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»WnOrAigMM Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt' Sonnabend, den 15. November 1930 Nr. 267 — 89. Jahrgang M MWMWtM K MM« für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Tardieu gegen Deutschland. Vertrauensvotum für das Kabinett Tardieu. Die außenpolitische Debatte in der Französischen Kammer endete mit einem Vertrauensvotum für die Re gierung Tardien, der von den Abgeordneten mit 323 gegen 270 Stimmen bezeugt wurde, daß sie das Ver trauen der Kammer für ihre bisherige auswärtige Politik besitze. Vor der Abstimmung hatte Ministerpräsident Tar dieu das Wort zu längeren Ausführungen ergriffen, bei denen er sich wie sein Außenminister Briand ins besondere mit den Beziehungen Frankreichs zu Deutschland beschäftigte. Zwar machte er bc Beginn seiner Rede vor Briand eine Verbeugung, indem er sagte, daß er sich mit ihm in der Führung der an wärtigen Politik Frankreichs solidarisch erklärt. Di' Eine kleine Erleichterung steht für Handel und Gewerbe auch für die Landwirtschaft und die industrielle Erzeugern - insofern in Aussicht, weil die jetzt betriebene Reichsfinanz reform auch das Problem der besonders drückenden Neal st euern anpacken will. Doch selbst wenn eine Bo grenzung oder Ermäßigung dieser Steuern Gesetz wird- so werden bis dahin bestenfalls Monate vergehen. Wo- aber not tut, ist eine sofortige Verbillig un- der Handl ungs Unkosten, soweit diese eben durc jene Tarife, Abgaben usw. bestimmt werden. Das Wor „unmöglich" hat im Laufe der Preisabbauaktion viel von seinem unbedingten Eindruck verloren und schon sehn der Verbraucher hinter solch ein „Unmöglich" fast immc- ein — Fragezeichen, und zwar, wie die Erfahrung bc wiesen hat, durchaus nickt zu Unrecht. Infolgedessen dar auch dann in dieser Ari verfahren werden, wenn do „Unmöglich" aus dem Munde der Behörden komm Dr. Pr. Ser Kampf um das Frischfleisch. Ein weitgehender Beschluß. Zu einem größeren Konflikt zwischen Neichsregieruno und dem Haushaltsausschuß des Reichstages kam es zum erstenmal bei der weiteren Beratung über die Ver billigung des Frischfleisches. Vor der Abstimmung wandte sich Reichsfinanzminister Dr. Dietrich gegen alle An träge, zu deren Durchführung erhebliche Geldmittel er forderlich seien, denn es sei keine Möglichkeit vorhanden, solche Mittel aufzubringen. Dann kam es zur Abstimmung Unter Ablehnung aller übrigen Anträge wurde schließ lich einem kommunistischen Antrag zugcstimmt, der die Reichsregierung auffordert, die Verbilligung von Frisch fleisch für die minderbemittelte Bevölkerung in der Weise vorzunchmen, daß der Preis des verbilligten Frisch fleisches in keinem Falle höher sein darf als der bisherige Preis des zollfreien Gefrierfleisches und daß der Kreis der Bezieher von verbilligtem Frischfleisch alle Erwerbslosen Sozial- und Kleinrentner sowie alle Fürsorgcbcrechtigten umfassen muß. Für den Antrag der Kommunisten stimmten mit den Antragstellern die Nationalsozialisten, die Sozialdemo traten, zwei Mitglieder der Landvolkpartei und ein Christ lichsozialer. Dagegen stimmten das Zentrum, die Deutsche Volkspartei und die Wirtschaftspartei. Die Deutsch nationalen enthielten sich der Stimme. 640 Millionen erforderlich. Die geplante Verbilligung des Frischfleisches zum Er satz für die gesperrte Einfuhr von Gefrierfleisch sollte nach dem Anschlag des Reichsernährungsministeriums für das zweite Etatshalbjahr berechnet rund zehn Mil lionen Mark kosten. Würde die Verbilligung erst at l. Dezember eintreten, also für vier Monate bis zun Schluß des Rechnungsjahres, wären 62L Millionen er forderlich. Der jetzige Beschluß des Reichshaushaltsaus schusses Würde nach den Berechnungen des Reichsfinanz Ministeriums rund 640 Millionen Mark in Aussich nehmen. Die Regierung wird