Volltext Seite (XML)
Die „Bttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Gttendorf-Mrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inffcalen bi, vormittag w Uhr. Inserate werden w^t >o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 101. Mittwoch, drn 24. August 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttsndorf.MriLa, 23. August 190^. — Es regnet! werden Hunderte gestern früh auSgerufen haben, als sie an das Fenster traten, Was seit vielen Wochen sehnlichst erwünscht wurde, ist endlich eingelretcn. Und kein flüchtiger Gewitterregen ist Montag morgens eingetreten, sondern ein Dauerregen, der in den Vormittagsstunden an Heftigkeit zunahm, leider aber mittags wieder nachließ. Auch am heutigen Dienstag früh setzte wiederum ein schwacher Regen ein. Immerhin dürsten die Nieder schläge heilsam für die Fluren sein, wenn sie für die Feld- und Gartenfrüchte auch zu spät eingetreten sind. Eigentümlich ist es, daß der Kalender gestern auch das Ende der Hundstage angibt. Das Stoppelfeld ist die gegenwärtige Signatur in der Natur. Es ist der Vorbote der melancholischen Jahreszeit und hat an und für sich schon ein sehr melancholisches Aussehen. Ein abgeernietes Feld ist ein deutliches Zeichen vergangener Herrlichkeit und Fülle. Die erste Leere starrt uns jetzt in der Natur entgegen, dazugesellt sich die beginnende Färbung nnd düs Abfallen vereinzelnter Blätter. Man merkt, wir sind schon einen sehr merklichen Schritt wieder abwärts. Der Herbst ist nicht mehr weit. Nicht der versteht die Natur, der nur die Vorgänge beachtet, sondern der, welcher den ganzen Charakter, der sich in ihr ausprägt und der sich ganz all mählich verändert, empfindet. Bezeichnend waren die Ausdrücke der Wen, deren Denken und Fühlen überhaupt mehr mit der Natur verbunden war, „um Lichtmeß", „um Jakobi", „um Aegidi" „um Martini" lc. Darin lag zu gleicher Zeit mit der Charakter in der Natur zu diesen Zeiten ausgedrückt, der zur Physiognomie einer Erzählung gehörte, ohne das lange Beschreibungen nölig gewesen wären. Jetzt blginnt das Angesicht der Natur schon ernster zu werden. Das sanguinische Temperament des Frühlings, das cholerische des Sommers ist bereits dem melancholischen des ruhigen Herbstes gewichen. Besonders in der stets zeitigen Vogelwelt zeigt sich Herbst- ahnung. Die Zugvögel sammeln sich zu Schwärmen und machen ihre Flugübungen im großen Stil, um sich und besonders die Jugend zur großen Reise chorzuberciten. Auch der Mensch ist klug, der sich die ersten Mahnungen des Herbstes schon zu ernsten Vorbereitungen auf den strengen Winter dienen läßt. , — Die Waldbrände, die in den letzten Tagen in den verschiedenen Gegenden des Landes vorgekommen sind, sind vielfach durch unvorsichtige Tabakraucher verursacht worden. Bei der jetzigen außerordentlichen Trockenheit und Dürre ist die größte Vorsicht beim Um gänge mit Streichhölzern und beim Zigarren- und Tabakrauchen im Freien zu beobachten. Es sei daran erinnert, daß das Rauchen von Zigarren und aus offenen Pfeifen in Wäldern Und Heiden außerhalb der Chausseen und der öffentlichen Fahrwege verboten ist. — Die Festung Königstein wird am 1. Oktober als Garnison aushörcn zu bestehe», denn das Festungsbataillon der 177 er, das Freitag nach Königsbrück zur Abhaltung von Gefechts schießen befördert wurde, und erst am 24. September nach der alten Elbfeste zurück kehrt, wird am I. Oktober dauernd nach der Albertstadt Dresden übersiedeln. Von diesem Zeitpunkte an wird nur noch ein 60 Mann starkes Wachtkommando auf der Festung zur Bewachung der Gefangenen Dienst verrichten Und monatlich von den Garnisonen Bautzen, Kamenz und Zittau abgelöst werden. Wie verlautet, ist es nicht