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—— » Erscheint Dienstags, Donnerstags und sonnabends abends. Bezugspreis: monatlich -ro pfg.» zweimonatlich 80 Pfg., vierteljährlich 1,20 Mark. -H Einzelne Nummer ,o Hfg. <> Ü- 8 Unterhaltungs- und Anzeigeblatt Wochenblatt und Anzeiger Neueste Nachrichten Bezirks- und General-Anzeiger Annahme von Anzeigen bis spätestens Mittags p Uhr des Lrscheinungstages. Preis für die Spaltzeile io pfg. Zeitraubender und tabellarischer Satz nach besonderem Tarif. Bei Wiederholungen Preisermäßigung, s — g Nt wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Zeld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von H. Rühle, Inh.: R. Storch in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich R. Storch in Groß-Dkrilla. Lo. 136. Sonntag, den 14. November 1909. 3. Jahrgang. Bekanntmachung. Des Kirchweihfestes wegen bliben die Amisräume des Gemeindeamtes Montag, den 15. November d. I. schlossen. Otteoäork-Aloritrläork, den 12. November 1909. Der Gemeindevorstand Vertliches und Sächsisches. Wahrheit-getreut Mitteilungen find der Redaktion stets erwünscht. Vttendorf-Gkrilla, den zz. November igog. —* Eine neue sächsische Staatsanleihe in Ticht? Wie aus dem soeben herousgegebenen TlaatShauShaltungS-Elat für 1910/ll heivor- Schi, beabsichtigt die R gierung, die noch un- degebene R-nienanleihe auf Grund dcs Gesetzes »W 4. Juli 1902 nicht weiter in Betracht >u ziehen, sondern eine andere höher verzins« b"e Anleihe zu begeben. Die Anleihe soll 150 Millionen Mark betragen und mit öl> Millionen Mark am 31. Dezember 1910, ^t SO Millionen Mark am 30. Juni 1911 »nd mit KO Millionen Mark am 31. Dezember iö1t aufgelegt werden. Für die vierprozentige Verzinsung dieser Anleihe ist ein Anteil von t'/i Millionen Mark bereits in den neuen ^>at eingestellt worden. -* Minisierialerlaß für die Saalinhaber. Hm V<rbandaorgan des Saalinhaberverbandes knd folgender Erlaß bclaimtgegcben: „Im Rufenden Jahre fällt das Totenfest aus den Eilten Sonntag des November, während zu- Strich der drille Sonntag im Dezember in der üsichlossenen Woche vor Weihnachten liegt, so- an diesem Sonntag die sonst regulatiomäßi Essigen Tanzmusiken nicht stattfinden dürfen Am Hinblick aus die wirtschaftlichen Nachteile, Kelche hieraus den beteiligten Erwerbskreisen Wachsen können, bat das König!. Ministerium Innern im Allgemeinen Genehmigung er- t'ilt, daß an Stelle der ausfallenden regulativ- Küßigen Tanzvergnügungen am vierten Sonn- tage diü Nov-mber beziehentlich am zweiten Sonntage des Monats Dezember öffentliche Tanzmusiken abgehalten werden." Königsbrück. Im Gasthaus zum Hirsch hatte am 19. Mai der vorbestrafte 30 Jahre alte Dienstknecht Ernst Oskar Lehmann aus Diera bei Meißen dem Fleischer Hornoff aus Neukirch ein Fahrrad im Werte von 80 Mark gestohlen. In der strafgeiichtlich anhängig gemachten Sache bestritt Lehmann, in diebisäter Absicht gehandelt zu haben und entschuldigte sich damit, er habe das Rad ver sehentlich mit dem von ihm gefahrenen Rade vertauscht. Diese Ausrede fand keinen Glauben, Lehmann wurde als rückfälliger Dieb mit 9 Monaten Gefängnis und 3 Jahren Ehren rechtsverlust bestraft. CoSwig. Zwei sehr ernstliche Unglücks fälle ereigneten sich am KirmcS-Montag in unserem Orte. In der Strohstoff-Fabrik ver unglückte durch Sturz von 2^ Meter Höhe ein Arbeiter derartig, daß er bewußtlos liegen blieb. Der Arzt, Herr Dr- Baumann, mußte leider eine Schädeloerletzung und Gehirn erschütterung konstatieren. Der zweite Unglücks fall