vom Reichstag die Wieder beseitigung dieses Beschlusses des Haushaltsausschussec verlangen, daß die Reichsregierung den angenommene- Antrag lediglich als agitatorisch und verantwortungslos bezeichnen müsse. Denn man könne keine Anträge an nehmen, ohne nicht den Weg zu zeigen, wie sie durchgeführ werden können. Ser Preissenkungsausschuß ruft die Verbraucher zur Selbsthilfe aus. Staatlicher Zwang ist nur für den Notfall möglich. Die von dem Kabinetteausichuß für Arbeits- und Preisfragen in Aussicht gestellte Verlautbarung wird nunmehr veröffentlicht. Die längere Erklärung betont ein leitend die Notwendigkeit der Herabsetzung der Preise auf der ganzen Linie und fährt u. a. fort: Tie unge zählten und vielgestaltigen wirtschaftlichen Vorgänge des täglichen Lebens können nicht durch staatlichen Zwang in diesem Sinne einheitlich und plötzlich gestaltet w.rden. Zwang ist geboten, wenn der wirtscha'tlichm Entwicklung wider bessere Erkenntnis Hindernisse bereitet werden, die anders nicht zu befestigen sind. Fast noch wichtiger aber ist der Druck der Verbraucher und der öffentlichen Mei nung auf Widerstrebende. Wenn durch die Hand der Haussrau jährlich etwa 25 Milliarden deutschen Volks einkommens gehen, so ist es vornehmlich mich sie, die auf die Preishaltuug stärksten Cinfluß nehmen kann. Sie kann die Waren sbcvorzugen, durch die sich bil liger und besser bedient wird, als durch andere. Die öffentliche Meinung braucht es nicht zu dulden, daß durch Zurückhaltung im Preisabbau einzelne un berechtigte Vorteile haben, wenn andere in richtiger Er kenntnis der Lage Opfer bringen. Der Presse, besonders der Zeitungen auf dem Lande, find hier wichtige volkswirtschaftliche Aufgaben erwachsen, die verdienstvoll gelöst werden können. Gerechtigkeit kann besonders der Landwirt fordern, oessen Preise weit unter den Stand derer der anderen Waren hinabgeglitten sind. Es folgt eine Zusammenstellung der bisher erzielten Fortschritte in der Abwärtsbewegung der Preise. In manchen Fällen, so heißt es zum Schluß, werden sich die Abschläge vom Preise im Einzelhaushalt nur iu Pseunig- beträgen auswirken. Wer sich der Jnflationssitte noch nicht entwöhnen kann, auf 5- oder 10-Pfennig-Beträgc abzurunden, der wird genug Gelegenheit haben, den Er folg der Preissenkungen zu verkleinern. Tatsächlich aber ist die Zeit dazu zu ernst. Anch der Bruchteil eines Pfennigs gewinnt in der Volkswirtschaft mehr Bedeutung, denn je. Die erforderlichen Maßnahmen sind in Vorbereitung, die es ermöglichen sollen, dem auch im Zahlungsverkehr Rechnung zu tragen. Das „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle rrnd den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 NM., bei Postbestellung r NM. zuzüglich Abtrag- kV gebühr. Einzelnummern isRv-g.Aii-P° '°nsta k-n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Psstdot-nundunnreAu-- trSg»und<S-schSft-ftellen - U — nehmen zu jeder I-U B-. stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oderKürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Oie Preissenkung. Ein offenes Geheimnis. — Reichsbahn und Reichspvst. Verbilligung der Handlungsunkostcn. Nur lobenswert ist es, daß man die Reichsregierung in ihrem Feldzuge gegen das bisherige Preisniveau nicht allein läßt, sie nicht bloß durch wohlgemeinte, mehr oder- minder gute Ratschläge unterstützt. Nur lobenswert ist es, daß auf Anregung des Deutschen Städte tages auch die Kommunalverwaltungen von den Worten znr Tat, sogar zu Taten übergehen sollen. Zur Einwirkung auf den Lebensmittelhandel, auf die Bäcker, die Fleischer usw. zwecks Verkürzung der Handels spannen; ferner — als Druckmittel sozusagen — zur Einführung einer klaren Preisbericht erstattung, „um die Öffentlichkeit über die tatsächlich bestehenden Preisunterschiede zu unterrichten". Sehr