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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« Drei» 22^ Sgr. (^ LHIr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese? Beiblatt der Altg. Pr. StaatS- Zcitung in Bertin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohttöbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 42. Berlin, Mittwoch den 6. April 1836. Spanien. Scenen ans Spanien im Jahre 1835. (Aus der Kerne äe» äeur msiMos.) — „Haiti ein! Haut ein! — Es ist ein Verrätbcr! — Nieder mit ihm! Nieder mil ihm!" — Unter diesem donnernden Zurufe Halle eine Truppe Urbano? in blauer Uniform, mil gelben Aufschlägen, einen Mann von elendem Ansehen beim Kragen gefaßt und mil einer Tracht derber Hiebe überzogen. Dieser Vorfall ereignete sich vor dem Thore von Valencia wäh rend eine? Slicrgcfcchic«; es war an einem Sonntage, am 2. August de? letztverwichcnen Jahres, mitten in den Hundstagen; trotz einer schrecklichen Hitze von dreiuuddrcißig Grad war'? im Cirkus voll ge pfropft. Aber da? Stiergesechl schien die versammelte Menge nur we nig zu befriedigen; die Corrida war abscheulich, die Stiere waren lau ter Novizen, reine Novillo?. Die Torreadore? und die Picadores mach ten ihre Sache kochst mittelmäßig, und der Matador führte seine Streiche so ungeschickt, daß Lie erbitterte Menge bereit? ihren Unwillen darüber laut zu erkennen zu geben anfiug. Mitten unter diesem von allen Sei len ansbrechendcn Gemurmel erschallte auf einmal der Ruf: „Tod den Verrälhern!" Anstatt eine? Stiere? erschien plötzlich ein Mensch auf dem Kampfplätze, den Urbano? anstatt der Torrcadorcn hetzten, und ein großer verwegener Kerl mit einem Kncbelbarl war schon in Bereit schaft, bei dem menschlichen Opfer die Rolle Le? Matador? zu über nehmen. Er schwang mit der einen Hand einen Säbel und mit der anderen ein rothe? Band, da? er bei dein Angeklagten gesunden zu ha ben behauptete; die? war da? instrumentum ckoliuti. denn roth ist die Farbe der Absolutisten, so wie grün die der Eonstilutionncllen ist; der donnernde Zuruf: „Nieder mit ihm! Nieder mit ibm! Tod dem Verräthcr!" erschallte noch immer auf dem Amphitheater. Bei alle dem blieb die große Masse sehr kalt, und wie e? schien, so spmpalhistrle sie weniger mit den Opserern al? mit dem Opfer selbst: e? war nämlich ein alter Royalist, ein Bäcker von Profession. Die Urbano? halten ihn bi? zur Loge-Les Avuntamienlo (Stadt-Magistrat?) gelrieben und vcrlanglen nun unler großem Geschrei seinen Kopf von dem Corrcgidor, der der Ceremonie präsidirle. Die? erschien von ihrer Seite gewissermaßen al? eine Herablassung, da da« Leben eine? Men schen jenseits der Pyrenäen so wenig Werth hat, daß e? nur Wunder nehmen kann, daß die Urbano? mil jenem armen Sünder nicht lieber bald kurzen Prozeß machten. Der Corrcgidor gab durch stumme Zeichen seine Mißbilligung zu erkennen; denn seine Stimme ward von dem noch immer anhaltenden lauten Geschrei völlig überläubl; indessen war seine abschlägige Antwort, so sehr sie ihm Ehre macht, doch nur von geringem Gewicht, da ibm kaum mehr al? eine Handvoll in braune und roibe Mäntel gehüllte Escopetero?, so wie höchsten? zwanzig Dragoner zu Gebote standen, die auf ihren Posten an der Thür de« Cirkus Wache hielten. Diese Thür, die einzige im ganzen