, Wohl um die Mitternacht Ein Stern mit Hellem Funkeln, Ein Wunderstern erwacht. Wie leuchtet er so rein! Er strahlt wie Gattes Liebe In unser Herz hinein. O Stern der ew'gen Gnade, Der uns gesandt vom Herrn, Erleuchte unsre Pfade, Wir folgen dir so gern. Erfüllt fft nun die Zeit; Du Stern willst uns verkünden Die künft'ge Herrlichkeit. Die Garderobe der Darsteller war naiv einfach und stand oft mit der Zeit der Handlung in grellem Widerspruche. Marie trug einen Brautstaat, wie er zur Zeit der Standesämter eben Mode ist. Herodes stolzierte mit Brille in einem deutschen Waffenrocke einher. Der Schriftgelehrte Moses war in das Ge wand eines evangelischen Pfarrers gekleidet und sei Haupt bedeckte die Mütze eines griechischen Pope" mit dem Zeichen des Kreuzes. Aber was that das^ rung dieses Themas seiner bemächtigt hatte, zu beftig gesprochen zu haben, „es war nicht meine Absicht, Ihrer guten Meinung zu nahe zu treten, lieber Schwiegerpapa. Aber es ist der Stolz eines jeden Mannes, dem Gott als Empfehlung nur seine Tüch tigkeit im Handwerk gegeben hat, daß seine Gattin durch das Los, welches er ihr bereitet, glücklich und also zufrieden ist." „Es giebt Frauen, deren Pekuniäre Verhältnisse eine Erleichterung sür den Beruf ihrer Männer sind," meinte der Freiherr, in dessen Biedersinn Paolos Rede Gefallen erzeugte. „Gewiß," versicherte der junge Ehemann. „Aber sie wußten, als sie ihre Gattin heimführten, daß ein solcher Vorteil ihr zur Seite sein würde. Ich freite Cäcilia, weil mein Herz für sie sprach." „Ich liebe meine Frau," fügte er nach einer kurzen Weile, in der beide Männer geschwiegen hatten, hinzu; „ich habe seit drei Jahren, seit dem Tage, da ich sie zum ersten male sah, mit verdoppelter Kraft gearbeitet und mit wahrer Gier den Erlös meiner Arbeit zusammengehalten, um ihr eine trauliche Heimat zu bieten; was wir nm uns sehen, ist das Produkt meines Strebens, was wir zu hoffen haben, sind die Früchte meiner Thätigkeit. Und wir sind glücklich. Glauben Sie mir, lieber Schwiegerpapa, es bedarf keiner hervorragenden Schätze, um einem Weibe das Los, welches sie glücklich macht, zu bescheren; Ein tracht, Liebe, das Bewußtsein vereinigten Strebens und Vertrauen auf deu Beistand des Höchsten seit dem Tage, an welchem ich mir Cäcilia vom Altar der St. Marienkirche holte, hat jeder Moment