lobenswert, — nur kommt von der Gegenseite her sofort die Forderung, die Kommunalverwaltungen selbst sollten ihrerseits nun dafür sorgen, daß diese Handelsspannen nicht durch die hohen Betriebskosten so sehr gedehnt wer den müssen, wie das vor allem durch die Tarife der städtischen Massenversorgungsbetriebe, durch die auf dem Handel liegenden Gebühren und Ab gaben verursacht wird; auch auf diese Lasten soll die Preisabbauaktion hinübergreifen, nm so mehr, als die Senkung der Kohlenpreise und demnächst auch der Gehälter und der Löhne doch eine nicht unerhebliche Kostenersparnis für die Gas- und Elektrizitätsbetriebe der Kommunen herbeiführcn wird. Aber davon wollen die städtischen Verwaltungen fast überall herzlich wenig wissen, betrachten es vielmehr in ihrer übergroßen Mehrzahl als „Selbstverständlichkeit", daß die Früchte dieser Kosten ersparnis schleunigst in die notleidenden Kommunalkassen rollen. Außerdem „begründet" man die Ablehnung der Tarifermätzigung damit, daß die entsprechende Preis senkung viel zu gering sein würde, um sich beim Ein zel h a u s h a l t f ü h l b a r zu machen. Unbedingt über zeugend freilich wirkt eine derartige Beweisführung aber nicht, besonders, weil es offenes Geheimnis ist, daß der eigentliche Grund für diese Weigerung ganz woanders zu suchen ist: in der unbestreitbar vorhandenen allge meinen Finanznot der Städte, die zwar eine Steigerung der an sie abzuführenden Überschüsse aus ihren Versor gungsbetrieben sehr gut vertragen können, nicht aber einen auch nur zeitweiligen Rückgang. Konkurrenz durch Privat betriebe solcher Art ist nur in seltenen Fällen vorhanden, während andererseits bei verschiedenen gemischt-wirtschaft lichcn Großbetrieben der Kommuualverbäude und Länder die Preissenkung für den Elektrizitätstarif bereits erfolg! ist. Die Kommunen haben das als „Verteiler" des gc lieferten Stromes sehr gern „mitgenommen", bloß dic Verbrauchermassen merkten nichts davon, und nicht seh: aussichtsreich ist es auch, daß sie bald etwas merken werden.. * Ebenso hartnäckig ist die Reichsbahn; auch sic führt dieselben Gründe ins Feld, um jede augenblickliche Einnahmeverminderung durch Tarifermäßigung als un tragbar zu bezeichnen. Leider ist es ja richtig, daß sich bei diesem wichtigsten Verkehrsinstrument die Wirtschaftskrise geradezu katastrophal auf die Einnahmen auswirkt und Wan bei ihr mit einem gewaltigen Defizit von 600 bis <00 Millionen Mark zu rechnen hat. Außerdem ist es eine alte Erfahrung, daß sich dic Schwankungen der Wirt schaftskonjunktur nach oben oder unten bei der Reichs bahn erst nach zwei oder drei Monaten voll geltend Machen; so wird auch sie Wohl die Kostenersparnis, die chr gleichfalls ans der Senkung der Kohlen- und son Ingen Materialpreise sowie aus dem geplanten Gehalts und Lohnabbau erwächst, aufatmend hinnehmcn, ober, wle bereits angeküudigt, allen Wünschen nach einer grund Machen Tarifsenkung eine überaus kalte Schulter weisen Auch ihr gewährt der Monopolcharakter die Möglichkeil oazu, wenn freilich die K o n k u r r e n z d e s A u t ö s ihre !'!Zsj°pdiistische Vormachtstellung hier und da schon er hat. Anders, erfreulicher, aussichtsreicher aber aroscn finanziellen Verhältnisse bei dem zweiten lick bei '^"kehrsinstrumcnt" der öffentlichen Hand, näm letzten Hausu chspo st. Ihr Minister Schätzel hat im einer viertel schmunzelnd einen Überschuß von damit „büsum".«^ können, was die Neichspost führende Sumi m ' ^tz die von ihr an das Reich abzu Aber sie könnte beträchtlich erhöht wurde, nähertreten, ob es recht bald der Frage einmal mäßiger wäre, durch ein^^- wirtschaftlich zweck bei der Preis« bbauaktwSM? Port' und Tarife Minister würde sich dadurch ber Reichspost Verdienst erwerben, wenn'er den erleichtert, die ihr der gleiclUor^'^ betrieb aufcrlegt. Und das mich P"st dauernden Einnahmerückgang führe«^^ ^nen, * . Mau braucht also nur di» „ wch" igzuöffnen - und schon drcüm sich' !inp Es nur allzu berechtigter Klagen üb?? d - gerte Last der Tarife und Gebühren, der Steuern Men heraus, die dem Handel und Gewerbe o»'? M '"imer noch höher wachsen und dohe/die ilu^ w rfen Angriff?