ereignete sich in Schürmanns Eisenwerk, wo ein Former durch Ausgleilen sich die glühende Eisenmaffe über den Kops spritzen ließ. Herr Dr. Mittag verband den schwere Verbrennungen am Kopf und Nacken aufweisen- den Verunglückten und ordnete seine Ueberführung ins Meißner Krankenhaus an. Meißen. Am Starrkrampf verschied am Montag die Frau des Wirtschaftsbesitzers Hitiig in Jesseritz Vor etwa 14 Tagen hatte sich die Verstorbene an einem Gefäß un bedeutend an einer Hand blutig gerissen. Da die Wunde schnell wieder verheilte, hatte man dem Unfall keine Bedeutung betgemessen, bis am letzten Sonnabend sich Anzeigen von Starrkrampf einstellten, dem die unglücklich« Frau in kurzer Zeit erliegen sollte. Regis. Im Tagebau der hiesigen Braun- kohlengewrrkschaft stürzte der 38 Jahre alte Arbeiter Bruno Thalheim aus der Nachbar- stadt Borna, Vater von fünf unmündigen Kindern aus einer Höhe von etwa 5 Metern herab und zog sich durch diesen Sturz er hebliche Verletzungen zu, daß er bald darauf starb. Leipzig. In der letzten Versammlung der Gruppe Leipzig des „Sozialistischen Bundes", jener anarchistischen Vereinigung, die den Landerwerb zur Gründung an archistischer Kolonien betreibt, wurde über den Austausch der Kinder sozialistisch gesinnter Eltern verhandelt Die Anregung, den Nach wuchs sozialistischer Eltern ins Ausland zu schicken und dafür Kinder ihrer Genoffen in anderen Ländern zum Tausch aufzuehmen, ging ganz kürzlich von dem „Ruskin School Home" in Norfolk aus und hat, wie es in einem Ausrufe heißt, den Zweck der Freundschaft zwischen den verschiedenen Völkern und der proletarischen Solidarität einen Dienst zu er weisen. Die Leipziger Gruppe will am kommenden Fiühjahr mit dem Kinderaustausch den Anfang machen. Es wurde zugleich empfohlen, Verbindungen im Auslande an zuknüpfen, damit bei größeren Streiks eine zeit weilige Maffenabgabe der Kinder durchgeführt werden kann, um so die Kampfkraft der streikendenEltern zu erhöhen. Hat man denn auch schon einmal die Kinder gefragt. — Durch Vermittelung eines hiesigen Bank hauses ist dem Leipziger Heim für gebrechliche Kinder von einem ungenannten Geber die Summe von nominal 240 000 Mk. in bar und in Wertpapieren zur Förderung des Hauses schenkungsweise überlasten worden. — In der Nacht zum Donnerstag zwischen 2 und halb 3 Uhr ist auf der sogenannten Teerspitze zwischen dem Berliner und dem Magdeburg-Thüringer Bahnhofe eine Bau bude abgebrannt, gehörig der Firma Drucken müller in Tempelhof. Dabei sind zwei bei der Firma angestellte Arbeiter namens Schmidt und Lorenz, die sich unglaublicherweise in die Holzbude eingeschloffen und dort ein Feuer entzündet hatten, verbrannt. Vermutlich ist der Brand durch herausfallende glühende Kohle entstanden, die die Lagerstätten der Beiden in Flammen setzten. Das Feuer wurde von Bahn beamten gelöscht, ohne weiteren Schaden an zurichten. Chemnitz. Als Mörderin des vor einigen Tagen im Chemnitzfluß tot auf gefundenen unbekannten ca. IV, Jahre alten Kindes wurde die eigene Mutter, eine 19 Jahre alte EisendreherSehefrau, ermittelt, die von ihrem Manne verlassen worden ist und in ihrer Verzweiflung das älteste ihrer Kinder er tränkt hat. Königshain. Sonderbaren Besuch er hielt dieser Tage der hiesige Gutsbesitzer Reinhard Posselt. Ein Reh kam durchs Fenster in die Stube gesprungen, sprang über den Tisch, riß die Hängelampe herunter und sauste zu eirem anderen Fenster wieder hinaus. Frau Posselt befand sich zurzeit im Neben« stübchen und Herr Posselt in der Scheune. Beide