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Nr. 95 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Sonnabend, den 23. April 1932 Postscheck: Dresden 2640 M Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ W»a°»ri°n,», Wilsdruff LUm»e,Md M Naue höherer Gewalt, - ' ' > " - > Krieg oder fonsliaer Be- v Kriebsstörung-n besteht kein Anftruck au, Licftrung der x-itung oder Kürzung des Bezugspreise-. — Rücksendung V -- eingesandter Schriftstücke ersvlqt nur, wenn Porto beiiicgt. > u für Lürgerkuw/ Beamte, Angestellte u. Arbeitet Anzeigenpreis: die 8 gehaltene Naumzeile 20 Npfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 2V Neichspfennige. Dor- Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmcbisoorm.ioUhr. » " " ' ' Für die Richtigkeit der, durch Fcrnrus übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag durchs —— Klage eingczogcn werden muß oder Ler Auftraggeber in Konkurs gerät. ff Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatts -IVM Worte Genf. Der Wollenschicber! — Wort - Winde — „Kritischer Tag Tag erster Ordnung." über den frühlingsprangenden Gestaden des Genfer Sees haben sich vor die Sonne der französischen Zu friedenheit darüber, wie die Dinge bisher aus der Ab rüstungskonferenz gingen, aus einmal recht dunkle Wolken geschoben. Und Pertinax, der überkluge Leitartikler des chauvinistischen „Echo de Paris" und Intimus des fran zösischen Außenministers, hat natürlich vermöge seines Scharfsinns sofort herausbekommcn, wer dahei der .Wolkenschieber" war. Selbstverständlich Deutschlands Vertreter in Genf! Wer denn sonst! Der „arbeite heimlich gegen Frankreich". Der habe jetzt auch die englisch-ita lienisch-amerikanisch-deutsche Front gegen die Franzosen zusammengebracht, so daß nun der Angriff auf die schweren Angriffswaffen mit sestgeschlossenen Reihen erfolgte. Per tinax hat längst noch nicht alles gemerkt; er hätte auch noch hinzufügen sollen: Dr. Brüning wühle bloß deswegen, um Tardieu nach Gens zu zwingen und ihn da mit dem französischen Wahlkampf, der Verteidigung seines Mandats und seiner Mehrheit zu entziehen! Denn eilends ist Tardieu zusammen mit Macdonald nach dem wolken überspannten Genf gefahren, um zu seinen dort gehaltenen Reden eine neue hinzuzufügen. Zehntausende von Worten hat er in Genf schon gesprochen, — Dr. Brüning hat vor der Öffentlichkeit noch kein einziges verloren, seitdem er sich in Genf der Arbeit widmete. Tausende von Wo r t e n aberwerden jetzt fallen im Kampf derbeiden F r o n t en, der sich ganz unmittelbar und ganz urplötzlich zuspitzte. Brüning, Macdonald, Tardieu, Grandi und Stimson — sie alle stehen jetzt im Nedekamps. Vier gegen den einen, alle gegen Tardieu. In Schlag- Worten ausgedrücktr Er will Sicherheit durch Erhaltung der Rüstung „beim Völkerbund", die andern wollen Sicher- heil dutch Beseitigung der Angriffswaffen. Ao klar und einfach, drastisch und unzweideutig sagt man das in Genf natürlich nicht, und man muß jeden etwa noch Gläubigen hinsichtlich der tausend Worte, die in Genf ge brochen werden, nur dringend vor dem mephistophelischen Nat warnen: „Im ganzen — haltet euch an Worte!" Das tut in Genf jedenfalls niemand mehr. Nur wenn es gilt, festen und klaren Bindungen und Fest- tegungen auszuweichen, wofür es im Hauptausschuß der Konferenz ein wunderbares Beispiel gegeben hat. Dort hatte man eine Entschließung gefaßt, wonach die Ab rüstung „quantitativ" für jedes Volk an die Voraus setzung der Sicherheit