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Lokal-Anzeiger für Ottendorf-Okrilla und Umgegend l M, rrschetni Mens- j »nd Smmabend. s »Preis: Monatlich ,50 Mark, »«t durch dt« Bot?« ,— Mark. f I» Ual« hötzeier N»rr«L i.^ricg od. sonst, s t»»WW«ilch«t Elöruna^n drs Betiisb« der -f dar SirseraiNrn od. d. Befördrrnng»» l. «artchtmvus Hal der Bezieh« keinen An- s«»ch «nf Aeferuir; oder Nachlieferung d« g jM»>,^.«fRLiq-hr>«4d.B«pMvrris«. ZIsIertzsllWS- MZ M AMMI Pofifch«L-Konw Leipzig Nr. 29148. Nummer 52 Schriftleitung, Druck u. Verlag Hermann VSHle, Ottendorf-Okrilla. Mittwoch, den 3. Mai 4Y22 2H Jahrgang. Amtlicher Teil. Brot- nnd Kohlenkarten-Ansgade. Keaaetttag, de« 4. Mai 1922, abends 5 vis halb 6 Ahr findet in den üblichen Ausgabestellen die Vetteilung der Brot» nnd Kohlei-karten statt. Die Kohlenkarten find bi« 12. Mai bei einem Kohlenhändler anzumelden. Htteudsrf.Hkrilla, den 2 Mai 1922. Der Gemeindevorftanh. Bekanntmachung. Alle Diejenigen welche bi« jetzt die ihnen zustehendrn Grabsteine auf den für verfallen erklärten Teil dcL allen Friedhose« noch nicht abgebolt haben, wollen dies bis lpätekeus S«»«»v<»d, de« 6. Mai bewirken. Andernfalls verfällt jeder Anspruch auf die zu entfernenden Steine. Htte«derf-HLritt-, am 2 Mai 1922. Der Kirchenvorstand. Reioysgesetzbtatt Nr. 3V oder: Die 14'neuen Stcuergrsetze. In hellgrünem, onnonc'nbedeckttm Umschläge — der Fiskus 'saugt au« jeder Blüte Honig — präsentiert das Rkichsgcietzvktt Nr. 30 dem deuischen Sluarsbürger auf 103 Seiten ein Steuerbukett von 14 neuen Steuergesetzen und die Ouvertüre zu dieser Schicksal« . Sinfonie bildet der Paragraph über die Zwongsanlethe von einer Milliarde Goldmark. Direkte und indirekte Steuern, nach endlosem Schachern der politisch n Parteien im Reichstage in ein ge wisse«, aber leider sehr labiles Gleichgewicht gebracht — stabil wird unser Steneretat wohl nie werden — bilden die Blüten diese« L nzstrauße«. Der Steuerzahler, der Nicht«. al«.Verbraucher wird dieses Angebinde mit gemischten Ge fühlen entgegennehmen, denn er muß sich auf weitere E-it- behrungen einstellen. Al« ob die Lasten, dis Reichsmieten- gesetz und Wohnungsbauabgabe mit Zuschlägen aller Art bringen, nicht schon drückend genug wären und noch haben sich die wenigsten auf diese Belastung einstellen können. Da» bei find die Kosten der Lebenshaltung in den letzten neun Monaten um da« Dreifache gestiegen, die Einkommensver mehrung hat aber damit nicht Schritt gehalten, wenigsten« bei dem großen H-ere der Geholt«, und Lohnempfänger nicht — von dem rettungslos immer tiefer in« Elend ver» flnke'Mn sinstwoli:en MMelstanbe, kleinen Rentnern zumal, ganz zu schweren. Und dazu die neuen Lasten, direkte und indirekte! Mnn auch die große Masse durch die neuen Vermögens- und die V »mö-ens-uwach-ßeuer kaum getroffen wird, so iy,rd doch die i direkte Belastung allein dwch die Erhöhung der Umsatzsteuer ruu ein Drittel sehr fühlbar sein, daneben — um nur eins beraurzugreifen — die Erhöhung der Kohlenstener aus 40 Prozent. Da« Herabgleiten dr« Standes der deutschen Lebenshaltung auf österreichische» Niveau vollziht sich weiterhin mit unmittel barer Folgerichtigkeit. Um den Inhalt einiger kleinerer Steuerpesetze vorweg zu nehmen, so erhöht die Leuchtmittelsteuer die Steuersätze für Glühlampen, Brcnnstiste, Brenn