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Vie „Dttendorfer Zeitung" :rscheint Dienstag, Donners- ag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inserat bi» vormittag w Uhr. Inserate werben m't w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 77. Mittwoch- den 29. Juni 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Bkcilla, 28. Juni 1904. — Am gestrigen Montag war der ominöse Siebenschläfertag, der, nach altem Aberglauben das Wetter auf lange Zeit bestimmen soll- Freilich ist um diese Zeit ein oft längerer Sommerregcn nicht nur für Gärtner und Landlcute erwünscht, sondern auch ziemlich häufig. Aber es ist längst nachgewicsen, daß auf einen regnerischen Siebenschläfertag es keineswegs stets sieben Wochen Regcn gibt. So z. B. 1897 war im ganzen östlichen Sachsen an diesem Tage Heller Himmel und trotzdem folgten ihm 30 Tage mit Regen und und nur 19 ohne Regen. Die Tabellen der Meteorologen bewiesen für 55 Jahre Dauer, dag auf einen trocknen Siebenschläfer sogar 25,2 Regentage folgten, aber auf einen regne rischen Siebenschläfer sür die nächsten sieben Wochen durchschnittlich nur 23,1 Regentage kamen. Der Sommerrcgen kommt also sehr oft nach trockenen Siebenschläfertagen. — Die Witterung der verflossenen Tage hat auch die Entwickelung der Linden so ge fördert, daß diese bereits jetzt an vielen Stellen blühen, was gegen die normale Blütezeit um reichlich acht Tage früher ist. Der Duft einer blühenden Linde zeichnet sich vor allem durch seine Würzigkeit aus und wird weit angenehmer empfunden, als beispielweise der Geruch des blühenden schwarzbeerigen Hollunders. — Der nächste sächsische Feuerwehrtag, welcher alle zwei Jahre stattfindet, wird im Jahre 1905 in Meerane abgehalten. — Mit Zunahme des Reiseverkehrs, ins besondere aber nach Beginn der Schulferien tritt die Unsitte des reisenden Publikums, Spnseüberreste aller Art, Zigarrenenden, Papier usw. von sich auf den Fußboden zu werfen, die Sitze durch schmutziges Schuhwerk zu ver unreinigen usw, wieder mehr zu tage, ebenso rv.koen häufig die nur im Interesse der Passagiere in den Wagenabteilungen angebrachten Anschläge „Nicht ausspucken" unbeachtet gelassen und noch immer kommt es vor, daß Gläser, Flaschen usw. ohne weiteres aus dem Fenster heraus auf die Bahnstrecke geworfen werden, obwohl hierdurch schon oftmals schwere Ver letzungen von Bahnbediensteten die Folge ge wesen sind. Die Verwaltung unterhält das ganze Jahr mit großen Aufwand eine geschulte Mannschaft von Wagenputzern. Auch aus diesem Grunde ist es Pflicht des Publikums, an der Reinerhaltung des PHageninnern, mit zuwirken, anderenfalls begeht es auch eine Rücksichtslosigkeit gegen die Mitreisenden, denen man doch wohl nicht zumuten darf, in un sauberen Abteilen vielleicht weite Strecken zurück zulegen, da eine Reinigung unterwegs nur zu einer Belästigung durch Staub und Schmutz führen würde. Eine besondere Mühe ist für das Publikum nicht verbunden, wenn es die Abfälle usw, aus den Personenwagen mit fortnimmt und sich deren an einem anderen geeigneten Orte entledigt. — Der Werdauer Fabrikantenverein, welchem 64 Firmen mit 8000 beschäftigten Arbeitern angehören, hat in seiner letzten General versammlung einstimmig beschlossen, sich dem Verbände sächsischer Industrieller korporativ anzuschließen, und diesen Anschluß inzwischen vollzogen. Cunnersdorf. Am vergangenen Sonntag fand in unserem Orte unter sehr zahlreicher Beteiligung von Jung und Alt das diesjährige Schulfest statt. Herr Kantor Franke, sowie Freunde und Gönner der Schule waren eifrigst bemüht, das Fest in allen seinen Teilen als ein wohlgelungenes zu gestalten. Radeburg. Hier haben die Maurer bei dem Baumeister Tietze die Arbeit