Cirku«, ward plötzlich von einem Strome von Flüchtlingen belagert; alle Frauen und der ganze neutrale Tkeil der versammelten Zuschauer hatten sich nämlich dorthin gedrängt, um in? Freie zu gelangen. Schon sank mehr al? eine Bank unter der Last der darüber biuwegklellcruden Masse; da? Gebäude krachte von allen Seiten und schien dem Einsturz nahe, denn der Cirku? bestand au? nicht? al? au? rohen, einfach zusammcngefügten Bretterwänden; da« Heer der Fliehenden drängte immer weiter vor, und da« au« den Reihen derselben hervorbrechende Angstgeschrei konnte al? Scitenstück zu dem Tumulte in der Arena dienen. Mittlerweile hatte sich die Scene auf dem Kampfplätze verändert. Der Anschlagzettel batte der Volksmenge eine Kub versprochen, die da? Fest krönen sollte. Die? barbarische und stupide Spiel besteht gewöhnlich' darin, daß Mait anstatt eine? Stiere? eine Kuh auf die Bühne läßt; der Pöbel tritt in Masse al? Torreador auf, nimmt Besitz vom Cirkus und martert da? unglückliche Thier so lange, bi? es endlich erschöpsl zu Boden sinkt. Alsdann hört man die Ausbrüche der lebhaftesten Freude, die von der Menge ertönen. Ein solcher Jubel war nunmebc unserem Publikum bcschiedcn. Mochte cs zufällig oder absichtlich von den Auf sehern veranlaßt styn, man sah auf einmal da? arme Opfer-Thier den Kampfplatz betreten. Die erstaunten Urbanos ließen ihre Beute fahren, und so ward durch die unerwartete Diversion unserem Gefangrnen, der sich sogleich unter da? Gewühl verlor, das Leben gerettet; allein sein Todesurtheil war trotzdem nun einmal gefallt, nur wurde die Ercculion auf eine kurze Zeit verschoben. An jenem Tage wenigstens wär, was für eine Spanische Stadt gewiß etwas Seltenes ist, hier kein Mcn- schenblut geflossen. Ich. habe ein sür allemal zu bemerken, daß das, was ich meinen Lesern hier mittheile, kcineswcgcs etwa? Erdichtete? ist; ich erzähle da«, was ich gesehen, und wiederhole, was ich gehört. Auch kann die ein fache Erzählung nur durch die reine unverfälschte Wahrheit an Interesse und Belehrung gewinnen. Ich zeige Spanien, wie es ist, ohne alle Schmeichelei und ohne Bitterkeit, und ich halte es stets für meine erste Pflicht, nie die Gränzcn eine? treuen Erzählers zu überschreiten. Die kleine Episode von dem Sliergefechle wäre an sich ohne Be deutung, wenn sie nicht durch die zufälligen Umstände rin besondere? Interesse erhielte; sie war nämlich dec Anfang einer Emcute, oder, wie die Spanier sage», eine? Alborolo. Den Abend vorher halte man von dem Blutbade der Mönche in Katalonien und noch an demselben Tage von dem Abbrenucn von vier oder fünf Klöstern in Murcia Nachricht erbalten. Ich selbst hatte die letzte Neuigkeit nach Valencia gebracht. Das Blutbad von Barcelona halte sich unmillklbar an ei» Sliergcfecht angcrciht, und die Ruhestörer von Valencia hatten ohne Zweifel be schlossen, da? ruhmwürdige Beispiel, wo möglich, genau nachzuabmen. Die Partei der Eraltado? war äußerst erbittert, und ihr Unwille ward durch die Kühnheit der um die Stadt umher zerstreuten Karlistcn- Bandcn, so wie durch da« Mißgeschick, da? die gegen sie abgcsandte National-Garde neuerdings erfahren, nur zu scbr gerechtfertigt. Ein Detaschcment von dreißig Urbano? batte sich nämlich in den Engpässen des Hefa-Gebirges verirrt und ward von den Karlisten