r usw. beträchtlich, der gleichen verteuert die neue Zündwarensteuec die Streichhölzer und Zündkerzchen. Die erhöhte Bierstener, die Mineral- wafferfteuer, die ziemlich gesteigerte Tabaksteuer — fi« alle geben den geringen Freuden, die auch der kleine Mann nicht gern entbehren möchte, einen fatalen metallischen Bei geschmack. Daß die Zölle für Kaffee, Tee und Gewürze wesentlich gestiegen find, wird man für diese unentbehrlichen Reizmittel eher hinnehmen können, al« die neue Zollerhöhung für Kakao, der bei dem Mtlchmongcl mehr und mehr zum Bolk«aetränk geworden ist. Wnn die Zuckersteuer 50 Mark für 100 Kilo beträgt, so wird wohl manche Hausfrau bei den ohnehin kaum erschwinglichen Zvckerp- isen, mit dem di« hohen Dividenden der Zuck^fab iken nicht recht in Ein klang zu bringen sind, das Kuchenbacken für ihre Kleinen ganz verlernen — und damit sich nicht alle« auf den Süß stoff al« Ersatzmittel stützt, g tttt- da« Süßstoff, esetz dessen Herstellung nur in ganz beschränktem Umfange und schreibt den wenigen konzessionierten Herstellern dauernd steigende Preise vor. Mt weit freundlicheren Augen darf man da« Renn» wett- u"d LotleZegesetz ansehen, denn die Steuersätze vonj 16», Prozent von Totalisator Wettbeträgen, 10 Prozent; von Buchmochermetteinsätzen und 20 Prozent vom Preises di-- Latte-Ieloie- sind bei der gesteigerten Spielwut durchaus j nicht m doch. Ferner entspricht e« einem längst fühlbaren Bedürfnisse, vor allem der wegeunterhaltungspflichtigen Länder und Gemeinden, wenn da« Kraftfahrzeugsteuergesetz sür die gerade durch Autos sehr erhebliche Abnutzung der öffentlichen Wegs ssie Lösung von ziemlich teuren Jahres karten einführt nnd außerdem den Ländern vorschreibt, sür die öffentliche Wegeunterhaltuna auch andere Fahrzeuge, al« Kraftfahrzeuge zu besteuern, wobei auch die Gemeinden ihren Teii erhalten sollen. Enschneibender wirkt schon da« Ver- ficherungssteuergesetz, da« die Policen für Feuer-, Hagel-, Einbruch-, Glas-, Vieh-, Transport-, Lebens-, Unfall-, Haft pflicht-Versicherung usw. mit verschieden hohen Steuersätzen belegt. Da« ziemlich umfängliche Gesetz über das Brannt weinmonopol regelt neu die Herstellung und Reinigung von Branntwein sowie seinen Vertrieb aurschließlich durch da« Reich und führt dem Reiche durch eine beträchtliche Steigerung der Preise ebenso beträchtliche Einnahmen zu; ein Anhängsel dazu ist die Esfigsämesteuer. Daß die Kohlensteuer sich auf 40 vom Hundert des Wertes der in Deutschland gewonnenen oder dahin einnge- führten Kohle erhöht, wurde bereits erwähnt: dem Fiskus fließen dadurch viels Milliarden zu. Allerdings wird die Kohlensteuer je nach der Ergiebigkeit der verschiedenen Ab- baugchiste und der Güte der dort gewonnenen Kohle nur in Teilbeträgen erhoben, die von 2b bis 111,5 Prozent des Normalsteuerbetrag« steigen. Am fühlbarsten wird die Erhöhung der allgemeinen Umsatzsteuer von 1*/, auf 2 Prozent des Entgelts wirken. Da sie sämtliche Vorgänge des wirtschaftlichen Verkehr« von der unentbehrlichen Lebensnotwendigkeit bi« zum Luxus — der freilich mit 15 Prozent versteuert wird — belastet, und da sie in der langen Kette der Veräußerungen, die sich von der Gewinnung de« Rohstoffe« über die Herstellung und durch den Zwischenhandel bis zum letzten Verkauf an den Verbraucher hinzieht, bei jeden Uebergang erhoben