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mfferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadlrats zu Wilsdruff, des Forfirentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale > ^zeitung für die Landwirtschaft, »a, ,Wil«druffn Tage erscheint an allen Werktagen nachmittags k Uhr. B«>ug,pr«i5 monatlich 2,— RM. Hau,, bei PoftbestellMg 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Linzklnummern 10 Rpsg. Alle Poflanfta»cn,1Post- »ehmen ,u jederA-it Be. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgehend st^ng"n entg^gen°?'nm K-lle höherer Den alt, " — Krieg -der sonstiger Be. trirdssiörungen besteht kein Anspruch ans Licsc,une der Leitung oder Kürzung Le, Bezug-Preises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn PorU beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die «gespaltene Raumzelle 20 Rpsg., die Igefpaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 10 Reich» Pfennige, die Sgespaltene Reklame,eile im teztlichen Teile I RMK. Nachweifung-g-bühr 2V Reichspfennige. Bor« Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 annahm-bi-uorm.lvühr. -- -— , - Für die Richtigkeit de« durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Nr. 339 — 91. Jahrgang MAI Teiegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdrusf-DreSden Dienstag, den 11. Oktober 1932 Postscheck: Dresden 2640 Vor den roten Roben. Bei der Klage, die nun seit fast drei Monaten vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig schwebt und die einer seits von dem früheren preußischen Kabinett Braun- Hirtsiefer und der Landtagsfraktionen des Zentrums und der Sozialdemokratie, andererseits von mehreren süd deutschen Staaten gegen das Reich vorgebracht worden ist, handelt es sich letzten Endes rechtlich um die An wendungsmöglichkeit des Artikels 48 der Reichsverfassung. Und nur die rechtliche Seite dieser Frage soll und kann ja von und vor dem Staatsgerichts hof geklärt werden; der große politische Hintergrund des Ganzen wird selbstverständlich auch in Leipzig vorhanden sein und sich bemerkbar machen wollen, aber natürlich nicht zum Gegenstand einer Rechtsfindung und Ent scheidung gemacht werden können. Aber schon rein rechtlich ist der Staatsgerichtshof vor eine außer ordentlich schwierige Aufgabe gestellt; denn wenn es in dem Artikel 48 heißt „Das Nähere bestimmt ein Rcichsgesctz", so ist diese Zusage bisher unerfüllt ge blieben, obwohl der betreffende Ärtikel nicht etwa bloß in den letzten Jahren eine überaus starke und — viel seitige Anwendung gefunden hat, sondern dies ist auch früher, in den bisweilen recht stürmischen Nachrevolu- tions- und Inflationszeiten, nicht gerade selten der Fall gewesen. Und wenn es sich in dem jetzt zu entscheidenden Vorkommnis um eine „Reichsexekution" gegen Preußen handelt, so sindet das eine zwar nicht vollständige, aber doch gewisse Parallele in dem Vorgehen des Reiches gegen den sächsischen Staat 4923. An die Exekution gegen Preußen — am 20. Juli — hat sich neben einem ganzen Rattenkönig staatsrechtlicher Streitfragen ja zunächst ein Versuch der abgesetzten preu ßischen Regierung angeschlossen, auf dem Wege einer einstweiligen Verfügung zunächst einmal jede „regierende" Tätigkeit des Reichstommissars von Papen und seiner Beauftragten unmöglich zu machen, bis eine Entscheidung des Staatsgerichtshofes über das rechtlich Zulässige oder Unzulässige der Notverordnung des Reichs präsidenten vom 20. Juli vorlag. Bekanntlich hat aber der Staatsgerichtshof, seiner bisherigen Spruchpraris gemäß, diese einstweilige Verfügung „auf Unterlassung" nicht ausgesprochen, allerdings mit der ausdrücklichen