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Wöchentlich erscheint» teei Nummern. Pränumeration«- Prei« 22; Sgr. (> THIr.) viertehshrUch, 3 Thlr. sur da« ganze Jahr, ohne Sr< HVHung, in alle» Theilen Ler Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumrnrt auf dieses Beiblatt der Mg. Pr. Staate, Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auölande bei de» Wohllöbl. Post > Aenttern. Literatur des Auslandes. 33. Berlin, Montag den 21. Mar» 1836. Frankreich. Der Pariser DchachNnb. Kou Möly. Trotz meine« Abscheus vor Angeberei kann ich doch nicht umhin, die Weil »ns einen der suechlbarsten Klubs ansmerksam zu machen, und ich glaube dadurch beiden, ihm und der Weit, einen Dienst zu leisten, denn es ist derselbe ein Breunpuukt, der zahllose Radien nach allen Seiten hin aussendci; er unterhält Verbindungen mit England, Ruß land, Oesterreich, China und Hindostan; die Weltkarte ist sei» (steinet; er ist der Katholizismus in Gestalt der Verschwörung. Man suche die sen Klub nicht etwa in einem versteckten Winkel von Paris; ungestraft öffnet er seine geheimnißvoltc» Säle im geräuschvollen Mittelpunkte der Hauptstadt; das Haus, welches er inne hat, ragt an Glanz unter allen anderen hervor; mit hundert Fenstern schaut es auf den Boulevard Montmartre; es hat prächtige Balkone, die den Klubbisten als Tri bünen dienen; e« hat hängende Gärte» wie die Stadt der SemiramiS. Tag und Nacht wird dort Sitzung gehalten; Männer mit strenger, tief sinniger Miene versammel» fleh daselbst uud vereinigen ihre Geistes kräfte, um Könige zu stürze»; PairS, Deputirle, Richler, BanquierS, Generale, Fürstinnen und Botschafter steht man hier in allem Ernst damit beschäftigt, einen Thron zu untergrabe», und sie spare» kein Opfer, um dies Ziel zu erreichen. Diese harmlosen Hochverrats?» sind — Schachspieler. Es kann nicht leicht ein Klub sür seine'Bestimmung eine so gün stige Lage haben; er befindet sich an dem Punkt, wo alle Hauptstraße» von Paris zusammcntreffcn; er beherrscht die Panoramas, al« sollte er an die Weltherrschaft des Schachs erinnern. Das schöne Waarenlager, das gegenüber seine Thüren öffnet, trägt die Aufschrift: „Jur weißen Königin." Man konnte keinen besseren Platz dazu wählen. Durch eine pompöse Thür gelangt man zu einer prächtigen Treppe, und ist man darauf de» erste» Stock hinangestjegen, so wird man in Säle geführt, ruhig, wie der Palast des Schweigens; man hört nichts als von Zeit zu Zeit den Ton der elfenbeinernen Figur, die aus dem Mahagoni- Schachbrett das Feld wechselt. Man mag Spieler oder Zuschauer sepn, es ist kein Platz für Andere als die Auserwähllen; Laien würden hier nur einschlafen. DaS Haupt-Quartier der Schach-Matadore hat vier mal in einem Jahrhundert seinen Ort gewechselt; unsere Väter sahen eS bei Procope unter der Herrschaft Philidor'S und im Kaffeehause der Regentschaft aus dem Platze des PalaiS-Royal. Eines Tages kam RobeSpicrre auf den Einfall, sich die Zeit mit Palamede»« Spiel zu vertreiben; er ließ sich in den Zwischen-Akten der Sitzungen des Jako- biner-KlubS im Kaffeehause der Regentschaft nieder; sein Haß gegen das Königlhum mußte ihn natürlich dazu treiben. Die Carmagnole trillernd, bot er dem Könige Schach auf Schach. Lie Erscheinung dieses fürchterlichen Spielers warf einen finstere» Schatten aus die