ausgeschlossen, daß in den luftigen Räumen des Lazaretts und des neuen Unteroffiziergebäudes ein Erholungsheim für Militärs eingerichtet wird. Königsbrück. Beim gefechtsmäßige. Scharfschießen des 1. Bataillons vom Infanterie Regiment Nr. 177 aus Dresden wurde ein Soldat vom Schützenregiment, welcher Scheiben dienst uad dabei sich vorschriftswidrig zu weit vocgebeugt hatte, durch ein Geschoß am Kopfe chwer verwundet. Besinnungslos brachte man den Bedauernswerten, der an dem Unfall lediglich selbst die Schuld trägt, ins Lazarett. An seinen Aufkommen wird gezweifelt. Dresden. Montag Mittag brach in der Fabrik für photographische Apparate von Ernemann A.-G. in der Schanvaucr Straße infolge einer Kesselexplosion ein beträchtliches Schadenfeuer aus. An der Brandstelle waren zwei Dampfspritzen und die benachbarten Fabrikfeuerwehren tätig. Der Schaden ist ein bedeutender. Kötzschenbrod a. Der seit dem 3. August vermißte Fleischer und Arbeiter Friedrich Ernst Müller aus Naundorf bei Kötzschenbroda ist am Mittwoch im Walde tot aufgefunden worden. Er scheint einem Hitzschlage erlegen zu sein. Olbersdorf. Einen guten Fang machte der hiesige Gendarm mit der Verhaftung des seit 7 Jahren steckbrieflich verfolgten 28jährigen nach Großschönau zuständigen Schneiders Pietzsch mann. Er hatte sich seinerzeit hier einer Wechselfälfchung schuldig gemacht. In neuerer Zeit wurde er auch von der Staatsanwalt- Ichast in Hannover und in Bautzen wegen Be trugs gesucht. Der Verhaftete hielt sich hier bei Verwandten auf. Ec wurde ins Zittauer Amtsgerichtsgefängnis eingeliefert. Pirna. Nachdem sich die ausständigen Steinbrucharbeiter des 4. Verbandsbszirkes geweigert haben, das gemäß des ß 13 der Arbeitsordnung erforderliche Einigungsamt an zuerkennen, hat sich der Verband sächsischer Sandsteinbruchinhaber gezwungen gesehen, den aufgedrungenen Kampf fortzuführen, und die Arbeit in weiteren Verbandsbelrieben einzu stellen. Zur bedauerlichen Verkehrsstille auf der Elbe kommt auch noch die Ruhe in den steinbrüchen. Schandau. Wenn auch in dem oberen sächsischen und böhmischen Eldtale die Schiffahrt stellenweise ganz ruht, so ist der Flößereidetrieb hier und von Böhmen heraus immer noch rege. Es kommen jetzt täglich am Zollamte Schöna- Hirschmühle, bis 5 Pramen (Flöße) zur Ver zollung. Seit Anfang dieses Jahres dürften dort nahe an 300000 Festmeter Nutzholz ver zollt worden sein, indem 1117 Flöße nach Deutschland einfuhren. Wilsdruff. Wegen Sittlichkeitsverbrechens begangen an weiblichen Patienten, verurteilte Vie Dresdner Strafkammer den Krankenhauö- uerwalter Müller zu 18 Monaten Gefängnis und fünf Jahren Ehrenverlust. Freiberg. Hier sind aus dem Armenhause nachts zwei junge in d.n 20 er Jahren stehende daselbst zwangsweise untergebrachte Mädchen entflohen. Sie haben sich an einer Wäsche leine aus dem ersten Stock heruntergelassen und sind über die hohe Mauer, sowie den Zaun hinweggestiegen. Ihr Aufenthalt konnte noch nicht ermittelt werden. Mühl b erg a. d. Elbe. Durch die hier errichtete Elbstauanlage ist ein Steigen des Grundwasserstandes der Stadt eingetreten, sodaß ein Mangel an Brunnenwasser nicht mehr vorhanden ist. Die Anlage hat demnach die gehegten Erwartungen vollkommen erfüllt. Leipzig. Ein schwerer Unglücksfall er eignete sich in einer Wohnung in Großzschocher. Das im 10. Lebensjahr stehende Töchterchen der verw. Kamitzke, das allein in der Wohnung anwesend war, war im begriff, Feuer anzu zünden und benutzte dazu Petroleum. Dabei explodierte die Flüssigkeit und die Kleider des Kindes singen Feuer. Ueber nud über brennend rannte das Kind nach der Straße. Mit schweren Brandwunden bedeckt, wurde es nach dem Kinderkrankenhause gebracht, wo es