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MsdmfferTageblatt XI für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die Fandwirtschast, Rr. 205 — 89. Jahrgang Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bkkanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrenlamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Anzeigenpreis: die «gespaltene Raumzeilc 20Rpfg., die«gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntma^n^ pscnnig, die «gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspsemnge. Lr/n näSS Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 Z-«chS°T Annahme bis uorm.10Uhr. — 1" . N/ durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. I^der Nabattanspruch erlischt, wenn derBe 6 r«» Klage eingezogen werden muß oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigeunehmen alle Vermittlungsstellen entg g - Da« .Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. 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Denn es ist ein weiter Weg vom Rohstoff bis zur fertigen Ware, wie sie über den Laden tisch hinweg dem Kunden gereicht wird, und die ver schiedensten preisbildenden Momente gilt es auf diesem Wege zu beeinflussen, um eine Verbilligung in die Wege zu leiten. Von der Industrie wurde zuerst bei den bekannten Synhausener Verhandlungen der Ruf nach Preissenkung erhoben in Verbindung mit Lohn- Herabsetzung. Um die Preise erniedrigen zu können, sollten u. a. auch die Löhne abgebaut werden, denn der L o h n a n t e i l ist ja einer der Hauptbestandteile der Her stellungskosten des Erzeugnisses. Dieser Plan begegnete be kanntlich dem Widerstand der Arbeiterorganisationen, die von ihren tarismäßigen Rechten nicht abgehen wollten. Sie erklärten und erklären noch, daß allein hohe Löhne die daniederliegende Erzeugung ankurbeln können, weil da durch die Kaufkraft gefördert, die Kauflust angeregt und der Verbrauch gehoben werden kann. Andererseits sagen die Unternehmer, daß sie bei den ihrer Ansicht nach über höhten Löhnen nicht imstande seien, die Erzeugungskosten zu senken und die Preise zu verbilligen. Der Tendenz fallender Preise kommen nun aber noch die Verhältnisse auf dem Weltmarkt entgegen, wo die Preise einer großen Anzahl von Rohstoffen stark gefallen sind. Weiter gehen die Bestrebungen der Regierung dahin, bei der Vergebung der Reichspostaufträge und der Reichsbahnbcstellungen neben einer Produktionsbelebung gleichzeitig eine Preissenkung ohne Lohnabbau zu er reichen. Schließlich soll eine Senkung des Preisstandes erzielt werden durch einen Druck aus die Kartelle, um hier aus einzelnen Marktgebieten ein Weichen der Preise zn veranlassen. Im allgemeinen hat man von einem Erfolg dieser Maßnahmen noch nicht viel gemerkt, und es ist auch sehr fraglich, ob, nachdem der Wahlkampf in seine entscheidende Phase gelangt und in der Entwicklung der Wirtschaft fast ein Stillstand eingetreten ist, zurzeit eine ausschlaggebende Einwirkung überhaupt schon möglich ist. Wie dem auch sei, der Verbraucher jedenfalls wird wohl noch einige Zeit warten müssen, bis er die Ver billigung auch am eigenen Geldbeutel spüren wird. Es kommt dazu, daß der Einzelhändler, der dem letzten Verbraucher die Ware verkauft, vorläufig noch die alte Ware, die er vor einiger Zeit noch ohne Verbilligung gekauft hat, am Lager hat. Er mutz also, will er sich nicht schädigen, zunächst diese Ware, die mit höheren Unkosten von vornherein belastet ist, loswerden. Erst dann kann er die eventuell verbilligte Ware neu beziehen, um sie der Kundschaft zu niedrigeren Preisen zuzusühren. Noch vorhandene grotze Läger zu alten Preisen sind natürlich für die Beschleunigung einer Verbilligung eine