Volltext Seite (XML)
MsdmfferMeblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,so RM., bei Postbestrllung 2 AM. zuzüglich Abtrag- --- * . -- . gebühr. Einzelnummern ILRpsg All-Postanstalt-n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend PostbotenundunsercAus- ttager und Geschäftsstellen — - nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oderKürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: Lie 8 gespaltene Raumzelle 20 Rpfg., die ^gespaltene Zeile der amtlichen Bekenn tmechungen 40 Reichs» psenuige, Lie S gespaltene Reklamezeile im lex,liehen Teile I RMK. Slachweisungsgebühr 20 Reichspscnnige. Bor- geschriebeneErscheiaunas- —. - , rc lag-und Platzvorschristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt ÄZrlsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen. annahmebisvorm.lvUhr. ' — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag Lurch Klage eingezoaen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anz. nehmen allrDcrmittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 248 — 89. Jahrgang Telegr.-Adr: .Amtsblatt" Wilsdrufs-Dresden PosNcheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 23. Oktober 1930 Verworrene Fäden. Bei der jetzt im Fluß befindlichen Debatte über eir Reparationsmoratorium muß man sich noch einmal kurz vergegenwärtigen, wie sich die Gesamtzahlungsverpflich tungen Deutschlands zusammensetzen. Abgesehen von dei Sonderzahlung an Amerika und dem Zins- und Amor- tisationsdienst für die Dawes-Anleihe bestehen dies! Verpflichtungen aus drei Teilen: Da ist eim bestimmte, und zwar alljährlich gleichbleibende Summi „für Wiederherstellung der Kriegsschäden", des weiteren die Zahlungen an Belgien auf Grund des sogenannten deutsch-belgischen Markabkommens. Und drittens — der alljährlich wechselnde Hauptposten — eine Summe, die dem entspricht, was die ehemaligen Alliierten, jetzt unsere Gläubiger, Jahr für Jahr an Amerika zu bezahlen haben. Theoretisch haben die deutschen „Annuitäten", die Jahres leistungen, mit dieser interalliierten Schuldentilgung an die Vereinigten Staaten gar nichts zu tun; selbst dann nicht würde ein vollständiger Zahlungserlaß Deutschland gegenüber erfolgen, sind nur gewisse Erleichterungen und Teilanrechnungen im „Neuen Plan" vorgesehen, wenn eines schönen Tages Amerika die interalliierten Rest schulden streichen oder sie herabsetzen würde. Praktisch sieht die Sache natürlich ganz anders aus. Wenn nämlich Deutschland mit der Forderung kommt, mehr oder weniger entlastet zu werden, dann ertönt als Echo das gleiche Verlangen der Alliierten an Amerika. Fn Frankreich steht man dem deutschen Streben nach einem Moratorium für heute und morgen durchaus ab lehnend gegenüber und wenn später ein solches doch er folgen würde, dann müsse es eben auch den alliierten Schuldnern gewährt werden. Das sei das mindeste. Und darüber hinaus müsse man hinsichtlich dieser Schul- oen auch gleich eine Revision der Abmachungen über ihre Tilgung anmelden, wenn etwa Deutschland die Revision seiner Zahlungsverpflichtungen zugestanden erhalten sollte. Amerika seinerseits steht nun — auch wieder theo retisch — auf dem Standpunkt, daß es mit dem ganzen Aoung-Plan nichts, aber auch gar nichts zu tun habe, und es läßt sich demgemäß seine Kriegsforderungen an Deutschland direkt bezahlen; der Uo ung-Plan wird — immer wieder: theoretisch — sozusagen als eine europäische Privatangelegenheit be trachtet und aus welcher Kasse die Alliierten ihre Schulden bezahlen, ist dem Gläubiger jenseits des Atlan tischen Ozeans ganz gleichgültig; Hauptsache ist nur, daß sie prompt bezahlen. Hinzu kommt freilich das praktisch Bedenklichere: Wirtschaftlich geht es zurzeit den Amerikanern nicht ge rade besonders gut und sie legen darum recht viel Gewicht darauf, sich ihre finanziellen Kräfte durch die Zahlungen ihrer Schuldner möglichst stärken zu lassen. Und wenn ihnen diese — im Hinblick auf das deutsche Moratoriums- verlangen — mit irgendwelchen Ersuchen um Zahlungs nachlaß oder -aufschub kommen, dann zeigt man in» Washington eine überaus kalte Schulter, — wobei es außerdem nicht an anzüglichen Bemerkungen