Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pranumerativns- Prei, 22; Sqr. < > Ttzlr.) vierrelläbeli», Z ^dlr. für da« ganze .gäbe, odne Ee< böbung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieser Keid<att der AUg. Pr. StaatS- Aeitung in Berlin in der Erpedilion sMobre» - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Ausland« bei den WohllSbl. Post - Aennern. Literatur des Auslandes. 149. Berlin, Montag den 12. Dejember 1836. Finnland. Ausflug von St. Petersburg nach Finnland und dem Jmatra. Seil etwa zehn Jahren — ich achte eben nicht sehe aus die Zeit — seitdem eine ebene Ehauffce 'Petersburg mit der Gräuze von Finn land verbindet; seitdem in den Bewohnern der Nordischen Hauptstadt, welche bereits scbr stark zu reisen beginnen, der Fanatismus sür Land. Parlier» sich gesteigert hat; seitdem man auf Kamenoi-Ostroff") der nahe» Nachbarschaft und des Staubes wegen nicht mehr leben kann — ist der Jmatra, wo bereits ein Englischer Park und ein .kaiserlicher Palast entstanden sind, das Mekka geworden, wo jeder gebildete Mann und jede wohlerzogene Dame ihre dem Sommer geweihte Reise zu bc- schlicßen verpflichtet sind, weiui sie auf das Siecht Anspruch machen wollen, sich: „Hadschi" oder „»ziorling z-enllniunn" nennen zu dürfen. An den Ufern der Woksa werden kleine Lager von bunten Zel ten aufgcschlagcn, welche von Jagern in Pariser "Kostümen und von Fischern mit seidenen Netzen und Angeln von rothcm Holze bewohnt werden Heiterkeit, Empfindsamkeit, zane Hoffnungen und kleine ländliche Abenteuer verlassen Petersburg im Juni, um im Großsurstenlhum Finn land ein Nachtquartier zu nehmen." Mit den ersten Strahlen der Sonne hatten wir bereits die Eränze von Finnland erreicht; nur die schmale Scstra, welche einst die Gränze zwischen dem Russische» Reiche und dem Schwedischen Gebiete machte, trennte uns noch von dem Großfürstenthum, Wir fuhren auf das jenseitige Ufer hinauf, und der erste Eindruck, der erste so äußerst ange nehme Eindruck für den Sterblichen, welcher im offenen Wagen fahrt, war, daß das holperige Pflaster und der Triebsand, auf welchem wir bisher gefahren, geschleift und gehüpft waren, sich hier in einen ebene» Weg, so glatt wie aufgrspanme Leinwand, verwandelten. Pfeilschnell flogen wir jetzt dabin, und einen Augenblick später hielten wir auf der ersten Zinnländischen Poststation. Ohne nach der Podoroschna"") zu fragen, reichte uns der Inhaber des Posthofes das Däg-bok hin, d. h. das Buch, in welches scdcr Durchreisende seinen Namen, so wie den Ort, woher er kommt, und den, wohin er geht, nebst der Anzahl von Pferden, mit denen er fährt, eintragen muß. An der Seite ist dann »och eine Rubrik für Bemerkungen, "die fast immer weiß bleibt, aber doch ein Schrecken für Posthaller und Postillone ist, da das Gesetz dieselben mit harter Slrase sür die geringste Beleidigung der Reisenden bedroht. Der Postillion wagt sogar nicht einmal, nm Trinkgeld zu bitten, da er Gefahr läuft, mit zwöls Peitschenhieben dafür bestraft zu werten. Dagegen müssen aber auch die eiligen Reisenden, welche im eigentlichen Rußland mit geschwungenem Sabel aus der Station anlangen und herrisch: „Pserde!" schreien, die im BorauS schon in jeden, Posthaller nur einen Dieb und Gauner scheu, hier höflich sevn, wenn ste nicht mit der Finnländischcn Themis anbinden wollen, die weder Schnurrbart