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MsdmfferÄlgeblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. !>rei Haus, bei Poftdestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle PostanstaUen, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend -Falle höherer Gewalt, ' Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Anspruch aus Llejerung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis- die «geftolttv« Bannizeile 20 Rpjg., Lie 4gespaliene Zeile Ler omUichrn Bekanntmvchungen 4V Aeich» Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebuhr 20 Reichspsennige. Dor- aefchriebeneErscheinunos- tage und Platzvorschristerr werden nach Möglichkeit 6 berücksichtigt. Anzergen- annahmebisvorm.lOUHr. ' .Tur die RichNgkett der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine E arantic. Wieder L adattanipruü erltsü 1, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder Ler Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 57 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden L640 Dienstag, den 8. März 1932 Am Beobachtungsstand. Ter Plan, den Tardieu überraschend in das erstaunte Europa hineinwarf und der den Staaten längs der Donau das wirtschaftliche Heil bringen soll, hat zum mindesten eine starke diploma tische Betriebsamkeit hervorgerusen. Die An dieser Betriebsamkeit ist nicht ohne einen ge wissen politischen Reiz, denn den ungarischen Außen minister, der sich urplötzlich auf die Reise nach Genf machte, nm dort mit Tardieu das übliche „Palaver" zu beginnen, hat ein kleiner Umweg zunächst einmal nach Rom geführt. Wie immer, so steht auch jetzt die Geheim- o i p ! o m a t i e. i n Blüte, und dis armen, von der Not der Zeit gequälten Völker haben stillzuhalten, ob etwas und was denn nun eigentlich in den verschwiegenen Berhandlungszimmern der „Staatsmänner" produziert wird. Ungarns Außenminister will aber offenbar aus Mussolinis eigenem Munde erst einmal authentisch hören, wie Italien wirklich überTardieusVor- schlüge denkt, er scheint also doch nicht so ganz und allein den Versicherungen des französischen Ministerpräsi denten zu trauen, daß England und Italien sich an der Donaupartie beteiligen. Und wenn der ungarische Außen minister es offenbar sehr eilig hat, von Tardieu selbst etwas Näheres zu hören, so scheint dabei weniger die wirischafts- und handelspolitische Seite des französischen Vorschlages „anfeuernd" zu wirken als vielmehr die im Rebel der Zukunft auftauchende Kredithilfe Frankreichs, die aber doch wohl mehr ein Lockmittel als reale Tatsache ist. Denn schon bei der Anleihe an die Tschecho slowakei, dieses treuen und zuverlässigen Verbündeten Frankreichs, hat Tardieu in seiner Deputiertenkammer recht erhebliche Schwierigkeiten gehabt. Andererseits darf man gerade heute an gewisse italienische „Anregungen" erinnern, die ein handelspolitisches Zusammenarbeiten dieses Staates mit Österreich und Ungarn vorsehcn. Was natürlich auch allerhand politische Hintergründe hatte und heute trotz Tardieu durchaus noch nicht aufgegeben zu sein scheint! Das Ende des ganzen Hin und Her diplomatischer Reisen pflegt ja dann die übliche Konferenz zu sein, um dort auch die beste Absicht — totzureden. ü- So ganz einfach ausschalten ließ sich Deutschland auch von Herrn Tardieu nicht und das hat wenigstens den Erfolg gehabt, daß der französische Botschafter in Berlin der deutschen Negierung den Wunsch seines Minister präsidenten überbrachte, auch sie solle sich an den Arbeiten beteiligen, die — angeblich — eine bessere wirtschaftliche Organisation für den europäischen Südosten herbeiführen wollen. Ebensowenig lassen wir uns auch von dem hier für doch allzu kleinen Litauen „an die Wand quet schen". Denn die Hälfte des