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Wochen- und Kachrichtsblatt zugleich Ceschöfts-Aiizcher fn Hshssrs, NsSlitz, Hmsisrf, Riisdorf, 8t. kgiSik«, hnirich^rt, «iriott nü Ms». Amtsblatt für Sen Stavtrat zn Lichtenstein. — —— SS. Jahrgang. — — — Nr. 54. Dienstag, den 5. März 1889. Dieses Blatt erscheint, täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis: 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 5 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Jnperate werden die viergespaltene Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Tagesereignisse. *— Lichtenstein, 4. März. Gestern abend feierte der Naturheilvercin zu Lichtenstein-Callnberg im hiesigen Ratskellersaale sein 3. Stiftungsfest, ver bunden mit Vortrag des Herrn Direktor Hieke aus Chemnitz. Der Vorsitzende, Herr Eckert, eröffnete die Festversammlung und erteilte Herrn Direktor Hieke das Wort. Der Vortragende bemerkte, daß er schon früher in dem Kreise gern geweilt habe und auch diesmal freudig erschienen sei; referierte dann über die verschiedenen Heilmethoden und das Wesen derselben. Zuerst behandelte er die Allopa thie und die Entstehung derselben, ging dann zur Homöopathie über, welche sich mit dem Naturheilver fahren näher vereinigen lasse und sprach hierauf über das letztere selbst. Die Begründer des Natur heilverfahrens seien Prießnitz und Schroth und die beiderseitigen Anwendungsmethoden vereinigt, bilden die jetzige Naturheilkunde. Freudigst knüpfte Redner hieran, ww stark sich die Numrheckoereine seit einem kurzen Zeiträume über ganz Deutschland verbreitet hätten und auch der hiesige Verein seit seinem 3 jährigen Bestehen zu einer ansehnlichen Höhe ge wachsen sei. Reicher Beifall der Anwesenden lohnte den Vortragenden. Der Vorsitzende sprach Herrn Hieke ebenfalls seinen Dank aus und gab zugleich bekannt, daß der Verein Herrn Kahle betreffs seiner Dienste um denselben ein Ehrendiplom überreichen lasse, wofür letzterer ebenfalls dankte. Als Schluß reihte sich ein Tänzchen an, welches die Mitglieder noch einige Stunden froh zusammen vereinigte. *— Wir erinnern daran, daß Maskenbälle, Kap penabende und sonstige andere Faschingsvergnügungen nur bis mit Fastnacht — 5. März d. I. — abge halten werden dürfen, während öffentliche Tanzver» gnügnngen sowohl, als auch Tanzvcrgnügungen ge schlossener Gesellschaften und Privalbälle in der Zeit bis mit Sonntag Lätare — in diesem Jahre also bis mit 31. März — veranstaltet werden dürfen. *— Die diesjährige Musterung im Aushebungs bezirk Lichtenstein findet in folgender Weise statt. Es haben sich zu gestellen im Rathause zu Lichtenstein: am 25. März früh ^8 Uhr die Mannschaften aus Bernsdorf, Callnberg und Heinrichsort, am 26. März früh 3Z8 Uhr die Mannschaften aus Hohndorf, Kuh- schnappel, Lichtenstein und Mülsen St. Micheln, am 27. März früh sZ8 Uhr die Mannschaften aus Mülsen St. Jakob, Mülsen St. Niklas, Rödutz, Rüsdorf und Stangendorf. Die Losung der Mannschaften der lau fenden Altersklasse wird für den Aushebungsbezirk Lichtenstein im Rathause zu Lichtenstein am 28. März, früh sis9 Uhr, vvrgenommen. Die Militärpflichtigen werden veranlaßt, zu den festgesetzten Zeiten an den bezeichneten Orten zur Musterung vor der Königlichen Ersatz-Kommission bei Vermeidung der in 8 26,? der Wehr-Ordnung angedrohten Strafen und sonstigen Nachteile pünktlich zu erscheinen. —* Ueber einen von Herrn F. v. Hellwald am 22. Februar im Leipziger Kaufmännischen Verein gehaltenen Vortrag entnehmen wir dein „Leipziger Tageblatt" folgendes: Obwohl das Thema des