und der Aktionsfähigkeit im Inter esse des Völkerbundes geknüpft wurde. Das steht nämlich tm Artikel 8 des Völkerbundstatuts drin. Daran hat pran sich gehalten, aber um so weniger will Tardieu sich an das in demselben Artikel geforderte „Mindestmaß" der Rüstungell halten. Daß sich sogar vor den Kulissen die Redewaffen lauter klirrend kreuzen — man tut einander dabei natür lich nicht weiter weh —, daß Tardieu eilends nach Genf lam, hat seinen Grund vor allem darin: Er muß nun bald den auffallenden außenpolitischen Erfolg herein holen, den er im französischen Wahlkampf für sich und seine bisherige Regierungs- koalition ausmünzen will. Denn dieser Wahlkampf hauert nur noch acht Tage und dann geht Frank- reich zur Urne. Und vorläufig sieht es noch sehr zweifelhaft aus mit diesem gewünschten und ersehnten Erfolg. Schnell hat Tardieu noch ein zweites Eisen ins Feper geschoben: die gesamte Handelsflugzeug flotte aller Staaten soll „internationalisiert" werden. Dieses Eisen wird Tardieu sicherlich weder rechtzeitig, noch überhaupt zum Glühen bringen können. Denn nicht bloß aus Flugzeugen, sondern noch einfacher aus iedpm besseren Schiff kann man eine mehr oder weniger kriegsverwendungsfähige Waffe machen. Also müßten alle — Schiffe internationalisiert werden! Nichts ist so töricht, daß es in Genf nicht besprochen »der beantragt werden könnte. Und oft be deuten tausend Worte Genf wirklich nichts anderes als »ine recht unbedeutende Lufterschütterung. Bisher blieb »s auch auf dieser Konferenz bei solchen Wort-Winden. Und wenn sie etwas lauter wurden, dann nur deshalb, Weil hinter den Kulissen die Windmaschine ein bißchen sihneller in Betrieb gesetzt wurde. Zu mehr entschlossen sich übrigens die Vertreter Rußlands und der Türkei auch nicht, obwohl sie durch keinerlei Völkerbundstatut in ihren Beschlüssen und Taten gehemmt werden. Bis her erlagen auch sie den Genfer Redefluten. * In seiner „Weisheit des Brahmanen" sagt Rückert einmal: „Den Göttern ein Verdruß Den Menschen kein Genuß Ist solch ein uferlos ergoß'ner Wörtersluß", — Das ewige Hin u. Her, das restlose Auf u. Nider dieser Rede flusses uverwnt doch nur ernsteres Geschehen und oe- nimmtes Fordern. Er übertönt die gar nicht mehr be- !sirittenen Verhandlungen über die Reparations- und Krieasschuldenfraae und die Besprechungen wegen Mr - ----- w eine MMiMMlöMW? Schlechte Aussichten für Deutschland. . In Gens „k o m p r o m i s s e l t" es auf allen Stellen. Man sucht überall einer endgültigen Entscheidung aus dem Wege zu gehen, weil man weiß, daß der Völkerbund gar nicht in der Lage ist, eine solche Entscheidung wirklich durchzuführen. Es fehlt der „internationale Gerichtsvollzieher", der das Urteil vollstrecken könnte, und dieser Mangel wird wohl auch nie behoben werden. Der japanisch-chinesische Konflikt ist eine drastische Illustration zu der völligen Machtlosigkeit des Völker bundes. Die Einerseits-andererseUs-Stimmung, die in der Abrüstungskonferenz herrscht, färbt anscheinend auch auf die anderen zahlreichen Konserenzen und Besprechun gen ab, außer auf Frankreich, das immer bei der Stange bleibt und sich damit durchsetzt. Rach Mitteilung von französischer Seite ist in der ersten Unterredung zwischen Brüning und Tardieu die Tributfrage und die Donaufrage nur ober flächlich gestreift worden. Jedoch Hai sich bereits in dieser ersten Unterredung gezeigt, daß die französische Regierung gegenwärtig jedes Entgegenkommen in der Tributfrage