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Die „Vttcndorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme van Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit ,o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 72. Mittwoch, den 17. Juni 1903. 2. Jahrgang. Oertlichrs und Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, ,ü. Juni 1003. — Am Spätnachmittag des vergangenen Sonntags fanden Spaziergänger am Stein bruche in allernächster Nähe der Chaussee nach Königsbrück im Gebüsch einen Er schossenen, welcher schon stark in Verwesnng übergegangen war. Da derselbe außer einem Pfandschein keinerlei Ausweispapiere bei sich führte, so war es bis jetzt noch nicht möglich die Personalien festzusteüen. Der Tote wurde, in Rücksicht auf die vorgeschrittene Verwesung, gestern Nachmittag an Ort und Stelle be graben. — "Am heutigen Tage beging das Haus besitzer Hermann Schurig'sche Ehepaar das Fest der silbernen Hochzeit. Möge es dem Jubelpaar- vergönnt sein, in körperlicher und geistiger Frische noch viele Jahre gemeinsam zu verleben. — Jubelfeier der Kartoffel. Die Mensckhcit, die nach einem Dichterwort dazu „geboren ist, um Feldfrüchte zu essen", steh! jetzt im Zeichen der neuen Kartoffeln. Die Kartoffel kann in diesem Jahre eine Jubelfeier begehen, denn seit 350 Jahren ist sie jetzt in Europa bekannt. — Die Ziehung der t- Klasse der nächsten (144.) Königlich Sächsischen Landeslot terie findet am 6. und 7. Juli statt. Dresden. Den Rekord der Wahlreden in Sachsen wird der Kandidat der hiesigen Kartell parteien, Herr Amtsrichter Dr. Wagner, un streitig erzielen, denn am gestrigen Montag hielt er seine 24. Wahlrede. Wohl kein Kan- didut in ganz Sachsen dürfte eine derartige Rührigkeit entfaltet haben. — Die hiesige Wochenschrift „Dresdner Rundschau" wurde wegen Majestätsbeleidigung cuf Veranlassung der Königlichen Polizeidireklion konfisziert. Die Beschlagnahme wurde gericht lich bestätigt. —- Der Sächsische Ingenieur- und Architekten- Mein hielt am vergangenen Sonntag hierselbst seine 154. ordentliche Hauptversammlung unter sehr starker Teilnahme ab. — Der Sonntag früh von hier nach dem Erzgebirge (Annaberg, Weipert usw.) abgelassene Sonderzug zu ermäßigten Preisen zeigte eine gute Benutzung. Er beförderte annähernd 500 Personen. Auch im übrigen war der Aus- flugSoerkehr am Sonntage außergewöhnlich leb haft. Zu seiner Bewältigung bedurfte es nicht nur der Verstärkung aller Züge mit Wagen, sondern in sehr vielen Fällen der Abfertigung der Züge in mehreren Teilen. Es machte sich aber auch ein bedeutender Besuch unserer Residenz aus der Provinz bemerkbar, veranlaßt durch die Städteausstellung und den Regimentstag der l07er, wie durch das Konzert im Japanischen Garten. Allein 15 Sondcrzüge verkehrten am letzten Sonntage auf der Bodenbacher Linie, 12 Sonderzüge zwischen hier und Tharandt und 2 Sonderzüge nach und von Cossebaude. — Einer dec bekanntesten Gastwirte hier, der Besitzer von „Alt-Gaßmeper", Schloßstraße 21, Herr Julius Spiegler, ist am Sonnabend plötzlich verstorben. Er war bis ^/-.H Uhr in seiner Wirtschaft, klagte plötzlich über Unwohlsein ünd begab sich hierauf in seine Wohnung. Als Wan nach einer halben Stunde nach ihm sah, war der kaum 43jährige kräftige Mann tot. Ein Herz- und Gehirnschlag hatte ihn dahin- gerafft. Herr Spiegler war seit 8 Jahren Besitzer der bekannten Bierwirtschast und er freute sich in weitesten Kreisen allgemeiner Be liebtheit, da er, ein „Selfmade man", so schlicht Und einfach geblieben war wü früher, da er doch nicht Besitzer jenes vorzüglich besuchten Lokals war. Großenhain. Zu dem am Montag hier äbgchaltenen Roß-, Vieh- und Brettermarkt wurLen zum