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MlsdmfferTageblatt WIM für Lürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: Lie «gespaltene Siaumzeiie 20 Rpsg., die 4gespalicne Zeile der amllichcn Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennige. die «gespaltene Reklamezcilc im textlichen Teile I RM. Nachwcisungsgebühr 20 Reichspscnnige. Darge» schrieben- E-scheinungs- , „ tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: AtNt BljlsdrUff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis norm.lv Uhr. — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlisch«, wenn der Betrag durch, Klage Ungezogen werden muh oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2.— RM Ire, Haus, bei Postbcstcllung 1,8V RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern lv Rpsg. Alle Postanstal,cn und Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend kegAW^öh^ Gewalt, Kneg od. sonstiger ——— Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. Nr. 303 — 91. Jahrgang Telegr-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 28. Dezember 1932 Wenn zwei dasselbe tun... Erstaunlicherweise gibt es — allerdings noch nicht sehr lange — sogar in Frankreich recht maßgebliche Leute, die aus das politische Handeln oder Unterlasten ihres Landes und Volkes nicht mehr ganz unbedingt das weisheitsquel lende Wort anwenden: „Wenn zwei dasselbe tun, so ist das noch längst nicht dasselbe!" Der Lateiner drückte das ein bißchen robuster aus und sagte: „(juock liest llovi, non liest dovi", was in unser geliebtes Deutsch übertragen heißt: „Was den Obersten der Götter gestattet ist, darf sich noch längst nicht jeder Ochse erlauben". Wenn man dies nun auf die Nichtbezahlung der französischen Schulden an Amerika anwendet, so würde dies etwa bedeuten, daß man in Paris zwar ein bißchen Ver tragsbruch verüben darf, aber z. V. Deutschland trotzdem nicht an die Heiligkeit der Nachkriegsverträge zu rühren hätte. Aber es gibt doch auch in Frankreich einige Leute, denen dies nicht mehr so recht „eingehen" will. Und die das auch sagen, die rebellischen Gedanken nicht bei sich behalten, son- dern sie vor aller Öffentlichkeit auszusprechen wagen. Auch der über die Nichtbezahlung der Schulden gestürzte Mi nisterpräsident Herriottat und wagte es. Er machte der Kammermehrheit Vorwürfe wegen ihres Beschlusses und fuhr dann fort: „Diejenigen, die für die Zahlungsver weigerung stimmten, hätten auch daran denken müssen, daß f i e es waren, die zur Besetzung des Ruhrgebietes rieten, als Deutschland sich weigerte, Zahlungen zu leisten". Wir Deutsche nehmen auch dies zur Notiz, möchten aber dabei vermerken, daß aus Gründen der Nichtleistung von Zah lungsverpflichtungen Deutschlands das Ruhrgebiet gar nicht besetzt worden ist, und haben des weiteren auch noch ein anderes nicht ganz vergessen: Herriot selbst hat als Ministerpräsident auf der Daweskonferenz in London 1924 es avgelehm, trotz Unterzeichnung des Vertrages die fran zösischen Truppen sofort aus dem Ruhrgebiet fortzuziehen, vielmehr erzwang er von Deutschland das Zugeständnis, sich mit dem Abrücken der Truppen erst für 1925 zufrieden- Lustcllen. „Heute sind esdieErsinderderTheorievon den Sanktionen, die selbst für die Zahlungs verweigerung eintreten", klagt Herriot und meint damit namentlich die Herren Marin, Tardieu und andere Mitglieder der Rechten und der Mitte in der Deputierten kammer. Aber in diesen Kreisen ist das Rechtswidrige des Satzes: „Wenn zwei dasselbe tun, so ist es noch längst nicht das gleiche" natürlich