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Ottendorfer Zeitung. Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch dir Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag 1» Uhr. Anserate werden mit zo Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 60. Mittwoch, den 20. Mar 1903. 2. Jahrgang. Oerttichrs nnd Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, z6. Mai 1903. 4- Durch eine Verletzung, welche sich Herr Fabrikbesitzer M. Walther in ver gangener Woche durch Hängenbleiben des am vierten Finger der rechten Hand befind lichen Ringes an einen hervorstchcnden Haken, nicht wie eine andere Zeitung zu melden wußte, Fallen beim Aussuchen von Mustern, zugezogen hatte, machte sich am Sonnabend die Amputation de» verletzten Fingers not wendig. — Donnerstag ist Himmelfahrtstag, zu dem wir schöne», trockneS und warmes Wetter gebrauchen, wenn nicht tausend Pläne und Entwürfe, Hoffnungen und Wünsche ins Dosier fallen sollen. Bisher hat der Mai noch immer mehr oder weniger unter der Wirkung des Regiments der „gestrengen Herren gestanden ; eine kleine Besserung ist im allgemeinen aber doch wohl schon festzustellen gewesen und bis übermorgen muß es schön sein; es wäre ja entsetzlich, wenn es ander» wäre. Der Himmel- fohrtttag ist nun einmal der traditionelle Aus. flugstag für die große Mehrzahl aller Deutschen. Wer» kann, unternimmt weitere, wers nicht kann, kürzere Touren; aber unterwegs sind sie alle, und wenn e» bi» zum nächsten Wald, Feld W ese oder Wasser wäre. Himmelfahrt ist ein Vorgeschmack non Pfingsten und bei Ausflügen daher zehnmal beliebter als die übrigen Sonntage im Mai. — Am ersten Pfingstfeiertage find in Sachsen öffentliche Versammlungen aller Art, inglcichen Versammlungen der Gemeindevertreter, der Innungen und anderer Genossenschaften, sowie auch die öffentlichen Versammlungen solcher religw'-r Vereinigungen, die die staatliche An-- erklimme /abi besitzen und die mimstenelle Gemhmigung zu gemeinsamer öffentlichen Üb ung eines besonderen Kultus nicht erlangt hüben, auch wenn diese Versammlungen gottes dienstliche Zwecke verfolgen, gänzlich verboten. Dergleichen sind Tanzbelustigungen an öffent liche» Orten, sowie Privatbälle, auch wenn diese in Privathäusern oder in Lokalen geschloffener Gesellschaften abgehalten werden, am ersten Pfingstfeiertage und am vorausgehenden Sonn abend untersagt. Versammlungen müssen am Pfingstsonnabend nachts 12 Uhr beendet sein und dürfen am zweiten Pfiugstfciertag vor be endigtem Vormittagsgottesdienste nicht beginnen. — Der Taler verschwindet immer mehr aus dem Verkehr. An seine Stelle treten Fünf- und Zweimarkstücke. In diesem Jahre sollen für 20 Millionen Mark Fünfmarkstücke geprägt Werden. Wenn sie nur handlicher wären! Alle Klagen werden aber nichts fruchten, der Bunde»rat hat nun einmal beschlossen, dem Taler den Garaus zu machen. Königsbrück. Herr Amtsrichter Dr. Wagner, der Kandidat der Ordnungsparteien im vierten Neichstagswahlkreise, sprach Sonntag nachm. 3 Uhr in Schwepnitz unter dem großen Bei fall der etwa 250 Mann stark erschienenen Wähler. Die Versammlung nahm einen ruhigen Verlauf. Desselben Tages »/z8 Uhr h^elt der selbe Kandidat hier im hiesigen Rathaussaale gleichfalls eine Wahlversammlung ab. Klotzsche. In der letzten hiesigen Ge- Meinderatssitzung schlug der Finanzrat vor, die vorgeschlagenen Preise für die Badeanstalt gut zuheißen. Sie betragen für eine Saisonkarte 5 M., für «ine Familienkarte von 8 Personen 15 M., für ein Einzelbad 30 Pf., Sonnabend« von 5 Uhr ab für Arbeiter 10 Pf. Das neue Schwimmbassin hat 450 Quadratmeter Flächen inhalt, sodaß e« allen Ansprüchen genügen