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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS- Preis 22^ Sgr. Thlk.) viertelsährllch, ü Thlr. für daS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin ' f ü r die Man pränumcrir« auf dieses Beiblatt der Allg. Pr. Stams- Zeiiung in Berlin in der Erpedition (Mohren-Straße Nr. Z4); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Poff - A-micrn. Literatur des Auslandes. 81. Berlin, Mittwoch den 6. Juli 1836. England. Schloß Hainfeld, von Capitnin Basil Hall. Das von dem in der Reise- wie in der Erzählungs-Literatur gleich beliebten Capilain Basil Hall unter obigem Titel erschienene Buch dürfte um so mehr geeignet scvn, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln, als die ein zelnen Partiten desselben ganz aus der Wirklichkeit, aus dem Lebe» entnommen sind. Capilain Hall erhalt auf seiner Reise durch Italien zufällig ein Einladungs-Schreiben von einer alten Schottischen Lame, die mit dem Grafen Purgstall, einem Oestcrreichische» Gutsbesitzer in Steiermark, vermählt war. Wir lassen die Einladung selbst hier folgen: „Mein Herr, ich habe so eben Ihren Brief vom 2t. April aus Albano empfangen. Ich bin so ganz aus der Gewohnheit gekommen, einem fröhlichen Gedanken Ramu zu geben, daß ich fast erzittere, wäh rend ich Ihnen hiermit anzeige, daß ich mich außerordentlich freuen wurde, wenn Sie mich mit Ihrer werthen Familie auf meinem Schlosse in Nieder-Steiermark besuchen wollten. Ihre lieben Kleine» bedürfen gewiß der Ruhe. Lassen Sie sie daher einige Wochen in Hainfeld zu bringen. Das Schloß ist groß genug; es enthalt neununddreißig Zimmer, die alle vollkommen, obgleich noch im Stile des vorigen Jahrhunderts, möblirt sind; die Luft und das Wasser hier sind gut; das Land ist reich, vortrefflich angebant und bietet durch seine Mannigfaltigkeit rei zende Aussichten dar. Ich kann Ihnen zwar nicht viel Vergnügungen versprechen, denn ich bin eine Willwe, die den Genüssen des Lebens ziemlich entfremdet ist; aber wenn eine herzliche Aufnahme selbst die Einöde angenehm zu machen vermag, so bin ich sicher, Sie werden es hier ziemlich erträglich finden. Ungarn, ein noch zu wenig bekanntes Land, liegt nur drei Meilen von hier entfernt. Sie werden von mei nen Gränznachbarn gewiß recht gut ausgenommen werden und in dem Volke einen Schlag von Menschen kennen lernen, der von den übrigen in Europa gänzlich abweicht. Was den Weg hierher betrifft, so kann ich Ihnen versichern, daß er vortrefflich und in jeder Hinsicht dem durch Tyrol vorzuziehen ist. Es war der Zufall, der die ersten Englischen Reisenden durch Tyrol führte; seit der Zeil ziehen sie alle wie ein Bo gelschwarm immer durch dasselbe Land. Aber die Alpen und die Seen in Steiermark sind nicht weniger interessant als die in Tyrol, und Grätz ist in keinem Betrachte Innspruck nachzusetzen. Lin anderer Portbeil, den Ihnen die Reise hierher gewährt und den sie ohne Zwei- sel zu schätzen wisse» werden, ist, daß er Ihnen die Gelegenheit dar- bietet, die Bekanntschaft des Erzherzogs Johann zu machen, der ganz einfach und ruhig aus seinen Eisenwerken lebt und Sic gewiß mit vie lem Vergnügen aufnehmen wird. Er ist ein ausgezeichnet gebildeter Mann, besitzt eine Masse praktischer Kenntnisse, und seine Manieren sind wahrhaft einnehmend. Als Mensch bat er Wenige seines Gleichen — als Fürst ist er jedenfalls eine merkwürdige