keineswegs anerkannt. Herrioi aber wird noch offenherziger: „Wird man es jetzt etwa wagen, Japan, das in der Mandschurei bleibt, oder Östen reich, das den Anschluß an Deutschland erstrebt, Vorwürfi zu machen?" Woraus zu entnehmen ist, daß zum mindester Herriot die Theorie des „tzuock liest llovi, non liest bovi" ir bezug auf Frankreich als „Jupiter" und auf die übriger Länder als „Ochsen" tatsächlich aufgegeben hat. Ein recht „pikantes" Zwischenspiel sei vermerkt. Aus die Mitteilung von der französischen Nichtbezahlung del Schulden veröffentlichten die Blätter des größten ameri kanischen Zeitungskonzerns die amtliche Darstellung dar über, wie sich Frankreich im Februar 1918 gebärdete, att die damals an die Macht gekommene Sowjetregierung Lenin erklärte, Rußland erkenne die zaristischen Vorkriegs- und Kriegsschulden nicht mehr an und werde sie nicht be zahlen. Da habe der französische Finanzminister dem Interalliierten Rat eine lange Entschließung vorgelegt, worin es geheißen habe, daß dieser russische Vertrags bruch geradezu die Grundlagen des Völkerrechts zerstöre und man keinem Volke zumuten könne, einen Vertrag zu schließen oder ihn zu halten, wenn den Russen die Weige- rung, ihre Schulden zu bezahlen, so einfach durchgehe. Die Russen, von denen vor dem Kriege immer zwei „Muschiks" für einen französischen Rentner arbeiten und darben mußten, haben aber 1918 offenbar geglaubt, mit dem Blutopfer von vier bis fünf Millionen Menschen ihre Schulden mehr als reichlich abbezahlt zu haben. Daß man nun in den „betroffenen" französischen Kreisen wegen der Offenherzigkeit Herriots gleich in die entrüsteten Zeitungstrompeten stößt, daß man ihm vor wirft, er gebe Deutschland Waffen in die Hand und stärke diesem „Gegner" den Rücken in dem Kampf gegen die Nachkriegsverträge, — all dies geschah, ist aber wirklich vollkommen überflüssig! Denn so — begriffsstutzig sind wir denn doch nicht, um nicht selbst auch diesen vertrags politischen „Dreh" zu kennen! Ob Frankreich seine Schulden an Amerika bezahlt oder nicht, ist für uns nicht das Wesentliche, Wohl aber, daß Frankreich einen freiwillig abgeschlossenen, vier Jahre lang in Kraft und Ausführung befindlichen Vertrag nicht erfüllt hat, obwohl es ihm möglich war. Denn, wie Herriot sagte, man habe ja den Ungarn 300 Millionen und den Banken 2 Milliarden Franc bewilligt. Das sind rund 600 Mil lionen Mark, also fünfundzwanzigmal soviel, als Frank reich an Amerika zahlen sollte. Wir haben eben in Deutschland auch ein Sprichwort: „Was du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem andern zu!" Reichstag Das Programm för den Reichstag. Mitte Januar Regierungserklärung. Wie nunmehr feststeht, tritt der Ältestenrat des Reichstages am Mittwoch, den 4. Januar, zu einer Sitzung zusammen, um die kommunistischen Anträge auf sofortige Einberufung des Reichstages zu behandeln. Die Kommu nisten werden in dieser Sitzung beantragen, daß der Reichstag möglichst sofort zusammentretcn soll. Der früheste Zeitpunkt, der in Frage kommt, würde Montag, der 9., oder Dienstag, der 10. Januar, sein. Es ist aber fraglich, ob die anderen Parteien mit einer so frühen Ein berufung des Reichstages einverstanden sein werden. Es ist möglich, daß der Reichstag sich erst Mitte Januar wieder versammelt. Die Tatsache, daß der Ältestenrat des Reichstages erst am 4. Januar und nicht schon, wie ursprünglich beabsich tigt, am 29. Dezember zusammentreten wird, wird in politischen Kreisen als Anzeichen dafür gewertet, daß man versuchen wird, es nicht sofort zum parlamentarischen