wird. Dresden. Der Hauptgewinn der hiesigen Pferdelotterie, die vierspännige Equipage, ist nach Otterwisch gekommen. Der glückliche Ge winner ist der dortige Waldaufseher Täschner. Dresden. Dier Inhaber hiesiger Wett- bureaus sind am Sonnabend von der hiesigen Kriminalpolizei in Haft genommen worden, da ihnen im nächsten Monat wegen Steuerhinter ziehung usw. der Prozeß gemacht werden soll. — In das hiesige Gerichtsgefängnis wurde dieser Tage ein Mann eingeliefert, der dringend im Verdachte steht, am Sonnabend sein nahe der Kirche in Kötzschenbroda gelegenes Grund stück in Brand gefitzt zu haben. Das Schaden feuer griff schnell um sich und zerstörte auch den Dachstuhl. Der mutmaßliche Brandstifter ist ein Tapezierer B. Dresden. Zur Aussperrung der hiesigen Bauarbeiterschaft wird berichtet: Von 92 Arbeit gebern sind bis vergangenen Freitag abend zu sammen 1300 Mann ausgesperrt. Rechnet man dazu die bereits vor der Aussperrung streiken den 600—700 Leute, so befinden sich jetzt rund 1900—2000 Mann außer Arbeit. Diese Zahlen werden sich in den nächsten Tagen höchstwahrscheinlich noch vergrößern, beziehungs weise am Sonnabend schon nicht unwesentlich vergrößert Haden. — Der Gewinner des zweiten Hauptgewinns der hiesigen Pferdeausstellungs Lotterie ist der im Z'mmermannschen Säg iw rk- m Bärenh cke beschäftigte Kuticher Schmieder aus Johnsbach. Den Gewinn (1 elegante Equipage mit 2 Pferden) hat er sofort ver kauf: und dafür den Preis von 2450 M. er- ziehlt. Coswig. Durch die Aufmerksamkeit des hiesigen Fleischbeschauers Herrn Altmann ist am Freitag abend eine grosse Gefahr für die Be wohner unseres Ortes und dessen Umgebung verhütet worden. Er fand in dem ihm zur Untersuchung zugestellten Fleische eines aus Preußen angeführten Schweines stark fort- pflanzungssähige Trichinen, ein nicht nur in unserem Orte, sondern auch in ganz Sachsen jetzt seltener Fall. Das trichinöse Fleisch, von d ssen Genuß ein Zehntel Pfund genügt hätte, um einen Menschen dem sicheren Tode ent gegenzuführen, wurde beanstandet und Teile davon dem Bezirkstierarzte Herrn Haubold in Meißen zur nochmaligen Untersuchung übergeben, welcher den trichinösen Zustand amtlich feststellte und Herrn Altmann für seine sorgfältige Unter suchung Anerkennung zollte. Mügeln. Bei dem am Freitag mittag gegen 11fi, Uhr von Pirna hier eingetroffenen Personenzuge stürzte sich kurz vor der Lokomo tive eine unbekannte Frau in selbstmörderischer Absicht auf die Gleise. Sie wurde auf der Stelle getötet. Großenhain. Bei den Ausschachtungs arbeiten am Realschulanbau wurde gestern früh der Handarbeiter K. von einer umstürzenden Erdwand so am Beine getroffen, daß er einen Beinbruch davontrug. Löbau. Ein schreckliches Verbrechen ver übte hier ein Dienstknecht namens Petschge. Um lieber ins Zuchthaus als zum Militär zu kommen, überfiel er einen ahnungslosen 18- jährigen Arbeitskollegen und schlug ihm mit einem Holzknüppel den Schädel ein. Der Mörder winde sofort in» Gefängnis einge liefert. RuppertSgrün. Ein frecher Einbruchs diebstahl ist in das hiesige Gemeindeamt ver übt worden, bei welchem dem Diebe sämtliche Gemeinde- und Standesamtsstempel in die Hände fielen. Grimma. Schlecht belohnt wurde ein hiesiger Gastwirt für seine Gefälligkeit. Er ge stattete einem Gaste, der es eilig hatte, nach der Post zu kommen, daß er ein in den Gast hof eingestellte» Fahrrad benutze. Der Gast versprach, in wenigen Minuten zurück zu sein. Das war schon vor mehreren Tagen. Aber noch heute sieht der Wirt vergeblich nach ihm au». Leipzig. Am Sonntag trat mit großer Bestimmtheit da« Gerücht auf, daß der hiesige Bier-Boykott demnächst sein