gewisse Bremse, aber es ist bemerkenswert, daß aus Kreisen des Einzelhandels über eine fast völlige Räumung der Läger berichtet wird, da die Geschäftsinhaber in Er wartung etwaiger Preisrückgänge Eindeckungen unter lassen. Infolge dieser Tatsache könnte eine Besserung der Konjunktur bei Einsetzen der Abrufe unter Umständeri kräftig gefördert werden. Der Preis ist ein äußerst sprödes Objekt und läßt sich sehr schwer beeinflussen, weil er sich aus so vielen einzelnen Teilen zusammensetzt. Von diesen Bestandteilen sind einige ganz besonders starr, wie z. B. die Mieten, die öffentlichen und sozialen Lasten und auch die Gehälter und Löhne, soweit sie tariflich gebunden sind oder unter dem Einfluß von Tarifen stehen. An jeder Stelle stößt die Forderung, nachzugeben, auf mehr oder weniger Wider stand. Man kann die alten Preise nicht einfach, wie beim Inventurausverkauf, mit dem Blaustift durchstreichen und neue an ihre Stelle setzen. Sie sind gewissermaßen etwas Gewachsenes. Man kann cs nicht ohne weiteres sondern man muß warien, bis es heran- wächst. Aber jeder Beteiligte, und wer wäre es nicht, sei es als Erzeuger, Händler oder als Verbraucher, muß Neuwuchs beschleunigt und nicht durch Eigensucht eine Maßnahme unterbunden wird, deren Lösung nicht nur eine Lebensfrage der Wirtschaft, sonder- unserer ganzen Volksgemeinschaft geworden ist. Aeue Belebung der Sauwirtschaft. Das Bauprogramm der Reichsregierung wächst. Im weiteren Verlauf des Deutschen Genossenschafts tages fanden Verhandlungen der Baugenossenschaften statt. Der Vorsitzende Dr. Schröder, Kassel, faßte seine Ansicht über die Auswirkungen des zusätzlichen Wohnungsbau- Programms des Reiches für 1930 folgendermaßen zu sammen: Die Erleichterung am Geld- und Kapitalmarkt in den ersten Monaten des Jahres habe zu einer Be lebung der Bauwirtschaft geführt. Es fei im allgemeinen zu erwarten, daß das Arbeitsprogramm der Reichsregie rung der Bauwirtschaft eine fühlbare Anregung geben wird. Weitere Verhandlungen waren dem Bausparkässen- wesen und der Aufwertungsfrage gewidmet. Mimsterparlament in Genf panemopa und Saarschuß. Die überflüssige Bahnbewachung. Das deutsche Ncichskabinett ist für Mittwoch zu Be sprechungen über die Tagung der europäischen Außen minister in Genf cinberufen, die sich mit der von Briand vorgelegten Denkschrift zum Paneuropaplan befassen werden. Zur Berliner Kabinettsdcratung kehrt der bis zuletzt in Aachen anwesende Reichskanzler Dr. Brüning rechtzeitig zurück. Außenminister Dr. C u r t i u s, der von seinem Unwohlsein völlig wicderhcrgcsteM ist, wird vor dem Kabinett über die Genfer Zusammenkunft sprechen. Auch die Saarangelegenheilen sollen zur Sprache kommen. Dr. Curtius reist in wenigen Tagen nach Genf ab. In Genf wird sich die erste Verhandlung über die Annäherung der europäischen Länder fast zu einem inter nationalen Mimsterparlament gestalten. Es ist nämlich in Aussicht genommen, zu der zweitägigen Europakonfe renz nur die Führer der 27 europäischen Delegationen hin zuzuziehen. Da ja fast alle europäischen Staaten mit wenigen Ausnahmen durch ihre Außenminister vertreten sein werden — auch der italienische Außenminister Grandi wird zum erstenmal bei einer Versammlung des Völker bundes die italienische Deligation führen —, so wird es sich um eine Konferenz der europäischen Außenminister handeln, die sich in geheimer'Aussprache über die weitere Behandlung der Angelegenheit schlüssig werden sollen. Wahrscheinlich wird die Frage schließlich der Völkerbund versammlung überwiesen, zu welcher Zeit dann Einzel heiten bekanntwerden dürften. * Saarregierung an Völkerbund. Auf die Tagesordnung des Völkerbundrates am 8. September ist in einem