Exports dieses Miniatur- staales geht nach Deutschland und nun haben sich dabei gewisse „Spannungen" gezeigt, die man in Kowno alles andere als begrüßt. Es spricht sich zwar sehr leicht aus, man wolle dem deutschen Wirtschaftsboykott gegen Litauen einfach dadurch begegnen, daß man dort für den ausfallenden Export andere Absatzgebiete sucht, — nur ist das in der Praxis heute ganz außerordentlich schwer. Namentlich für den Export von Agrarprodukten, die den größten Teil der litauischen Ausfuhr darstellen. Neue Märkte dafür zu finden, ist gegenwärtig eine fast unlösbar gewordene Aufgabe, namentlich dann, wenn ringsum andere Staaten nur auf die günstige Gelegenheit lauern, als Ersatz für den Verlust einzuspringen, den Litauen sich durch seine antideutsche Politik im Memelland zufügt. Politische Abenteuer solcher Art pflegen eben immer nicht ganz — billig zu sein und man kann sie sich uur leisten, wenn man volle Geldsäcke hinter sich hat. -L Leider verfügen wir über solche schönen Dinge in Deutschland schon längst nicht mehr, sondern auf uns alle, besonders aber auf die Gemeinden und Länder, namentlich auf das Reich selbst, gilt das Goethesche: „Leer am Beutel . . ." Trotzdem oder vielmehr gerade des wegen tut das Reich jetzt einen Griff in die Beutel der Einkommensteuerpflichtigen, die einen Monat früher als bisher die vierteljährlichen Voraus zahlungen leisten sollen. Und das Reichsfinanz- winisterium hat obendrein die Finanzbchörden an gewiesen, diesen Griff mit aller Energie und Rücksichts losigkeit zu tun; denn noch seien von den etwa KON Mil lionen betragenden Steuerrückständen 190 Millionen nicht ordnungsmäßig gestundet. Vom grünen Tisch aus läßt sich das ja leicht befehlen Aber der gequälte Steuerzahler darf — und wird — ebenso energisch darauf erwidern, daß diese vorzeitige Steuer eintreibung doch aus einer tatsächlichen Veranlagung der Einkommensverhältnisse des Jahres 1930 beruht, die bei den meisten Steuerpflichtigen längst nicht mehr vorliegen, sich vielmehr gründlich verschlechtert haben. Wenn wenig stens vorher noch die Neuveranlagung erfolgt wäre! Und so wird vielfach selbst der schärfste Zugriff des Fiskus' vergeblich sein, denn wo nichts ist, da hat auch der Reichsfinanzminister sein Recht verloren! * Fördert die Ortspresse » Zer smziWe Allamm WM -s- plötzlicher Tod Briands. Der frühere französische Ministerpräsident und Außen minister Aristide Briand ist in Paris, fast 70jährig, gestorben. Erst vor ein paar Tagen halte Briand wieder seine kleine Pariser Wohnung bezogen, um neuen ärztlichen Rai einzuholen. Seine Freunde hofften sogar, daß er von hier aus wieder in die politische Arena steigen würde, aus der er nur ungern verschwunden ist. Man erinnert sich, daß der ehemalige Ministerpräsident Laval etwas unsanft und unhöflich nachhelfen mutzte, damit Briand die Führung der französischen Außenpolitik aus seinen Händen gab und die Leitung des Quai d'Orsay ihm, dem jüngeren, gesünderen und nervenstärkeren überließ. Briand war schon seit vielen Jahren krank und dies? Krankheit hemmte ihn wohl auch etwas in seiner Arbeits möglichkeit. Die ihn behandelnden Ärzte hatten ihm eine strenge Diät auferleg! und vor allem betrübte ihn, daß er Abschied nehmen mußte von seiner geliebten Zigarette, ohne die man ihn in früheren gesünderen Jahren kaum zu sehen bekam. Aristide Brians Briands Stellung zu Deutschland zu umreißen, ist nicht ganz einfach. Er galt in Frankreich als einer der Vorkämpfer der Versöhnungspolitik mit Deutsch land und wurde von der Rechten deshalb bekämpft und verfolgt. Die Rechte verhinderte es auch, daß Briand in das Elysöe als Präsident der Französischen Republik ein zog, wo er sicher sehr gern residiert hätte, um von hier aus, von