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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumeealionS- PreiS 22; Sgr. (^ THIr.) vierteljährlich, 3 Lhlr. sür da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Mau pränumerirt auf diese«' Beiblatt der Allg. Pr. StaalS- Zeitnng in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. Z4); in der Provinz so >vic im Auslände bei der» Wohllöbl. Posl-Aemtern. Literatur des Auslandes. II. Berlin, Montag den 25. Januar 1836, Italien. Ans Leopold Robert'S Künsilcrlcben. *) Ich kannte Leopold Robert noch nicht und hatte seine Bekannl- schafl schon lange aus'« lebhafteste gewünscht. Einer unserer gemein schaftlichen Freunde, Herr Casimir Lecomle, in dessen schöner Samm lung ich ost Gelegenheit gehabt, manches treffliche Stück von Stöbert zu bewundern, falle mich mit einem Empfehlungsschreiben an den Künstler versehen, und so machte ich mich denn auch gleich nach meiner Ankunft auf den Weg zu ihm, nach dem Palast Pisani, wo er sein Atelier Halle. Das Atelier eines Malers in dem Palast der Pisani zu Venedig! Aber die stolze Republik ist nicht mehr; des großen Pisani, des Nebenbuhlers der Doria und Grimaldi, denkt Niemand mehr. Der Palast fällt in Trümmer, und er muß cS sich in seinem jetzigen Zu stande zu gar hoher Ehre rechnen, daß ein berühmter Künstler ihn noch sür würdig gehalten, in einem seiner Zimmer seine Wohnung aufzuschlagen. Ich wußte, daß der Eintritt in Robert's Atelier nicht leicht zu erlangen war — wußte ebenfalls, daß noch kein Mensch zugelassen worden, das Bild zu sehen, welches er eben beendigt und von dem schon Alles in Venedig sprach; ich halte demnach für mich und meinen Versuch gar wenig Hoffnung, aber ich waglc cs darauf. Ich mußte lange klingeln; eine alte Frau, die Hüterin des HauseS und der Cerberus des Ateliers, ließ mich erst eine ganze Zeil lang die Büsten und Slawen betrachten, mit denen der Hos verziert ist, und unter denen mir besonders eine verschleierte Vestalin ausstcl, eine eigene Phantasie des Bildhauers, der sich darin zur Ausgabe gemacht, ein ausdrucksvolles Gesicht durch den Schleier hindurch scheinen zu lassen. — Endlich ließ sich die gute Dame sehen; ans einem Fenster im lorrn pnann steckte sie den Kopf heraus, und Halle die Gnade, mich zu fra gen, zu wem ich wolle. — „Zu Herrn Robert, Madame; dem Fran zösischen Maler." — „II piltoro Iraneeso, non c'ö in mass." — „Nicht zu Hause? Man hat mir doch versichert..." — „IXon c'ö." — „So; nun denn — hier ist ein Brief, den ich abzugeben habe, und meine Karte; wollen Sie wohl die Güte haben, beides in Empfang zu nehmen und Herrn Robert zuzustellen?" Die Thür thal sich auf; ich stieg die enge Treppe hinan, aus der mir meine holde Donna schon einige Stufen entgegenkam, und gab Brief und Karte an sie ab. Robert, wie ich mir wohl gedacht, war allerdings zu Hause, und die Porliöre Halle nur der strengen Weisung nach gehandelt, die ihr ein für alle Mal crtheilt war. Zu meiner große» Freude kam am anderen Morgen Herr Dclacour zu mir und benächrichligle mich, daß ich Herrn Robert willkommen sehn würde. Ich cillc; ich lernte den Künstler kennen, sah das Bild, das noch kein profanes Auge betrachtet, und schwelgte in Entzücken. So schüchtern und verlegen Robert in der Regel Fremden gegen über war, so freundlich nahm er mich