niedergelegt. Königsbrück. Teile des Bautzncr In fanterie-Regiments Nr. 103 in Stärke von etwa 540 Mann trafen gestern zu Uebungs- zwecken hier ei». Zur Beförderung diente ein Sonderzug, der Bautzen früh kurz nach 6 Uhr verlassen hatte und vormittags 1/itO Uhr auf hiesigem Bahnhofe ankam. Etwa 135 Mann hatten den Sonderzug bereits in Laußnitz ver lassen und langten mit Fußmarsch in den Baracken an. — Am vergangenen Sonnabend verunglückte unweit der Stadt ein Dresdner Motorradfahrer, welcher sich zur Jagd nach dem Otterschützer Revier begeben wollte. Der Verunglückte hatte so schwere Verletzungen am Kopfe erlitten, so daß sich seine Ueberführung in das hiesige Krankenhaus notwendig machte. Radeberg. Nachdem die zehnstündige Arbeitszeit und 36 Pfg. Lohn bereits von drei Meistern anerkannt sind, legten am Donnerstag die Maurer am städtischen Krankenhaus neubau, der von Herrn Stadtrat Petrich aus geführt wird, die Arbeit nieder Radebeul. Am Freitag konnte im hiesigen Rathause leicht ein größeres Schadenfeuer entstehen. Auf dem Dachboden sollte am Wasserreservoir für Klosettspülung eine Re paratur vorgenommen werden. Der damit be auftragte Klempnermeister K. ist hierbei mit einer Lampe den Hobelspänen, die zum Schutze gegen das Eingefrieren gelegt worden sind, zu nahe gekommen, wodurch sie in Brand gesetzt und die Flammen das Dachgesparr ergriffen. Durch das schnelle Eingreifen der Gemeinde beamten mit dem kürzlich angeschafften Minimaxapparat wurde der Brand noch recht zeitig gelöscht. Priestewitz. Gerüchtweise verlautet, daß gestern der hier stationierte Kgl. Gendarm/den aus der Colditzer Anstalt ausgebrochenen, viel gesuchten Totschläger Wagler festgenommen habe. (An Stellen, die von dieser Festnahme wißen müßten, ist nichts davon bekannt. D. R.) Riesa. In einer gestern Nachmittag statt- gehadten Versammlung der ausständigen Maurer wurde beschloßen, den Streik fort zusetzen, und es ist noch nicht abzusehen, wann derselbe sein Ende finden wird. Großröhrsdorf. Die vor einigen Tagen hier verhaftete, aus Zehista stammende Dienst magd, welche beschuldigt ist, ihr neugeborenes Kind in die Elbe geworfen zu haben, hat die verwerfliche Tat zugestanden. Sie ist am 23. Mai in der Klinik in Dresden entbunden worden, worauf am 2. Juni ihre Entlastung erfolgte. Mit dem Kinde begab sich die un natürliche Mutter auf den Weg nach Neundorf zu ihren Eltern. Unterwegs kam ihr der Ge danke, sich des Kindes zu entledigen. In der Nähe von Pirna angelangt, reifte in ihr beim Anblick des Elbstromes der Plan, das arme Wesen darin verschwinden zu lasten. Dem Gedanken ließ sie alsbald die Tat folgen. Das etwa zehn Tage alte Kind wurde, nur mit einer Leibbinde angetan, in die Fluten geworfen. Die Mörderin begab sich dann zu ihren Eltern und erzählte, daß das Kind in Dresden gestorben sei. Sie vermietete sich dann in Großröhrsdorf, wo schließlich ihre Verhaftung erfolgte. Neugersdorf. Eine schreckliche Ueber- raschung wurde hier am Dienstag einer Hochzeits-Gesellschaft bereitet. Die Hochzeits feier hatte im „Erbgericht" stattgefunden, und am Dienstag früh gegen 3 Uhr begleiteten die Gäste in fröhlichster Laune das junge Ehe paar in die Wohnung der Eltern der jungen Frau. Hier entdeckten sie zu ihrem Schrecken, daß sich inzwischen der Vater der Braut, der Fabrikarbeiter Schmidke, in einem dicht neben dem Hause stehenden Schuppen erhängt hatte. Rochwitz. Geradezu zu einer Plage sind in diesem Jahr in unseren Bergen die wilden Kaninchen geworden, die besonders in den Ge müsegärten viel Schaden anrichten. Die Re vierverwaltung gibt sich alle Mühe, diese Nager zu vernichten, aber den flinken Tierchen, die sich auch nur zu gewißen Zeiten sehen lasten, ist schwer beizukommen. Laut