Herrn F. von Hellwald „China und die Chinesen" lautete, so deutete doch der Herr Vortragende darauf hin, daß er sehr wenig über das Land, desto mehr aber über das so merkwürdige Volk zu reden gedenke, um ausreichende Anhalts punkte zur Beurteilung desselben zu schaffen. Sei es doch besonders bemerkenswert, daß über China sehr rasch und fertig geurteilt werde, daß eine tiefe Verachtung vor dem Reiche der Mitte zur Schau getragen werde, namentlich von Reisenden, welche China nur gestreift haben. China, richtig ausgesprochen Schina oder Tschina, das Reich der blumigen Mitte, nimmt ungefähr einen Flächenraum wie Europa ein, seine Bevölkerunaszahl dürfte wenig hinter der unseres Erdteils zurückstehen. Das eigentliche China aber umfaßt nur ein Drittel des Gesamtreiches; es ist eins der am dichtesten be wohnten Länder, aber auch eines der gesegnetsten Reiche der Erde. Die Reichsgewalt in den Provin zen desselben erscheint als eine überaus lose; zu einer eigentlichen Verwaltung hat sich das Reich im eigentlichen China nicht empvrgehoben. Teils Gebirgs- teils Tiefland aufweisend, wird China von zwei mächtigen Wasseradern, dem Gelben und dem Blauen Fluß, durchzogen, die zu Thal rinnend das chinesische Mesopotamien umschließen. Quellen des Reichtums geben sich in der Kultur des Thees, der Rohseide, in der Ausbeutung des Bodens, der Schütze an Steinkohlen und Erzen birgt. Die Chinesen sind das vornehmste Volk der ostasiatischen Rasse: sie sind, alten Ueberlieferungen nach, einst von Westen her eingezogen, 600 Jahre sind verflossen, seitdem Mareo Polo das Land durchzog, seitdem sind Dynastien gekommen und gezogen, der Wechsel der Zeit hat sich auf Volk, Sprache und Sitte ge legt, und so spiegelt das heutige China wenig noch wieder aus Mcmg Polo's Zeit. In der Gegen wart haben die „weizengelben Reisschlucker", welche Europa immer näher zu rücken beginnen, die allge meine Aufmerksamkeit mehr und mehr auf sich gezogen. Sie selbst fangen an, mit anderen Völkern nähere gegenseitige Beziehungen zu pflegen, sie fangen an, sich mit ausländischen Werken durch ein eignes Uebersetzungsamt bekannt zu machen und ihre Stipendiaten in der ganzen Welt umherznsenden. Die Gesittung, welche an den Ufern des Gelben und Blauen Flusses blüht, ist nicht nur eine der ältesten, sondern auch eine der verwickeltsten. Er scheint doch das ganze Land wie ein großes, von einer Mauer umzogenes Raritätenkabinett. Ein selt sames Volk, das Land der Ueberraschungen nudVerwnn- Die Erbin von Wallersbrunn. Original-Roman von Marie Romany. - - . (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) .Der Himmel, der zum erstenmale nach so langen Tagen der Trübsal wieder in seiner lichten Bläue strahlte, schien sein Wohlgefallen an dem frischen Wiederaufleben der Schöpfung zu haben; die Vögel, deren Lieder seit Wochen verstümmt, jubelten ihren Lobgesang, das Laub der Bäume, wenngleich halb vergilbt, strömte seinen Duft aus, die Blumen, die gebrochen schienen, richteten von neuem ihre bunt schillernden Köpfe zum Firmament hinauf; die ganze Natur, so neubelebt im Widerschein der Wonne, die in der reinen Bläue des Horizonts lag, schien eine Ahnung zu haben, daß, obgleich der November in Bereitschaft war, noch eine lange Reihe glänzender Sonnentage Italiens Fluren beschieden war. Auch die Menschen ahnten, und mit ganzer Hingebung ein solches Wohlbehagen der Schöpfung nach. Wochenlang hatte die Ungunst des Wetters alt und jung in den Häusern gefangen gehalten: nun drängte alles, den düstern Mauern, wenn auch nur für Stunden, zu enteilen, um