höchster Stelle, die Geschicke Frankreichs leiten zu können. Die Niederlage, die Briand bei der Präsi dentenwahl erlitten hat, hat ihn auch seelisch stark niedergedrückt und sein altes körperliches Leiden weiter verschlimmert. In weiten politischen Kreisen Deutschlands hat man die Art der Verständigungspolitik, wie sie von Briand getrieben wurde, nur^ für einen Bluff gehalten. Briand galt hier als der Diplomat, der mit freundlich aussehenden Gesten dasselbe erreichen wollte, wie seine Amtsvorgänger oder seine Amtsnachfolger es mit drasti scheren Mitteln tun: Deutschland am Boden zu halten und den V e r s a i l l e r Vertrag bis zum letzten Buch staben erfüllen zu lassen. Aber selbst, wenn Briands Wunsch nach einer Verständigung mit Deutschland ernst gemeint gewesen sein sollte, so muß man doch feststellen, daß diese Politik schweren Schiffbruch erlitten hat. Nie hat er es vermocht, gegen seine Mmjsterkollegen und gegen die Kammermehrheit seinen etwa wirklich vorhandenen Verständigungswillen durchzusetzen, und so ist festzu stellen, daß am Ende seines vielbewegten Lebens sich Deutschland und Frankreich feindlicher als je gegenüber stehen. Aristide Briand wurde am 28. März 1862 in dem breto nischen Städtchen Saint-Nazaire als Sohn eines kleinen Gast wirtes geboren. Er studierte Rechtswissenschaften und wurde schon mit 20 Jahren Advokat. Er wandte sich später der sozia listischen Presse zu und wurde bald Generalsekretär der Sozia listischen Partei und 1902 Abgeordneter. Im März 1906 berief Sarrien B erstmals an die Spitze eines Ministeriums, des Unterrichtsministeriums, mit dem die Kultus- angelegenheiten verbunden wurden. Erstmals Ministerpräsident wurde Briand am 23. Oktober 1909 nach Llömenceau. Am 17. Januar 1911 unter nahm ein irrsinniger ehemaliger Gerichtsschreiber in der Depu tiertenkammer einen Attematsversuch aus Briand, der aber un verletzt blieb Er war von da ab wiederholt Minister und Chef der Regierung, auch während des Krieges. Er betrieb gegen die Meinung Clömenceaus die Erpedttion nach Saloniki, deren schließlicher Erfolg natürlich seinem Ansehen sehr zugute kam. In den ersten Jahren nach dem Kriege trat er weniger hervor, lebte einige Jahre hindurch ziemlich fern von der großen Politik aus seinem Gut in der Normandie, das er selbst bewirtschaftete. Endlich, als auswärtiger Minister im kkamnett Patniove, vom April 1925, betrat er wieder die poli tische Bühne. Dort gelang es ihm im Oktober 1925, den Vertrag von Locarno mit Deutschland, den sogenannten „Sicherheitspakt", abzuschlietzen. Noch vor der Unterzeichnung des Vertrages am 1. Dezember 1925 in London war Ende November das kurz vorher umgebildete Kabinett Painleve zurückgetreten und ein neues achtes Kabinett Briand gebildet worden, in dem er das Auswärtige Ami beibehielt. Ein neuntes Kabinett bildete er am 10. März 1926, als er während der Völkerbundverhandlungen in Gens über die Zu lassung Deutschlands in einer Finanzfrage von der Kammer im Stich gelassen worden und am 6. März 1926 zurück getreten war. Als auch der neue Finanzminister Pöret den Francsturz nicht aufhalten konnte, trat Briand am 15. Juni 1926 abermals zurück und bildere, nachdem auch Herriot erfolglos geblieben war, am 23. Juni 1926 sein zehntes Kabinett mit Caillaux als Finanzminister, das aber schon am 17. Juli 1926 fiel. Es kam nunmehr zu dem Konzentrationskabinett Poin - cars, in dem Briand abermals das Portefeuille des Aus wärtigen übernahm. Hier gelang es ihm, seine „Locarno- Politik" sortzusctzen. Nach dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund hatte er am 17. September 1926 die bekannte Unterredung von Thoiry mit Stresemann. Zwei Jahre später enttäuschte Briand in feiner Antwort am 10. September 