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MsdmfferHMM Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Dar .Wilsdruffer Tageblatt' erscheint an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. lrei Haus, bei Poffdestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Nplg. Alle Postanstalten, Pvst- dvtcn und unsere Aus- re. '» , <. träger und Deschüstspellen nehmen zu jederzeit De- WoweNviült sÜk WtlSorUff U. ÜMsteALNo stellungen entgegen. Im Kalle höherer Gewalt, » """" > " ' — Arj,g oder «onstiger De« triebrstdrungen besteht dein Anspruch aus Lieserung der Leitung oder Kürzung de» Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 durch s-.»ru,üb..mi.wl,n Anzeigen üb^^^^^ Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadlrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 58 — 91. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 9. März 1932 MW M MGM, MW an Men" Tardieu über feinen Donauplan Die Diskontsenkung. Heute spürt es auch der kleine Kaufmann und Händler, was „der Reichsbankdiskont" bedeutet. Der ist heute für uns alle ebenso wichtig, wie einst in der furcht- bar-unvergeßlichen Zeit der Inflation es der Dollar ge wesen ist. Kreditkosten — von welch großer, oft ent scheidender Bedeutung sind sie in der Gegenwart und der nächsten Zukunft, da in Erzeugung und Handel alles um Preisermäßigung durch Verminderung der Geschäftsunkosten geht und daher außerordentlich viel darauf ankommt, wie hoch der Reichsbankdiskont steht. Und endlich hat die Reichsbank sich entschlossen, ihn zu senken, nachdem er seit genau drei Monaten auf dem Stande von 7 Prozent festgehalten worden war. Wir Menschen von heute, die wir durch die Zeiten der Inflation, dann nach einer kurzen Erholungspause mitten in die Weltwirtschaftskrise marschiert sind oder hineingerissen wurden, sind geradezu zwangsweise an gefüllt worden mit der Kenntnis von allen möglichen geld-, kredit- und währungspolitischen Dingen, die im Leben unserer Väter teils gar keine, teils eine nur geringe Rolle spielten. Schmerzhaft prägten sich in unser Hirn und in unser Leben Begriffe ein wie „Inflation" und „Gold deckung", „Deflation" und „Devolution", „Währungs verfall" und „Zahlungsbilanz", „Goldstandard" und „Zahlungsmittelumlauf". Wie der fromme Mohamme daner fünfmal des Tages sein Gesicht gen Mekka zum Gebet wendet, so schaut heute der Deutsche in seiner wirt schaftlichen Not und kreditpolitischen Bedrängnis, mit leerem Portemonnaie und großen Sorgen stets und ständig auf das, was in der Reichsbank vor sich geht. Denn sie ist jetzt — den Schlußstein dafür gab die große Bankenreform ab — die letzte, die Urquelle jeglichen deutschen Kredits, und auf diesen Gründen ruht das ganze deutsche Kreditgebäude. Da ist bis ins letzte, kleinste Geschäftszimmerchen hinein ent scheidend, zu welchem Preis die Reichsbank den Kredit zur Verfügung stellt; denn alle Zwischenstationen zwischen ihr und den eigentlichen Kreditnehmern haben sich danach zu richten, was in den Direktionsräumen der „Jäger straße" in Berlin bestimmt wird. Aber dort ist man wieder abhängig von vielen, heute fast unabsehbaren Umständen bei der Entscheidung über die Diskontfrage. All die oben zitierten Begriffe sind höchst reale Dinge und stellen heute trotzdem nicht mehr die ganze Wirklich keit dessen dar, was man den „Geld-" bzw. den „Kapital markt" nennt. Sie unterliegen auch nicht einer natür lichen Entwicklung, einer freien Auswirkung im Rahmen des Weltwirtschaftsshstems — „das Geld kennt keine Grenzen" —, sondern auch dort waltet schärfste Zwangswirtschaft. Weder das „Geld", also der kurzfristige Kredit, noch das langfristige „Kapital" ist eine Ware, über dessen Preis — den Zins — allein Angebot und Nachfrage auf offenem Markt entscheidet. Der Kapital zins ist ebenso durch Notverordnung reguliert, wie es die staatliche Zwangswirtschaft mit den Devisen tut, die der Uberschuß der Ausfuhr über die Einfuhr hereinbringen — sollte. Und der Diskont hat jede Möglichkeit verloren, in Zeiten großer Kreditbeanspruchung der Wirtschaft durch hohe Zinssätze Geld im Inland oder aus dem Ausland hervor- und heranzulocken. Denn gegen das Ausland sind wir durch die Mauer des Mißtrauens und durch dis eigene Devisenzwangswirtschaft abgesperrt, so daß wir nur »nit dem im Inland verfügbaren Kredit und Kapital arbeiten können. Dann kommt es bei der Festsetzung der Diskonthöhe nur auf die Menge und die Umlaufsgeschwin- digkeit des freigegebenen Geldverkehrs an. Ist doch auch die zweite Aufgabe der Diskontregulierung, nämlich die Hereinholung von Devisen aus dem Ausland gegen hohen Zins, längst auch durch die allerhöchsten Zinssätze nicht mehr zu erfüllen. Wie war es doch in besseren, glücklicheren Zeiten, wenn einmal durch die Welt oder durch ein Land eine wirtschaftliche Krisenwelle ging! Dann führte dies zu Einer „Freisetzung" von Geld und Kapital, also zur Ver billigung des Kredits, zu einer starken Herabsetzung des Diskonts und der Zinsen. Und damit wurde in die Wirtschaft neuer Mut und neuer Unternehmungsgeist rum Erstarken gebracht. Jetzt aber stieg mit der Krise die Kredit- und Kapitalnot, verminderte sich das „Kredit- bolumen" in unnatürlichster Art infolge des allgemeinen und noch ständig wachsenden Mißtrauens. Man will es jetzt in allen Ländern „erweitern", um dadurch die Mittel ru neuer Arbeit zu schaffen; aber der tatsächliche, der augenblickliche Kreditbedarf der Wirtschaft ist so einge- Khnürt, daß wir heute, auch in Deutschland, schon überall von einem „flüssigen Geldmarkt" sprechen können, obwohl B. unser Notenumlauf in den letzten Monaten an Um- wng einbüßte. In Amerika und England sind jHon die Diskontsätze ermäßigt worden, der Wirtschaft nach altem bewährtem Rezept durch vtlllgeren Kredit einen neuen An- und Auftrieb zu geben. Denn nur dadurch, durch eine wirkliche und tatsächliche Belebung der Wirtschaft kann man „das Geld heraus- locken", das heute eben selbst durch hohe Zinssätze sich nur sehr wenig „reizen" läßt. Gerade weil Deutschland an der Goldbasis seiner Wahrung festhält, obwohl es damit gegenüber den Er- zeugungslandern mit schwach gewordenen Währungen gewme Nachteile hat, muß alles getan werden, um bei Parks. Die Kammer begann gestern vormittag die Be ratung des Budgets für auswärtige Angelegenheiten mit einem warmen Nachruf des Berichterstatters, Abg. PagenM, auf Ari stide Briand. In der Aussprache Wer das Budget wurde von den Abgeordneten Falcoz und Marmegaray das Problem der französisch-italienischen Beziehungen angeschnitten. Beide Red ner forderten eine französisch-italienische Aussprache zur Besei tigung der Mischen beiden Ländern vorhandenen Mißverständ nisse. Der Wgeordnete Marmegaray zählte die Punkte aus, in denen Meinungsverschiedenheiten Mischen Italien und Frank reich bestehen: adriatische Frage, libysche Grenze, Fioitenpari- tat, Statut der Italiener in Tunis, Mandatsfrage und nament lich italienische Expansion. Er vertrat die Ansicht, daß alle diese Fragen, sobald man sie einmal in Angriff nehme, auch eine Lö sung erhalten könnten. Wenn das Deutschland Hitlers oder Hindenburgs bedroh lich werden sollte, meinte der Redner, würde Italien zwei fellos wieder an Frankreichs Seite stehen. Zwölf Jahre lang habe Frankreich eine Versöhnungspolitik mit Deutsch land