noch Sporen berücksichtigt und die Strafen von fünf, zehn und zwölf Silbcrrubcln von dem Slörmsricd der guten Ordnung, ohne Ansehen der Person, sogleich cinzieht. Dies Alles kann man genau ersehen aus Le» „Borschristen", welche auf jeder Station neben dem Tarife des PostgeidcS, der Anzahl der Werste und Pferde und der Lebensmittel — wenn solche nämlich vorhanden sind — an der Wand hängen. Ge wöhnlich aber dienen diese Papiere nur zur Verzierung der Wände und als Denkmal der scharfsinnigen Gesetzgebung Finnland s. Einige dieser Vorschriften sind besonders bcmerkenswcrlh und machen der Absicht, in welcher sie versaßt sind, alle Ebre. So darf z. B. Niemand, ausgenom men in sehr dringenden Fällen, während des Gottesdienstes an Sonn tagen Pferde fordern und weiter reisen. Diese Verordnung giebt gleich ans der ersten Station eine vorthcilhaste Idee von den Sitten des Volkes, welches in der That gottesfürchtig und fromm ist. Ungeachtet der bedeutenden Entfernung, aus welche großlentheils die Finnischen Wohnungen von der Kirche abliegen, verläßt der Kiesige Landmann doch stets sein HauS, nm die einfache und ihm verständliche Predigt seines Pastoren zu Horen. Wem aber Krankheit oder Aller dies zu «Hun nicht gestatten, der bleibt dabeim und singt sür sich Psalmen aus dem Gcsangbuche. Wie oft habe ich sogar aus de» um Petersburg ge legenen Tschuchischcn Dörfern Knaben und Mädchen gesehen, welche ihren gebrechlichen oder blinden Großälicrn stundenlang aus der heilige» Schrift vorlascn. Die lutherischen Pastoren verlangen durchaus von ihren Pfarrkin dorn, daß jedes derselben wenigstens lesen könne, und halte» das Volk ') Ein Stadtviertel Petersburg'S. Ein Pag zu Pvstvsrrdeu. zur Elaubenspflicht an. Bei dem Lobe, welches ich den Finnen in Hin sicht der Gottesfurcht erlhelle, muß ich auch noch andere gute Eigen schaften erwähnen, die ich bei ihnen gefunden habe, als — Gul- müthigkcit, Dienstwilligkeit, beispiellose Ehrlichkeit und sogar Uneigen nützigkeit, welche bei ihrer großen und fast allgemeinen Armnth um so unbegreiflicher ist. Allerdings bemerkt man bei ihnen auch bisweilen Faulheit, Unreiiilichkcit, Halsstarrigkeit und Neigung zum Trünke — obgleich im Allgemeinen in weil geringerem Grade, als bei den Peters burger Tschuchcn — so wie auch Gleichgültigkeit sür ihre» eigenen Dor- lbeit, welche mitunter bis zur Gefühllosigkeit geht. Man muß jedoch größtenthcils ihre Armmh dem Lande selbst, der Rauheit des Klima'S und anderen Lokal-Verhältnisse» zuschreiben, von denen besonders das Eine als sehr wesentlich hervortritt: daß die, Finnen seil undenklichen Zeiten schon immer ein unterjochtes Volk waren. Obgleich sie in alter Zeil von angeborenen Herrschern regiert wurden, so waren diese Herrscher doch nichts Anderes, als Anführer oder die Aclteste» wilder Horden, welche, jeder bürgerlichen Einrichtung fremd, in Wäldern und Einöden vom Thier- und Fischfänge lebten. In eine Menge einzelner Stämme getbcilt, welche sich ost unter einander anfcindctcii, konnten sie kein po litisches Ganze bilden und wurden daher früh schon die Beute ihrer Nachbarn. Im siebente» Jahrhundert schon vereinigte der Schwedische König Jwar Widfamni mit seinen übrige» Länder» eine» bedeutenden Tbcil des Gebietes von „Suoma" oder „Suomenma" d. h. Snmpf- lanb, wie die Bewohner Finnlands es nannten, sich selbst „Suome- laistcr" nennend. Seine