hoffnungslos daniedrrliegt- Eibenst" ck. In der Nacht zum Donners tag wurde versucht, das der Witwe Reichenbach gehörige Haus Lohgasse Nr. 6 in Brand zu stecken. Der oder die Brandstifter haben von einem Haferfeld eine Menge Hafer weg genommen und, nachdem das Holz am Gebäude mit Petroleum gehörig getränkt worden war, den Hafer in Brand gesetzt. Von einer Mitbewohnerin des Hauses ist das Feuer jedoch noch so zeitig bemerkt worden, daß man es bewältigen konnte. Olbernhau. Der Brandstiftung und des Mordversuchgs geständig ist das 15 jährige Dienstmädchen des Pastors E. in Pfaffroda. Nachdem das Mädchen Ende voriger Woche im Pfarrhause den Brand anlegte, der den Dachstuhl einäscherte, versuchte es am Mittwoch nachmittag das jüngste Kind des Pastors, ein 2 jähriges Söhnchen durch Einflößen von Lysol zu vergiften. Glücklicherweise brach das Kind die giftige Flüssigkeit aus- DaS Mädchen wurde verhaftet. Meerane. In nicht gelinden Schrecken wurde Sonnabend vormittag unsere Einwohner schaft versetzt, als plötzlich dis Wasserleitung versagte und die sonst so gut funktionierende und trotz der großen Trockenheit das köstliche Naß in unverminderter Menge spendente An lage keinen Tropfen mehr hergab. Die Ursache dieses plötzlichen Versagens ist ein Defekt in der Heberanlage des Wasserwerks, den man trotz eifrigen Suchens bis jetzt noch nicht gefunden hat. Die Bürgerschaft ist nun vorläufig aus die wenigen noch verstandenen Brunnen — eine größere Anzahl derselben ist nach Inbetriebsetzung der Wasserleitung beseitigt worden — angewiesen. Elsterberg. In der Nacht zum Freitag ist hier ein Mann durch die städtische Polizei festgenommen worden, der gegen 9000 Mark bei sich trug. Die Summe rührt wahrscheinlich von einem Einbruch in der Heißmühle bei Schmöll (S-A.) her. Die Papiere des Fest genommenen lanten auf Oskar Malter aus Jgelshieb in Thüringen. Zwickau. Schwer verunglückt beim Rad fahren ist am Sonnabend gegen Mittag auf der steilen Landstraße nach Bad Elster bei Brachbach Herr Moritz Schiller, Besitzer der „Zentralhalle" in Zwickau. Gegen 3 Uhr wurde der Schwerverletzte mititls Geschirr nach seinem elternlichen Haus „Schillers Heim" in Bad Elster gebracht. Plauen. Ein eigenartiges Zusammentreffen ist es, daß kurze Zeit nach der telegraphischen Kunde vom Tode des Leutnants Leplow noch ein letztes Lebenszeichen bei seinem Stamm regiment in Zwickau (133 er) eingetroffen ist. Es kam nämlich Donnerstag eine Postkarte aus Südwestafcika an, worin er schrieb: „Arm geheilt, geht heute an die Front". Adorf. Der Kirchenvorstand hat beschlossen das Schiff der abgebrannten Hauptkirche an beiden Seiten unter Wegfall der Kapellen und Seitengänge zu verbreitern. Zur Erlangung von Bauplänen soll ein Preisausschreiben ver anstaltet werden. Die Preise für die besten Pläne sind 300, 200 und 100 Mark. Weiter sollen von der Glockengießerei Schilling in Apolda drei neue Glocken bezogen werden. Nus der Woche. Die Woche hat endlich die Entscheidung in Südafrika gebracht und diese ist leider nicht so gut ausgefallen, wie man gehofft hat. Es nützt nichts, aus purem Patriotismus die Dinge himmelblau auf Purpur zu malen, wie das anfangs nach Eingang des Trothaschen Berichtes seitens eines Teiles der Presse ge schehen ist. Daß die Hereros mit ihren zwei tausend Gewehren gegenüber einem disziplinierten Heere mii doppelter Gewehranzahl, Gebirgs kanonen und Schnellfeuergeschützen den kürzern ziehen mußten, war unschwer vorauszusehen. Ihre vorzügliche Verteidigungsstellung auf den dornenbewachsenen steilen Höhen des Water berges wurde durch die schwere Beweglichkeit in die die Aufständigen durch das Mitführen ihrer Viehherden versetzt waren, ausgeglichen. Die Aufgabe