Nachträge auch die Saarfrage gesetzt worden. Der Präsident der Saarregierung hat zwei Schreiben an den Völkcrbundrat gerichtet, nach denen der internationale Bahnfchutz im Saargcbict sowie die Bahnkommission am 31. August vermindert werden. Die Saarregierung unterbreitet diese Beschlüsse dem Völker bundrat zur Genehmigung. Das französische halbamtliche Bureau Havas hat in einer Meldung unmittelbar nach der Rheinlandräumung hervorgehoben, daß der Saarschutz nur als Verbindung zwischen der Besatzungsarmee und ihrem Heimatland ge dacht gewesen sei, und daß nun auch die Saartruppen, die den Bahnschutz auszuüben hätten, verschwinden würden. Noch ist aber eine Abberufung des Saarschutzes nicht er folgt. Der internationale Bahnschutz war im Saargebici durch eine.EntschlietzunL des Völkerbundrates von 1927 ausoruauch vazu geschaffen worden, um oie rückwärtigen Bahnverbindungen der Vesatzungstruppen aus dem Rheinland zu sichern. Gleichzeitig soll auch eine weitere Bestimmung des Völkerbundrates von 1927 beseitigt werden, nach der die französische Regierung in besonderen Fällen das Recht einer Verstärkung des Bahnschutzes er balten hat. * Curtius und Treviranus. In ziemlich auffälliger Weise bringt die Berliner Vossische Zeitung folgende Meldung: „Zwischen Dr. Curtius und Treviranus hat nach der Rückkehr des Rcichsaußenministcrs aus Baden-Baden eine Auseinandersetzung stattgefunden, deren Anlaß das immer häufigere rednerische und publizistische Hervortreten des Reichsministers Treviranus aus dem Gebiete der auswärtigen Politik war. Dr. Curtius hat seinen konservativen Minister kollegen daran erinnert, daß er und nicht Treviranus für die auswärtige Politik verantwortlich zeichne, und datz es weder den Gepflogenheiten entspreche noch dem Interesse des Reiches nützlich sei, wenn Mitglieder des Kabinetts öffentlich zu Fragen der auswärtigen Politik Stellung nehmen, ohne sich vorher mit dem Autzenminister in Verbindung zu setzen und sich seines Einverständnisses zu versichern. Är. Curtius hat Treviranus ersucht, sich in Zukunst in dieser Richtung mehr Zurückhaltung auszuerlegen." „Kein Mueller KonWsall." Die Kompetenz für außenpolitische Richtlinien. Zu der Meldung eines Berliner Abendblattes über einen angeblichen Konflikt zwischen Dr. Curtius und Tre viranus wird von unterrichteter Seite erklärt, daß eine persönliche Auseinandersetzung zwischen dem Reichsaußen minister und seinem konservativen Ministerkollegen nicht stattgefunden hat. Treviranus hatte, als Dr. Curtius aus Baden-Baden wieder in Berlin eintraf, bereits eine Wahl propagandareise angetreten. Im übrigen werden alle Be hauptungen über Meinungsverschiedenheiten zwischen ein zelnen Mitgliedern der Reichsregierung auch schon insofern als gegenstandslos bezeichnet, als der Reichskanzler Dr. Brüning vor einigen Tagen in Trier mit einer eindeutig formulierten Erklärung die Kompetenzfrage für die Be stimmung der außenpolitischen Richtlinien des Kabinetts dahingehend geklärt habe, daß für die Führung der Außenpolitik lediglich der Reichskanzler und der Reichs außenminister verantwortlich seien. Da sicherem Verneh men nach Reichsminister Treviranus sich grundsätzlich zu dieser Auffassung bekennt, bestehe auch kein Anlaß, im gegenwärtigen Zeitpunkt etwa vorhandene grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Kabinetts mitgliedern zu einem aktuellen Konfliktsfall auszuweiten. Nervenstärkung für das „iotgesagie" Handwerk. Das deutsche Handwerk in der Gegenwart. Nach den nunmehr gedruckt vorliegenden Ergebnissen der Feststellungen des Enqueteausschusses ist es möglich geworden, sich mit der derzeitigen Lage des deutschen Handwerks ein gehend zu beschäftigen. Die