Erscheinung Ich wage es nicht, von der Hcimath meiner Jugend zu spreche». Die süns- unddrcißig Jahre meiner Abwesenheit haben mich aus dem Andenken derer, die mir am thencrste» waren, verwischt; wenn Sie mir aber die besondere Gunst erzeigen wollen und mich besuchen, so werden Sie den Vorbang wieder etwas lüsten und mich einen Blick i» die Dinge lhun lassen, die mir wahrlich noch zu theuer sind! Es wird mir außer ordentliches Vergnügen machen, wenn Sie mir so bald als möglich an zeigen, daß Sie mir einen Besuch abstalten wollen. Der Gouverneur von Mailand, Gras Hardegg, wird sich Ihres Beifalls gewiß erfreuen, nicht weniger als unser Landsmann, der General Graf Nugent zu Triest. Doch die Post gehl ab; ich muß die in Eile hinqeworfcncn Zeilen schließe» und verharre mit aller Hochachtung und Liebe, Ihre ergebenste Freundin, Gräfin Purgstall")." Die Ankunft des Capitains Hall auf dem Schlosse Hainfeld wird uns in folgender Weise geschildert: „Wir fanden unsere alte Freundin, wie man uns bereits Vorher ange- zeigl, auf einem großen altmodischen, mit geblümten Gardinen versehenen Bette ruhend, in einem schwach erleuchteten Zimmer, das noch in dem Stil des vorigen Jahrhunderts ausgeschmückt war. Em halbes Dutzend Kissen von verschiedener Gestalt und Form diente dazu, ihre abgezehrte Figur etwas emporzuheben, während Alles an ihr die Symptome des Verfalls und des Sicchtbums an sich trug. Ich sage Alles, mit Aus nahme ihrer Stimme und ihrer Geberden, in denen eine gewisse Leb haftigkeit und Frische sich deutlich kund gaben. Nichts konnte herzli- *) Dieser Name hat iekt auch noch ein besonderes Interesse dadurch er halten, daß ihn der Kaiser von Oesterreich, seitdem die Familie, die ibn ge rührt, ausgestorben, mit dem Frciherrn-Titcl an den berühmten Orientalisten, Joseph von Hammer, verlieben hat. chcr oder lebendiger sehn, als der Ton, mit dem sie nns willkommen hieß. Sie schüttelte uns, einem Jeden besonders, die Hand, gleich als Halle sic uns von jeher gekannt, und konnte u»S nicht genug ihre Freude darüber bezeugen, daß sie das Glück halte, uns bei sich zu sehen. „Aber Sie werden gewiß sehr müde seyn", sagte sie zu uns, „und Ihre Kinder müssen sich nach Ruhe sehnen, so bitte ich denn, beweisen Sie mir, daß Sie sich hier heimathlich fühlen, und wählen Sie sich selbst die Zimmer aus, die Ihnen am besten anstehen. Wir haben deren ge nug, wie ich glaube; auch soll Ihnen sogleich die Mahlzeit scrvirt wer de», die bereits ein oder zwei Stunden aus Sie wartet." Wir entfernten nns unter Begleitung des Hausverwalters Joseph, der auf Befehl seiner gastfreundlichen Gebieterin die Lesen in drei Mal so viel Zimmern Heizen ließ, als wir möglicherweise cinnchmen konnte», damit wir, wie er sagte, eine vollkommen freie Auswahl hätten. Zn den meisten alten Schlössern, die ich bisher gesehen, waren die Zimmer klein und eng, aber zu Hainfeld fand ich sie groß und bequem; und wenn auch die Möbel hier nicht in einem solchen Ucberflusse zu sehen waren, wie wir es in unseren modernen Palästen gewohnt sind, so wa ren sie doch alle in einem guten Zustande und selbst elegant zu nennen, wenn man sie in ihrer eigeuthümlichcn, aber freilich schon veralteten Weise anffaßte. In dem Hauptzimmer, das für uns zurecht gemacht worden und das schönste in dem ganzen Schlosse war, stand ein herr liches Bett, das zum wenigsten acht Fuß breit, mir karmoisinrolhen seidenen