Verkauf gebracht: 28 Rinder, 103 Pferde, 202 Schweine, 777 Ferkel und jirkä 3 Schock Bretter. Der Preis eines Schweines betrug 30—60 Mark, der eines Ferkels 7-17 Mark- — Am Freitag in den Vormittagsstunden passierten zwei Berliner Herren auf einer Probe- automobilfahrt den Wantewitzer Berg. Durch zu schnelles Bremsen überschlug sich das Auto mobil zweimal. Der eine Herr wurde am Kopf und (Gesicht ganz erheblich verletzt und liegt beim ^Priestewitzer Arzt darnieder; der andere, nur leicht verletzt, konnte mit dem ganz in Stücken gegangenen Fahrzeug die Rück reise per Bahn antreten. Großenhain. Sonnabend vormittag hava rierte in Tetschen zwischen der Ketten- und Nordwestbahnbrücke der Mit Braunkohlen be frachtete Deckkahu des Schiffseigners Otto Reiter aus Nünchritz infolge eines Zusammenstoßes mit einem bergwärts kommenden Dampfer voll ständig, Großröhrsdorf bei Pulsnitz. Der nörd liche Oberlausitzgau hielt am verflossenen Sonn tag hierselbst sein 12. Gauturnfest ab, mit dem die Feier des 25jährigen Bestehens des Gaues verbunden war. Der Gau wurde am 7. April 1878 in Ohorn von 6 Vereinen begründet, jetzt gehören ihm 30 Vereine mit 2870 Mit gliedern an. Das erste Gauturnfest hat 1879 ebenfalls hier stattgefunden. Mit dem am Sonntage abgehaltenen turnerischen Doppelfeste verband der hiesige Turnverein gleichzeitig die Weihe seiner neuen Fahne. Stolpen. D^r Entwurf zu unserem Krieger und Siegesdenkmal rührt von Herrn Oskar Kramer, Landbauinspektor in Dresden, her. Dem genannten Herrn wurde auch die Bau leitung übertragen. Riesa. Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich am Sonnabend nachmittag Uhr im Eisenwerk. Der Arbeiter Karl Micklisch aus Röderau wurde beim Rangieren von Wagen, nach Abstoß eines solchen, beim Überschreiten des Bahngleises überfahren und so schwer ver letzt, daß er gegen,5 Uhr im Krankenhause hierselbst, wohin die Überführung alsbald er folgt war, gestorben ist. Sebnitz. Der Negimentötag des 102. Regiments (Zittau) wurde am Sonntag und Montag in unserer Stadt abgehalten Montag wurde ein Ausflug nach der oberen Schleuse, dem Kirnitzschtale, Knhstall, Wasserfälle usw. unternommen werden. Siebenleh n. Zum vierten Male innerhalb eines Vierteljahres wurde die hiesige Stadt von einem größeren Feuer heimgesucht. Diesmal brannten vier Häuser nieder. Das Feuer brach Sonntag nachts gegen 12 Uhr im Hause der Witwe Rost in der Niederstadt aus. Freiberg. Der Jirgenieur Maschin, der erste Gatte der unglücklichen Königin Draga, hat an der Königlichen Bergakademie hier stu diert. Er war ein, wenn auch nicht sehr be deutender, doch bei seinen Bekannten beliebter junger Mann. Waldheim. Als Täter des in Massanei verübten Doppclmordes an dem Gutsbesitzer Gottfried Müller und dessen Wirtschafterin Bertha verehelichte Langhof kommt nach einer Bekanntmachung der Chemnitzer Staatsanwalt schaft der Schweizer Max Arthur Kamprath, geboren am 11. Oktober 1878 in Leisnig in frage. Der Raubmörder hat eine silberne Herrenzylinderuhc mit der Gravierung „G. Müller", eine Dammuhc mit langer goldener Schiebekette, Broschen, ein Paar noch ziemlich neue Herrenstiefeletten, sowie Geld mitgenommen. — Über den Doppelmord wird noch folgendes gemeldet: Die Bluttat ist zwischen 12 Uhr nachts und ^5 morgens ausgeführt worden, denn gegen 12 Uhr ist Müller noch gesehen worden. Er hat bis gegen 12 Uhr in der Unterstube seines Gutes auf dem Sofa geschlafen und um diese Zeit die von einem Ausgange heimkehrende 15jährige Kleinmagd Helene Brinkmann ins Haus gelassen. Bis zur gleichen Zeit hat auf einem Haufen Klee im Hofe der 18jährige Gustav Franze ge schlafen. Er ist von Müller geweckt und zu Bett geschickt worden. Franze