auf, so viel Wohlwollen, ja ich darf wohl sagen, so viel Neigung bewies er mir. Er war mil mir wie mit einem allen Bekannlcn, und zeigte mir sogleich sein Bild, noch naß und nicht ganz scrtig wie eS war. Er war mit seiner Arbeit zu frieden, schätzte sein Werk, lieble es, halte er doch Blühe genug darauf verwandt! Aber er wußte zugleich auch recht gut, daß er sich in ge wisser Hmsichl doch nicht genügt. Was mich betrifft, so war mir die Stellung des Fischcrknaben mit dem Netze, die wohl etwas zu heroisch ist, nicht einmal störend sür den Eindruck des Ganzen, so mächtig er wiesen sich die Vorzüge des Bildes, der treffliche Stil, die herrliche Zeichnung, der Ausdruck von Melancholie, der darüber hingegossen ist, die schöne Harmonie, zu der sich Poesie und Wirklichkeit darin ver schmelzen; ich konnte nur loben und staunen, so eingenommen war ich und so entzückt von dem Total-Eindrücke des Bildts. Leider war eS nicht hell genug, um das Bild vollkommen genießen zu können. Ich bat Robert deshalb um die Erlanbniß, wicderkommen zu dürfen, und kündigte ihm zugleich an, daß mein erstes Geschäft darin bestehe, sogleich nach Hause z» gehen, die Feder zu ergreift» u»d über sein Bild nach Paris z» berichten. DaS thar ich denn auch, und theile hier aus dem Briefe, den ich an meinen Freund Henry Monnier schrieb, die betreffende Stelle mit/ ... „Seit beinah vier Jahren ist Robert mit diesem Bilde be schäftigt. Es ist nicht in einem Wurf entstanden, «jch, rasch und kühn ) Die nachstehenden ^raqmcmc, die wir dem bereits erwähnten Buche des taerrn Jal: „Ne Naci» » w»pt<s>», entnehmen, und die von unserem de- tlagenSMerthen Ncuchatetter LandSmannc, dem Maler Leopold Robert, han del», durum für unsere Leser von besonderem Jutereste l«pn. erdacht zugleich und auSgesührt, sondern vielmehr ein Werk des Slu- diums, des Nachsinnens und der Arbeit, das vielfache Aenderungen zu erfahren gehabt hat. Einzelne Parlier» darin sind mehr als einmal völlig übermalt worden, und zwar aus folgender Urfach. Als Robert nach Venedig kam und sich dort nicderließ, halte er das brennende Verlange», sich sogleich an ein großes Bild zu machen, seine schon errungenen Erfolge auf diese Weift zu krönen. Der Künst ler kannte Venedig und die Natur des Volkes, das er hier zum Ge genstand seines Studiums zu machen hatte, noch zu wenig; eS kam ihm vor Allem daraus an, sich mit dem Inneren der Menschen vertraut zu machen, deren Physiognomie er darstelle» wollte, und so fühlte er sich denn schon bei den erste» Schritte» gehemmt. So ist ihm das Stu dium sauer geworden und die Arbeit langsam von der Hand gegangen. Erst spät ist er vollkommen seines Gegenstandes Herr geworden, und als er endlich auf diesen Punkt gelangt war, hat seine angestrengteste Bemühung dann wieder dahin gehen müsse», die Spure» der Arbeit und des mühseligen Studiums i» seinem Bilde ausznlöschc», und dem-- selben Ken Anstrich von Leichtigkeit zu geben, der das ursprüngliche Eigenthum der Werk? des Genies ist. Ich darf dies jetzt vcrralhen, jetzt, wo das Bild fertig ist, und wo doch alle Welt schwören wird, es scy nur so herausgefloffcn, gleichsam im Spielen, aus Rcberl's Pinsel. Anch müssen Sie nicht denken, daß die Behandlung etwa eine andere wäre als in den Schnitter»; Ro bert ist seiner Manier nicht untreu geworden; ja, die Zeichnung ist