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MÄmUÄMM Nr. 255 — Jie ReW- md VersGW-Refm. Wichtige Ausführungen des Reichsauhenministers. S für Bürgertum, Beamte. Angestellte u. Arbeiter werden nach Möglichen Fernsprecher- Amt WilSbruK P>°tz-°rI<i>rM«x annahmebisvorm.10Uhr. --- «.üivvrus! v berücksichtig!. Anzeigen. durch Fernrns übermittelten Anzeigen übern, wir keine Eiaiantt. -i.n«. , I die Richtigkeit der «>°°° -'ng-zbgen °«d7n'müb 7e"^ wenn der Be.r.g d«ch s« Wil-druff°r'^g°b.-n ist das,,ur V°röff°nMch«ng Meisten, de- Amt-. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Fall- HSH-r-r G-wail, - Lieierung de, Heilung -der Klirzung de- B-zng-brc„e-.- Rükksendun, niebsstSrungen besteht Kern ^A^,^'EchristsiL°ckk eüolgi nur, wenn Porto beiliegt. Irrungen und Wirrungen. Der Prediger in der Wüste — „Hungermarsch" aus London — Wenig „Pulver" im Wahlkampf. Vor kurzem erst hat einer unserer prominentesten Wirtschaftsführer — er verdient diese Bezeichnung mit Recht — über die Aussichten einer Wendung zum Bes seren gesprochen und dabei geradezu flehend ausgerufcn: »Ruhe gehört dazu und nochmals Ruhe, damit das Vertrauen wieder langsam zurückkehren kann." Und mit vollem Recht fügte er hinzu: „Es ist eiu Verbrechen an der Wirtschaft, der Nährmutter der Menschen, wenn durch dauernde politische oder wirtschaftliche Beunruhi gung ihr die Möglichkeit, sich zu entfalten, entzogen wird." Allerdings haben solche Mahnungen, — und mochten sie noch so berechtigt sein! — selten Gehör ge funden; der Mahnende blieb ein Prediger in der Wüste. Wenn wir aber nach den Gründen sür unser Krisen elend suchen, so stoßen wir dabei ja sehr bald und oft gerade auf die „Politik", sei es außen-, sei es innen politischer Art, die zuwenig oder meist gar nicht daran denkt, daß sie es ist, die auf die „Nährmutter der Menschen" einschlägt. Leider wollen das aber viel zu diele nicht sehen und einsehcn, und da wrr Deutsche achtzehn Jahre lang den schwersten Nervenproben aus gesetzt wurden, spürt man die Folgen und es ist zwee^ Ws, „Ruhe und nochmals Ruhe" zu verlangen. Ist doch auch wieder mit dem Urteil in Leipzig ein neuer der artiger Beunruhigungsherd entstanden, wahrend rings um die Feuer des Wahlkampfes lodern. Denn der Kon flikt, der in Leipzig gedämpft, aber praktisch nicht aus getragen wurde, „spielt" ja nicht bloß in den „oberen" Regionen der Verwaltung, bedeutet nicht bloß eine recht- kich-politische Auseinandersetzung zwischen den Spitzen der Reichs- und preußischen Behördenorganisation, son dern strahlt politisch hinaus bis in die fernsten Winkel des dom Wahlkampf zerwiihlten Deutschland. So vieles gerät wieder in Schwebe, was sich allmählich zu festigen schien, und mancher etwas sicherer erscheinende Weg führt nun wieder über schwankenden Grund. Verhängnis voller als sonst ist es heute aber auch, wenn gerade bei den obersten Stellen der Verwaltungen offene oder nur mühsam verborgene, dafür aber tiefgehende Gegensätze oder „Kompetenzstreitigkeiten" bestehen; denn heute, im Zeitalter der Notverordnungen, ist ja die tatsächliche Bedeutung, der für fast alle Gebiete des wirtschaftlichen und sozialen Lebens maßgebende Einfluß gerade der oberen Verwaltungsbehörden ganz gewaltig gestiegen. Vnd wenn es dort „oben" noch Wirrungen gibt, da schließlich doch Irrungen ja auch schon geschahen, Weil sie nur — menschlich sind, dann. . . ! Selbst die konservativste Wirtschaft der Welt, die Großbritanniens, ist ja längst durch die politische und wirtschaftliche Entwicklung aus ihrer früheren Ruhe auf- gestört worden und hat heute mit ähnlichen Problemen zu ringen wie die unsrige. Genau wie