Fest stellung, daß damit für die Endentscheidung weder ein Für" noch ein „Gegen", sei es gegenüber dem beklagten Reich, sei es gegenüber den klägerischen Parteien, aus gesprochen sein soll. Es handelte sich damals also lediglich um eine formal-juristische Stellungnahme, während es sich jetzt um ein Urteil handelt, das materiell einen Spruch tun wird. Wenn die Staaten Bayern und Baden sich als „Kläger" dem Verfahren angeschlossen haben, so geschieht das allerdings aus einem anderen Grunde, als die preußischen Kläger — ehemaliges Kabinett und Fraktionen — nach Leipzig gegangen sind. Was sie wollen, ist so zusagen, eine Grenzziehung für die Anwendung des Artikels 48 herbeizuführen. Wenn, unter welchen Voraussetzungen, in welchem Umfang ist eine Reichs exekution gegen die Länder zulässig? Mutz vorher eine Art „Mahnverfahren" erfolgen, das bekanntlich in dem Falle Preußen nicht vorgeschaltet worden ist? Erwähnt sei übrigens, noch, daß es sich bei der Klage und der Ent scheidung vor dem Staatsgerichtshof nicht um den uns aus zahllosen Notverordnungen nur allzu gut bekannten Absatz 2 des Artikels 48 handelt, sondern um den Absatz 1, in dem es heißt: „Wenn ein Land die ihm nach der Reichs verfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt, kann der Reichspräsident es dazu mit be waffneter Macht anhalten." Preußischerseits wird be stritten, daß die Voraussetzungen zum Eingreifen des Reichspräsidenten vorliegen, und naturgemäß hat die be klagte Partei hier die Beweislast. Etwas kompliziert wird die Geschichte übrigens noch dadurch, daß ja eigentlich auch Von den „gemäß Absatz 1 dieses Artikels getroffenen Maßnahmen der Reichspräsident unverzüglich dem Reichs tag Kenntnis zu geben" hat. Das ist auch geschehen, als der kurzlebige jüngste Reichstag zusammentrat, aber es kam bekanntlich zu keiner rechtlich gültigen Entscheidung des Reichstags darüber, ob die damals beantragte Auf hebung der Notverordnung vom 20. Juli erfolgen solle oder nicht; gerade aber das Nichtzustandekommen eines Aufhebungsbeschlusses läßt die rechtliche Zulässigkeit des Weiter bestehens der Notverordnung zu, wenn sie eben nicht vom Staatsgerichtshof als rechtlich unzulässig er klärt wird. Natürlich ist es für die Entscheidung des Gerichts ohne Belang, ob und daß der Reichskommissar bzw. sein Stellvertreter und die von diesem bestellten Kommissare bereits im Laufe der drei Monate eine umfangreiche Re gierungstätigkeit entwickelt haben. In Leipzig wird Nur entschieden, ob die Notverordnung vom 20. Juli rechtens ist oder nicht. Trotz dem ist die kommende Entscheidung innenpolitisch — natur gemäß — von größter Tragweite, nicht zuletzt auch für das Verhältnis zwischen Reich und Ländern. Beiden Teilen, dem Reich wie den klägerischen Parteien, steht eine ganze Schar von Staatsrechtlehrern als Sachverständige zur Seite^ und -- ganz abgesehen von der volitiicken Be- Ier WOWstreit Reich - Pmtzeil. SerKampsum denStaatsgeriWhos Au stragungdes Preuße nkonflikts. Vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig begann unter starkem Andrang der Prozeß Preußen—Reich wegen der verfassungsrechtlichen Beanstandung der Notverordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juni 1932. Der Staatsgerichtshos ist in folgender Besetzung zusammengetreten: Der Präsident des Reichsgerichts, Dr. Bumke, als Vorsitzender, die Reichsgerichtsräte Triebel, Schmitz und Dr. Schwalbe sowie die Oberverwal- tungsgerichtsräte Dr. von Müller, Dr. Gumbel und Dr. Striegler als Beisitzer. Der Reichskanzler ist als Reichs- kommissar für Preußen nicht vertreten, dielommissarische Regierung hat einen Vertreter