Tafel» tiefes sonst so friedlichen Kaffeehauses. Niemand wagte es, sich mit Robespierre in eine Partie einzulassen, aus Furcht, sie ihm abzu- gewinnen. ES war dabei einige Gefahr sür den Kopf. Unvermerkt verließ Einer nach den. Anderen das Kaffeehaus der Regentschaft. Lie Schachsrcunde trugen ihre hölzernen Penaten nach dem Militair-Kaffee- hanse in der Straße St. Honorö, demselben, wo Lafayette nach seiner Rückkehr von Amerika seinen Triumph davonlrug. Erst nach dem Nen Thermidor eroberte das Kaffeehaus der Regentschaft, von Robespierre auSgeliefert, wieder seine Rechte auf den Thron des Schachs. Noch heule ist cS das geschlossene Feld, aus welchem viele Kämpfe auSgesoch- ten werden; aber die hohen Celebritäten des edlen Spieles haben dir Regentschaft verlassen und den Panorama-Klub gegründet. Hier werden nunmehr die großen Streiche geführt; von hier läßt man Aussorderungen ergehen; der Panorama-Klub spielt mit dem Klub von Westminster; es ist rin Krieg, der ohne Wissen der Quadrupel- Allianz geführt wird. Die letzte Schlacht zwischen London und Paris dauerte viele Monate; das Paketboot von Calais meldete: „Frankreich stellt den Springer des schwarzen Königs aus das dritte Feld seines Läufers", und einen Monat darauf überbrachte das Paketbovt von Dover die Antwort: „England stellt den Springer der weiße» Königin auf das dritte Feld ihre« Läufers." Es ist unglaublich, wie viel Mit- theilungen zwischen den Pakeiböten erforderlich waren, um da« Drama zu seiner Entwickelung t» führen. Endlich gab der Panorama-Klitb neulich gar auf telegraphischem Wege dem Lord Palmerston Schach und Matt. Das Bulletin über diese Schlacht soll in dem „PalamedeS", dem Schach-Journal, bekannt gemacht werde», welches die Herren von Labourdonnais und Möry vom März an in monatliche» Heften herauszeben wollen. Dieser Plan kömmt ohne Zweifel sehr zur rechten Zeit, jetzt, wo Alle« in die Journalistik aufgeht, und namentlich in einem Augenblick, wo das Schachspiel wieder seinen früheren Rana eingenommen bat. Wir erfreue» uns eines lange» Friedens, also bedürfen wir eines Schein- krieges. In einem kriegerische» Lande will man um jeden Preis Krie ger seh». Las Schachspiel verdient wohl diese Wiederbelebung, denn es ist ein Spiel, welches mehr in das Gebiet der Akademie der Wissen schaften als in die Akademie der Spiele gehört; es ist das einzige, bei welchem der menschliche Verstand den Zufall aushcbt. Glück uud Un glück sind von dem Schachbrett verbannt. Wir wolle» mit wenige» Worte» die Geschichte dieses edlen Spiels durchlaufen. Die Sage schreibt die Entdeckung desselben dem Griechen PalamedeS zu. Dieser erlauchte Grieche soll das Schachbrett auf dem Sande des SimoiS erfunden haben. Hätte ich die Ehre, ein Gelehrter zu sepn, so würde mir diese Sage wohl gefallen, uud ich würde daran sesthalle», wollte mich auch ei» noch Gelehrterer mit Gewalt aus dem Skamander-Sttom reiße» und nach der Ganges-Halbinsel versetzen, um mir auf Brama s Kuieen die Wiege des Schachs zu zeigen. Homer ist mir lieber als Consucius. PalamedeS gefällt mir; die Sage ist na türlich und wahrscheinlich; meines Erachtens war nichts Geringeres al« ein solches Spiel den Griechen vonnöthc», um ihnen die langweiligste Blokade, die jemals ein Volk unternommen, im Angesichte einer Stadt, die man sorwährend