wird so werden alle Waren für den Konsumenten wiederum er» hebltch verteuert und die Lebenshaltung finkt eine Stufe tiefer. Im übrigen führt die Novelle zum Umsatzsteuergesetz da« System der vierteljährlichen Vorauszahlungen ein. Die Bedingung, unter der die Linksparteien de« Reich«, tage« dieser gesteigerten indirekten Besteuerung der breiten Mafien schließlich zugestimm: haben, war die weitere Ver- schärsung der direkten Besteuerung. H er bringt da« Kapital- ve kehrsteuergesetz eine beträchtliche Belastung aller Rechts vorgänge, die Gei llichsften betreffen, in der Form der Gesellichoftrsteuer (7^/, Proz), weiter sür den ersten Erwerb von Wertpapieren in der Form der Wertpapiersteuer (0,5 bi« 7t/, P oz.), ferner für AnschaffungSgeschäste des Börsen- verkehr« durch die Börsenumsatzsteuer (0,1 pro Mille bis IVs Proz ) und endlich eine Auffichtsratssteuer von 20 Prozent. Die Körperschaftssteuer d. h. die Einkommensteuer der G sellichasten, wird jetzt erhöht auf 20 Prozent bei den Erwerbsgesellschaften und auf 10 Prozent bei dm übrigen; sie erböht sich außerdem bei den Erwerbsgesellschaften um 15 Prozent der Beträge die als Gewinnanteile verteilt werden. Das neue Vermögenszuwachssteueraesetz unterwirft den Verwogenzuwachs, soweit er 100000 Mark übersteigt, alle drei Jahre eine Zuwachssteuer, deren Sätze mit der Höhe de« Zuwachse« steigen und dementsprechend gestaffelt find von 1 bi« 10 Prozent. Sie wird veranlagt und eingezoaen zugleich mit der Vermögenssteuer, die vom 1. Januar 1923 an alljährlich erhoben wird. Bemerkenswert ist im übrigen daß die Vermögenssteuer das unglückliche Gesetz über das Retchsnotopfer zum größten Teil aufhebt. Damit hat sich diese einmalige Kapitalabgabe in eine lausende Vermögens steuer verwandelt. Die Vermögenssteuer wird nur erhoben von dein 100000 Mark übersteigenden Vermögenbetrage und zwar staffelweise von 1 bis 10 vom Tausend und da. zu tritt für die nächsten 15 Jahre ein Zuschlag, der sür die natürlichen Personen 100—200 Prozent, sür die Gesellschaften 150 Proz beträgt. Eine hochbedeutsame Neuerung liegt darin, daß bei der Vermögens- und Zuwachssteuer endlich der Unterschied zwischen Gold- und Papiermark berücksichtigt und die innere Kauf kraft der Mark zum Anhalt genommen werden soll. Die Vermögensgegeuständ« find nämlich von nun an jeweils unter Berücksichtigung der allo meinen wirtschaftlichen Ver hältnisse zu bewerten und e« ist bei der Vergleichung de« Anfangs- und Endvermögens bei dem Zuwachs die innere Kaufkraft der Mark in beiden Zeitpunkten zu berücksichtigen. Damit wird endlich dem unhaltbaren Zustande ein Ende gemacht, daß man einen Zuwachs versteueru soll, der gar keiner ist, ja, bei dem sinkenden Geldwert meist eine Vermögensvcrringerung darstellt. Das bisherrige fiarre System der steuerlichen Bewertung ist damit halbstarr ge worden und c« öffnen sich neue Perspektiven auf den Zu sammenhang zwischen Valuta und Steuer? Ob allerdings bei diesen gleitenden Wert-n nicht schließlich auch der gesamte Steuer-Etat in« Gleiten kommt, ist eine andere Frage. Deutliche» «md Sächsische». Vttenb.rt.Vkrilla, den r. Mai ,-22. Leipzig. Gegen Ende der gestern mittag auf dem Augustusplatz von den sozialdemokratischen Parteien ver- anfialteten Maifeier ereignete sich ein blutiger Zwischenfall. Plötzlich wurde die in der