nicht entsandt. Die Reichs regierung wird in den Verhandlungen durch den Ministerialdirektor Gottheiner und durch Ministerial direktor Dr. Huche vertreten. Als Berater sind mit ihnen erschienen: die Universitätsprosessoren Dr. Jakobi-Leipzig, Dr. Karl Schmitt-Berlin und Dr. Bilsinger-Halle. Die ihrer Ämter entsetzten preußischen Minister wer den durch die inzwischen zur Disposition gestellten preu ßischen Ministerialdirektoren Dr. Badt und Dr. Brecht ver treten, denen Universttätsprofessor Dr. Giese-Franksurt am Main beigegeben ist. Außerdem wird der bekannte Heidel berger Professor Anschütz, Kommentator zu der Reichs- verfassuug, für die frühere preußische Regierung eintreten. Weiter sind vertreten die Fraktion des Zentrums im Preußischen Landtag durch Professor Dr. Peters, die Fraktion der SPD. im Preußischen Landtag durch Pro fessor Dr. Heller. Bayern hat entsandt Staatsrat von Jahn und Professor Nawiasky sowie Regierungsrat Dr. Maunz. Für Baden treten auf Ministerialrat Fecht und Ober regierungsrat Wals. Die Anteilnahme, auch der Fach kreise, ist lebhafter als je. Zwei Stuhlreihen vor den Pressetischen sind mit namhaften Juristen besetzt. Auf die Erklärung des Ministerialdirektors Dr. Gott heiner, daß Reichskanzler von Papen in seiner Eigenschaft als Reichskommissar nicht vertreten sei, beantragte Mini sterialdirektor Dr. Bracht, ohne eine solche Vertretung zu verhandeln. Der Vorsitzende behielt sich vor, den Staats gerichtshof über diese Frage besonders beschließen zu lassen. Reichsgerichtspräsidem Dr. Bumke, der den Vorsitz im Staatsgerichtshos führt. Vor Eintritt in die Verhandlung gab der Bericht erstatter, Reichsgerichtsrat Dr. Schmitz, eine Darstellung des bekannten Sachverhalts. Es handelt sich um die ver fassungsrechtliche Beanstandung der Notverordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932, die zur Amtsent hebung der preußischen Minister führte. Dazu ergriff der ReichSgerichtsprZfident Dr. Bumle das Wort. Er verwahrte sich zunächst gegen die Vor würfe, daß man versucht habe, das Verfahren zu ver schleppen. Dr. Bumke betonte, daß es nicht Aufgabe des Staats gerichtshofes sei, zu entscheiden, ob die bekannten Maß nahmen des Herrn Reichspräsidenten politisch zweckmäßig und heilsam seien. Die Verhandlung könne nur unter dem Gesichtspunkt geführt werden, ob die Verfassung verletzt worden sei oder nicht. Bei der Erörterung über den Artikel 48, Abs. 1 müsse die geschichtliche Entwicklung berücksichtigt werden, ins besondere über das Wesen eines Bundesstaates. Es er geben sich in diesem Zusammenhang Vergleichsmöglich deutung dieser Verhandlung und der Wohl erst in den nächsten Tagen zu erwartenden Entscheidung — wird die Würde dieses höchsten deutschen Gerichts dafür sorgen, daß es sich, wenn auch im politischen Rahmen, so doch um ein geistiges Ringen bandelt. keiten mir anderen Staaten, namentlich mit der Schweiz und Nordamerika. Es müsse ferner geprüft werden, ob die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Artikels 48 Abs. 1 vorhanden gewesen feien, und wieweit die Befugnisse des Reichskommissars zu gehen hätten. Ferner sei die Frage zu prüfen, was unter Pflichtverletzung eines Landes zu verstehen sei, ferner die Frage, ob die Anwendung des Artikels 48 eine vorherige Mängelrüge voraussetzt. Es ergibt sich ferner die Frage, ob die tatsächliche Pflichtver letzung vor Inanspruchnahme des betreffenden Para graphen gerichtlich festgelegt werden müsse. Bei der Anwendung von Art. 48 Abs. 2 ergäben sich verschiedene Unterfragen, und zwar, ob der Reichspräsident befugt ist, gegen ein deutsches Land einzuschreiten, ohne gegen andere