bei uns, wenn auch nicht in dem fast alle und alles nivellierenden Umfang, steht das Gespenst derArbeitslosig-keitüber England, und in dem jetzt gerade zwölf Monate von einer konservativen Mehrheit beherrschten Parlament, in Ler „Nationalregierung" Macdonalds, hat man ebenso wenig ein Heilmittel gegen die wachsende Arbeitslosigkeit gefunden wie bei der bis dahin regierenden Arbeiterpartei. Die Folgen davon sind eine politische Radikalisierung der Arbeitermassen, die schon zu einer Abspaltung von der Labour pLitz'", der Arbeiterpartei, führte, außerdem kom munistische Anschauungen verbreiten ließ. Es ist aber doch mehr als nur eine politisch-radikale Demonstration, wenn jetzt ein paar tausend Arbeitsloser einen „Hungermarsch" muf London zu veranstalten und dort mit den Zehntausen- Len politisch ebenso eingestellter Erwerbsloser zusammen- ckrcffen. Im Londoner Hvdepark, der schon so viele selt same Demonstrationen sah — er liegt übrigens im vor nehmsten Viertel der Weltstadt —, ist das große Meeting «bgehalten worden. Aber die englische Regierung, beson ders Macdonald, zählt nicht die Demonstranten, sondern wägt das Ereignis, — denn das i st es! Auch er ist vor eine Lage gestellt wie die es war und ist, die uns Deutschen immer wieder den an und für sich sinnlosen Ruf erpreßte: Es muß etwas geschehen! Etwas geschehen, um Lie politische Depression zu überwinden, die — trotz oder wegen der Konferenz von Ottawa — einen so unheilvollen Einfluß auf die englische Wirtschaft ausübt. Macdo nald sieht auf das heute politisch am höchsten auflodernde Bcruhigungsfeuer der A b r ü st u n g s f r a g e. Mit dem amerikanischen Teilnehmer an der Genfer Konfe renz, Norman Davis, scheint er sich in langen Konferenzen jetzt geeinigt zu haben, und der fast sensationell scharfe Vorstoß, den Mussolini bei der „Zehnjahresfeier" des Faschismus mit ganz unmißverständlicher Deutlichkeit gegen die französische Rüstungs- und Hegemoniepolitik zmmer wieder machte, wurde in London sehr sympathisch ausgenommen. Aber wenn man in die Irrungen und Wirrungen dessen hineinblickt, was sich nun seit Jahren „Abrüstungspolitik" nennt und die Geschicke der Mensch- chcit auch wirtschaftlich stärkstens beeinflußt, dann ist man versucht, ein etwas schnoddriges Witzwort zu zitieren: E s Seht nirgends doller zu als auf der Welt! Aber das ist heute nur noch Galgenhumor. I In Berlin fand ein Festabend des Vereins Ber liner Presse statt, zu dem der Reichskanzler und andere Mitglieder der Neichsregierung, Vertreter der staatlichen und der übrigen Behörden und Persönlich keiten des öffentlichen Lebens in großer Zahl erschienen waren. Nachdem der Vorsitzende des Vereins Berliner Presse, Chefredakteur Dr. Klein, seine Begrüßungs ansprache mit einer eindrucksvollen Ehrung des Reichs präsidenten v. Hindenburg als des Oberhauptes des Deut schen Reiches abgeschlossen hatte, ergriff Reichsinnen minister von Gahl das Wort zu einer längeren Rede. Er erklärte u. a.: Es ist mir der Wunsch nahegebracht worden, etwas über die im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen den Fragen der Reichs- und Verfassungs reform zu hören. Bisher ist außer den Ausführungen des Reichskanzlers und meinen Darlegungen am Ver fassungstage nichts von Regicrungsseite bekanntgegeben worden. Das bisherige Schweigen der Reichsregierung war nicht Geheimniskrämerei, sondern hatte gute Gründe. Die Fragen der Gesamtreform sind so schicksals schwer und so schwierig, daß sie reiflicher und ein gehender Überlegung bis in alle Einzelheiten hinein be dürfen. Daß die Zustände in Deutschland reformbedürftig sind, wird so allgemein zugegeben, daß