in der freien Natur die Erquickung zu finden, die ihnen so lange Zeit hindurch andauernd entzogen war. In unab sehbarer Menge sah man die frohen Scharen, über die Thore Roms hinaus wandern; und aller Mienen strahlten, aller Herzen frohlockten im Gefühl sillcher Wonne, wie sie jedem, der sich frei und ohne Schuld im Leben fühlte, nach der langen Schwermut der Schöpfung an solch entzückendem Sonnentage be schieden ward. Dennoch konnte die allgemeine Lust, die heute zum ersten male wieder Natur und Menschen zusam menführte, nicht hindern, daß die Ausmerksamkeit eines großen Teiles der Bewohner Roms, Leute, die bis in die distinguiertesten Cirkel gehörten, auf eine andere Seite geleitet ward. Schon seit Wochen war das Ereignis, welches hente seinen Abschluß finden sollte, in den großen Kreisen der Gesellschaft das Gespräch des Tages gewesen; seit Wochen kehrte sich die Aufmerksamkeit der angesehenen und reichen Cirkel der Affaire von Erlenburg-Rimoli zu. Während der letzten Augusttage war es bekannt geworden, daß der Direktor des 8t. 8alvatoro des Verbrechens gesetzwidriger Freiheitsberaubung halber, dem noch erschwerende Umstände beigefügt waren, durch die Staatsanwaltschaft zu Rom in den An klagezustand versetzt worden war. Mit Blitzesschnelle, obgleich ein großer Teil der Bevölkerung zu seiner Erholung an der Küste des Meeres oder auf dem Laude weilte, war diese Nachricht von Mund zu Munde gegangen; man hielt es für unmöglich, daß er, dessen Lebensstellung so glänzend und ohne Makel Ivar, sich eines solchen Verbrechens schuldig gemacht haben könnte, und wendete nun mit dem ungeteil testen Interesse seine Aufmerksamkeit dem Verlauf des Ereignisses zu. Es dauerte jedoch nicht lange, so reihten sich andere Gerüchte der zuerst gemachten Aussage an; man wußte, daß die Bücher und Pa piere des Direktors beschlagnahmt worden waren, man erzählte sich, daß ein Wärter der Anstalt, dessen Ueberwachung das Objekt der Klage anvertraut ge wesen, inhaftiert sei, man wollte sogar wissen, daß Dr. Rimoli in Untersuchnngshaft hätte gesetzt werden sollen und nur durch Erlegung einer Kaution von immenser Höhe auf freiem Fuße betasseu war. Und diesen Erzählungen schlossen sich wieder andere von geringerer Wichtigkeit an. Es bedarf kaum der Erwähnung, mit welcher Spannung die Gesellschaft Roms, unter deren be liebteste Mitglieder, Dr. Rimoli zählte, der zum heutigen Tage anberaumten Verhandlung entgegen sah. Freilich ist nicht ohne Erwähnung zn lassen, daß, wie schon früher einmal angeführt, die freund schaftlichen Beziehungen, deren sich der Direktor des St. Salvatore erfreute, nicht eigentlich seiner Person, sondern im allgemeinen seiner gesellschaftlichen und finanziellen Stellung auf die Rechnung zu schreiben waren; dennoch blieb ihm die Beliebtheit; und was das Interesse für seine Sache noch erhöhte, war der Umstand, daß Herr von Erlenbnrg nicht den Cirkelu Roms oder überhaupt Italiens singehörte, daß er ein Deutscher war. Die Staatsanwaltschaft hatte jedoch m diesem Umstande durchaus keinen Milderungsgruud für die Handlungsweise des Direktors gefunden; mit rück sichtsloser Schärfe war die Untersuchung der gegen ihn gemachten Anklage in Bewegung gesetzt. Ludwig von Erlenburg, wie leicht verständlich, war aus St. Salvatore fortgeführt, und zur Ueberwachung und Prüfung seines Zustandes dem Direktor der Gefänguisirrenaustalt übergeben worden und schon nach Verlauf eines kurzen Zeitraumes hatte dieser dem Gericht die Anzeige von der totalen Zurech nungsfähigkeit des angeblichen Patienten gemacht.