Gesetz vom 25. Juni 1902 ist übrigens das Aussehen und Hegen wilder Kaninchen bei Strafe bis zu t50 Mark oder Haft bis zu 14 Tagen ver boten und die Schonzeit dieser Tiere überhaupt aufgehoben. Hohenstein-Ernstthal. Die Sektion des am Montag ermordeten Bergarbeiters Strauch aus Seifersdorf hat nunmehr in der Totenhalle zu Kirchberg stattgefunden. Hierzu waren Staatsanwalt Dr. Hubert, Medizinalrat Bezirksarzt Dr. Gelbke mit Assistenzarzt Dr. Haufe aus Chemnitz, ein Referendar mit Aktnr aus Stollberg, sowie Gendarmerie erschienen. Der Mörder Hauenstein wurde unter sicherer Bedeckung vorgeführt und der Leiche gegen übergestellt. Staatsanwalt Dr. Hubert legte dem Mörder einige Fragen vor, welche derselbe mit fester Stimme, ohne Reue zu zeigen, be antwortete. Hauenstein wurde dann wieder nach Stollberg transportiert, von wo aus er nach Chemnitz abgeliefert wurde. Festgestellt wurde, daß durch einen kräftigen Stich unterhalb des Halses das Brustbein durchbohrt und die Herz- chlagader zerschnitten wurde. Strauch ist nfolgedesten durch innere Verblutung kurz nach dem Stiche verstorben. Crottendorf. Auf die Ergreifung des Raubmörders Schramm hat das Königliche Justizministerium eine Belohnung von 300 M. ausgesetzt. Leipzig. Der seit Februar vermißte Kaufmann Nathusius von hier ist jetzt in einer Schlucht des Hohnsteiner Forstreviers als Leiche gefunden worden. N. hatte sich durch Erhängen den Tod gegeben. Crimmitschau. Welch bedeutenden Schaden der am 21. Juni über unsere Gegend nieder gegangene Hagelschlag an den Feldfrüchten an richtete. läßt sich jetzt genauer übersehen, nachdem die Ersatzansprüche der versicherten Landwirte zum größten Teil geltend gemacht worden sind. Bei der hiesigen Hauptagentur einer Hagel versicherungsgesellschaft sind allein 150 Ersatz ansprüche zur Anmeldung gelangt. Der in unserer Pflege durch das Unwetter verursachte Schaden schwankt zwischen 15 und 100o/». Wie mitgeteilt wird, wurden im ganzen König reich Sachsen nicht weniger als 1500 Ersatz ansprüche für den am vorigen Dienstag durch den Hagelschlag angerichteten Schaden angemeldet. Nus der Woche. Wir leben in einer herrlichen Zeit; Fest reiht sich an Fest, das wir im Geiste kosten- und mühelos mitfeiern dürfen und aus hohem und beredtem Munde werdsn wir stets über die Bedeutung der Feierlichkeiten aufgeklärt. Das Gordon Bennet - Rennen hat Frankreich den Sieg gebracht und der Sieger Thsry ist auf der Heimreise mit seinem Siegeskasten in den Chaustegraben geraten und hat dabei ein Bein gebrochen. Den Regatten auf der Unter elbe schließt sich die „Kieler Woche" an, die selbst König Eduard durch seine Gegenwart verschönt, und in Rom hat man am Donnerstag in der Villa Borghese das vom Kaiser geschenkte Goethestandbild enthüllt. Damit ist wieder ein unangenehmer Punkt erledigt. Auch Friedrich Krupp hat in Kiel sein Denkmal erhalten, wie denn auch bestimmt wurde, daß am Fuße der Burg Hohenzollern dem alten Burggrafen Eitel - Friedrich 11. ein Standbild errichtet werden soll, obwohl man von ihm kaum etwas weiteres weiß, als daß er mit drei andern seines Stammes das Namensmodell für einen unsrer kaiserlichen Prinzen abgegeben hat. Dann ist in Mörs der Gemahlin des Großen Kurfürsten, Luise Henriette (von Oranien, eine Statue enthüllt worden, und wer weiß, was alles noch geplant und vorbereitet wird. Und dabei gibt es Menschen, ja ganze Parteien, die immer noch nicht zufrieden sind! Der Reichs tag ist ja nun nach Hause gegangen; aus seinen Fenstern schallen einstweilen die Töne des Unmuts nicht in das Land hinaus; aber der preußische und der bayrische Landtag sind nicht ohne Erfolg bemüht, dem Reichstage in dieser Beziehung Konkurrenz zu machen. Der letzgenannte Landtag