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Wöchentlich erscheinen drei Nnmmern. Pränumeratien«- Preis 22; Sgr. (- THIr.) vicctcljöhrlich, 3 Thlr. für Las ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prSnumeeirt aus dieses Beiblatt Ler Allg. Pr. StaatS- Zcilung i» Berlin in dco Expedition (Alshren - Straße Nr- 34); in Ler Provinz so wie im Auslände bei de» Wchliöll. Pose - Aemtern. Literatur des Auslandes. 7. Berlin, Freitag den 13. Januar 1836. Frankreich. Das Feyer drS Thsäkrc franyais. Won I. R. Bouilly. Kehren wir Lem Palast der Tuilericcu den Nücke::, Lem Tummel platz der politischen Intrignen, Les Stolzes und der Borurtheile — Jahr hunderte lang war er dies; kehren wir ihr de» Rücken, dieser große» 1-:Nornn die uns in »och nicht eint!« halbe» Säkttlum mehrere gekrönte Häupter erscheinen und wieder verschwinden, ganze Dvnastiee» unttrgche» und wieder zum Vorschein kommen, so viele Große in Nacht versinken, so viele Kleine an's Tageslicht treten ließ! Hinweg davon! Wen den wir un« Tbalicns und Melpomenens anspruchsloser heiterer Freistatt zu, dem Tempel der wahren echten Unabhängigkeit, wo man gilt, was man ist, wo das große Talent auch den ersten Platz einnimmt, wo der scharfe Witz alle ilächcrlichkciten geißelt, aber ohne sie zu zerfleischen, wo die Abenteuer und Sccnen leichter Liebe erzählt und besprochen werden, aber in einer Weise, die da« Alter ergötzt und die Jugend doch nicht errötbc» macht; mit cmcm Worte, jenem Versammlung«- und Ver- cmigungspuntte aller erste» Lclcbrilälcu in Kunst und Wissenschaft, dem heiteren Forum der Urbanität, der Anmulb und de« feine» Tone« — oder mit anderen Worten: Machen wir eine» Besuch im Zopcr des Thöülrc franpai«! Doch freilich, um ei» treue« Bild von diesem berühmten Foyer, so wie c« vor fünsnnddrcißig Jahren war, zu liefern, ein Bild, da« nicht zu sehr hinter seinem Originale zurilckblicbe, müßte ich, statt der Feder, den Pinsel eine« Albans und ballot fuhren könuenp ich zit tere davor, wie ich'« ansangen soll, so viel Reizende« und Verführeri sche«, so viel Bosheit und Güte, so viel Natur und Koketterie in ein Bild zusammenzudrängcn und zu einem lebendigen harmonischen Gan zen zu verschmelzen — wie es ausprägen in Worten, dieses seltsame Gemisch von vornehmen Herren und Schauspielern, reichen Banguiers und Künstlern, die aus ihren Dachstübchen herabgestiegen, berühmten Namen und scheuen Anfängern, gegründeten Reputationen und schüch ternen Debüt«, Männern mit Flammenzüge» und Anderen, von deren Lippen kein Wörtche» kam, wahren herzliche» Freunden, Freunden süc die Ewigkeit, und falschen, tückischen, die Meister in jeder Täuschung waren ?... O, welch ein reiche« Feld, welch ein unerschöpflicher Stoff für den ruhigen Beobachter! Welch eine kostbare Schule für de» Mora listen, den Oberfläche und Außenseite nicht blenden! Strahlendes Foyer! Geliebter Aufenthalt, wo ich vierzig Jahre lang so viel köst liche Abende im reichsten Genüsse verlebt, wo mir so manch glückliches Wort zngcfloffcn — wo ich so viel Männer von Ehre, so viele herrliche treffliche Frauen kennen gelernt! Ergiebige Quelle alles dessen, was das Auge erfreue» und entzücken, den Geist zieren, den Geschmack regeln und reinigen, das Gemüth überhaupt gewöhne» kann an da« Rechte und Schickliche und Gehörige; Foyer frauxais, empfange hier den hul