hat zuerst von dem Geschehenen Kenntnis erhalten. Er ist gegen s/i5 Ühr von dem Tagelöhner Walde, der von Müller bestellt worden war, weil aus der Stadt Jauche geholt werden sollte, geweckt worden, hat darauf den Pferden Futter ge schüttet, und da Müller, entgegen seiner Ge wohnheit, noch nicht im Hofe zu sehen war, dessen Schlafkammer betreten, um ihn zu wecken. Er sand das Bett vollständig zugedeckt; um sich zu überzeugen, ob Müller aufgestanden, hat er das Deckbett etwas zurückgezogen und ist von dem grausigen Anblick, der sich ihm bot, förmlich zurückgeworfen worden. Müller hat eine weit auseinander klaffend'e Wunde über die linke Gesichtshälfte. Die Kleinmagd Brink mann hat die Wirtschafterin wecken wollen, deren Kflrper gleichfalls mit dem Deckbett voll ständig zugedeckt war. Die Langhof ist durch Schläge auf den Kopf getötet worden. Beide Leichen lagen wie im Schlafe. Die Schläge mit dem Beil, das der Mörder im Hof ge funden und nach der Tat in eine Ecke des an den Kammern entlang führenden Ganges ge worfen, sind so kräftig geführt worden, daß die Überfallenen, ohne irgend einen Laut von sich geben zu können, sofort betäubt gewesen sind. Ein Kampf hat also nicht stattgefunden. — Der Verbrecher, der in der Nacht zum Donnerstag in Massanei bei Waldheim den Gutsbesitzer Müller und seine Wirtschafterin Langhof im Schlafe durch Beilhiebe ermordete, hat sich der strafenden Gerechtigkeit nicht lange entziehen können. Er ist am Sonnabend nach mittag in Meißen verhaftet worden. Der Tal dringend verdächtig war bekanntlich gleich an fangs der 1878 in Leisnig geborene Schweizer Max Arthur Kamprath. Als diese Anzeige der Staatsanwaltschaft nach Meißen gelangte, wurde alsbald festgestellt, daß dieser Kamprath einige Zeit daselbst gearbeitet und gewohnt hat. Bei der Nachfrage in seiner damaligen Wohn ung erfuhr man, daß Kamprath am Tage nach dem Verbrechen dort gewesen und sein Wieder kommen in Aussicht gestellt hatte. Die Wohn ung wurde deshalb beobachtet. Kamprath kam jedoch zunächst nicht wieder, sondern ließ sich erst am Sonnabend nachmittag vor dem Hause wieder sehen. Er wurde sofort auf der Straße verhaftet und dem Meißner Amtsgerichte zuge führt. Er hat dis Tat bereits eingestanden. Die Zwischenzeit hat er in Dresden verbracht. Von dem Raube fanden sich nur noch die Uhr und wenig Geld in seinem Besitz. Chemnitz. Das Kunststück „Looping the Loop", das Mr. Diavolo im Zirkus Schumann zeigte, zieht wagehalsige Menschen, die sich nebenbei eine gute Gage verdienen Mächten, immer wieder an. So war für das Winter- garten-Variötä hier das Auftreten eines Herrn Hafner, des ersten deutschen Schleifenfahrers — wie er sich nennt — angekündigt. Am Donners tag wagte der Herr zum ersten Male die Fahrt. In der Mitte der Schleife angelangt, verlor der Fahrer indessen den Schwung, griff aber mit Geistesgegenwart nach dem seitlich an gebrachten Netz — sonst wäre er unfehlbar abgestürzt — und sprang von hier herab, ohne ernstlichen Schaden zu nehmen. Man sieht, daß das Kunststück doch seinen Haken hat. Leipzig. Als geheilt aus dem Krankenhause entlassen wurde der 24 Jahre alte Barbier Friedrich Alfred Fuchs, welcher am 21. Mai abends mit seinem Kollegen, den 22 Jahre alten Gehilfen Arthur Paul Böhme, im Grund stücke Zentralstraße 1 aus ca. 8 Meter Höhe den Treppenschacht hinabstürzte und außer anderen Verletzungen einen Schädelbruch er litten hatte. Böhme verstarb bekanntlich auf der Stelle; Fuchs, der bewußtlos war, wurde mittels Krankenwagens nach dem Krankenhause gebracht. Der Verunglückte vermag auch heute noch nicht die Ursache seines Unfalles anzu geben. Penig. Der von der städtischen Haupikaffe angestellte Kontrolleur