Frank reich gegenüber fehlt; denn diesem Lande gehe es so gut, es habe schon derartige Schätze aufgehäuft, gebe für seine ständig größer und stärker werdende Rüstung zu Lande, zu Wasser und in der Luft so gewaltige Sum men aus, daß es auch dann seine Schulden an Amerika glatt bezahlen könne, wenn Deutschland eine Erleichterung seiner Verpflichtungen oder gar ein Moratorium erhalte. Infolgedessen findet man überall in der amerikanischen Presse den Hinweis darauf, daß die Steuerlast in Amerika entsprechend anwachsen müsse, wenn die Alliierten im An schluß an ein deutsches Moratorium nun auch ihrerseits ihre Zahlungen an Amerika einstellen würden. Wobei erwähnt werden mag, daß diese alliierten Leistungen zur zeit jährlich etwa eine Milliarde Mark ausmachen und teilweise zur Verzinsung und Amortisation innerer ameri kanischer Kriegsanleihen Verwendung finden. Aber damit ist das Gewirr der durchein anderlaufenden Fäden noch längst nicht zu Ende. Selbst wenn Amerika sich einmal bereit erklären sollte, in eine Revision seiner Schuldforderungen an die Alliierten einzutreten, so glauben recht weite und nicht etwa nur chauvinistische Kreise in Frankreich, dieses Ent- ^llenkomnien „bezahlen" zu müsse« durch ein nmfäng- A b r ü st n n g s fr a g e. Viel- leicht tst eine solche Vermutung oder — vom französischen Standpunkt «Up, — Befürchtung nicht einmal grundlos. Damit Aou dann aber tvieder hie leidige Politik in das wirtschaftttch-ftnanzlelle „Rcparations"problem hinein. — und das Ware, nun vom deutschen Standpunkt aus ge sehen, durchaus nicht angenehm. Denn der schwerste Fehler des Houng-Plans ist überhaupt der, „politisch tnftztert zu fern, was seine Verfasser übrigens selbst zugegeben haben. Dienen doch auch seine wirtschaftlichen und finanziellen Bestimmungen nicht zu letzt auch dem Zweck, Deuischland durch diese Bindungen nun politisch „an der Strippe zu haben". Man kann hier nur skizzieren, nur andenten, wie die Fäden durcheinandergehen, welche Abhängigkeiten hier obwalten, wie eine ganze Lawine zu Tal fahren kann, wenn nur ein Steinchen losbricht oder losgebrochen wird. »MM Sk du WkiM, »Mu Der MGl im MWcn ZmemWerim Severing wieder preußischer Znneummister. Plötzlicher Rücktritt Wäntigs. Der preußische Minister des Junckn, Dr. Wüntig, ha! dem preußischen Ministerpräsidenten sein Rücktrittsgesuch überreicht. Ministerpäsident Dr. Braun hat das Nücktritts- zesuch angenommen und den Staatsminister Dr. WSntig mit dem Ausdruck des Dankes für die dem preußischen Staat geleisteten Dienste von seinen Amtspflichten entbun- ven. Zum Nachfolger hat Ministerpräsident Dr. Braun den Reichs- und Staatsminister a. L. Severing er nannt. severtng hat das preußische Innenministerium be reits sechs Jahre verwaltet, woraus ihm in dem Amte der bekannte Sozialdemokrat Grzesinski folgte. Diesen ersetzte wieder sein Parteifreund Professor Dr. Wäntig. Zu seinem Rücktritt wird von zuständiger Stelle mitgeteilt, oaß lediglich persönliche Gründe Professor Wäntig zu diesem Schritt veranlaßt haben. Professor Wäntig, der aus dem Gelehrtenstand hervorgegangen ist, habe, wenig befriedigt von seiner Tätigkeit in dieser wirrenvollen Zeit, oen Wunsch gehabt, sich wieder ganz seiner Lehrtätigkeit zu widmen und zu diesem Zweck an die Universität Kiel zu gehen, obwohl er vor seiner Ministertätigkeil die Ober präsidentschaft in Magdeburg verwaltete. Das Berliner Polizeipräsidium. Dem Vernehmen nach soll auch ein Wechsel im Ber liner Polizeipräsidium unmittelbar bevorstehen. Es war schon vor längerer Zeit davon die Rede gewesen, daß Minister a. D. Wäntig. Minister Severing. Polizeipräsident Zörgiebcl als Regierungspräsident für Wiesbaden ausersehen sei. Das soll ein Irrtum gewesen sein. Nichtig ist jedoch, daß Zörgiebel für ein anderes west liches Regierungspräsidium in Aussicht genommen ist. Als sein Nachfolger als Berliner Polizeipräsident dürfte der frühere preußische Staatsministcr Albert Grzesinski in Frage kommen. Graf KMreuih Aeichslandbundpräsident. Hepp aus dem Präsidium ausgefchieden. Im Verfolg des Rücktritts des Ministers Schiele vom Amt des vorsitzführenden Präsidenten des Reichs