1928 aus der Genfer Völkerbundversammlung an den deutschen Reichskanzler Müller, als er sagte, daß trotz Locarno und dem erst kürzlich abgeschlossenen Kellogg-Pakt kein Politiker am Abrüstung denke. An dem Zu standekommen des Voung-Plans als Ersatz für den Dawes-Plan sowie an der Ratifizierung des Mellon-Berenger- Abkommens, schließlich an der Ablehnung Londons als Kon- ferenzon und die Wahl vom Haag als solchen im Sommer 1929 Hal Briand jedoch namhaften, wenn auch weniger erkenn baren Einfluß gehabt, jedenfalls wurde er, als Poincaro am 27. Juli 1929 aus Gesundheitsgründen zurücktrat, sein Nach folger, zum elften mal Ministerpräsident. Kurz - zuvor im Juli 1929 frischte Briand seinen alten Plan der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa aus. Aus der Haager Konferenz im August 1929 wurde Briand die Initiative gänzlich von den englischen Ministern Snowden und Henderson aus der Hand genommen. Briands Geschicklichkeit gelang es dann aber doch, den Young - Plan in seiner neuen Form als ein für Frankreich günstiges Er gebnis hinzustellcn. Rach seinem Sturz blieb er in drei folgen den Kabinetten Außenminister. * Der Reichskanzler zum Hinscheiden Briands. Zum Hinscheideu des früheren französischen Minister präsidenten Briand übermittelte der Reichskanzler Sem Berliner Vertreter der amtlichen Havasagentur eine Er klärung, in der er u. a. sagt: Mit aufrichtiger Trauer würdigt auch die deutsche Regierung den schweren Verlust, den das französische Voll durch das plötzliche Hinscheiden des großen französischen Staatsmannes Aristide Briand erlitten hat. Kein ausländischer Staatsmann war wohl auch in Deutschland so bekannt und so vielgenannt wie er. Sein Name ist für das deutsche Volk verbunden mit den deutsch-französischen Annäherungsbe- strebungeu und wird in diesem Sinne fortleven. Mag die Entwicklung der Dinge Deutschland auch schwere Enttäuschungen gebracht haben, so erkennt das deutsche Polk doch an der Bahre dieses Mannes an, daß er, in unermüdlicher Pflichttreue seinem Heimatlande dienend, gleichzeitig ein aufrichtiger und überzeugter Diener der Friedensidee war, dessen ehrliches Streben der Annähe- , rung zwischen Deutschland und Frankreich gegolten hat. 1 Nachrufe für Briand. Tie Nachricht vom plötzlichen Tode Briands hat in Paris große Trauer hervorgerufen. Obwohl man wußte, daß der Zustand Briands sich in der letzten Woche so verschlechtert hatte, daß seine Überführung nach Paris notwendig geworden war, kam der Tod Briands doch allen überraschend. Als die Todesnachricht in der Kammersitzung eintras, erhob sich Tardieu und führte aus: Das erschüt ternde Ereignis erregt uns alle aufs höchste. Der Ruhm, mit dem Briand die französische Trikolore bedeckt Hai. der Anteil, den er an den schwierigen Bemühungen um die Organisierung der Welt nach den furchtbaren Erschütte rungen des Krieges genommen hat, müssen allen, selbst seinen Gegnern, höchste Achtung einflößen. Zum Zeichen der Trauer bat sodann der Kammerpräsident die Ab geordneten, still auseinander zu gehen. In Gens wurde die Nachricht vom Tode Briands während einer Sitzung der Vollversammlung bekannt und unverzüglich dem Präsidenten Hymans und Paul- Boncour mitgeteilt. Die Vollsitzung des Völkerbundes, in der die Haupiaussprache über den japanisch-chinesischen Konflikt bereits in vollem Gange war, wurde von .Hymans sofort unterbrochen. Es fand eine kurze, eindrucksvolle T r a u e r k u n d g e b u n g fijr Briand statt. Rach den Abschiedsworten Hymans und Paul- Boncours wurde zum Zeichen der Trauer die Sitzung auf Stunde unterbrochen. Der englische Außenminister Simon erklärte, in diesem schwierigen Augenblick der Geschichte des Völker bundes könne man das Andenken Briands nicht besser