Bruch kommen zu lassen und zunächst wenigstens der Reichsregierung Gelegenheit zur ungcstörkcnAusarüeitung ihrer Pläne zu geben. Sollten sich keine Zwischenfälle er eignen, so würde mutmaßlich die Regierungserklärung im Reichstage etwa um den 17. Januar herum abgegeben werden. Die zweite Hälfte des Januar wäre damit der äußerste Termin, an dem die Neichstagsparteien offiell zum Kabinett Schleicher Stellung zu nehmen hätten. Nachrichten, wonach die Rcichsregierung beabsichtige, den neuen NcichshauShalt durch Notverordnung in Kraft zu setzen', eilen zum mindesten den Tatsachen inso fern voraus, als die Neichsregierung durchaus gewillt ist, im Januar. den Haushalt auf dem ordnungsmäßigen Wege zu verab schieden. Ob dies möglich ist, hängt allerdings nicht von ihr ab, sondern von der Stellungnahme der Parteien. Eine vorzeitige Konfliltsmöglichkeil bildet der von dem Vorsitzenden Torgler bereits für den 10. Januar einberufene Haushaltsausschutz des Reichs tages. Die Einberufung erfolgte, obwohl der Finanz minister hatte mitteilen lassen, das; er zu diesem Zeitpunkt den geforderten genauen Aufschluß über den Stand der Reichsfinanzen und über den Haushalt noch nicht werde geben können. Der Reichsfinanzminister wird jedoch ver suchen, den Wünschen des Haushallsausschusses so früh zeitig wie möglich Rechnung zu tragen und jedenfalls von sich aus keinen Konflikt mit dem Ausschuß suchen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er dem Ausschuß wenigstens einen vorläufigen Bericht erstattet oder erstatten läßt. * Jie DilrWhklW der 6M1WWW; Berlin, 28. Dezember. Die Vorfinanzierung des 500 Millionen-Sofortprogramms sür die Arbeitsbeschaffung liegt, wie der Lokalanzeiger erfährt, vorbehaltlich der noch außen stehenden Beschlüsse des Kabinettsausschusses im wesentlichen fest. Sie geschehe auf der Grundlage der Steuergutscheine mit der bei diesen vorgesehenen Tilgungsdauer von 5 Jahren. Ein geschaltet würden die Gesellschaft für öffentliche Arbeiten und die Rentenbanlkreditanstalt. Man erwäge ferner, die Gesamt- schuld, die den bei dem Sofortprogramm als Unternehmer auf- trelenden Gemeinden hierbei erwächst, von vornherein zu kon solidieren, um sür sie eventuell durch Ncichszinszuschüjse erträg liche Bedingungen zu schassen. Die Durchführungsbestimmun gen des Programms würden erst etwa Anfang Januar erlaße« werden. Vas vanäwrrk an der Jahreswende. Aeujahrswönsche des Handwerks. Bilanz am Jahresende. Der Präsident der Handwerkskammer zu Berlin, M. Ludwig, veröffentlicht zum Jahreswechsel folgende Ausführungen über dieLageunddieWünsche des deutschen Handwerks: Das Bestreben des Handwerks ist daraus gerichtet, der Handwerkswirtschast den nötigen Lebcnsraum im Bereich der Gesamtwckrtschaft offen zuhalten. Diesem Ziele dient die Eingliederung des Handwerks in eine beruss ständische Wirt schaf t s o r d n u n g, die auf der Grundlage der Gemein schaftsarbeit zu erneuern ist. Die wirtschaftliche Organi sation kann nur auf der Grundlage der Privatwirt schaft ausgebaut werden. Der Staat hat sich zu be schränken auf die Führung der Gesamtwirtschaft nach anßen hin und auf die Sicherung der Grundlage alles wirtschaftlichen Handelns im Innern. Darüber hinaus muß das wirtschaftliche Handeln freibleiben. Daraus folgt u. a. auch, daß Eingriffe staatlicher Stellen in die Preisbildung zu unterbleiben haben. Der Preisstand des Handwerks deckt kaum noch die Unkosten. Daß die Betriebe der öffentlichen Hand, soweit sie nicht Gas, Wasser und Elektrizität liefern, eingestellt werden müssen, hat