Volltext Seite (XML)
Dis ..Ottendorfer fticitmig" erscheint Dienstag. Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Poft bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für di- Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Ms wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblalt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag zo Uhr. Inserate werden mit w Pf. sllr die Spaltzcile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Taris. Druck und Vertag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Grosi-Mkrilla. Nr. 3. Freitag, den 19. September 1902. '. uaHrimng. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, Z8. September ;yo2. Ottcndorf-Moritzdorf. Am 28. Sept, dieses Jahres wird i:n hiesigen Gemcindebezirke zum Zwecke der Eiurichwng eines georvueten polizeilichen Meldcwesenö, welches bei der Auf stellung der Reichstags-, Landtags-, Gemeinde- rats-, Schöffen- und Geschworenen- und sonstigen Wahllisten, serner in Militär-, Impf-, UnterstützungSwohnsü - und andere Sachen als Grundlage dienen soll, eine Feststellung der persönlichen Verhältnisse sämtlicher hiesiger Ein wohner stattfinden, mit welcher zugleich eine Volkszählung verbunden werden soll. Bei der Wichtigkeit dieser Feststellung und dieses Zahl- geschäfts wird vertrauensvoll darauf gerechnet, daß alle Beteiligten die erforderlichen Angaben vollständig und gewissenhaft machen und die Ausführung der Feststellung nach Kräften unter stützen. In diese Listen sind alle zur Familie gehörenden und in der Familie aufhältlichen Personen (Ehemann, Ehefrau, Kinder, Dienst personen, Untermieter, Schlafstellenmieter, sowie Gesellen und Lehrlinge, weiche mit in der Familie wohnen, usw.) rufzunehmen. Diese Listen sind am 28. September durch die Hnus- haltungsvorstände oder durch geeignete Vertreter auszufüllen. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der darin gemachten Angaben ist von dein Haushaltungsvorstande durch Unterschrift zu bescheinigen. Wo dieses Verfahren infolge be sonderer Umstände nicht möglich ist, ist dem Hausbesitzer oder dessen Vertreter oder der Polizei Anzeige zu erstatten. Die Abholung der HauShaltunzSlisten erfolg: durch Beamte oder Beauftragte am 29. September von den Hausbesitzern oder dessen Stellvertretern, an welche die Listen bis zum Abend des 28. Sep tember abzugeben sind. Wer die Liste wissent lich falsch, nicht sachgemäß oder nicht zur richtigen Zeit ausfüllt oder wer aufzunehmende Personen wegläßt, endlich wer die Listen nicht rechtzeitig bereit hält, wird mit Geldstrafe bis zu 3v Mark eventuell entsprechenber Haftstrase bestraft. — Dresden. Der Homburger Filiale der „Dresdner Bant" stahl ein unbekannter junger Mann 60 Hundertmarkscheine, während der Schalterbeamte eine zum Verkauf angeborene gestohlene Aktie prüfte. Von dem Diebe fehlt jede Spur. — Der Seemann Johann Ernst Speck ans Trcbse» bei Grimma, der in Altona die verehelichte Backhaus ermordet uud beraubt haben soll und den ihn deshalb am II. Juni v.J.hier festnehmendenKriminalgendarmMarkuS durch Nevolverschüsse tötete, war in der Landes- cmstalt Hochweitzschen bei Leisnig unter gebracht, um auf seinen Geisteszustand unter sucht zu werden. Nach dem ärztlichen Gut achten ist Speck geistig normal, das gegen ihn eingeleitetc Strafverfahren wird deshalb fortgesetzt. — Aue. Der Fabrikant Matscher ist voin Landgericht Zwickau zu 50 Nik. Geldstrafe oder 10 Tage Hast verurteilt worden, weil er Himbeersyrup aus Himbeersaft unter Zumischung von Zucker, Kirschsaft und „Capillar" hergestellt und verkauft hatte. — Die Strafkammer zu Plauen i. V. verurteilte nach dem „B. L-A." den früheren Bürgersclmllehrer Löb lein wegen foi'.gesetzter schwer er Eindruck