gemachten Feststellungen sind, sozial und wirtschaftlich allgemein betrachtet, von hohem Wert Die große Öffentlichkeit, so führte auf dem Deutschen Genossen schaftstag Direktor Karthaus-Berlin aus, hat ein erhebliches Interesse daran, zu erfahren, welch innerer Wert und wirtschaftliche Kraft heute noch im deutschen Handwerk vorhanden sind. Die große Öffentlichkeit mutz ersahren, datz das Handwerk auch heute noch einen wesentlichen und wichtigen Faktor in unserem Wirt schaftsleben darstellt. Das Handwerk selbst muß wissen, wie es um seine Gesamtlage steht, damit es festes Vertrauen wegen der Zukunft seines Berufsstandes gewinnt. Nachdem es in den letzten Jahrzehnten so ost totgesagl worden ist, ist eine solche Nervcnstärkung durchaus notwendig. Durch die Feststellungen des Enqueteausschusses ist der Beweis- erbracht, daß das deutsche Handwerk als besondere Gruppe nm der übrigen Wirtschaft auf Gedeih und Verderb verbunden ist und daß insbesondere die letzten Konjunkturperioden auf das Handwerk genau so eingewirkt haben wie auf unsere übrigc Wirtirbni, »SA,««»»««««««»«««««««»«««»«««««««««««» MIM MAM WMAIMÄAMM Nm die Wenve des LV. Jahrhunderts wurde durch die bekannten Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik von der Gesamtlage des deutschen Handwerks ein recht unerfreu liches Bild gezeigt Nach Viesen Untersuchungen befand sich damals das Handwerk in einer Zersetzung und Umwand lung, cs erschien nach Viesen Untersuchungen fraglich, ob sich das Handwerk in ver späteren Wirtschaft noch behaupten könne. Tas Bild von ver Entwicklung des Handwerks hat sich seit dieser Zeit erheblich geändert. Es gelang dem Hand werk, nicht nur den Auflösungs- und Verdrängungsprozeß, dem es ausgesetzt war, zu verlangsamen, cs wurde ihm vielmehr möglich, sich in wichtigen Tätigkeitsgebieten zn behaupten und für verlorene Ausgaben ganz oder teilweise Ersatz zu Unden An dem allgemeinen Aufschwung der Volkswirtschaft seit Beginn des lausenden Jahrhunderts hat das Handwerk entsprechend leikgenommen. Rach den Feststellungen des Enqueteausschusses haben die Umsätze im deutschen Handwerk iin Jahre 1924 12,2 Milliarden Mark, 1928 20,7 Milliarden Mark betragen. Dieser Umsatz umfaßt etwa ein Sechstel bis ein Siebentel des Gesamtumsatzes unserer deutschen Volkswirtschaft. Es wurde festgestellt, datz im Jahre 1926 1370 000 Hand werksbetriebe mit 1320 000 Inhabern, 1517 000 Gesellen, 766 000 Lehrlingen und 109 000 Angestellten vorhanden waren. Danach ist auch heute noch das selbständige Handwerk die Domäne des selbständigen Unternehmertums und hat als solche auch für die soziale Klassenbildung eine ge steigerte Bedeutung erhalten. Die Zahl der mittelbar oder unmittelbar mit dem Hand werk verbundenen Bevölkerung ist auf 12 470 000 Personen oder rund 20 Prozent der Gesamtbcvölkerung Deutschlands geschätzt worden. Während nach den Feststellungen des Vereins für Sozialpolitik das Merkmal „keine Maschinenverwendung" zu- irifft, ist durch die Feststellungen des Enqnctcausschusscs er mittelt worden, datz im Handwerk rund zwei Millionen Pferdestärken elektrische Kraft verbraucht werden. Es folgten dann weitere Ausführungen über die technische Verfassung des Handwerks im Vergleich zur Vorkriegszeit, ferner über die Frage der Befriedigung des Bedarfs an Bc triebskrcditen und eingehende Erörterungen über die Lage des Handwerks in betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Der Vor tragende schloß mit Ausführungen über das Ausmaß der Kostenvcrschicbung im .vandwcrk und mit einem Hinweis aui die ans organisatorische Arbeitsleistung und Arbcitsverciniguna gerichtete» Bestrebungen. Die Ausführungen gipfelten in der Feststellung, dast das