ich darüber keine Worte zu verschwenden brauche Wir haben uns nun — trotz der Fülle von Vorarbeiten und Lösungsversuchen in dieser Frage — entschlossen, einen eigenen Weg zu gehen. Auch wäre es völlig abwegig, ausländische Vor bilder auf deutsche Verhältnisse zu übertragen. Grund stürzende Neuerungen werden unterbleiben. Das gilt unter anderen Punkten besonders für die Staats form. Das gilt auch von dem Gedanken des Einheits staates. Wer den Versuch gemacht hat, sich ernsthaft in die Geschichte unseres Volkes zu vertiefen, der lehnt trotz Würdigung aller offenbaren Vorteile eines Einheits staates und trotz der Erfahrungen aus neuester Zeit diesen Gedanken ab und bekennt sich zu dem Bundesstaat. Es steht heute schon fest, daß kein deutsches Land gegen seinen Willen seiner Eigenstaatlichkeit beraubt und einem größeren Reichsgliede zugeteilt werden soll. Es steht ferner fest, daß eine Neueinteilung des Reiches in neue Länder oder Reichsprovinzen nicht in Frage kommt. Deswegen halten wir fest an dem bundesstaatlichen Charakter des Reiches und an der Achtung vor seiner Gliederung und suchen aus der Eigenstaatlichkeit der Län der und den ihnen innewohnenden Kräften, die im Heimat boden wurzeln, das Beste sür das Gesamtreich zu ent wickeln. Es ist aber eine durch die Erfahrungen langer Jahre erhärtete Tatsache, daß die bisherige Regelung des Ver hältnisses zwischen Reich und Preußen dringend der Neuordnung bedarf. Preußen umfaßt drei Fünftel des Reichs. In seiner Hauptstadt regieren Reich und Staat nebeneinander und zeitweilig auch in Lebensfragen der Gesamtnation gegeneinander. Dieser Zustand ist unhaltbar. Entsprechend dem bundesstaatlichen Charakter des Gesamtreichs soll die Eigenstaatlichkeit Preußens nicht weiter angetastet werden, als es das Rcichsinterefse erfordert, das ein möglichst reibungsloses Zusammen arbeiten verlangt. Frhr. von Gahl befaßte sich sodann mit dem Urteil des Staatsgerichtshof in Leipzig und betonte, daß das Urteil selbst darauf Hinweise, daß der Reichspräsi dent unter bestimmten Voraussetzungen die Maßregeln treffen kann, die zur Erzieluna einer einheitlichen Auch der deutsche Wahlkampf nimmt sich von außen her nur als ein Knäuel solcher Irrungen und Wirrungen aus. Die fünf großen Parteifronten stehen scharf gegeneinander, wie ja der Deutsche überhaupt politisch immer lieber „gegen" etwas ist als „sür" etwas. Freilich, „es geht mit gedämpfter Trommel Klang", weil das fehlt, was seit Montecuculis bekanntem Wort das wichtigste ist bei jeder Kriegführung: Geld, Geld und nochmals Geld. Vielleicht wird aber gerade dadurch die politische Willcnsbildung des Wählers erleichtert und vertieft, wenn das Kampffeld nicht so stark vom „Pulver"dampf der Wahlagitation verhüllt und — ver nebelt ist. Der Reichskanzler hofft auf ein Wieder erstehen der deutschen „Weltanschauungsparteien". Wer weiß aber, ob das wiederkommt. Denn in dem anfangs zitierten Worte des Wirtschaftsführers wird gesprochen von der „Nährmutter der Menschen"; sie ist aber nicht die Politik, sondern die Wirtschaft ist es, die unser Menschenschicksal bestimmt. Dr. Pr. Politik im Reich und in Preußen als notwendig erscheinen. Preußen soll als einziges deutsches Land in ein engeres Verhältnis zum Reich treten. Seine eigenstaatliche Willensbildung gegenüber dem Reich soll nicht ausgeschaltet, sondern so organisiert werden, daß Meinungsverschiedenheiten einen brauch« baren Ausgleich von Kabinett zu Kabinett finde« können. Das neue Verhältnis Reich-Preußen ist in de« beiden Verfassungen gleichmäßig zu verankern. Die Entwicklung seit Weimar hat praktisch zu einer übertriebenen