sdiebsiähle zu I Jahr 9 Monaten Zuchthaus und lO Jahren Ehr verlust. Die gemein sauren Interessen von Gttendorf - Moritzdorf, Grosz- und Alein-GkriUa. von m. L. In kurzen Zügen, gleichsam in Lapidar- schnsi, will ich in folgendem vorführen, welche gemeinsamen Interessen für unsere Orte vor handen sind. Die Liebe zum hiesigen Orte und die Sorge um das Wohl desselben sind die einzigen Beweggründe, die mir die Feder in die Hand drücken. Unbekümmert um der Parteien Haß und Gunst will ich meine eigenen Gedanken darlegen, selbst auf die Gefahr hin, nicht allenthalben Zustimmung zu finden. Es braucht und soll ja gar nicht alles so werden, wie ich mir es denke. Es ist mir zunächst nur Hauptsache, eine Anregung zu geben. Ich denke mir unsern Ort zurächst als Aufenthaltsort für Sommerfrischler, und zwar in viel crhöhterem Maße, als cs bis jetzt der Fall ist. Sollte das nicht ang-hen? Ich fordere jetzt auf, einmal mit mir im Geiste zu wandern in die Umgebung uniercs Ortes. Zwar gehört sie lange nicht zu den schönsten und am allerwenigsten zu den großartigsten unseres engeren und weiteren Vaterlandes, aber doch: welch' außerordentliche Lieblichken unserer Umgebung! Da findet man Waldeüzauber und WaldeSfrischc. daß einem das Herz aufgeht vor Wonne! Welch' herrliche Waldparüeen am Hauptgraben, an: Buchberg u. s. w. Ich bin in den Alpen gewesen, ich habe die herrlichen Buchenwälder Rügens wochenlang durchstreift, ich kenne den größten Teil Schlesiens und Sachsens Geographie vollständig aus eigner Anschauung; schönere Waldparüeen, idyllischere Plätzchen, wie bei uns, habe ich kaum gefunden. Oder soll ich erinnern an die erquickende Lieb lichkeit des Röderthales mit seinem still dahin fließenden Gewässer, mit seinen saftig grünen Wiesen und seinem dunklen Gesträuch! Oder man denke an das sogenannte „Birkigt"; ein herrlicher, natürlicher Park, kühl und frisch auch im heißesten Sommer. Ueber dem allen aber weht eine würzige, nervenstärkende Waldluft, nicht weich und lau und erschlaffend wie im Elbthal, sondern frisch und erquickend, so recht geeignet, abgespannte Nerven neu zu beleben, die verstimmte Magcnthätigkeit wieder anzu- regen. Unsere liebliche Umgebung, unsere ge sunde Luft sind ein Kapital, das wir jetzt un genützt haben liegen lassen, aus dem wir aber reichliche Zinsen fchlagen könnten. Wie wenig ist unser Ort bekannt! Dem Wanderer, der auf der Landstraße unsern Ort durchschreitet, den: Reisenden, der auf dem Schienenstrange flüchtig unsern Ort durcheilt, entgehen freilich die Reize unserer Umgebung; er vermutet bei uns nur nackte, dürre Prosa. Wie viele Dresdner durchstreifen wohl die Gegend bis Klotzsche, aber weiter hinten, meinen sie, ist's „sücchterlich", die Gegend ist ihnen gleich bedeutend mit Einöde. Darum, meine ich, schreiben wir's, rufen wir's nur in die Welt hinaus: unser Ort steht anderen bekannten und gern besuchten Sommerfrischen nicht nach. Der Erfolg, wenigstens der teilweise, wird nicht aus bleiben. Wohl höre ich da den und jenen sagen: die Sommerfrischler verteuert, unsere Lebensmittel. Wir bekommen keine billige Milch, keine billigen Eier, keine billige Butter n. s. w. mehr. Nun, diese Dinge sind schon jetzt bei uns nicht viel billiger, als anderswo, namentlich auch deswegen, weil der Ort den Bedarf nicht allein aus sich selbst heraus decken kann. Die Sommerfrischler müßten schon in Scharen herbeiströmen, wenn alles teurer werden sollte. Sollte es aber übrigens den Herren Gutsbesitzern nicht recht sein, wenn sic ihre Produkte besser und höher reiwerten könnten? Die Sommerfrischler verzehren aber doch ihr Geld hier, dasselbe bleibt doch im Orte. Gastwirte, Bäcker, Fleischer, Gutsbesitzer u. v. a. haben den Nutzen davon, und