sowie alle sachlichen deutschen Vorschläge für die endgültige Regelung auf das entschiedenste ablehnt. In der Unterredung ist nach dem Eindruck in französischen Kreisen ein Fortschritt in der Richtung einer Einigung nicht erzielt worden. Tardieu soll geltend gemacht haben, daß Deutschland durch die Inflation von allen inneren Schulden befreit sei und über einen hochentwickel ten industriellen Apparat verfüge, so haß die L e i st n n g s- sähigkeit Deutschlands aus tributpolitischem Gebiet nicht bestritten werden könnte. Es besteht überein- stimmend in französischen Kreisen der Eindruck, daß vor der a m 16. Iuni st a t tf i n d e n d e n L a u s a n n e r Konferenz eine grundsätzliche Einigung kaum erzielt werden wird. Auch in englischen Kreisen in Genf besteht der Eindruck, daß zur Zeit keine Aussicht aus eine völlige Befreiung Deutschlands von den Tributzahlungen bestehe. Dieser Gedanke sei vollständig fallengelassen worden. Im Vordergrund stehe augenblicklich der Ge danke der V e rlängerung des Tributmorato riums. Soweit die Vereinigten Staaten in Frage kämen, fei man sich darüber klar, daß nichts geschehen könne, ehe Nicht die Präsidentschaftswahlen in Amerika vorüber seien. Im allgemeinen werde man den Grundsatz zu verfolgen suchen, daß bei einem Ausfall der Tributzahlungen auch an Amerika keine Zahlungen geleistet würden. Verquickung der Kriegsschulden mit den Reparationen. Staatssekretär Stimson hat dem Staatsdeparte ment auf Grund seiner Genfer Besprechungen offiziell mitgeteilt, daß kein Land Europas vor der Lausanner Konferenz Schulden bezahlen werde. Stimson erklärte offen, daß die Länder ihre Kriegsschuldenzahlungen von den Zahlungen Deutsch lands abhängig machten und entgegen dem Protest Ame rikas die Reparationen mit der Kriegsschuldenfrage zu verquicken. Von hohen Beamten des Staatsdepartements wird zwar daraus hingewiesen, daß nach Beginn der Lausan ner Konferenz weitere Verhandlungen stattfinden werden, aber gleichzeitig betont, daß die amerikanische Regierung, gestützt auf die Unterschriften der Schuldnerländer, auch weiterhin auf Einhaltung der bestehenden Zahlungsverpflichtungen drängen werde. * Lausanne endgültig Zum. . Die Lausanner Konferenz soll nunmehr endgültig am 16. Juni beginnen. Als Präsident der Konferenz ist der frühere belgische Ministerpräsident Thcunis in Aussicht ge nommen. Don au st aaten-Aktion^ worüber, nach antzenytn kaum hörbar, nur ein sanftes Redebächlein plätschert. Aber nicht bloß jener Lärm macht die dort im Strudel der Rede Schwimmenden und die Zuschauer nervös, sondern man wird ja gefährlichen Katarakten entgegengeschwemmt. Das weih Tardieu. Und auch in Deutschland wählen vierFünftelderStaatsbürgerzudenLand- tagen. Daß von den Ergebnissen dieser preußischen, bayerischen, württembergischen, hamburgischen, anhalti- schen Wahlen viel mehr als die politische Zukunft der be treffenden Länder abhängt, daß sie auch für die Weiter entwicklung im Reich und des Reichs von weittragendster Bedeutung sind, macht den 24 April zu einem „kritischen Tag erster Ordnung". Was an ihm geschaht, wie er ent scheidet, — das wird mit 1000 Worten auch nach Genf hinübertönen. . Dr. Pr. Deutschland wird nicht mehr zahlen! Dietrich über die Reparcrtionsfrage. Altona. Auf einer Kundgebung der Deutschen Staats^ Partei erklärte Reichsfmanzminister Dietrich: „Das Reich steht heute im Endkampf um die Abrechnung des Krieges. Das Moratorium wird am 1. Juli ablaufen, aber Deutschland