Länder, in denen ähnliche Verhältnisse vor liegen, vorzugehen. Ferner, ob der Reichspräsident da durch an der Anwendung des Art. 48 Abs. 2 behindert sein kann, daß die Ncichspolitik dazu beigetragen hat, die Vor aussetzungen zur Anwendung des Art. 48 Abs. 2 zu fördern. Es müsse weiter erwogen werden, welche Gefahr im äußersten Falle hätte eintreten können, wenn die be treffenden Maßnahmen nicht getroffen worden wären. Sodann ergriff Ministerialdirektor Dr. Brecht das Wort zu einer Erklärung. Er führte aus, daß Preußen seinen Angriff nicht gegen die Person des Reichspräsidenten, für dessen Wahl die früheren preußischen Minister sich stark eingesetzt haben, richte. Sie bestreiten indessen die Richtigkeit der dem Reichspräsidenten gegebenen Informationen. Staatsrat v. Jahn (Bayern) führte aus, daß sich die Klage des Staates Bayern im Gegensatz zu derjenigen Preußens nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Zukunft richte. Für Baden erklärte Ministerialrat Fech, daß man eine Feststellungsklage anstrebe, da man den bundesstaatlichen Charakter der Verfassung durch die Maßnahme des Herrn Reichspräsidenten für verletzt halte. Es müsse unbedingt eine Klärung der Rechtslage geschaffen werden. Auch er schloß sich den Ausführungen Dr. Brechts an, daß die Klage keineswegs eine Spitze gegen den Reichspräsidenten darstelle. Der Standpunkt Preußens. Sodann erteilte Reichsgerichtspräfident Bumke zu nächst dem Vertreter der Antragsteller, Ministerialdirektor Dr. Brecht, das Wort. Dieser bestritt zunächst, daß sich die frühere preußische Negierung eine Pflichtverletzung habe zuschulden kommen lassen. Er legte zur Rechtferti gung des preußischen Standpunkts die innenpolitische Ent wicklung der letzten Zeit dar. Er behauptete, daß seinerzeit die Reichsregierung mit der NSDAP, einen Vertrag abgeschlossen hätte, wonach der NSDAP, als Gegenleistung für die Tolerierung des Kabinetts v. Papen zugesagt worden sei: 1. Die Aufhebung des Uniformverbots, 2. die Aufhebung des Verbots der Sturmabteilungen der NSDAP, und 3. ein Vorgehen gegen Preußen. Erst die Aufhebung des Uniformverbots und des Verbots der Sturmabteilungen haben zu einem enormen Anwachsen der politischen Todesopfer nicht nur in Preußen, sondern im ganzen Reich geführt. Dr. Brecht bestritt weiter eine innere Abhängigkeit der Preutzen- rcgierung von der KPD. Die Beschwerde des Reiches über die Änderung der Geschäftsordnung des Preußischen Landtages, über die Ausgabe von Waffenscheinen an die KPD. und von Staatsgeldern für Parteizwecke hätten mit den Pflichten Preußens gegen das Reich nichts zu tun. Er trat hierauf eine Mittagspause ein. Oer Standpunkt des Reiches vor dem Staatsgerichtshos. In dem Prozeß Preußen—Reich vor dem Leipziger Staatsgerichtshos erhob der Vertreter der Reichsregie rung, Ministerialdirektor Dr. Gottheiner, Ein spruch dagegen, daß Dr. Brecht seine Darlegungen noch ergänzte durch Ausführungen über die Behandlung be- amtenrechtlicher Fragen durch die gegenwärtige kommissarische Regierung. Ministerialdirektor Dr. Brecht begründete darauf die Notwendigkeit dieser Ausführun gen über die Ereignisse nach dem 20. Juli damit, daß diese die Vorgänge vom 20. Juli illustrierten. Zudem sei angesichts der 64 neuen Ernennungen, die die kommissarische Regierung während der letzten acht Tage in Preußen durchgeführt habe, von der Klage seite beabsichtigt, Antrag auf Erlaß einer einst- weiligenVerfügungzu stellen, die der kommissari schen Regierung weitere Veränderungen im Beamten körper bis zur Entscheidung des Staatsgerichtshofes zur Hauptsache untersage. .Danach erhielt Dr, Gottheiner das Wort zur Klage-