wenn es auch zunächst nur ein bescheidener wäre, besser doch, wie gar keiner. Wie manchcr Hausbesitzer könnte ans seinen Räumen im Sommerhalbjahr mehr Miete herausschlagen, als wie er jetzt das ganze Jahr erhält, uud seine Stuben und Kammern ständen ihm im Winterhalbjahr dann immer noch allein zur Verfügung. Ein nicht Wie schon gesagt, sind vielen Fremd,u Me hiesigen Ortschaften böimustbe Dächer. Es siedeln sich dann mit der Zeit auch besser situirte Leute an, die ihren Gehalt, ihre Zinsen, ihre Pension hier in Ruhe verzehren. Sie helfen uns die Lasten mittragcn — welch be deutender Vorteil — ja. sie heben und fördern an ihrem Teile die gesamten Anschauungen des Volkes, das gesamte Leben und Treiben be kommt einen besseren, kultivierteren Anstrich, die gesamte Lebensführung wird eine höhere. Und dann noch ein idealer Nutzen, den ich nicht hoch genug anschlagcu möchte: wcnn man als Fremder an einen Ort kommt, und die Leute sind anständig, höflich und bescheiden, zeigen ein freundliches Gesicht, so nimmt man manch' andere Uebelstände gern mit in den Kauf. Wenn nun der Zuzug der Fremden dazu beitragen würde, daß hier Höflichkeit, Wohlanständigkeit und freundliches Wesen immer mehr Platz griffen, Rohheit und Frech heit aber schwänden, so wäre das ein unend licher Segen für das hiesige Volk. Ich glaube, in Vorstehendem dargclegt zu haben, daß die Heranziehung von Sommer frischlern oder von besser situirten Leuten, die sich dauernd hier niederließen, nur von großem Nutzen für uns sein kann. Ist die Erfüllung einer solchen Aufgabe nicht segensreich, ist sie nicht unsrer Mühe und unseres Schweißes wert im Interesse des Ortes? Eine dankbare Aufgabe für den Zusammenschluß aller opferwilligen hiesigen Einwohner! Freilich dürften wir fremde Leute nicht nur, wie das so oft geschieht, als melkende Kuh betrachten, ihnen nur das Geld abnehmen und sie dann wieder laufen lasten. Nein, wir müßten ihnen das Leben hier so angenehm wie möglich machen, durch Zuvorkommenheit, Freundlichkeit, durch Beschaffung geeigneter Wohnungen u. s. w. Mit wie wenigen Mitteln läßt sich da oft viel erreichen. Mit wie ge ringen Kosten lassen sich einige Bänke Herrichten im Walde, an stillen Plätzchen, oder einige Wegweiser anbringen, oder einige Wege er st! ließen und ausbauen, einige Plakate auf- bängen u. s. w. Alles das kann unseren Ort selbst nur heben. Darum noch einmal: Heranziehung besser situierter Leute sei unsere erste Aufgabe. (Fortsetzung in nächster Nummer.) Familie Gumprecht. (Nachdruck verboten.) So ist es wahr, die Försterstochter — Fräulein Hedwig Köchert ist fort?" „Auf Veranlassung meines Vaters, und er beliebt jetzt, eine Vexationspolitik gegen mich einzuschlagen. Er leugnet, Hedwig entfernt zu haben und meint, mich auf ihre Wiederkehr vertrösten zu können." „Nun, davon könnte man sich ja bald überzeugen. Hat er sie aber in ein Exil ge schickt, so wird eö nicht unmöglich sein, cs auf zufinden." „Das hoffe ich." „Der unwandelbaren unerschütterlichen Ge sinnung Ihrer Braut sind Sie sicher?" Er zögerte einen Augenblick, doch als die Gräfin hier stutzig wur^e, bccifcrte er sich mit der Erklärung, wie die Dinge eigentlich standen und wie sie sich entwickelt hatten. Felicitas hörte ihm mit teilnehmender Aufmerksamkeit zu, was ihm unendlich wohl that. Wenn tte so am Tage zwischen dem Lohne und der nun zu cin-m liebwerten Freundin ge wordenen Gräfin Felicitas durch d:e entlaubten 'Alleen promenierte, hätte man sie kaum noch für cine Kranke halten mögen. Da hatte sich eine kindlich sorglose Heiterkeit über ihr Wesen auSgebrcitet. Sie war mit allem zufrieden, wenn ihr der Sohn nur möglichst oft seine Gesellschaft schenkte. Nach seiner Hedwig hatte sie noch