wird nach dem 1. Juli nicht mehr zahlen. Wenn ich, der zuständige Finanzminister des Deutschen Reiches, dar schon ausfprechen darf, ohne daß es zu internationalen Verwick lungen kommt, so kann man das als Beweis dafür ansehen, daß auch den Staatsmännern der anderen Länder die Sachlage ziemlich klar geworden sein muß." Frankreich sei in einer schwierigen Lage, denn die Zahlun gen von Deutschland fielen aus; aber seine Schulden an Ame rika müsse Frankreich westerzahlen. Mehr und mehr zeige sich die politische und wirtschaftliche Unmöglichkeit der Friedensver träge, die eines Tages von selbst völlig zusammenfallen würden. Vertagung der Mü-mWlousereuz? Auf Wunsch Frankreichs. Von französischer Seite sind gegenwärtig leb-' hafte Bestrebungen hinter den Kulissen im Gange, eine Verschiebung der Verhandlungen des Hauptausschusscs der Abrüstungskonferenz bis nach den französischen Kammerwahlen, also bis Mitte Mai, herbeizn- führen. Das Präsidium der Abrüstungskonferenz wird sich, wie verlautet, am Sonnabend mit dieser Frage b»- fassen. - ' Der französische DerlagungSwunfch. Der deutsche Sachverständige für die Donaufrag«, Ministerialdirektor Graf Schwerin-Krosigk, ist in Genf eingetroffen. Die Besprechungen der Donausachver- ständigen beginnen am Sonnabend. Es bestätigt sich, daß die Franzosen beabsichtigen, in der Sitzung des Präsidiums der Abrüstungskonferenz eine Vertagung der Verhandlungen des Hauptausschusses und praktisch damit der gesamten Abrüstungskonferenz bis nach den französischen Kanimerwahlen zu erreichen. Die deutsche Stellungnahme zu einem der artigen Vorhaben wird, wie verlautet, von allgemeinen außenpolitischen Gesichtspunkten abhängig gemacht werden. * Verboi oder Iniernaiwnaüsierung der Angrisfswafsen. Frankreich setzt sich durch. In der Sitzung des Hauptausschusses der Mrüstüngs- konferenz gab Henderson bekannt, daß der vieler örterte englische Antrag von 16 Staaten, der rumänische Gegenantrag von 13 Staaten unterstützt würde. Der eng lische Außenminister Simon machte sodann die Mit teilung, daß er eine neue Formulierung für seinen Vorschlag dem Hauptausschuß vorlege. Diese neue Formulierung nimmt jedoch dem englischen Antrag seine grundsätzliche Bedeutung. Nach dem neuen englischen Vorschlag heißt es jetzt, daß die Abrüstungskonferenz den Grundsatz der qualitativen Abrüstung annimmt, d. h. den Besitz oder Gebrauch bestimmter Rüstungskategorien entweder für alle Staaten verbietet oder es erfolgt eine Internatio nalisierung dieser Waffen durch ein internationales Ab kommen. Durch diese neue Formulierung ist das bisher vorgesehene uneingeschränkte Verbot aller Angriffswaffen aufgehoben und als gleichberechtigte Maßnahme die von Frankreich geforderte Internationalisierung der schweren Angriffs waffen zugelassen. Die neue englische Kompromißformel läßt den Weg für beide Lösungen offen. Er wurde ein stimmig vom Hauptausschuß angenommen. Am Schluß der Sitzung wurde ein englischer Antrag angenommen, demzufolge die technischen Aus schüsse der Konferenz jetzt beauftragt werden, die besonderen Waffenlategorien, die als Augrisfswaffen anzuseheu sind, festzustellen. Maßgebend für diese Feststellung soll der Ge sichtspunkt sein, ob bestimmte Waffen für die Zivilbevölke rung bedrohend sind, den Charakter besonderer Angriffs waffen tragen oder besondere Wirksamkeit gegen die nationale Verteidigung in sich tragen. Der Hauptausschuß Wird bis Montag nachmittag keine weiteren Sitzungen ab?