digenden Tribut der Verehrung und Liebe eines deiner ältesten Gaste, und lass ihm noch einmal Herz und Phantasie zu Heller Flamme auf- lodem in treuem Bericht alles dessen, was er auf deinem Vlumengesildc bat einsammcln dürfe» — in diesem Sonnenstrahl lichter Vergangenheit lass ibn bcnt wieder jung werden! Im Jahre 1793 war es, wo ich beim Tlu'ätre fran^ai« mein Stück Rünü Descartes cinreichtc, dessen beifällige Aufnahme von Seiten des Publikums ich Monvel und Michol's unvergleichlichem Talent ver dankte; der Eine besonder« groß in kühner Zeichnung und Darstellung der Leidenschaften, die mächtige Flamme seines Innern mit allentzün- dendcr Gewalt in den Kreis seiner Zuschauer schleudernd; der Andere, die Bonhomie und Wahrhastigkcil in Person, wußte durch ein einziges Wort, durch ein Lächeln, Heiterkeit und Lust und Behagen über das ganze Publikum zu verbreiten. So war cs in meinem Stück besonders eine Scene, die, wo der Vater der neueren Philosophie sich mit einem ge wöhnliche» Stellmacher einläßt, an dessen treffendem Witz er Gefallen sindct — wo man nicht mehr zu sagen vermochte, wer der vollkommenste von diesen beiden bewundernswürdigen Künstlern scp. Jung, wie ich damals war, machte ich mir mein freies Entröc im THLütre franpais gehörig zu Nutze, und fast jede» Abend, nachdem ich das erste Stück, das in der Regel um acht Uhr zu Ende war, gesehen, faßte ich im Foyer Posto, wo ich die großen Talente wiedersand, denen ich vom Orchester aus meinen Applaus gespendet; dahin kommen auch sie, sich von der Anstrengung einer langen Nolle durch ein lebendiges geistreiches Gespräch, das von den täglichen Besuchern eigentlich unun terbrochen geführt wurde, zu erholen/ Ost erhielt in diesen Gesprächen ter berühmteste Schauspieler nützliche Winke und Belehrungen über die Rolle, die er so eben gespielt, und wie oft wurden dort dem Autor »ine« neuen Stücks von den Schauspielern zweckmäßige Rathschläge er- tbrill, dienliche Kürzungen angegeben und was dergleichen mehr war. Der gemeinsame Zweck und Mittelpunkt war die Förderung der dra matische» Knnst, und dieser schöne würdige Zweck, dieser allgemeine Sinn für «ine große Sache schloß nm Alle ein trauliches Band der Freundschast. So war drn» alle Abend, von acht dis eils, und oft bis Mitter nacht, dieser Aräopag versammelt; alle neue Erscheinungen wurde» hier besprochen, Hos- und Stadlgeschichlcn, Alles in bunter Folge durch einander. Liebesgeschichten wurden hier mit einer Anmnlh und einer Laune erzählt, die sie oft erst interessant, stets aber interessanter mach- tcii, als sic wirklich waren. Dieses Foyer bildete eine» großen Salon, gehörig erleuchtet, und faßte dreißig bi« vierzig Personen, die alle be quem sitzen konnten; ans jeder Seile stand ei» langes Kanapee, das in der Regel süc die Damcn rcfervirt wurde. Hier saßen, im Hiutergrnndc des Saals, dem Eingänge gegenüber, Mlle. Contat, wenn sie die Rolle der Cölimöne gespielt hatte, Mad. Evrard oder Mad. Patin. Ihre hinreißend schönen Züge, die reizende Art, wie sie den Kopf trug, und die unaussprechliche Anmuth, die über ihre ganze Gestalt ansge- goffm war, fesselten das Auge so, das; man das Mangelhafte ganz über sah; sie war nämlich zu stark geworden, und obwohl diese Korpersüllc ihrem Talente keinen eigentlichen Abbruch that, so erschwerte sie ihr doch, cS in seiner vollen Kraft