hier und da schon mancher Minister zugegeben. Das Handwerk wartet auf ihre Beseitigung. Die Gefängnisarbeit ist eine der schwersten Schädigungen, die dem Handwerk von behördlicher Seite bereitet werden. Die vom Hand werk angestrebte Einschränkung der Gewerbefreiheit wird in der Öffentlichkeit vielfach falsch beurteilt. Die Schädigung der Handwerker durch die Schwarz arbeit ist ungeheuerlich. Es wird ein ausdrück liches Verbot gefordert, der Arbeitgeber soll selbst schuldnerisch für die den Arbeitnehmer treffende Strafe haften. Die mittleren und unteren Einkommensschichten, zu denen das Handwerk einen großen Teil stellt, sind mit Steuern und sozialen Lasten weit über ihre Tragfähigkeit hinaus belastet. Die im Juli d. I. eingeführte Schlacht st euer bringt das Schlächter handwerk zum Erliegen; ihre Aufhebung liegt auch im Interesse der Käufer, deren Kaufkraft doch beständig in der Abnahme begriffen ist. Die Beitragslasten für die Berufsgenofsensch asten sind zu einer Höhe an gewachsen, die in keinem Verhältnis mehr zu den Erträg nissen der Betriebe stehen, wobei ins Gewicht fällt, daß die Verteilung der Lasten vielfach nur nock auf eine geringe Zahl von Betrieben möglich ist. Es wirkt seltsam, daß' durch das Sichcrungsverfahrcn für Landwirte der Handwerker seine Rechnungen nicht bezahlt erhält, während es bei ihm zur Zwangsvollstreckung kommt, wenn er Lieferantenschulden oder Steuern nicht bezahlen kann. Die mühevolle Arbeit des Handwerks für die Ausbildung seines Nachwuchses wird auf die Dauer nicht mehr erfolgreich sein können, wenn der Lehrling vom Tarifvertrag erfaßt wird. Das Lehrverhältnis ist nun einmal ein Erziehungs- und kein Arbeitsvcrhältnis. Für Instandsetzung des Althausbcsitzcs, Teilung von Wohnungen und Umbau gewerblicher Räume zu Wohnungen sind bekanntlich 50 Millionen zur Ver fügung gestellt. 80 Prozent der Kosten muß der Haus besitzer übernehmen. Da der Hausbesitz in den letzten Jah ren keine oder nur eine geringe Rente abgeworfen hat, wünscht das Handwerk, das durch die Instandsetzung der Althäuser Arbeit bekommt, die Einbeziehung der Hauszins st euer in das Steuergutscheinverfahren. Daß die letzten Neste der Zwangswirtschaft im Wohnungswesen beseitigt werden müssen, ist ein ein mütiger Wunsch des Handwerks^ Es bestehen sür öffentliche Ausschreibun gen behördliche Vergebungsstellen, die die Gewohnheit haben, das niedrigste Angebot zu wählen. Das Handwerk wünscht, daß nur solche Betriebe berücksichtigt werden, dis für die Erfüllung der Verpflichtungen die nötige Sicher heit bieten, und daß der Zuschlag nur auf das Angebot er teilt wird, das als das wirtschaftlichste erscheint. Die Erstarkung des gewerblichen Genossenschaftswesens ist für die Ankurbelung der Wirtschaft von besonderer Be deutung. Nach dem statistischen Reichsamt hat die große Menge der Genossenschaften, bei denen 26 Prozent der Mit glieder Handwerker waren, eme bemerkenswerte Krisen festigkeit bewiesen, während die Großbanken vom Staate gestützt wurden. Die Spitzenvertretung des Handwerks hat an den Reichspräsidenten die dringende Bitte gerichtet, sür den gewerblichen Mittelstand eine entsprechende Vertretung im Reichsministerium zu schaffen, damit endlich die' kühle Gleichgültigkeit der behördlichen Stellen gegenüber dem Handwerk der Be achtung Platz macht, die der Berufsstand verdient. Di» Erfüllung oder Nichterfüllung dieser Bitte wird einen Maßstab abgeben für die Einschätzung der Bedeutung; dieser wichtigen Schicht, die den Puffer zwischen Groß kapital und Arbeitnehmerschaft bildet.