Albin Müller wurde am Mittwoch von der Staatsanwaltschaft in Unter suchungshaft genommen. Es sollen Geldunter schlagungen und damit in Verbindung stehende Bücherfälschungen zur Verhaftung geführt werden. Meerane. Eine Frage, die für alle Schul gemeinden von prinzipieller Bedeutung ist, be absichtigt das hiesige Stadtverordneten-Kollegium höheren Orts entscheiden zu lassen. Der Sach verhalt ist folgender; Vor einigen Wochen starb hier der noch bis an sein Lebensende im Amte tätig gewesene Schuldirektor Ostermai. Die Hinterbliebenen desselben, Söhne und Töchter, haben nun an den Stadtrat das Gesuch ein gereicht, ihnen das 800 M. betragende Gnaden gehalt auszuzahlen. Der Rat hat beschlossen, dem Gesuch zu entsprechen, obwohl die Hinter bliebenen Kinder Ostermais alle bereits in Amt und Würden, hauptsächlich als Lehrer tätig sind. Anderer Meinung waren jedoch die Stadtverordneten. Der Ausschuß derselben ist nämlich zu der Ansicht gelangt, da die Hinter bliebenen Ostermais sich bereits in Amt und Würden befinden, könnte von Kindern, die noch versorgungspflichtig seien, keine Rede sein. Im Kollegium beschloß man, es auf eine Entscheid ung an höherer Stelle ankommen zu lassen und lehnte das Gesuch einstimmig ab. Ebenso ver weigerte man die Mittel aus der Stadtkasse für die Stellvertretung des Realschuloberlehrers Starke, der auf drei Monate Sprachstudien im Auslande unternehmen wollte. Das Ministerium hat dem Genannten den Urlaub bewilligt, und da die Stadtverordneten seinerzeit die Vorlage ablehnten, für einen Monat sich zur Zahlung der Kosten von 150 M. bereit erklärt. Die 300 M. betragenden Kosten für die anderen zwei Monate sollte die Stadt aufbringen. Es war aber im Kollegium keine Majorität hierfür zu haben. Markneukirchen. Aus dem hiesigen alten AmtSgerichtögefängniffe ist in der Nacht zum Freitag ein Häftling namens Adler, ein unter setzter, mit großer Körperkraft ausgerüsteter Mann, entwichen. Der Flüchtling hat vorher nicht nur die Eisenstäbe herausgewuchtet, sondern auch Mauersteine Hecausbrechen müssen, um ein Entkommen zu ermöglichen; dann hat er aus Bettuchstrcifcn ein Seil gedreht und sich auf die Straße hinabgelassen. Eine Spur des Ent flohenen ist noch nicht aufgefunden. Treuen. Tödlich verunglückt ist am Donnerstag abend hier der 40 Jahre alte Maurer Edwin Schädlich, verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er verlor das Gleich gewicht und stürzte kopfüber 2^/, Meter tief auf eine eiserne Schiene. Hierbei erlitt Schäd lich eine Zertrümmerung der Schädeldecke, wo durch kurz darnack der Tod des kräftigen Mannes herbeigeführt wurde. Falkenstein. Während in der Stickerei industrie leider immer noch über flauen Ge schäftsgang geklagt wird, von welchem nament lich die jungen Unternehmungen empfindlich ge troffen werden, da in diesem Industriezweige im Laufe des vergangenen Jahres größere Kapitalien festgelegt wurden, arbeiten die Gar dinenfabriken (nicht nur die englischen, sondern auch die Kongreßgardinenfabriken) hier und in der Umgegend noch mit vollem Personal, auch sind alle Stühle unausgesetzt beschäftigt. In letzter Zeit würben wiederholt ältere geübte Weber gesucht. Zwönitz. Über einen im benachbarten Kühn haide verübten Mord berichtet der „Zwönitz- Kahlaer Anz.": Der 24jährige Wirtschafts gehilfe Bach lauerte in der Nacht vom Sonn tag zum Montag seiner früheren Geliebten, der 22jährigen, bei ihren Pflegeeltern in Stellung befindlichen Wirtschaftsgehilfin Keller auf, als sie in Begleitung ihres Geliebten vom Tanz heimkehrte, und erschoß sie mit einem Revolver. Bach ist nach der Tat geflohen. Er wurde am Morgen im Gehege gesehen, wo er sich vor den Augen des Gendarmen erschoß.