Fenster und die Hängelampe waren natürlich zertrümmert- Lug au. Die zurzeit in Thalheim wohn hafte 19 Jahre alte Schneiderin Riba Hoch- stetter aus Galizien kam am Montag zu einer Familie, um ihr vier Monate alles Kind zu besuchen. In der darauffolgenden Nacht ist das Kind unter Erscheinungen gestorben, die auf gewaltsamen Tod schließen lasten. Di« gerichlsärztliche Untersuchung ergab, daß der Tod durch Ersticken herbeigeführt wurde. Die Hochstetter ist am Dienstag verhaftet und abends vom hiesigen Bahnhofe nach Chemnitz ein» I geliefert worhen. Zur Kirmrsfeier. Beflaggt find die Schenken Und biumenumrankt, In leuchtenden Lettern Ein „Willkommen" prangt. Die dörfliche Jugend In festlicher Tracht, Das dreht und beschaut sich, Da« kichert und lacht! Behäbig die Alten Gar stillschmunzelnd ruh'n, Am qualmenden Pfeifchen Sie gütlich sich tun. Das Bier macht die Runde, Es schäumt sonnenklar — Dank! gütiger Sommer, Der solch' Hopsen gebar! Jetzt kratzen die Geigen Im Chore den Tanz, Es fliegen die Zöpfe, Es wiegt sich d.-r Kranz. Das Blut wirbelt schneller, „Ein Küßchen!" „Mog's sein!" Ach, da- übertrifft doch Bier noch und Wein! Der verunglückte kirmeskucken oä«r Drei Nullcken mekv. . Lange ist's her und zu einer Zeit passiert, ? unser Ollendorf mit oll' seinen Nachbar- Asern noch nicht bis in die finstersten ^ink-l mit Gaslicht erleuchtet wurde und noch ^»all in den Wohnstuben Oellampen brannten, ungefähr um die Zeit ist's geschehen, als 'k Großvater die Großmutter nahm. Aber ^gnen tat» auch und daß da der Kuchenteig "ch besonders viel Arbeit macht, misten wir, damals wußtens die Olten- und Moritz- °kser, und den Groß- und Klein-Okrillern suchte cs niemand zu erzählen. Was nun ^j>äli-r Lehmann seine Frau war, das war eine ganz besonders Kluge, die hatte sich vor gesehen, denn nich bloS, daß so der übliche Be such zur Kirmes kommen sollte, nee, sogar vornehmer hatte sich angemeldet. Natürlich gab's da einen tüchtigen Haufen Arbeit und wer nicht sroh wurde, war die Lehmann'n und dazu noch Lehmanns Lenchen, dem alten Leh mann und der klugen Frau Lehmann ihre Tochter. Das war nun ein bildhübsches Mädchen und im Dorfe hatten die Alle gerne und der alle Gendarm hatte egal seinen Trasch, daß sich die Burschen um die Lene nicht die Köpfe blutig schlugen. Also die Lene hatte natürlich einen Schatz und wenn das nu eigentlich nicht zum Kuchenteig paßt, erzählen muß ichs und es wird auch niemand etwas dagegen haben und damals hätten die Burschen auch nichts gesagt, wenn Müller Reinhold nicht gerade den Burschen zum Hohn aus Medingen gebürtig war. Das war von der Lehmann Lene nicht schön, wo's doch im Dorfe genug Burschen gab. Auf Müller Reinholde war'n natürlich Alle wilde. Daderfür halte ihn aber die Lene schrecklich gerne und egal bei dem Herrichten des Kuchenteiges stand sein Bild vor ihren Augen. Was nu der alte Lehmann war. der trank gerne einen, nich gerade daß er suff, aber mit drei „Pullchen" war er voll. Weil er nu nischt helfen konnte bei der Kuchen- macherei, ging er in die Schenke und koofte sich etliche Pullchen. derweilen schimpfte die alte Lehmann'n zuhause, daß die Lenchen egal an den Medinger Reinhold denken täte und daß sie den noch lange nicht hätte, da wäre sie sehre dergegen und lauter solche Sachen. Aber daderbei war och der Kuchenteig fertig im Backtrog, denn di- Lehmann'n hatte gleich den Teig darin eingerührt, weil dec nu steif war und auch so ein Wetter wie heute, schaffte sie den gleich in eine leere Kammer, denn von ihrer Mutter