belagerte und nie einnahm, ein wenig erträglicher zu machen. Zehn Jahre der Belagerung gewähren schon Muße zur Erfindung eines Spiels. Agamemnon, der König der Könige, und Klp- temnestra, demnach die Königin der Königinnen; die Thürme des Stäi- sche» Thores; das hölzerne Roß uud all die Narren"), die da zusam- mengelausen waren, um sich für die Ehre eine« entehrten Ehemanns zu schlagen; dies Alles könnte man wohl mit einigem Grunde als den Stoff annehmen, der den Griechen PalamedeS auf die Erfindung der Figuren des Schachbretts gebracht. Es ist verdrießlich, daß Gelehrte sich gegen den unglücklichen PalamedeS verschworen haben; die Gelehr ten verderben oft die schönsten Sachen; ich kann es ihnen nicht ver zeihen, daß sie manchmal eine schaale Wahrheit an die Stelle einer reizenden Lüge setzten. Ehre dem Jtaliäner Carrera, der im Jahre IVI7 ein Buch zu Palamedens Gunsten schrieb! Carrera war dabei so hoch herzig, zu vergessen, daß er von dem Trojaner Antenor abstamme, der von PalamedeS, dem Grieche», ein tödtlicheS Schach empfangen hatte. Gelehrte, die von Niemand abstammen, haben PalamedeS zu Gunsten des Bramineu Sissa entthront, der, wenn er überhaupt gelebt, im vierten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung lebte. Zur Unter stützung dieser Ansicht verweisen jene Gelehrte auf die Abstammung de« Wortes Schach aus dem Sanskrit und dem Persischen. Lassen wir einmal diese Etvmologie gelten; Schach bedeutet König. Dasselbe Wort findet sich auch mit mehr oder weniger Modifikation in anderen Spra chen wieder: im Neugriechischen, scacchi» in de» Schrift ¬ stellern des Mittelalters, Scacchi im Jtaliänischen, «cha.ile-iziel im Holländischen, alkmlrcs im ^Arabischen und chvks im Englischen. Herr Pichard, ein sehr geistvoller Mann, obgleich er ein Gelehrter ist, schreibt den Hmdus die Erfindung dieses Spieles zu; er hat in der Königlichen Bibliothek eine Jüdische Handschrift entdeckt, die der Sage von Pala- incdeS einen harten Stoß zu versetzen scheint. Ich glaube, nm de». Knote» zu zerhauen, muß man zu der gewöhnlichen Formel seine Zu flucht nehmen und sagen, der Ursprung des Schachspiels verliere sich in das Dunkel der Zeiten. Was mich anbeirifft, so bleibe ich trotzdem meinem PalamedeS treu; ich habe nur einen VerS aus der Obvffee zur Begründung meiner Ansicht, aber ein VerS voiz,dem Vater der Sagen ist kostbarer als die Wahrheit, die nicht eMirt. Alle Völker, vom Braminen Sissa bis zu bcn Klubisteu der Straße Vivienne Nr. 48, haben eine aufrichtige Verehrung sür das Schachspiel gezeigt. Jede Nation hat die Namen aufbcwahrt, die sich darin aus gezeichnet. Lord Cochrane spielte in allen fünf Welttheilen Schach; er fand überall Gegner, die seiner würdig waren. In Kalkutta begann er eine Partie mit einem Braminen, ber ihm seine Macht durch erstaun liche Züge offenbarte, die von den Englischen Klubs in ihre Annalen emgezeichnel wurden. Holland, Deutschland und Belgien habe» viele berühmte Namen i» diesem Fach aufzuweisen; es sind dort besondere Werke über dies Spiel von Algaer, Kock, Stein, Gustav SelenuS, Be noni und Mauvillon erschienen. Spanien rühmt sich seine« Lopez ") Der Lauser im Echachsviet heißt im FranMschen I« («-; man ver gleiche die in Nr 1« »nd 154 des Magazins vom vorigen Jahre milgethetl- »en Artikel üder bas Echachspiel.