vielleicht in dem gegenwärtige» Bilde, de» Fischern, »och strenger, als in Allem, was wir von ihm haben. Der Gegenstand ist salzender: Zu Chioggia am Ufer werde» Anstalten zur Abfahrt in de» Golf vo» Venedig gemacht, auf den Fischfang, Reift», die den Fischer bis weilen vier bis fünf Monat von seinem Dorfe entfernt Halle». Der Moment einer solchen Abfahrt hat immer etwas Ernstes und Feierliches, ja. Trübes; dies darzustcllcn, hat sich Robert zur Aufgabe gemacht; alle Gesichter aus dem Bilde haben deshalb einen ernsthaften Ausdruck. Jur Linken sitzt aus einer Bank eine alte Frau, die Mutter der Abrei- scndcn, die ihre Söhne vielleicht nicht mehr wiedersieht, denn sechs Monate sind eine lange Zeit für ihr Aller. Außerdem ist sie noch dazu krank. Neben ihr steht eine junge Frau, eins jener holden schö nen Geschöpft, die der Kllnstlcr in Italien überall anfzufindcn gewußt, in Venedig so gut wie in Neapel und Rom. Sie wendet de» Kopf und sieht mit einem Auge, das bald von Thräuen feucht scy» wird, nach ihrem Mann hin, den das Schiff in wenige» Sekunde» vo»<hr weglragen soll Ein Kind, noch in de» Windeln, schläft an ihrer Brust. Zu ihrer Linken steht ein kleines Mädchen von dreizehn oder vierzehn Jahren, weniger ernst und belrübt, aber doch nicht ohne Un ruhe und Besorg,liß; einer, der sie lieb hat, geht auch mit auf di« Reise, ihr Bruder, der die Miltel-Figur des Bildes ausmacht; er brei tet ein Netz über eine Trage, das ein Fischer, der zur Rechten sitzt, so eben ausgcbeffert hat. Der Letztere hat noch das Instrument in der Hand, mit dem er seine Arbeit gefertigt. Neben ihm, in einem Korbt, sieht man Knäuel »eueu Garns, wovon er gebraucht bat; hinter ihm, einen Augenblick ruhend, aber stehend, befindet sich ein Dritter, der, welcher mir der Mann der reizenden Frau links zu scyn scheint. Er steht aus dem Bilde heraus de» Beschäl,er an. Ein Greis, zur Rechten weiter hinten, trägt einen Sack mil Zwieback i»S Schiff, dessen langes schweres Segel zwei Mann aufziehcm Der eine derselben, der jüngste, Hilst sich »ach Art der Matrosen, wenn sie ein Kraft-Manöver machen, er singt oder schreit vielmehr nach dem Takte, und der Rhythmus giebt jedesmal den Moment an, wo das Thau augezogen wird. Ziemlich in der Mitte im Hintergründe liegt das Schiss ani Ufer; mehrere Fischer schiffen das Nöthige'ein. Der'Schiffspalron, ei» Ma»» vo» fünfund vierzig Jahren ungefähr, steht in gebietender Stellung in der Mitte. Zu seinen Füßen befinden sich zwei Kinder, die auch Theil nehmen an ter allgemeinen Arbeit, aber doch mehr aufmerksam auf das Wort de« Patron«; ein Paar interessante kleine Gesichter voll köstlicher Naivetät, durch welche das Gebieterische und Bedeutsame der Gestalt des Capi- lam« noch mehr hervorgehoben wird. Um den Gegenstand erschöpfend abzuschlicßcn, läßt unS der Künst ler in einer kleinen Bucht links im äußersten Hintergrund« eine Barke sehen, die schon abgestoßen ist. Frauen stehen auf den Dünen des Users und rufen den Schiffern »och ihr Lebewohl nach, die der Wind schon i» die Ferne hinauslreibt; eine von ihnen hebt noch ihr Kind io die Höhe, es dem Baler, der sich aus den, schwanke» Schiffe befindet, noch einmal deutlich zu zeigen. Das ist der Inhalt des Bildes, ein einfacher, aber interessanter Vorgang: arme Leute, die eine dramatische Handlung bilden, rührend