in einen Hin terhalt gelockt, wo sie bi« auf den letzten Mann niedcrgemacht wurden. Ein Capilain, der sich allein hatte erwischen lassen, ward cbcnfall« erst kürzlich von den „Facciosos" unter den bittersten Qualen zu Tode ge martert. Der Karlisten-Ches Cabrera, dellen greise Muller vor Kurzem zu Saragossa hingerichtcl worden, befand sich damals fast vor den Thoren von Valencia, in der Gegend von Cbelva und hielt die Straße von Cuenxa besetzt. Quilez, ein anderer Guerilla-Chef, besetzte die Gränzcn von Nieder-Arragonicn und schnitt alle Verbindung mit der Provinz Tcrucl ab. Derselbe halte sich in den unzugänglichen Engpässen von Maestrazgo verschanzt und machte von da AuSsällc bi« zur Straße von Barcelona. Einige Tage vorher batte er der Dcligencc die Pferde aus- gespannt, so wie noch an dem letzten Abend die Depeschen de? Post Courier? verbrannt. Die südlichen Landstraßen, die nach Alikante und Murcia führen, waren zwar nicht gänzlich gesperrt, aber auch darum nicht viel sicherer, da sie von Cuesta und anderen Parlcihäuptern der selben Klasse bcnnrubigt wurden. Ans diese Weise befand sich Valencia auf allen Seilen zugleich, außer nach der Mancha zu, cingefchloffen; übrigens erfuhr man eines Tages, daß auch auf dem letzteren Wege die Diligence von Madrid geplündert worden sev. Ob die? aber von Räubern oder von Karlisten ausgcübt worden, das mußle dabinqcstellt bleiben. In Spanien kann man dergleichen Dingen nicht so leicht auf die Spur kommen. Ich war übrigens von ter Lage der Dinge gut unterrichtet; denn der General-Capitain balle mir selber darüber Mitthcilungen gemacht. Ich wollte nämlich nach Scgorba geben, aber er widcrrieth es mir, in dem ich Gefahr dabei liefe, in die Hände der Karlisten zu fallen. Zwei Englische Reisende, die kurz vorher den Weg gewagt, batten nicht eben Ursache gebabt, sich dazu Glück zu wünschen; denn als sie in der Ge gend voii Castellon de la Plana angekommen waren, wurden sie plötz lich überfallen; man nabm ihnen die Börse und riß ihnen den Bart, Haar für Haar, au«. Dieser Vorfall war nun eben nicht geeignet, mir zum Bestehn eines äbnlichen Abenlcuer« Lust zu machen, und ich war gern geneigt, dem Rathe des General-Capilains zu folgen. Als ich ihn fragte, ob er nicht Truppen gegen die zügellosen Empörer ausschicken wollte, erwicdertc er mir; „Was für Truppenk Sie sind alle in Na varra; ich habe keine dreihundert Mann bei mir. Die National-Garde verrichtet allein den Dienst." Ich wußte nun, daß die Urbano« die einzigen Herren der Stadt sehen und daß alle Macht in ihren Händen liege. Als ich den Palast de? General-Capitain? verließ, kam ich durch die Saragossa-Straße; sie ist die lebhafteste und brillanteste von Va lencia; in dersclbcn bcflndet sich das Kaffeehaus „zur Sonne", das gewöhnliche Stelldichein dcr Eraltado«. E« fand gerade daselbst eine zahlreiche Versammlung statt, inan bediente sich bier der heftigsten Aus drücke und Redensarten. „Ist das", schrie einer dcr wülbendflen Redncr, „ein sozialer Zu stands Man möchte uns gern unter die Wilden versetzen; nun, so wollen wir denn auch unsererseits von dem natürlichen Rechte Gebrauch machen. Da uns die Negierung gegen die Banditen nicht Gerechtigkeit verschaffe» will oder kann, so kommt e? uns zu, uns mit unseren rigencn Händen