Ende erreichen werde. Tatsächlich haben in den letzten Tagen zwischen den beteiligten Parteien Verhandlungen 'tattgefunden, über deren Ergebnis folgendes verlautet: „Tie angestrebte Vereinigung ist zu 'lande gekommen, wird aber seitens der Sozial- iemokratie, die auch bei diesem Kampfe auf der ganzen Linie Siegerin geblieben. — In einem Grundstück der Marienstraße in dem Stadtteile Connewitz ist Sonnabend abend in der achten Stunde der zehnjährige Knabe einer Witwe aus dem Treppenfenster der vierten Etage in den Hof abgestürzt. Noch lebend, aber schwer verletzt wurde das unglückliche Kind nach dem Krankenhause gebracht. Crimmitschau. Der Streik in der großen Vigognespinnerei von Gebrüder Uhlig in Leitels- hain ist am Freitag nach achttägiger Dauer und nach beiderseitigen Zugeständnissen beendet worden. Die Arbeiter, ungefähr 150 Personen, nahmen früh am genannten Tage wieder ihre Beschäftigung auf. In der Paulschen Eisen gießerei dauert hingegen der seit drei Wochen währende Streik fort. Crimmitschau. Sehr schwer verletzt wurden am Freitag mittag die Effenbauer Gebrüder Rübschlager aus Tauchern bei Weißenfels. Beide waren an der Dampfesss einer Spinnerei in der Peterstraße mit einer Reparatur beschäf tigt, als plötzlich, wahrscheinlich durch Bruch oder Lockerung, das Gerüst zusammenbrach und beide ungefähr 25 Meter in die Tiefe stürzten und dabei das Zinkdach eines 9 Meter hohen Gebäudes durchschlugen. Die Verunglückten wurden nach dem Krankenhause übergeführt. Crimmitschau. Eine wild gewordene Kuh hat am Dienstag abend hier drei Eisenbahnzüge mitten auf der Strecke angehalten. Eine Kuh des Viehhändlers Gerold in Leitelshain war beim Ausladen aus einem Eisenbahnviehwagen entwischt, ohne daß es gelang, ihrer gleich wieder habhaft zu werden. Das Tier nahm seinen weg auf den Bnhngleisen entl mg nach Leitelshain zu, und selbst die entgegenkommenden Züge waren nicht im stände, die störrische Kuh von den Gleisen zu verscheuchen. Im Gegen teil, die Kuh blieb direkt vor einer Lokomotive stehen nnd starrte die Lichter an. Mehreren Männern gelang es schließlich, das Tier einzu fangen und zu fesseln. Meerane. Um aus dem Dienst zu kommen, ivurde ein von hier gebürtiges Mädchen zur Brandstifterin. Das Mädchen, erst 14 Jahre alt, war auf dem benachbarten herrschaftlichen Vorwerk Breitenbach als Dienstmagd beschäftigt, wo sie, ihrer späteren Aussage zufolge, nicht mehr bleiben wollte. Aus diesem Grunde legte sie auf dem Futterboden des Kuhstalls daselbst Feuer an, durch welches zirka 180 bis 200 Zentner Heu verbrannten. Sie hat die Tat unter Anführung obengenannten Grundes eingestanden. Zwickau. Der Handarbeiter Moser, der vom Schwurgericht wegen Notzucht zu 1 Jahr 8 Monaten Zuchthaus verurteilt wurde, be schimpfte beim Verlaffen des Gerichtssaales den Gerichtshof in unflätiger Weise und sprang bei seiner Abführung in den Hof der Anstalt, wo bei er auf einen Gaskandelaber stürzte, ohne Schaden zu nehmen. Adorf. Ihr leibliches Kind, ein 3jähriges Mädchen, hat eine aus Bayern kürzlich hierher gezogene Witwe den in den letzten Tagen im Vogtlands umherziehenden Zigeunern zum Kaufe angeboten. Al« die Frau am Donners tag nachmittag das weinende und sich sträubende Kind bereits auf einen Zigeunerwagen gehoben hatte, schritt auf Veranlassung mitleidiger Nach barn die Polizei ein. Eingesandt. In Nummer 58 dieser Zeitung wurde in Bezug auf den Zusammenschluß von Otten dorf und Okrilla mitgeteilt, welchen Nutzen Okrilla von Ottendorf hat, hiermit bin ich nicht ganz einverstanden. Es wurde unter anderem angeführt, Groß- Okrilla besoldet jetzt einen Gemeindevorstand, einen Steuereinnehmer