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MOmfferTageblatt I Postscheck: Dresden 2640 Dienstag den 7. Juni 1932. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. frei Haus, bei Postbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Falle höherer Gewatt, Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. A für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Kernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 "u.q F«nru, LbcrmNM.cv Anzeig-n Ld-rn. w» k-i»° «Saran,ir. Irdc. »<-t,°„an,prnch r-ttlch.^wenn r>« Waa'dur» Klage eingezogen werden muß oder der Aullraggeder in Konkurs gerat. ° Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschatt Merken des Amts- gerichi- und den Siadiraw zu Wilsdruff, de- Forsweniamw Tharandt und de- Finanzamt Nossen bchd^ Nr. 131 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruss-Dresden „Kabinett der Außenpolitik." In dem „Wirbel" der deutschen Innenpolitik während der vergangenen Woche blieben nur einige kurze Seiten blicke auf das möglich, was sich jenseits der deutschen Grenze abspielte. Was vor allem in Frankreich geschah, wo die Ergebnisse der politischen Wahlen am 1. und 8. Mai nun zu parlamentarischen Früchten, also kur Regierungsbildung heranreifen sollten. Zwar ist Herrioü der eigentliche Sieger im Wahlkampf, nun französischer Ministerpräsident geworden, aber er hat eine wirkliche Mehrheit in der Deputiertenkammer weder mit den Sozialisten noch mit der „rechten Mitte" bis zu Tardieu hinüber zusammengebracht, sondern er begnügt sich mit einer Minderheit, die nur aus der eigenen Partei nnd der Painlevös besteht. Und wenn man dieser Regie rung eine besondere Bezeichnung geben will, so kann man sie vielleicht das „Kabinett der Außenpolitik" ffenuen. Was sich zweifellos auch in der Regierungs- rrklärung Herriots zum Ausdruck bringt, aber schon in der persönlichen Zusammensetzung des Kabinetts selbst deutlich hervortritt. Es ist ein nicht bloß parteimäßig einheitliches Mini- iterium. Gleich ein Blick auf die drei „Vertcidigungs"- ninister Painlevö, Pkul-Boncour und Leyges zeigt das. Zum mindesten die Namen Boncours und Painleves, des Kriegs- und des Luftfahrtministers, sind in Deutschland recht genau, aber nicht gerade sehr angenehm bekannt. Denn der jetzige Kriegsminister führte unter oder neben dem früheren Ministerpräsidenten Tardieu die französische Delegation auf der Genfer Abrüstungskonferenz — so uannte man sie wohl! — nnd ist nach außen hin sozusagen vcr Träger jenes Begriffs der „Sicherheit", der jede wirkliche Abrüstung unmöglich macht. Painleve ist mehr ver „Mann der Praxis" insofern, als er in seiner früheren langdauernden Tätigkeit als Kriegsminister den Bau ver gewaltigen Verteidigungslinie" an ocr f r a nzösischen O st g r e n z e dnrchführte nnd sich im übrigen auch öfters der Untugend vieler franzö sischer Minister befleißigte, vor dein heimlich rüstenden, für die „Sicherheit" Frankreichs überhaupt sehr gefährlichen Deutschland zu „warnen". Jetzt wird er den Vorsitz in dem ^Obersten Rat für die nationale Verteidigung" führen, er, der ministerielle Leiter zwar der jüngsten, aber der stärksten Waffe Frankreichs. Auch wenn das Kabinett ans .Professoren und Advokaten" besteht, so befinden sich doch unter ihnen eine ganze Reihe von Männern, die bereits früher Ministersitze innehatten und dabei, wie z. B. der Kolonialminister Sarraut, Proben eines unzweifelhaften Könnens abgelegt haben. Unter diesen Umständen werden