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Wöchentlich ^erscheinen drei Nummern. Prännnieration«- Prei« 22^ Sgr. (j Lhlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. sür da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in alle» Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirl auf dieses Beiblatt der Allg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Poli - ülemter». Literatur des Auslandes. . M 63. Berlin, Mittwoch den 25. Mai 1836 England. Zur Geologie von Europa. Allf der König!. Bibliothek zu Paris befindet sich ein Arabisches Manuskript aus dein I3leu Jahrhundert, in welchem sich folgende Lehr- Fabel befindet: „Ich kam eines Tages nach einer sehr großen, zum Er staunen reich bevölkerten Stadt; ich fragte einen Einwohner, wie alt sie sey? er antwortete: „„Sicher sehr alt, aber wir wissen nicht, wie lange sie eristirt."" Fünfhundert Jahre später kam ich wieder zu der selben Steile, aber ich sah keine Spur von Stadt mehr. An dem Orte, wo sich einst die LolkSmaffcn bewegten, pflückte jetzt ein Bauer wilde Kräuter; diesen sragle ich, wie lange schon die hier gewesene Stadt zerstört sey? „„In der That"", ries er, „„eine seltsame Frage; der Boden hier war niemals anders, als wie Sie ihn jetzt sehen; meine Vorfahren und ich wissen nicht« von der angeblichen Stadt/'" Fünf hundert Jahre später besuchte ich abermals dieselbe Stelle, sie war vom Ocean bedeckt; ich fragte die am Ufer stehenden Fischer, seit wie lange da« Meer hierher gedrungen seyk Wie aus einem Munde riesen sie Alle: „„Kann ein Mensch mit gesundem Menschenverstände so fragen? Dieser Ort hatte niemals eine von der jetzigen verschiedene Gestalt."" Noch einmal verflossen fünf Jahrhunderte, und ich begab mich wieder an dieselbe Stelle; sieh! eS stand eine Stadt da, weit größer, schöner und volkreicher als die, welche ich vor so vielen Jahrhunderten hier ge sehen hatte. Meine Fragen über das Alter aber und das Entstehen der Stadl wurden mit demselben Befremden wie früher aufgenommen." Diese Allegorie bat keinen anderen Zweck, als uns in poetischem Lichte zu zeigen, welchen Umwälzungen und Leränderungen die Ober fläche des Erdbodens preiSgegebcn ist. Es ist überraschend, wie die stille Weisheit de« orientalischen Dichters im dreizehnten Jahrhundert Phä nomene geahnt, die erst in unserer Zeit klar wurden, und durch die ge schilderten Veränderungen und die Zwischenräume der Zeit, in welchen sie vor sich gehen, saft die Basts vorherverkündet Hal, worauf eine große Abtheilung unserer Geologie beruht, die nämlich, zu untersuchen, welche Zerstörungen, Wechsel lind Gestaltungen dem EnIwickclungS-Prozesse de« vegetabilischen und animalischen Leben« ans unserem Planeten vor her und zur Seile gegangen sind. Die Wissenschasl ist aber in unserer Zeit viel weiter, als zur Zeit jenes Arabers, und braucht sich nicht bei den Bauern und Fischern über die Geschichte ihres Boden« zu erkun digen; sie weiß au« den Trümmern dessen, was einst da war, eine Ver gangenheit zu erklären, die durch Myriaden Jahrhunderte von unserer Gegenwart geschieden ist. Die Geologie stieg in die Gräber der Gene rationen lLugst unleraegangener organischer Wesen, und brachte es durch vergleichende Unlersiichungen der Uederreste und der Stellen, wo sie ge funden wurden, dahin, daß sie mit einem hoben Grade von Wahrschein lichkeit die phvsische und geographische Gestalt der Regionen erminelt, welche jene Generationen bcwobnt