wußte sie, daß der Kuchen „bester gerät, wenn- regnet und du wartst bis zum andern Morgen damit, da geht er nachher scheene". Daderbei warS späte geworden und schon lange lagen die Lehmann W-iber im Bett«, als auch der alte Lehmann „vull" nach hause kam- Der ging nu ein kleines bischen „über den Onkel" und schob an seiner Kammer tür vorbei, gerade nein in die Kammer, wo der Kuchenteig stand. Die alte Lehmann'n hatte ein hübsches weißes Bettuch über den Teig gedeckt und Lehmann tapste nu so „an der Wand lang", bis er an den Backtrog kam, natürlich griff der blos einmal hin und wie er merkte, daß er so was wie ein Bettuch fühlte, kullerte sich Lehmann rein in den Back trog. Lehmann war nu so ein bisterle klein und dick und sank recht hübsch in den Teig. Jedenfalls, hat mir Müller Reinholde sein Junge, was jetzt der alte Müller ist, der sich hinter Dresden eine kleine Wirtschaft ein gerichtet hat, erzählt, daß Lehmann in der Nacht sehr gut geschlafen hätte. Was vie alte Lehmann'n am andern Morgen alles ge sagt hat, kann ich gar nicht erzählen, kurz, wie sie so im besten Zuge war, kommt Müller Reinhold, der eine Fuhre rüber hatte, gerade zur Türe rein und erwischt Lene, die den Kuchenteig ins Spülfaß gießt fürs Schweine- futter Und weil Reinhold dann schnell nach Medingen gefahren ist und die Marie geholt hat, was seine Schwester war und dann in Radeberg neue Backzutaten und was sonst noch nein gehört im Dorfe zusammengeholt hatte, gabs zum ersten Kirmestag eine schöne Ver lobung und der verunglückte Kirmeskuchen hat noch das Glück zweier Menschenkinder be gründet. Lehmann aber sagte noch lange da nach, wenn er daran dachte, die Worte, die er als Verteidigungsrede gebraucht hatte, als ihn die alte Lehmann'n aus dem Kuchenteig zerrte: „BloS 3 Pullchen mehr wie sonst, blos 3 Pullchen mehr und da passiert einem gleich so was! — Nee wer das gedacht hätte. BloS drei Pullchen mehr." Mas mei freinck Smit in Gvoks-Okriil« Mr einen schrecklichen Kermestraum Katte Gar Schreckliche« hat mir geträumt * In dieser letzten Nacht: * Man hatte alle Schen ken wegqeräumt * Und alle Kneipen zugemacht! * Im Roß da war ein Kloster drin * Dort trank man Master nur * Und auch vom Gold» nen Ring * Entdeckt man keine Spur. * Bei Guhrs da könnt man keinen Skat * Recht fest und lang mehr dreschen, * Frau Lehnert ver kauft' kein'n Krautsalat * Und auch nichts andres mehr zu essen! * Zu Küttners Restau rant * Und auch zu Menzel draußen * War ganz vergeblich dieser Gang * Man kriegt nichts mehr zu — trinken. * Bei Hauswald» und bet Härtels nicht * Und selbst im Wil« helmsbad * Gabe nun kein KirmSgericht * Kein Bier und keinen Skat. * Da fleht ich schnell die Götter an: * „Schafft blos die Kneipen wieder her! * Das weiß doch jeder Mann * Sonst geht die ganze Kirmse quer!" * Da plötzlich kriegt ich einen Knuff * Von meiner Alten in die Seiten * „Nu' steh nur endlich uff! * 's werd' gleich zur Kerche leiten?" * Herrgott sprang ich da hoch * Wie ich die Worte hört' * Ich srug: „Du, stehn och alle Schenken noch? * Sin och die Kneipen nich zerstört?" * Die Gust- sagt, ich hält nen Klaps, * Doch 'S hat mich nich geniert * Die Weiber wissen nicht wie hart * Das ist, wenn so ein Traum auch wirklich wär passiert. * Und Alle dürft ihr froh mit sein * Ihr Jungen und ihr Alten * Denn trifft erst so ein Traum mal ein * Dann ist's vorbei mit Kirmsehalten. * Drum hoch die Kirmes-Kneiperei! * Ein Hoch dem frohen Kirmestanz! * Flecht' Frohsinn nur recht reichlich ein* In Euren Kirmeskranz!