und einen Nachtwächter, diese Stellen wären dann unnötig, diese Aus gaben fielen dann weg. Das wird aber wohl nicht ganz zutreffend sein, denn es würde nicht lange dauern, da würden wohl mindestens 3 Nachtwächter angestellt werden müssen, der Gemeindevorstand von Ottendorf dürste auch, in Anbetracht der erhöhten Arbeit, bald um Gehaltsaufbesserung einkommen und der Kassierer würde bald, wo sie jetzt kaum die Arbeit bewältigen können, um einen, wenn nicht gar 2 Schreiber nachsuchen. Schon diese drei Stellen würden sich in Zukunft fast doppelt so hoch als jetzt stellen, was sich nur durch erhöhte Steuern ausgleichen ließe. Weiterhin wurde angeführt, daß Okrilla an den indirekten Steuern teilnehme, erstens die Biersteuer, aber gerade diefe ist ungerecht, dafür würde ich die Weinsteuer setzen und das Einfachbier streichen, denn gerade die Biersteuer zahlt meistenteils der Arbeiterstand und mit diesen haben unsere Ortschaften be sonders zu rechnen, auch beide Brauereien in den hiesigen Ortschaften haben darunter zu leiden, gerade diese müßten unbedingt von dieser Last befreit werden. Die Schank gewerbesteuer kann sowieso eingeführt werden, die Gastwirte werden dann auch sehen, daß sie keinen Schaden haben und sich danach zu richten wissen, die Hundesteuer haben wir schon, nur mit dem Unterschied, das unsere Hunde jetzt noch für 3 Mark bellen können, von den Besitzveränderungsabgaben fließt jetzt der Gemeinde auch schon etwas zu und zwar durch das Gericht. Das Feuerlöschwesen ist auch noch nicht so günstig geregelt, das kostet den Gemeinden noch viel Geld und wird niemals auf diesem Wege den es jetzt eingeschlagen hat, praktisch werden, da wird verlangt das bei einem ausbrechenden Brande zuerst der Gemeinde vorstand in Ottendorf geweckt werden soll und die Feuerwehr darf nicht eher ausrücken bis der Gemeindevorstand die Genehmigung er teilt hat, bei solchen Zuständen kann aber sonst was passieren ehe die Feuerwehr kommt Daß die Pflichtfeuerwehr sich mit der schon vor mehreren Jahren abgedankten alten Spritze befassen soll, finde ich nicht für richtig. Okrilla war und ist in der Lage eine neue Spritze anzuschaffeu und wäre es im Sinne vieler Einwohner von Groß- und Klein-Okrilla wenn der Gemeinderat das mit Ottendorf eingegangene Verhältnis lösen würde. Okrilla kann sich nicht weiter ausdehuen, folglich können auch die Steuerlasten nicht höher steigen, steht sich doch Klein-Okrilla noch günstiger, ein Beweis, das sich eine kleine Gemeinde wohler befindet als eine große, denn bei nahezu sämtlichen großen Gemeinden sind mit der Größe auch die Schulden gewachsen, diese müssen aber auch verzinst werden. Zweckmäßig wäre es wenn der Gemeinderat den Gemeindevorstandsgehalt erhöhte, denn die oberen Behörden stellen jetzt bedeutend mehr Ansprüche als früher und ist der jetzige Gehalt ein sehr niedriger. Was die Schulverhältnisse anbetrifft, so wurde sr. Zt. die neue Schule gebaut und jetzt stellt sich dieselbe schon als zu klein heraus, sodaß man mit einer Vergrößerung rechnen muß. Wäre es da nicht angebracht, daß sich Okrilla ehe dieses Ereignis eintritt, von Ottendorf losmacht und sich selbst eine Schule baut, es verursacht allerdings Opfer, aber die Schul lasten würden kauni so hoch kommen als wie wir sie jetzt schon in Ottendorf haben, Okrilla würde durch einen Schulbau nur gewinnen und hätte mit einer Vergrößerung niemals zu rechnen, da sich der Ort selbst nicht ver größern kann. Mit dem Ottendorfer Gemeindevermögen wird sich das Okrillaer wohl noch sehr be quem messen können und hoffe ich daher Okrilla wird es nie bereuen für sich eine selbständige Gemeinde zu bleiben.