Trothas war, die Feinde so zu umfassen, daß ihr Ausweichen unmöglich war, und das ist ihm nicht geglückt. Das Gros der Hereros ist in die Omaheke (eigentlich „steinloses Land") entwichen, wohin ihnen die Truppen wegen Wassermangel und Schwierig keiten der Versiegung nicht folgen können. Auch für die Flüchtlinge ist die Omaheke kein Paradies, aber sie sind des Landes kundig und werden mit ihren Herden nicht zugrunde gehen. Ruhe werden sie wahrscheinlich auch nicht haUen sondern mindestens ab und zu Streif« und Rachezüge in das kultiviertere Gebiet, das ehemals ihr eigen war, unternehmen. Es ver dient auch Beachtung, daß bisher nur ein Teil der Hereros aufständig war, daß ein andrer Teil noch Schnellfeuerwaffen besitzt, daß die Ovambos im Norden gleichfalls unsichere Kantonisten sind und die Bondelszwarts im Süden sich durchaus nicht für besiegt halten. Der Himmel möge uns davor behüten, daß aus Deutsch-Südwestafrika eine Kolonie wird, wie sie die Holländer in Atieh besitzen, wo sie mit den Häuptlingen eisten 30 jährigen erbitterten Kampf führen mußten. Es wird vieler Klug heit bedürfen, den einmal entfachten Brand in Südafrika zu ersticken, einer Mischung von Strenge und Nachgiebigkeit — jedes an seinem Platze. Es wäre verfehlt, über früher offenbar gemachte Fehler zu ichmälen; aber sie in Zukunft strenge zu vermeiden, das fordern die Verhältnisse gebieterisch. Für die Kolonial verwaltung kommen außerdem noch schwere Tage — nach dem Widerzusammentritt des Reichstages und bei der Vorlage der not wendigen Nachtragskredite. Billig wird die Sache nicht zu stehen kommen. — Auf dem andern Kriegsschauplätze, wo man sich beider seits auf ein mehrjähriges Ringen gefaßt macht rücken die Dinge nicht recht von der Stelle; die Entscheidungsschlacht bei Liaujang zwischen Kuroki und Kuropatktn ist buchstäblich zu Wasser geworden. Nachdem ein umfassender Kampf eingesetzt halte, öffnete der ewig ver nünftige Himmel alle seine Schleusen und trieb die überhitzten Kämpfer auseinander. Die Regenzeit dürfte die Operationen in der Mandschurei für längere Zeit unterbrechen, beide Kriegführenden haben versäumt, für gepflasterte Straßen zu sorgen, und die Wege sind grundloser, als der gesamte Krieg, bei dem die Ruffen die Wächter über die heiligsten Güter der Völker Europas sind. Dabei ist gar nichts zu lachen! Die heiligsten Güter Europas sind Kultur und gute Sitten. Es ist allerdings eine bittere Ironie des Schicksals, daß die gerade von den Russen verteidigt werden müssen und weiter erweckt es peinliche Empfindungen, daß die heidnischen Japaner in Tapferkeit zu Lande und zu Wasser sich den Ruffen bisher überlegen gezeigt haben. — In diesem Jahre sind verschiedentlich Herbst- Manöver abgesagt worden und zwar wegen Wassermangel, so in Böhmen und in Frankreich. Unter dem Wegfall der Manöver leidet die Kriegstüchtigkeit. Das aber hilft den Frieden erhalten, denn wer sich nicht voller Tüchtigkeit bewußt ist, dec greift nicht an. — Daß drei russische Kriegsschiffe im Hafen von Tsingtau Zuflucht gefunden haben, ist den Engländern ein Dorn im Auge und ihre Presse zetert über Neutralitätöbruch. Deutschland erfüllt aber seine Pflichten als neutraler Staat; die russischen Schiffe werden entwaffnet und bleiben bis zur Beendigung des Krieges im deutschen Hafen. Die russischen Offiziere sollen geweint haben, als ihre Flaggen niedergeholt wurden. Der deutsche Gouverneur konnte nicht anders bandeln; die Russen mögen sich beruhigen. Für Deutschland bietet sich schon wieder mal eine andre Gelegenheit, sich der russischen Re gierung gefällig zu zeigen, wenn sie dafür auch nicht dankt. Undank ist der Welt Lohn! sagt auch Freiherr v. Mirbach und bleibt im Amte.