« ausgesetzten Handelsspannen dehnen Anzeigenpreis: die 8grsi altene Aaumzeile20 Rpfg., die 4gefpaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennige, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Vor- geschriedeneErscheinüngs- cn«. « tage und Platzvorschriste» werden nach Möglichkeit VlV. O berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber inKonkurs gerät. Anz. nehmen all (Vermittlungsstellen entgegen. Noi'äffentliclmna der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- ^ichEundEes Stadttats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. * preisabbaugutachien des Reichswirtschastsraie Senkung der Eisenpreise soll beschleunigt werden. — Eifen- bahntarifermätzigung erforderlich. — Mindestavbau für Markcunrtikel um 10 Prozent. Der Vorläufige Reichswirischastsrat gibt das von dc Reichsregierung erforderte Gutachten über Preis bindungssragen in einzelnen Warengebieten, besonder bei Markenartikeln, der Öffentlichkeit zur Kenntnis. Hinsichi lich der Kalk- und Mörtelwirtschaft wird der Regierung die Anwendung der Notverordnung nich empfohlen. Ähnlich liegen die Voraussetzungen in derZiege: industrie. Da aber das starke überwiegen von Listenpreise: einen Übelstand darstellt, sieht sich der Ausschuß veranlaßt, dc Reichsregierung zu empfehlen, durch Verhandlungen, notsal! durch Eingreifen auf dem Verordnungswege auf die Abstellun der mit dem Verkaufspreis nicht übereinstimmenden Listen preise hinzuwtrken. Der notwendigen Preiswahrheit stehe, ebenfalls die in der Zementwirtschaft üblich gewordenen Listenpreise und sog. Kampfzementpreise entgegen. Für die Tapeten industrie empfiehlt der Ausschuß der Reichsregierung, dc. Schutz der Handelsspannen auszuheben, soweit sie von dc. Produktion oder von den Handelsvereinigungen ausgehen. I der Stein- und Braunkohlenwirtschaft ist inzwischen mit dc. zugestandenen Preisermäßigungen ein dankenswertes Vor gehen festzustellen gewesen. Die Verbilligung der Kohlcnpreise muß aber in vollem Umsange bis zum letzten Verbraucher durch Beseitigung überflüssiger V e r t e i l u » g s o r - gane zur Auswirkung gelangen. Eine starke Senknng der deutschen E i s e n i n l a n d s p r e i s e ist für die Senkung der gesamten Produktionskosten der deutschen Wirtschaft unerläß lich. Der Ausschuß ersucht daher die Reichsregierung, auf die Beschleunigung dieser Preissenkung hinzuwirkeu. » Im Zusammenhang mit der Senkung der Eisen- und Kohlcnpreise wird eine entsprechende e r h c b l i ch e S c n k u n g der deutschen Frachten als notwendig bezeichnet. — Bei der Prüfung der PreisbiuduugSfrage für Markenartikel des tag lichcn Bedarfs wurde das Ausmaß der bisher erfolgten Preis senkungen, die etwa lO Prozent des Eudverkgnfsprcises über schreiten, als Richtlinie für die Mindestmöglichkeit des Preis abbaues angesehen. Die allgemeine Aufhebung der Preisbin duno wird sür den Notfall empfoblen. Die Preisuntersuchung der Markenartikel umfaßt Hafer flocken, Kanee-Eriatznuttel, Margarine, Schokolade, Backpulver und Puddingpulver, Zahnpflege- und Schuhputzmittcl, Seifen Waschmitlel, Elektrobedarssgegenstände und Schallplatten. Der Reichswirtschaftsrat schlägt vor, den Verbänden der Erzeuger und Händler kurze Fristen sür eine ausreichende Preis senkung zu setzen. Im Falle des Mißlingens dieser Maßnahme empfiehlt der Reichswirtschaftsrat, auf diesen Gebieten di Preisbindungen der Wiederverkäufe! für Markenartikel z: lockern, erforderlichenfalls aujzuheben. *