wir Deutschen von der Regierungserklärung Herriots kaum etwas anderes erwarten als das, was er seit dem Abschluß der Wahlen oft und immer mit denselben Worten gesagt hat. Mit den Sozialisten allein hat er nicht regieren wollen, wie er es 1924 getan hat, obwohl sich diese Partei bei ihren Be ratungen und Beschlüssen in der vergangenen Woche gerade außenpolitisch eine bemerkenswerte Zurückhaltung auferlegte. Andererseits dürfte man nun aber von rechts und von der Tardieu-Gruppe aus dem neuen Minister präsidenten um so energischer zusetzen und ihn möglichst „rechtzeitig", also vor Beginn der Lausanner Konferenz, noch stärker „festlegen", als er dies eigentlich schon selbst getan hat. Die ganze französische Außenpolitik ist ja seit Briands Scheiden aus seinem Amt in ein paar Formaten erstarrt, an denen offenbar von keiner Seite her irgendwie gerührt werden darf oder soll. Und dabei hat doch die Welt keine Zeit mehr, darauf zu warten, bis auch Frankreich von der Weltkrise genügend mürbe gemacht worden ist. Daß hier schon heute große Schwierigkeiten bestehen, daß auch das französische Staatsbudget einen recht „problematischen" Zustand hinterlassen hat und der Finanzminister zum erstenmal seit langen Jahren einen sehr beträcht lichen Kredit bei den Banken aufnehmen mußte, weil die Kassen leer waren, daß man deshalb auch driugenderc Anleihcwunsche „befreundeter" Staaten abgelehnt hat, — alles dies wirkt doch nicht so stark, um die bisherige außenpolitische Linie auch des neuen Kabinetts entscheidend nach einer anderen Richtung hin abzubiegen. Dafür wird auch die bevorstehende Kammerdebatte sorgen. Französisch-belgische InvasionsanA Die Verteidigungslinie gegen Deutschland. In einer Unterredung erklärte der belgische Kriegsminister, daß es sich bei den belgischen Be festigungen in erster Linie darum handele, die belgischen Ardennen von Ärlon ab gegen eine Invasion zu sichern. Das bedeute mit anderen Worten, daß die belgischen Verteidigungslinie in engster Verbindung mit der französischen gebaut werden müsse. Der Minister führte weiter aus, daß das belgische Befesti gungssystem an der Maas aus drei Linien bestehen werde, aus einem Befestigungsgürtcl am Flusse selbst, aus einer den Forts vorgelagerten Hauptverteidigungs linie nnd aus einer befestigten Linie an der Grenze. Neumhlen zum Reichstag am 31. M. Wahltag der letzte Zulisovntag. Das Neichskabinctt hat beschlossen, die Neuwahlen für den Reichstag am Sonntag, den 31. Juli, stattfinden zu lassen. Bekanntlich muß die Neuwahl der Bestimmung der Verfassung entsprechend, 60 Tage nach der Auflösung statt finden. Mit der Wahl am 31. Juli hat die Reichsregie rung also den letzten möglichen Termin genommen. Sie hat darauf verzichtet, den Wahltag früher zu legen, offenbar deshalb, weil nicht nur die verwaltungsmäßige Vorbereitung eine längere Zeit beansprucht, sondern auch, um den Parteien genügend Vorbereitungszeil zu lassen, wobei wohl auch daran gedacht wurde, daß die unvermeid lichen parteipolitischen N e n g r u p p i e r u n g e n sehr viel Schwierigkeiten machen werden. ff! Schäffer Heichsarbeitsminister. Amtlich wird mitgetcilt: Der Reichspräsident bat aus Vorschlag des Reichskanzlers den Präsidenten des Rcichs- versicherungsamtes, Hugo Schäffer, zum Reichs- arbeitsminister ernannt. * Der neuernamue Rcichsarbeitsminister Hugo Schöffel steht im 57. Lebensjahre. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschast stand er vorübergehend im Dienste der Firma Krupp und trat dann im Jahre 1902 in den höheren Verwaltungsdienst in Württemberg ein, wo er von 1909 ins 1916 Regieruugs- und Ministerialrat im württembergischen Ministerium des Innern und ab 1916 stellvertretender Würste»,bergischer Bnndcsratsbevollmächstgter und dann Ministerialdirektor und stellvertretender Bevollmächtigter zum Rcichsrat war Während der Jahre 1922 und 1923 leitete er wahrend des Nuhreinbruchs bis zur Ausgabe des passiven Widerstandes die Finanzen der Firma Krupp. Im März 1924 wurde er zum Präsidenten des Reichsvcrsicherungsamtes > und des Reichsversorgungsgerichts ernannt. Dieses Amt hatte er bis zum heutigen Tage inne. * Oie nächsten Aufgaben der Reichsregierung. Kabinett von Papen an der Arbeit. Das neue Rcichslabiuett wird in seiner nächsten Sitzung Maßnahmen beschließen, die der neuen Regierung als am vordringlichsten erscheinen. Es handelt sich hier bei um vier politische Aufgaben, die neben einander zu lösen sind. An erster Stelle steht die Revision der innenpolitischen Maßnahmen des Kabinetts Brüning, vor allem die Umgestaltung der Notverordnung über das Verbot der SA.-Abteilungen, um die Auf hebung des U n i s o r m v e r b o t e s, die Abänderung der Bestimmungen über die parteipolitischen Ver sammlungen und Demonstrationen, und um eine Ab änderung der P r e s s e n o t v c r o r d n u n g, die etwas gemildert werden soll. Es ist damit zu rechnen, daß späte stens gegen Ende der Woche das Verbot der SA.- und SS. Abteilungen rückgängig gemacht wird. Die zweite Sorge der neuen Reichsregierung gilt der Kassenlage des Reiches. Im Reichssinanzministerium sind schon Referentenbesprechungen über die Frage im Gange, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um im Interesse der Ingangsetzung des Staatsapparates die notwendigsten Zahlungen für die nächste Zukunft leisten zu können. An diesen Be sprechungen -ehmen auch Vertreter des Wirtschafts- und des Arbeitsministeriums teil. In welcher Weise die not wendigen Summen herbeigeschafft werden, ist eine noch offene Frage. Es ist «o. allem noch nicht entschieden, ob etwa ein Teil der von der Regierung Brüning geplanten Steuern inKraft gesetzt werden sollen, oder ob die fehlenden Gelder auf" dem Kredit Wege beschafft werden sollen. Die Reichsregierung hat jedenfalls die Ab sicht, durch weitere erhebliche Sparmaßnahmen und wesent liche Vereinfachung der Verwaltung neue Belastun- nach Möglichkeit zu vermeiden. Eine weitere sofort zu erledigende Aufgabe ist die Vorbereitung der Konferenz von Lausanne, die ja Mitte des Monats stattfinden soll, wenn sie nicht doch noch, wie hier und da angenommen wird, im letzten Augenblick abgesagt wird. Der Führer der deutschen Ab ordnung nach Lausanne wird Reichskanzler v. Papen sein, wenn es auch noch nicht seststeht, ob er während der ganzen Dauer der Verhandlungen in Lausanne bleiben wird. Mitglieder der deutschen Delegation werden Außen minister v. Neurath, Finauzminister Graf Schwerin- Krosigk, Wirtschaftsminister Professor Dr. Warmbold sowie mehrere Staatssekretäre sein. Die wiederholt rn letzter Zeit anfgetauchte Nachricht, daß auch der ehemalige Neichsbankpräsident Dr. Schacht der deutschen Delegation angehören wird, will sich nicht bestätigen. Als letzte dringende Aufgabe wird die Reichsregierung in kurzer Frist eine große Reihe von sozialpolitischen Maßnahmen durchführen, da die Sozialversicherungen sich in größter Not befinden und ihnen umgehend geholfen werden muß, wenn