hat beinahe den Finanz minister v. Riedel weggeärgert; dem ihm vom Prinz-Regenten Luitpold geschenkten Sympol der Treue, als das bekanntlich der Hund gilt, )at Herr v. Riedel seinen berechtigten Unmut geopfert und ist geblieben. In Preußen lasten ich die Minister nicht so leicht ärgern. Ihnen war von Rednern der linken Seite der Kammer )er boshafte Vorwurf gemacht worden, das Gordon-Bennett-Nennen und die Kieler Woche die Tagesordnung der Kammer mehr beinfluste als das Volkswohl. Das wurde einfach ab geleugnet und damit war die Sache gut. In >er Kommission bewegt sich die wasserwirtschaftliche Vorlage sehr langsam vorwärts; man muß dabei aber bedenken, daß wir ja noch im An« ange des Jahrhunderts stehen und daß der Minister v. Thielen nicht mehr im Amte ist, der einst das starke Wort sprach: „Gebaut wird es doch!" Auch die Mirbach-Affäre frißt weiter und schafft Unzufriedenheit. Der hoch- gestellte Herr soll sich neuerdings unter Um gebung der Regierung direkt an die Regierungs präsidenten gewandt haben, damit diese aus Anlaß der am 21. Februar 1906 stattfindenden Silberhochzeit des Kaiserpaaces neue Sammlungen ür die Kaiser WilhclmS-Gedächtniskirche im großen Stile vornehmen; nicht etwa bei kleinen Leuten, die doch „nur Beträge von 12 -200 Mark." zeichnen. Herr von Mirbach kann auf seine großartigen Erfolge in Kirchbau sachen Hinweisen, aber er ist in seinen Mitteln und in seiner Ausdrucksweise nicht immer glücklich; er gibt sich gar zu häufig Blößen, die bei einem Oberhofbeamten der Kaiserin nicht nur ihm persönlich schaden! Damit aber nur nicht gar der Zündstoff nicht ganz ausgehe stt in Preußen auch wieder die Simultanschul frage aufs Tapet gebracht worden, die zwischen den Parteien und in den Kreisen der Lehrer auf das lebhafteste erörtert wird. Hoffentlich kehrt die Aufregung nicht wieder, die vor zwölf Jahren der Zedlitzsche Schulgesetzentwurf heroorrief, bis letzterer kurzerhand durch Kaiser Wilhelm zurückgezogen wurde. — Die Meldungen aus Deutsch-Südwestafrika lauten so, wie man sie wohl nach allem, was voran gegangen ist, vermuten konnte; als Porale gilt einstweilen „Abwarten!" So leicht, wie man sich anfangs in Berlin die Niederwerfung des Aufstandes gedacht hat, geht es nicht. Die Hereros stehen 7000 Mann stark, gute Schützen, in den gedeckten Stellungen der Waterberge. General v. Trotha will erst noch das Eintreffen der Verstärkungen abwarten; das bekundet das ehrenvolle Streben, nicht eher Hunderte von Menschenleben auf das Spiel zu setzen, bis der Erfolg verbürgt ist. — Im Osten ist's die alte Leier. Bloß daß sich der Gang dec Dinge doch etwas anders abspielt, wie man sich da nach den ersten Erfolgen der Japaner vor Port Arthur dachte. Zur See, glaubte man, würden die Japaner ihr Uebergewicht behaupten, zu Lande aber würden die Russen bald im Vorteil sein. Die BerichlSwoche hat dagegen zum erstenmal eine (noch dazu aus russischer Quelle stammende) Meldung gebracht, nach der die Japaner auf dem Lande vor den Rusten zurückgewichen seien. Sonst zeigten sie sich bisher überall als Sieger. Auf dem Meere ist aber ihre Vormacht nicht so fest begründet, wie man nach ihren ersten Siegen annehmen durfte. Das Wladiwostokgeschwader hat ihnen sehr empfindliche Verluste beigebracht und der Nebel kann dem japanischen Admiral Kamimura ebensowenig zur Entschuldigung dienen, wie den Rusten die zahlreichen chinesischen Spione, die von den Japanern unterhalten werden. Im übrigen scheint es, als ob demnächst schon di« entscheidenden Schläge fallen werden; im Süden um und in Port Arthur, im Norden bei Mukden, der alten Kaiserstadt, in deren Nähe seit 260 Jahren die mandschurischen Kaiser des Reichs der Mitte ihre letzte Ruhe stätte finden,