mit keiner Silbe gefragt vielleicht der Gräfin wegen, von der sie glauben konnte, sie habe keine Ahnung non der Geschichte. Und Raimund hütete sich wohl, sie auf diesen auf regenden Gegenstand zu bringen. Ruhe, Ruhe, Ruhe hieß ja das ganze Rezept zur Behandlung diestr Genesenden, deren jahrelanges, geheimes Siechtum er erst jetzt einzusehen vermochte. An Köchert hatte Raimund in der ersten Zeit fast täglich ein paar Zeilen gerichtet — sic kamen als unbestellbar zurück; der Förster war da nach immer von Langenstein abwesend. Endlich bat er die großherzige gräfliche Freundin, hier für ihn einzutretcn- Dieses Schreiben blich wohl gleichfalls unbeantwortet, aber es kam doch nicht mehr zurück; also war Köchert doch endlich wieder in das Forsthaus cingckchrt. Und nun mußte Lizzie an ihn de peschieren. „Ich habe einen günstigen Posten für Ihre Tochter, antworten Sie mir un gesäumt, wo sie sich anfhält!" — Das bezahlte Rücktelcgramm traf prompr ein — und cs lautete kurz und bündig: „Bitte dem Herrn Doktor zu sagen, daß er das niemals erfahren wird. Felicitas suchte den Abgewiesenen zu trösten und war unerschöpflich in Plänen, ihm zu seinem Ziele zu verhelfen. Meistens nahm sie die Ausführung dieser Pläne selbst in die Hand - aber es blieb alles ohne Erfolg. Keine Behörde schien Auskunft geben zu können; ein Detektiv-Bureau, das die Gräfin in Bewegung setzte, verfolgte längere Zeit eine falsche Spur, die Raimund in fieberhaftem Atem hielt, um ihm dann, nach all' den nutzlos vergeudeten Tagen, eine nmso herbere Enttäuschung zu be reiten. An einem schönen Morgen im November erschien die Gräfin in einer Hellen Hcrbst- toilette: hcchtblauer Samt mit Goldspitzen- Garnierung — bei dem gemeinsamen Früh stückstisch. Mutter und Sohn empfingen sie wie cine Wundcrerscheinung, Raimund mit stummen Blicken, Frau Bertha mit nahezu jubelndem Enthusiasmus. „Was ist das? Eine junge Morgengöttin? Himmlisch, berückend! Das nenn' ich mir eine willkommene Ueberraschung! — Sich' sie nur an, mein Junge, sieh' nur — ist sie nicht die schönste Frau, die man sich denken kann?" Raimund stand auf und machte ihr nur eine tiefe Verbeugung. Er hatte nie daran gezweifelt, daß die gräfliche Wittwe ihren so vielfach gerühmten Gatten mit wahren Schmerz begraben habe. Er hätte auch jetzt noch Jede» einen hämischen Lügner geheißen, der da behauptet hätte, ihre gegenwärtige Haltung sei nur äußere Pose. Trotzdem erweckte sie damit bei ihm nicht mehr jenen delikaten Respekt, niit welchem er sie zu Anfang ihrer Bekanntschaft von dem teuren Toien hatte sprechen hören. Warm» sah er nur, daß dies madonnenhaft aufgcschlögene Auge lange, seidene Wimpern trug? Daß die herrliche Fülle ihres blauschmarzen Haupthaares noch nie so geschmackvoll frisiert gewesen? Daß diese schlanke, elfenbeinfarbene Hand wirklich aristokratische Feinheit zeigte und dieser bieg same Nacken mit seinem leichten Bronzeschimmcr südliche Grazie und Empfindungsfähigkeit ver riet? „Ja, Frau Gräfin, Sie haben die Pflicht, wieder in die Welt znrückzukchren! Solche —- Vorzüge verbirgt man nicht in trübseliger Ein samkeit." Fortsetzung in Ser in nächster Nummer beiliegenden illustrierten Sonntagrbülagr. Wochen waren nach diesen Zusammentreffen vergangen. Man hatte sie in zwei Badeorten verlebt, ziemlich einsam, da ja die abgelaufeue „Saison" das Gros der Kurgäste schon ent führt hatte. Fran Bcrtha's Zustand Halle sich wunderbar gehoben; es schien wirtlich nur ihrer zu unterschätzender Nutzen aber, den die Tmfernung von dem Hauie mit seinem rast- Sommcrfrischler mit sich bringen, ist auch der, losen Gesellschaftstreiken bedurft zu haben, daß unser Ott weiteren Kreisen bekannt wird, ihrem Gemüts die nötige Stärkung zu geben.