betrieben. Wenn man nur einen geringeren Teil der Deutschland bewilligten Opfer (!) Italien gebracht hätte, würde man heule anders daftehen. Tardieu müsse erklären, daß Frankreich die Freundschaftsbande zu Italien wiederherzustellen suche. — Dieser Appell an den Ministerpräsidenten wurde mit starkem Beifall ausgenommen. Ministerpräsident Tardieu ergriff hierauf das Wort zu einer Erklärung, in der er sagte: Ich schließe mich den Red nern, die von unseren Beziehungen zu Italien gesprochen haben, an, um zu erklären, daß nichts wichtiger wäre, als über die Ver gangenheit' diskutieren zu wollen. Ich bin mit der gesamten Kammer der Ansicht, daß ein allgemeines internationales Ab kommen zwischen Frankreich und Italien möglich ist. Seit acht Tagen werden nicht nur Mischen Frankreich und Italien, son dern auch mit anderen Mächten Verhandlungen über die Wirt schaftslage Mitteleuropas geführt. Die Herstellung des Gleich gewichts der Dinge und der Geister in Mitteleuropa ist wichtig genug, damit ein jeder seinen persönlichen Wünschen Opfer bringe. Das zu erreichende Ziel ist hoch genug, damit alle Well ihre Zustimmung gibt. Im weiteren Verlauf der Aussprache übte der kommunistische Abgeordnete Berthon lebhafte Kritik an der Verwaltung des syrischen Mandats durch Frankreich. Das Budget des Mini steriums des Auswärtigen wurde hierauf verabschiedet. * Diese in der Kammer gehaltenen Reden bestätigen nur den Eindruck, den man in der letzten Zeit von Frankreichs außen politischen Absichten erhalten hat. Die Verständigung mit Ita lien spielt dabei eine sehr große Rolle; sie ist Frankreich natür lich an sich sehr erwünscht, nicht weniger aber auch im Hin blick auf das Bestreben, noch stärkere Trümpfe gegen Deutsch land zu erhalten. Es ist kaum zu bezweifeln, daß Frankreich uns die Erzeugungskosten möglichst zu ermäßigen. Wie wichtig hierbei die Heruntersetzung der Kreditkosten ist, weiß jeder, der heute noch nicht vergessen hat, welch furchtbare Wunden vor sieben Monaten der Diskontsatz von 18 Prozent unserer Wirtschaft auch und gerade dort schlug, wo sie noch gesund war, nämlich beim Klein- und Mittelbetrieb des Unternehmers, Kaufmannes und Ge werbetreibenden. Sitzung des Michskaßmeiis. Das Reichskabinett beschäftigte sich am Dienstag mit der Frage des Zugabeverbots und des u n laute ren Wettbewerbs. Außerdem wurde die Erneue rung der Zollermächtigung erörtert. Die Beschlüsse hier über dürften voraussichtlich bald veröffentlicht werden. Ermäßigung des Michsbankdiskonis. Von 7 auf 6 Prozent. Die Rcichsbanl hat mit Wirkung vom 9. März den Diskontsatz von 7 auf 6 Prozent, und den Lombardsatz von 8 auf 7 Prozent ermäßigt. Trauerluvdgebungen für Irland. Die Abrüstungskonferenz gedenkt Briands. Im Hauptausschuß der A b r ü st u n g s k o n f e r e n z fand anläßlich des Ablebens Briands eine kurze Trauer kundgebung statt. Der Präsident der Abrüstungskonferenz, Henderson, wies darauf hin, daß Briand in hohem Maße an dem Zustandekommen der Abrüstungskonferenz mit gewirkt habe. In Briand, dem unermüdlichen Vor kämpfer für den Gedanken des Friedens und der Freundschaft der Völker, habe er einen persönlichen Freund verloren. auch vor gewissen Opfern nicht zurückschrecken würde, wenn es damit Italien wieder von der Seite Deutschlands entfernen könnte. Daß Tardieu selbst in diesem Zusammenhang auf seinen Dvnauplan hingewiesen hat, ist ebenfalls kennzeichnend für die gesamte Lage. Die Antwort, die Italien auf Tardieus Denk schrift gegeben hat, stimmt zwar grundsätzlich den französischen Vorschlägen zu, dürfte aber trotzdem keine reine Freude in Paris erwecken, weil sie nachdrücklich die Notwendigkeit