landbundes trat der Bundesvorstand des Reichs landbundes zur Regelung der Präsidialfrage im Bundes hause in Berlin zusammen. Nachdem die beiden anderen bisherigen Präsidenten Bethge und Hepp und der vorübergehend in das Prä sidium eingetrctene Freiherr von Wilmowsky ihre Ämter dem Bundesvorstand zur Verfügung gestellt hatten, wurden zu Präsidenten neugewählt die Herren Bethge, Hepp, Graf von Kalüreuth. Zu dem satzungsgemätz vom Bundesvorstand zu bestimmenden vorsitzführenden Präsidenten wurde alsdann Gras von Kalckreuth gewählt. Präsident Hepp legte darauf hin sein Amt nieder. Die dadurch von neuem erforderliche Wahl eines dritten Präsidenten soll bei der nächsten Bundesvorstands sitzung erfolgen. Der Bundesvorstand war einmütig der Ansicht, daß hierfür nur ein Vertreter des bäuerlichen Besitzes aus dem Westen in Betracht komme. * Erhöhung -es Iahresbrennrechis. Auf 7l) Prozent festgesetzt. In der Sitzung der Reichsmonopolverwaltung für Branntwein wurde das I a h r e s b r e n n r e ch t für das Wirtschaftsjahr 1930/31 auf 70 Prozent des regelmäßigen Brennrechts festgestellt. Weiter wurde der Grundpreis für den ab 1. Oktober 1930 hergestelltcn Branntwein auf 51 Mark je Hektoliter Weingeist festgesetzt. Die Landwirtschaft hatte bekanntlich zur besseren Un terbringung der großen Kartoffelernte den Wunsch ge äußert, das Jahresbrennrecht auf 80 Prozent festsetzen zu lassen, während die Reichsmonopolverwaltung mit Rück sicht aus ihre riesenhaften Bestände an Alkohol zunächst das Brennrecht nur auf 51 Prozent festsetzen wollte. Die Lawine des Todes Immer mehr, immer mehr ... „Glücklicherweise nur dreißig Tote" — so lauteten die ersten Nachrichten, die von der Stätte der grauenvollen Grubenkatastrophe an unser Ohr drangen. Erschütternd wirkte die Kunde, aber sie wurde gewissermaßen abge schwächt und gedämpft durch dieses „nur", so sehr uns auch „die nur dreißig Toten" ans Herz griffen. „Es hätten ja weit, weit mehr sein können," so sagten wir uns, er leichtert ausatmend, „denn es waren Hunderte und aber Hunderte von Menschen an der Stätte des Grauens, als das Furchtbare geschah, und der Tod hätte weit reichere Ernte halten können!" Und der Tod hielt weit reichere Ernte! Von Stunde zu Stunde kamen neue Hiabsposten, von Stunde zu Stunde wuchs die Zahl det Opfer, die der Unerbittliche dahingemäht hat „mitten in dem Leben", die vahinsanken in der Blüte der Jahre, die hinweggerafft wurden mitten aus ihrer Arbeit heraus, im Grubenkittel, ven Bergmannsschlege! in der Hand, und ohne an die Lieben zu Hause, ohne an Heim und Herd einen Scheide gruß senden zu können. Lawinenartig schwoll es an — immer mehr, immer mehr! Fünfzig, hundert, hundert fünfzig, zweihundert, zweihundertdreitzig — immer mehr, immer mehr! Und noch vielleicht ist der Strecke des Todes kein Ende abzusehen, denn noch immer heißt es „vor läufig". „Vorläufig" zweihundertunddreißig — aber die Lawine ist vielleicht noch nicht zum Stillstand gekommen, die Lawine rollt weiter. Noch liegen ja in den Kranken häusern zahlreiche Schwerverletzte, und wer Weitz, wie viele von ihnen das Licht des neuen Tages erblicken. Häuer und Steiger, Förderleute und Bergknappen — keinen hat das Unglück verschont, das hereinbrach als grausames Schicksal der vielen, die ausgezogen sind, um nimmer heimzukehren. Um die Opfer ist ein Weinen und Wehklagen derer, welchen sie alles gewesen sind, und das ganze Deutschland trauert und klagt mit ihnen. In de>» Schächten aber herrscht das Schweigen des Todes, und wir andern, die wir noch im Lichte atmen dürfen, denken der Toten, der Toien . . . 231 Tote in Alsdorf. 9 9 Verletzte. Nach Mitteilungen der Alsdorfer Bergbehörde waren am Mittwoch mittag 170 Tote geborgen. Unter Tage be fanden sich noch 61 Bergleute, die als tot sestgestellt wur den. Damit ergab sich um die genannte Zeit eine Gesamt zahl von 231 Toten. In den Krankenhäusern befanden sich 99 Verletzte, von denen mehrere hoffnungslos da niederliegen. Unter den 170 geborgenen Toten waren der Betriebsführcr des Schachtes und 13 Steiger. Dil Niedergeschlagenheit und die Verzweiflung der Alsdorfer Suche nach Vermißten unter den Trümmern.