Nachfolger, welche diese Eroberung bald ver loren, bald von neuem ihre Macht daselbst befestigten, drangen bis in die entlegensten, damals noch ganz wilden und unbekannten Theile Finn lairds. In der Milte des zwölften Jahrhunderts, zur Zeit Erik'S IX. des Heilige», wurden durch den Eiser des Bischos Heinrich von Upsala, eines Engländers von Geburt, die erste» Keime des Ehristentbuines in den südlichen und südwestlichen Gegenden, d. h. im eigentlichen Finn- laud, Saiakund und Nhland ausgestrcul. Im Jahre 124g unterjochte der Schwedische Heerführer, Birger Jarl, Ostcrbotlen, wo auch sogleich der wahre Glaube befestigt wurde; im Jahre 1293 aber vereinigte der Beherrscher Schwedens, Torkel! Knut son, den ganzen übrigen Theil von Finnland — Sawolax und Karelien bis zum Ladoga- und Oncja-See — mit dem Schwedischen Reiche und sicherte seine Eroberung durch Erbauung einiger Schlösser und Festun gen, welche den Schweden, ziemlich lange den ruhigen Besitz dersel ben erhielten. Im Jahre 1348 fiel ter östliche Theil von Finnland neuen Eroberern zu. Dem Könige Magnus 1l. oder Smck, welcher die Nowgoroder zum katholischen Glauben bekehren wollte, gelang sein Unternehmen jedoch nicht, vielmehr mußte derselbe, von de» Letzteren an Len Usern der Jschora geschlagen, das Gebiet von Nowgorod bis zur Sestra ausgcben. Diese Gränz- zwischen zwei sich ewig bekriegenden Mächte» konnte jedoch nicht beständig bleiben. Das Schwert des Siegers führte die Gränzmark willkürlich immer weiter, und so wurde das arme Finnland der Schauplatz fortwährender Blutvergießungen, Räubereien und Feuersbrünste; bis endlich die Verträge von Nvstadt und Äbo dem Russischen Reicht Finnland bis zum Kämen und »ach dem Kriege im Jahre 180!» sogar bis Tornea zusichcrten. Aus dieser flüchtigen Uebcrsichl der letzten sechs Jahrhunderte der Geschichte Finnlands aber dürste wohl nur mangelhaft zu ersehen sehn, daß wir jetzt nicht auf einem Heu-Sacke, sondern aus ziemlich sicheren, über der Achse befestigten Sitzen schweben. Dennoch muß ich von vorn herein gleich sagen, daß der Russische Wagen, aus welchem wir unsere Reise begonnen hatten, hier mit einer zweirädrigen Taretaike, Gig oder, wie man dies Fuhrwerk hier zu Lande nennt, mit einem Kariol ver tauscht wurde. Ei» rolbkövfiger, grauäugiger Finne fuhr uns, der zwischen seine» Zähnen, weiß wie Elfenbein, eine kurze Pfeife mit Rauchlaback hielt, während an dem Gürtel, welcher seine gestreifte Leinwand-Jacke zusammensaßte, ein Hörnchen mit Schnnpslaback hing. Mit bewundernswürdiger Geschicklichkeit balancirle der Finne auf der Deichsel der Taretäike und flog, seinen kleinen, wie die Füchse sc» rochen Pferdchen fortwährend zuschreiend, gleichsam wie der Wind auf der Graml-Ehauffee dahin, indem er gewandt den großen Steine» äuswich, welche häufig zu beiden Seilen der Straße lagen. Bis zwei Stationen vor Wiborg ist die ganze Umgegend mit dergleichen Steinen wie über säet, und je weiter man vorschreilct, desto mehr nehmen dieselbe» an Anzahl und Umfang zu, indem sic durch ein Spiel der Natur die ver schiedenartigsten und seltsamsten Formen erhalten haben. Hier au den Ufern deS SeeS, zwischen den Gesträuchen, liegen eckige Granit-Trümmer, welche man beim ersten Anblick sehr leicht für ei» kleines Dorf ballen könnte. Dort blicken mißgestaltete Kieselsteine durch das Dickicht de«