Gardinen versehen und mit zwei oder drei Zoll breiten Borten besetzt war, über welchen eine silberdurchwirktc Kranzleistc saß, in dem selben Geschmacke, wie die reiche, aber schwerfällige Stickerei, die auf ter Bettdecke angebracht war. In gleicher Weise waren die Wände mit karmoistnrothcm Allas ausgeschlagcn, und rund nm das Zimmer herum standen altmodische Sophas, die mit gewundenen Rückenlehnen und Dclphinsarmcn versehen, mit erhabener Arbeit in Gold geschmückt und alle mit elastischen blumendurchwirkten Kiffen ausgepolstert waren. Hier und dort standen phantastisch geschnitzte Schreibtische, die von nicht weniger phantastisch gestalteten Füßen getragen wurden, welche auf kleinen Slanderchen ruhten. Das übrige Möbel bestand ans Bü- reaus, Kommoden und possirliche» Toiletten, die mit ungeheuren starken Spiegeln belastet waren. Nächstdem sah man hier eine Menge von Stühlen mit hohen anfgeschwellten Sesseln, Rohrlchncn und kreiselför- mizen Armen, auf denen es sich allerdings bequem genug sitzen ließ, die aber nicht so leicht von einer Stelle zur anderen fortgerückt werden konnten. Die meisten Zimmer waren an den Decken mit grotesken re- liefartigen Gypsfignrcn ausgeschmückl, und die Wände, die nicht mit gräßlich stierenden uralten Familienbildern bedeckt waren, waren in Fresko ausgemalt und mit Schlachtstücke», Iagdsccneu und anderen Kunstwerken in demselben großartigen, aber veralteten Stile verziert. Endlich sah man noch in jedem Zimmer des Schlosses einen auffallend großen porzellanenen Ofen, der, weiß glasirl, in mehreren Stockwerken bis zur Decke sich erhebend, den Chinesischen Pagoden nicht unähn lich war, wie man sie noch in manchen Gegenden häufig zu sehen be kömmt." Unsere Reisenden machten einen Ausflug nach dem alten Familien- fitzc der Gräfin. „Als wir unterhalb Ricgersburg vorbeizogen, wo ein kleines male risches Dorf unter dem Schutze des Forts angelegt ist, machten wir auf den Wunsch der Gräfin einen Abstecher nach der katholischen Kirche, innerhalb welcher sie, wie sic uns erzählte, eine Kapelle halte ausfüh- rcn lassen. Da die Gräfin der evangelischen Lehre, in der sic zu Edinburg erzogen worden, stets treu geblieben war, so konnte nns die ser Umstand nicht anders als höchst ausfallend erscheinen. Wir unter suchten indeß das Innere der Kapelle, die ganz den einfachen Geschmack bekundete, welcher Alles charakterisirte, was die Gräfin zur Ausführung bringe» ließ. In der Milte stand ein zierlicher, herrlicher Altar, und an dessen Seite ei» schönes Monument aus Granit, das sie ihrem Gat ten und ihrem Sohn hatte errichten lassen. Aber Alles überstrahlte die Statue St. Wenzel s, des Schutzheilige» der Purgstallschen Familie. Das, was uns bei dieser Gelegenheit so seltsam erschien, wurde uns bei unserer Rückkehr »ach Haiafeld von der Gräfin selbst erklärt. Sie fragte uns wenig nach dem verfallenen Zustand ihres alten in ihren glücklichen Tagen einst so blühenden Familicnsitzes, der nun in fremde Hände übergegangen und seitdem ganz vernachlässigt war. Aber sie sprach gar viel über das, was die Kapelle anlangte, auf welche in der That alle ihre Interesse» hienicdcn sich konzentrirle», da sic ihren Gatten so wohl als ihren Sohn hier begraben halte; wir erfuhren bald, daß ihr einziger Wunsch auf Erden nur der war, dereinst »eben ihren Lieblingen beigesetzl zu werden. Um aber diese» hohen Zweck zii erreichen, mußte