sie nicht gänzlich zusammenbrechen sollen. Zu diesen sozialpolitischen Maßnahmen gehört auch die Auf stellung eines Arbeitsbeschafsungsprogramms, bei dem das von der Negierung Brüning in Aussicht ge nommene Siedlungswerk sehr wesentlich abgeänderi werden wird. * lleichsaußenmtmster v. Aemath in London Abschiedsbesuche beim englischen König und Außenminister Sir John Simon. Der deutsche Reichsaußenminister und frühere Bot schafter in London, Freiherr von Neurath, stattete dem englischen Außenminister Sir John Simon seinen Abschiedsbesuch ab. Die Unterredung dauerte längere Zeit und gab von Neurath Gelegenheit, Sir John Simon die Lage in Deutschland darzulcgen. Gegen Mittag empfing der König Freiherrn von Neurath in Audienz. Danach verblieben Reichsaußenminister und seine Gemahlin zum Frühstück in Buckinghampalast. * Wtzm m Remid Mr die MM» der deiWrii MWpMiik. Berlin, 7. Juni. Freiherr v. Neurath gewährte nach einer Meldung Berliner Blätter aus London einem Vertreter des Reuterbüros eine Unterredung, in der er unter anderem erklärte: Es müsse für jeden unvoreingenommenen Beobachter klar sein, daß das neue deutsche Kabinett, das sich aus Män nern guten Willens und gefunden Menschenverstandes zusam- mensetze, die zum größten Teil als Beamte beträchtliche Schu lung für ihre jetzigen Posten erhalten hätten, eine Fachregie rung darstelle, die eingesetzt wurde, um die vielen schwierigen Probleme zu behandeln, denen sich Deutschland gegenübersehe. Wichtige Konferenzen ständen bevor. Wenn sie Erfolg haben sollen, so müsse die gesamte Frage in einem Geist der Zusam menarbeit zwischen allen aus diesen Konferenzen vertretenen Nationen in Angriff genommen werden. Er sehe mit Intereste dem Zusammentreffen mit den englischen Staatsmännern ent gegen, mit denen er durch glückliche Erinnerung gemeinsamer Bemühungen für die Besferung der politischen und wirtschaft lichen Verhältnisse in Europa verbunden sei. Vorzeitige Landtagseinberufung in Preußen? In politischen Kreisen rechnet man übrigens damit, daß der Preußische Landtag nicht erst am 22. Juni, son dern schon früher Zusammentritt. Diese vorzeitige Land- tagseinberusnng soll ans Wunsch der Reichs regierung erfolgen, die gerne in Preußen so schnell wie möglich klare Verhältnisse herbeisühren möchte. Der frühere Zusammentritt des Landtages soll vor allem dazu dienen, einen neuen Ministerpräsidenten m Preußen zn wählen. Sollte sich die Unmöglichkeit ergeben, eine neue preußische Regierung zu bilden, so soll dte Ein setzung eines Reichskommissars sür Preußen mög lichst schnell erfolgen. - Sine Erklärung der Regierung Brüning An die neue RcichsrcAerung. Der Reichskanzler und die übrigen Mitglieder der früheren Neichsregierung veröffentlichen folgende Er Die neue Neichsregierung hat in ihrer Antritts erklärung schwere Vorwürfe gegen die bisherige Negie rung erhoben. Der sachlichen Auseinandersetzung vor der Volksvertretung hat sie sich entzogen. Das deittsche Voll wird cs darum verstehen, wenn wir auf diesem Wege dem Versuch, die Verantwortlichkeit zn verschieben, entgegen- trcten. Wohin gehen die Vorwürfe? Die Finanzen seien erschüttert, die Sozialversicherun gen bankerott, die Reformen über schwache Ansätze nicht hinausgeführt und das staatliche Leben nicht an die Armut der Nation angepaßt. Was ist Wahrheit? Bei seinem Amtsantritt vor mehr als zwei Jahren fand das Kabinett Dr. Brüning eine gewaltige schwebende Schuld vor. Dazu kam eine Weltwirtschaftskrise, die nm