Mitte der Frontfaffade de« Univerfitätsgebäude« gehißte Reichsflage heruntergeholt und an ihrer Stelle die UniverfilätSflagge hochgezogen. Die Menge erblickre hierin eine studentische Provision der Arbeiterschaft, worauf ein Truvp jugendlicher Demonstranten vom Hofe ans in das Umnersirälsgebäude eindrang und da« Universitätsbanner mit Gewalt hc runterzerrte, so daß e« in Fetzen ging und wieder die Reichsfahne hißte. Inzwischen hatten die Demonsi anieN den U üoersitätshof besetzt und verlangten, baß die dort zum Schutze der Universität einge troffenen Kommissare de« Polizeiamte« und der Kreirhaupt- mannschast sich zurückzögen. Da die« abgelehnt wurde nahm die Menge eine drohende Haltung ein und e« erfolgten fortgesetzt Jnsultionen der Schupo, so daß diese schließlich genötigt war, blank zu ziehen. Dabei wurden mehrere Polizeibeamte und 16 Demonstranten verletzt und nach dem städtischen Krankenhruse gebracht Zwölf davon konnten nach Anlegung von Notverbänden wieder entlasten werden, während vier schwerer Verletzte zurückbshalten wurden. Bei dem ungeheuren Tumulte Maren auch die Demonstranten selbst einender in die Haare gefahren. Chemnitz. Ein „Demonstration" im WaldHeimer Zuchthause. Eine Verhandlung, die in mehrfacher Beziehung aus dem üblichen Rahmen heraustcat, beschäftigte da« Schwurgericht Chemnitz. Ein größeres Aufgebot von Polizei» und Auffichtsbeamten des Landgerichts deutete schon äußer lich darauf hin, daß etwas Besonderes „los" war. Auf der Anklagebank befanden sich neun Insassen de« Zuchthauses zu Waldern, di sämtlich wegen schweren oder Rückfall- diebstahls, sowie wegen räuberischer Erpressung längere Straten zu verbüßen hatten bezw. noch zu verbüßen haben. Die Angeklagten hatten fich jetzt wegen Meuterei im Sinne ß 122 de« Strafgesetzbuches zu verantworten. Gabriel, Mechaniker aus Bautzen, war der Anführer bei der jetzt zur Aburteilung stehenden Straftat. Er gehörte, wie auch sämt liche Mitangeklagte der Abteilung 4 im Zuchthause an. In dieser AbtBlung wurde am Mittag de« 6. September v. I. plötzlich die beiden aufsich! führenden Wachtmeister Handrick und Ritz von einigen ZuchtihäuSlerv übersallen, entwaffnet, ihrer Schlöffel beraubt, gefesselt und qeknepelt. Die Meuteren versahen sich dann in einem Kleiderlager mit Reichswehr-Uniformen — Gabriel verwandelte sich auf diese Weise in einen Wachtmeister —, zogen hierauf von einer Abteilung zur anderen mit dem Rufe „Revolution" und bewogen die dort arbeitenden Züchtlinge zum Niederlegen der Arbeit, zum Umkleiden und zur Teilnahme an den „Demonstration«zuge". Die Beamten wurden auch hier entwaffnet und ihrer Schlüffe! beraubt. Eine größere An- zahl der Meuterer — Gabriel, Schneider und Kittel waren nicht dabei — versuchten bei dieser Gelegenheit einen ge waltsamen Ausbruch au« der Anstalt, der aber nicht glückte. Der Direktor der Anstalt war gleich nach Ausbruch der Meuteret benachrichtigt worden. Er alarmierte sofort die Gendarmerie, der es möglich war, nach halbstündiger Dauer des Aufruhrs die Ordnung w^der herzust-llen. Das Urteil lautete für Gabriel aus ein Jahr sechs Monate Gcfängui«, für Köhler auf ein Jahr sechs Monate Zuchthaus, für Schneider auf zwei Jahre Zuchthaus, für Plüschke, Förster, Hochmuth, Hertel und Geßner auf ein Jahr Zuchthaus, sür Kittel auf neun Monate Gefängnis.