einer Lösung auf breiterer Grundlage — unter Hinweis auch auf Deutschland — betont. * Aachdem„Äonaubund"der„Baltenbund" Die planmäßige Abschnürung Deutschlands. Der französische Botschafter Laroche in Warschau wurde vom polnischen Vizeaußenminister Beck empfangen, den er über den Tardieuschen Donaubund-Plan unterrichtete. Jede außenpolitische Handlung Frankreichs, die sich gegen Deutschland richtet und den Zweck verfolgt, die Nach-Versailles-Zustände zu festigen, wird von der polnischen Presse von vornherein fast ausnahmslos gut geheißen. So ist es auch mit dem neuen Vorstoß Tardieus, der zweifellos den Zweck hat, in das bestehende süd- osteuropäische Vasallensystem nun auch Österreich und Ungarn hineinzuziehen und Deutsch land dadurch noch mehr abzuschnüren. Gleichzeitig weist man in Polen auf die großen Möglichkeiten eines baltischen Bundes, oder, wie so schön gesagt wird, der „Vereinigten baltischen Staaten" hin und hofft, ein solcher nachbarlicher Bund werde sehr bald unter die Fittiche Polens geraten. Italien und der französische Donaubund-Plan. In seiner Antwort auf die französische Denkschrift über den geplanten Donaubund erklärt Italien seine grundsätzliche Zustimmung und weist auf seine stete Bereitschaft zur Mitarbeit an der wirtschaftlichen Gesundung Mitteleuropas hin. Italien sei überzeugt, daß der Kernpunkt der ganzen Frage durch die heutige Lage Österreichs und Ungarns bedingt sei. Italien schicke sich jetzt an, die Vorschläge Frankreichs genau zu prüfen. England und der deutsche Zoll-Obertarif. Handelsminister Runciman machte im Englischen Unterhaus auf Anfrage Mitteilung von der Einführung des deutschen Zoll-Obertarifs. Soviel er wisse, sei ein solcher Tarif von der deutschen Regierung bis jetzt noch nicht eingeführt worden. Sollte er zur An wendung kommen, so würden vom britischen Weltreich lediglich Kanada und Australien betroffen werden. Ent sprechende Vorstellungen Englands bei der deutschen Re gierung kämen bisher nicht in Frage. Henderson teilte dann mit, daß am Sonnabend, dem Tage der Beisetzungsfeierlichkeiten in Paris, keine Sitzung der Abrüstungskonferenz abgehalten würde. Die Sitzung wurde sodann zum Zeichen der Trauer auf eine Viertelstunde unterbrochen. Beileid des Diplomatischen Korps. Der deutsche Botschaftsrat in Paris Dr. Forster hat am Quai d'Orsay im Namen des Reichskanzle rs, des Staatssekretärs von Bülow und des abwesenden Bot schafters von Hoesch sein Beileid zum Tode Briands aus gesprochen. Ebenso erschienen auch die anderen Botschafter und Gesandten, um im Namen ihrer Regierungen zu kondolieren. Die Beisetzungsfeierlichkeiten. Die sterblichen ftberreste Briands werden am Don nerstag nach dem Quai d'Orsay übergeführt und im Außenministerium aufgebahrt werden. Am Sonn abend hält dann Ministerpräsident Tardieu als Höhepunkt der Trauerzeremonie die Gedächtnisrede, worauf die provisorische Beisetzung auf dem Friedhof von Paris erfolgt. Auf Wunsch der Familie bzw. des Ver storbenen fällt der sonst übliche Trauergottesdienst in der Notre-Dame-Kathedrale aus. Briand-Trauer in Kammer und Senat. In der Kammer und im Senat hielten die Präsidenten beider Häuser Trauerreden für Briand. Kammerpräsi dent Buisson erklärte u. a.: Briand habe während der Nachkriegsjahre nicht nur Frankreich, sondern der ganzen Welt gehört. Sein Name habe über den nationalen Gegensätzen gestanden und sei für alle ein Zeichen der Hoffnung gewesen. Er erinnerte an Briands Worte, dis er in einer der letzten Kammersitzungen ausgesprochen hatte, als man ihm bitterste Vorwürfe wegen seiner Politik machte: „Muß man denn stebren, um zu beweisen, daß man ehrlich ist?"