Zentralisation vieler Verwaltungszweige in Berlin geführt und damit Entscheidungen an die falsche Stelle gelegt. Notwendig ist eine starke Ver lagerung der Aufgaben auf Länder und Gemeinden sowie eine Änderung des Finanzausgleichs mit dem Ziele, daß Länder und Gemeinden wieder die Aufgaben selbständig übernehmen und durchführen können, zu deren Erfüllung bisher Mittel vom Reich erdete« werden mußten. Schließlich ein Wort zu der eigentlichen Ver- fassungsrcform. Wir würden unsere Pflicht gröb lich verletzen, wenn wir die Verfassungsreform unter dem Gesichtswinkel einseitiger Vertretung von Standesinter- essen oder Berufs- und Wirtschaftszweigen führen wollten. Aber wir sehen den ersten Mangel in einem überspitzten Parlamentarismus. Gegen Zufallsmehrheiten muß eine Sicherung ein gebaut werden. Sie kann im Ausbau der Rechte deS Reichsrats oder im Einbau einer b e r u f s st ä n d i s ch e« Kammer in die Konstruktion der Volksvertretung oder in einer Mischung von beiden lvstehen. Jeder Versuch, auf längere Sicht in Deutschland etwas zu schaffen, ist bisher an dem ständigen Wechsel der Regierungen ge scheitert. Deswegen müssen durch Abänderung des Artikel 54 der Reichsverfassung Hemmungen eingebaut und der Gedanke einer ge sicherten, vom Parteigctriebe unabhängigen Regierungs gewalt durchgesetzt werden. Schließlich sollen Änderungen der Wahlrechtsbestimmungen in der Verfassung und des Wahlgesetzes vorgeschlagen werden. Wir halten es für richtig, das aktive und passive Wahlalter um etwa fünf Jahre beraufzusetzen und den selbständigen Familienernährern, gleichviel ob Mann oder Frau, und den Kriegsteilnehmern eine Zusagstttnnre zu gewähren, welche die Bedeutung der Familienernährer kür rmsn Volk unterstreicht und den Kriegsteilnehmern oen Dank oes Vaterlandes zum Ausdruck bringt. * Was die Berliner Presse dazu sagt. Berlin, 29. Oktober. Zu der großen Rede des Reichs innenministers von Gayl vor dem Verein Berliner Presse nehmen vorläufig nur wenige Berliner Blätter ausführlich Stellung. Die „D.A.Z." stellt fest, daß die Grundzüge der Reichs-, Verfassungs- und Verwaltungsreform, die der Reichsinnenminister in großen Kreisen umrissen habe, geeig net erscheine, die warme Zustimmung weitester Volkskreiss über den engen Bezirk bestimmter Parteien zu finden. Das gelle besonders für die Erkenntnis, daß die bevorstehenden Reformen keine sprunghaften Experimente, sondern eine orga nische Weiterentwicklung des bestehenden sein mühten. — Dis „Vvssische Zeitung" meint, wenn sich die Regierung stärker fühlen werde, als sie es trotz aller selbstsicheren Worte tue, !o hätte Herr von Gayl sich nicht zu bemühen brauchen, ihren wirklichen Plänen durch wortreiche Scheinkonzessionen an dem erwarteten Widerspruch der öffentlichen Meinung ein milde res Aussehen -u geben. — Der „Börsen-Courier" hebt her vor, die Rede sei geeignet, die Lösung der politischen Krise ein Stück vorwärtszubringen. Wesentlich sei, daß die Ankün digungen des Reichsinnenministers sogar in ihren positiven Teilen dem Standpunkt von Politikern sich näherten, dis grundsätzlich oder doch nach Lage der Dinge als Gegner der Reichsregierung betrachtet werden. — Der „Vorwärts" sagt, allein die Ankündigung, das Wahlalter um 5 Jahre herauf zusehen und die Einführung eines Pluralwahlrechts, die Ein schiebung eines Herrenhauses zwischen Parlament und Regie rung sowie die angekündigte flngebundenheit einer Reichs regierung von jedem Vertrauensvotums des Parlaments, allein diese Pläne seien geeignet, dem deutschen Volke ein dringlich klarzumachen, was bei der Wahl vom 6. November auf dem Spiele stehe. » Fördert die Ortspreffe »