Haien. Zn dieser Beziehung hat sich England durch eine seltene Thäligkeit ausgezeichnet Die Gründung der geologischen Gesellschaft zu London führte eine neue Aera in den Annalen der Kosmologie herbei. Der Präsident diese« gelehrten Verein«, Herr Charles Lvell, hat es ganz neuerlich unternommen, den jetzigen Zustand dieser Wissenschaft zu be leuchten und die Untersuchungen der Geologen de« Kontinenl« mit denen seiner Kollegen, der Herren Greenough, Mac-Culloch, Buckland, Conv- beare, Mantell, de la Boche") und Anderer zu vergleichen. Wir haben r« nn« zur Ausgabe gemacht, in diesem Artikel einige der von Herrn Lvell vorgelragcne» Meinungen, und besonder« Thatsächen, anzuzcigen, welche höchst überraschend und noch am wenigste» bekannt sind. Al« Grund-Maxime stellt dieser Gelehrte den Satz auf, daß die Zeit der Schlüssel aller geologische» Probleme ist. Gestaltet man dem Geologen nur, für die Kräsle der Natur, die wir noch vor unsere» Augen wirke» sehe», eine eben so unbeschränkte Zeit der Wirksamkeit für die Vergangenheit al« für die Zukunft anzunehmen, so hat er auch keinen Deus ex mnebina mehr nöthig, d. h. er würde Umstürzungen der Erd-Achse, keine Sündfluihen, Kometenstöße u. dgl. zu Hülfe rufen müsse», um die Wissenschaft au« ihrer Verlegenheit 'zu ziehen. Wenn man die zahl losen Versteinerungen von Wesen belrachtet, die früher gelebt und ruhig an den Orten, wo man sie entdeckt, de» Tod gesunde» habe«: so muß die Geologie de» Grundsatz bestätigen, daß wenn auch der Mensch auf dieser Welt neu, doch die Welt selbst sehr alt ist. *) Die unter dem Titel ,lt»« w »h-orr«" von De la B«che herauSgege- dene sehr schagbare und auch dem Laien verlländliche Anleitung zu geologi schen Beobachtungen ist so eben in einer Deutschen Ueberseyung (von vr Nehbock) mit »3» Holzschnitten bei Veit und ssomp. in Berlin erschienen. Indessen muß mau eingestehe», die Geologie hat ihre Theorieen noch nicht ganz von Hypothesen gereinigt. Herr Lyell liefert eine, die mehr da« Resultat etwa« gezwungener Analogiee», als da« Produkt eine« reinen systematische» Geistes zu sey» scheint. Ec sagt: „Ist die Meinung zulässig, daß die einfachen Uebcrgänge von Meer in Land und Land in Meer, durch die Veränderung der Lage der Erde und der Meere, jene außerordentlichen Variationen von Hitze und Kälte auf der Ober fläche des Erdballc« hervorbringen konnte»? Ja!" Wenn man, meint er, annimmt, daß solcher Situativns-Wechsrl zwischen Kontinenten und Meeren in der vergangenen Zeil staltgesuudcn habe, so wird man sich ohne Schwierigkeit die Erscheinung erkläre» können, daß i» und an unserm Nordischen Bergen und Usern Pflanzen und Thiere aus den tropische» Zone» i» versteinerte» Ueberreste» sich finden; eben so, wie die gigantischen JguanodouS, Eidechsen von 80 Fuß Länge, in den Wäldern von Suficy, oder wie die sonderbaren Jchthyosaürcs (Fisch- Eidechsen) an den Küsten von Torbay sich aushaltcn. Daraus wird c« klar, wie in unsere» Nordmccren, wo jetzt der Wallfisch baust, Ko rallenriffe gesunde» werden können; ober wie die großen Schildkröten ihre Eier in brennenden Sand legen konnte», wo jetzt auf Eisberge» der Bär und die Seehunde lagern. Aus einem Zusammentreffen mehrerer geologischen Wahrnehmun gen, z. B. daß keine große viersußigc Thiere gefunden werden, daß die fossilen Pflanzen alle einen insularischm Charakter haben, geht deut lich hervor, daß da« nördliche Europa von einem großen Ocean bedeckt war, der zahlreiche