und Macht zu entfalte». Aber die vor nehme Tournure der großen Welt, die leichte Grazie eines vollendet gebildeten Benehmens, die ihr zu Gebote stand, diese Meisterschaft der seinen Sitte, der forschende seine Blick, der frische Mund, lächelnd und hold, de» manchmal ein Zug von unnachahmlicher Bosheit reizend um spielte, alles das trug dazu bei, diese berühmte Schauspielerin i» dem Alter von vierzig Jahren zur verführerischsten Frau zu machen, zur Königin des Foyer, vor der sich Hohe und Niedere mit Bewunderung neigten. Von diesem ihrem Throne herab, sür den sie wie geschaffen war, hort' ich sie einmal eins der witzigsten Worte sagen, die unser Zeit alter auszuweiscn hat. Der Herzog von C°°°, der verwachsen, aber voller Anmuth war und mit ungemeiner Geschicklichkeit seine Mißgestalt zu verbergen wußte, machte, wie andere große Herren, auch seinestheils der berühmten Priesterin Thalien« den Hof. So Hub er denn unter Anderem auch einmal von ihren frühesten Rollen äu, die sie im höhere» Lustspiele gegeben, und ergoß sich i» Emphase und »»gemessenes Lob über die schlanke Npmphengcstalt, die ihr verloren gegangen, über jene liebliche Jugcndblülhc, die verschwunden und dahm war. Indem er all' die verlornen Herrlichkeiten der Reihe nach aufzählte, schien das Lächeln, das seine Rede begleitete, nicht undeutlich die Absicht zu vcrra- then, daß er sich auf Kosten der vierzigjährigen Schönen einen Spaß machen wolle. Diese, leicht die Lippen zusammenbcißend, sann auf eine gründliche Rache, Und wartete nur auf die Gelegenheit, sie auszuüben. Der Zufall schaffte sie ihr bald; das Gespräch, in dec Regel lebhaft, sein und scharf, kam auf die Buckligen. Der Herzog von C°sich gleich selbst mit in diese Kategorie zahlend, sagte mit vornrhmer Süffi sance: Man muß cs im« aber lassen, daß uns dic Natur sür ihre stiefmütterliche Strenge auf der einen Seile aus einer andern desto glück licher zu entschädige» pflegt; den» in der Regel sind die Buckligen geist reiche Leute. — Al'! Herr Herzog, Sie sind nur ein wenig schief! versetzte Mlle. Contat mit Lebhaftigkeit, mit Nm Feuer und der Malice, die ihr so reizend standen. Der Herzog wurde roch und schlug die Auge» nieder; Alles, was anwesend war, freute sich im Stillen über den beißenden Einfall, und war unter einander einig, das; nie eine geistreiche Frau einem großen Herr» besser gesagt habc, cr scy nur ein Dummkopf. Zur Seile der schöiic» Contat ließ sich oft auch die wohlbekannte Mlle. Lange nieder, die Demoustier einmal fragte, indem cr auf ihre schönen Schultern wies: „Sagen Sie uns, I'flcnge (Engel), wo ha ben Sie Ihre Flügel gelassen?" Auf der anderen Seite saß in der Regel dic reizende Mözeray, die, von der verschwenderischen Natur mit allen Gaben ausgestattet, »eben der vollkommensten Schönheit auch die Vorzüge eine« gebildeten Geiste« und einer vollendeten Erziehung be saß. Außerdem sah man in cicscm Kreise reizender Frauen »och Mlle. Emilie Contat, dcren lächelndes holdes Antlitz und Jugend-frische ihr den Beinamen Flora-Hebe erworben hatte»; Mlle. Mar«, kaum scchs- zehn Jahre all, deren ausdrucksvolles Auge und Klang der Slimme ihrc spätere Berühmtheit schon damals verkündigten; die Simon, deren melancholische Züge einen ganz cigenihümlichen Reiz halte»; die Des rosiers, eine schöne Blume, dic aber, leider in der Wurzel von tödtlichcr