Inseln hatte, und der mit seinen Vulkanen und Ko rallen-Inseln ganz dem Indo-Japanischen Archipel gleich kam. Die üppige Vegetation, begünstigt durch die Verbindung der großen Feuch tigkeit uud der großen Hitze, gab einer Steinkohlenerdc die Entstehung, welche später durch vulkanische Revolutionen vergraben wurde"). Je mehr sich der Geolog von dieser Periode entfernt und sich jün gerer Zeit nähert, desto mehr findet er ciue allmälige Zunahme in der Zahl der Thiere und Pflanzen, die unser jetzige« Klima erhalten konnte. Die« ist die Aera der Srdlagen, wo sich festere Erdmassen in unserer Breite sammelten, wa« vielleicht mit dem Verschwinde» de« Lande«, das unter der Linie fehlt, zusammenhäugt. Diese Zeit eröffnet die Reihe von Erscheinungen, durch welche endlich das heutige Europa seine Form empfangen Hal. Die Britanischcn Inseln, mit Ausschluß der Kalkbecken in dec Umgegend London«, der Insel Wight und Norfolk«, haben sich schon in ihrer Totalität über de» Wasserspiegel erhoben. Ein Drittel Frankreich« stand »och untcrm Wasser; Italien hatte noch nicht«, al« einen langen und schmalen Kamm von pmmsnlarischen Ge birgen; die Turkri und Griechenland im Süden der Donau waren Irok- ken, und ein langes, hohes Plateau breitete sich von den Vogesen durch Mittel-Germanien, Böhmen, Nord-Ungarn aus und erreichte vielleicht den Balkan. Zu den Füßen dieser Höhen lag der weite Raum von Nord-Europa und Nord-Asien noch in de» Fluchen begraben. Unterir dische Bewegungen drängten dann diese Niederungen über die Ober fläche des Wassers hinaus und erhöhten zugleich die schon trocknen Theile. Gewiß ist's, daß in dieser Zeit die Alpe» eine» HöhenzuwachS von zwei- bis viertausend Fuß erlangten; auch die Pyrenäen und der Jura haben damals ihre gegenwärtigen Höhen noch nicht erreicht ge habt. Alles berechtigt zu der Annahme, daß diese« Empordringe» de« Bodens einerseit« die Tiefe» de« Ocean« bedeutend verändert und an dererseits de» klimatischen Wechsel unsere« Welttheil« bewirkt habe. Wir kommen jetzt zu einer der wichtigsten Frage» der Geologie. Diese spricht beständig von Umwälzungen, Veränderungen, Erhebungen und Bewegungen der Erde und de« Wasser«, welche bald nach und nach, bald plötzlich vor sich gehen; sie Hal auch da« Recht, so zu sprechen, denn wir könne» auf unserer Well keine» Schritt Ihn», ohne auf die bandgreislichsic» Merkmale und unwiderleglichen Zeugnisse jener Revolu tionen zu stoßen. Allein, wo bat die Gewalt, welche solche Resultate hervorbrmgt, ihren Sitz und von welcher Natur ist sie? Der Eine sagt, e« wäre die Hitze im Mittelpunkte der Erdkugel; der Andere findet j» der Astronomie die Quelle jener Kraft; wieder Andere rufen che mische Einflüsse zu Hülfe, und Andere endlich die Elektrizität. Unter den vielen Hypothesen, welche darüber von Astronomen, Chemikern, Mi neralogen und Zoologen ausgestellt worden, ist die der Letztere» beson der- seltsam. Nach ihnen ist die Erde ei» große«, lebende» ') Daß die Steinkohle vegetabilischen und animalischen Ursprung« ist, wird jetzt nicht mcbr bezweifelt: die vielen Spuren von Gewächsen undThte- ren, besonder« Eischen und Muscheln, die man in den Steinkohlenlagern an- trifft, würden e- schon beweisen, wenn nicht chemisme Scheidung organisch« Bestandtbeilc in der Kohlensubstanz entdeckt hätte Schwerer ist zu beweisen, wodurch die organischen Körver in Steinkohle übergingen Man nimmt mit Werner an, »aß e« durch Schwefelsäure geschieht.