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MsdmfferTageblait Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Krieg oder wnl.igc, Be- d^tedl Kei» W"pru» °ul °k>,. -uunx oder Kürzung de» Bezugspre>,cs. - NLck,endu»ü ü ru> s I g eingejandter SchrlfgiLckr ersolgi nur, wenn Porio beiiiktzt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8geN o!Une Rorwfeilk 2c 2 sjg., die 4ge1pottene ^ei!e der emHiüen Bekanntmachungen 40 Reichs-- Pfennige, die 3geipaUene Sieklamczeilc im terliichrn Teile 1 2 Mk. S.achmeifungsgcLühr 20 Sieichspiennige. Dor» gefchricdenelLrja einunge. er-« läge und ^.latzvorfchriflen werden nach SNöglichkeii Sk N sp l* L M S k: ANN ÄvllSorUil Vir. v berücksichtigt. Anzeigen- annahme bisvorm.lOUbr. ' Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wn keine 1> orantie. ^eter ^abaitontprnct eriijü t, wenn der Betrag durch Klage eingezoxen werden muß oder der Aufnagxrlcr in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und oes Stadtrats zu Wilsdruff, des Forsirentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 1 — 9t. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt' Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 2. Januar 1932 Am Webstuhl der Zeit. Wunschträume. — Rohrkrepierer. — Die letzten Kraftreserven. Eifrig wob die Zeit an den Fäden weiter, die uns vom alten ins neue Jahr hinübcrführten, die die Gegen wart fest mit der Vergangenheit verknüpfen. Kaum, daß ein kurzes Stocken eintrat, ein verständliches Zaudern ^und Zögern, als diese Fäden uns über die Schwelle der Jahreswende hinwegleiteten und wir unsicheren Blickes oder mit doch herzlich unsicheren Mitteln — das Dunkel der Zukunft zu durchschauen suchten. Denn selbst das eifrigste Bleigießen verschafft doch nur recht schwankende Kenntnisse und ob die Schuppe oom Silvesterkarpfen in unserem Portemonnaie ihre Wirkung tun wird, be gegnet heule auch schon äußerem Zweifel und innerem Bedenken. Rach wie vor reckt sich ja aus dem Dunkel der Zukunft das Gespenst der Reparationsfrage hoch. Gewiß hat es nicht mehr selbst die steinharten, unerbitt lichen Züge wie vor einem Jahre. Denn stärker als der Buchstabe des Young-Plans wirkte die noch unerbitt lichere Wirtschaftskrise, jener Hintergrund, vor dem sich auch das ganze politische Geschehen des vergangenen Jahres abspielte. Sie brachte mit ihren kalten, tötenden Äugen sogar jene schreienden Buchstaben des Uoung- Plans zum Schweigen. In der Geschichte der Tribut leistungen bedeutet^darum das Jahr 1931 doch eine Wende, einen gewaltigen Fortschritt; denn die überraschend durch gesetzte Schaltung des Hoovcr-Feierjahres war nicht nur eine Unterbrechung des laufenden Young-Plan-Vertrages, sondern wurde zum Ausgangspunkt wachsenden stärksten Zweifels an der Zweckmäßigkeit dieses Vertrages selbst und an seiner „Endgültigkeit", die er für sich und die man für ihn in Anspruch nimmt. Darüber hinaus: das Feierjahr oder vielmehr seine Notwendigkeit löste schließ lich bei einzelnen unserer Gläubiger mehr oder weniger offiziell, mehr oder weniger deutlich die Forderung einer Revision des ganzen Vertrages aus. * Auch die politischen Fäden brachte die Wirt- schaftskriie durcheinander, auch hier ist vieles anders ge worden in Jahresfrist. Anders — aber kaum besser. Wir Dentlche haben es im vergangenen Jahr erleben müssen, ill dMer heul schon halbvergessenen Zeit, die aber noch nicht einmal acht Monate zurückliegi, — als gegen über Deutschland und Österreich in Genf die fest ge schlossene Fron, der Gegner des ersten deutschen Ver suches ausmarschiert war. in der Zollunion einen Schritt zu tun, der das Dikmi von Versailles zu „verletzen" schien. Drüben standen sie alw, die „Sieger" von 1918, standen England, Belgien, Frankreich, Italien nebeneinander. Und siegten, — diesmal aber wirklich. Nicht durch stählerne, sondern durch goldene Kugeln. Aber es dauerte nicht Mehr allzu lange, bis es „Rohrkrepierer" gab! Bis die Wirtschaftskrise diese Front arg durcheinander brachte, aber allein Frankreich als den Sieger aus dem Getümmel bervorgehen ließ. Besonders bezeichnend für diese Stellung Frankreichs ist es ja, daß schon einige Tage nach her Baseler Konferenz der englische Minister präsident sich Laval wandte, um sich baldigst mit ihm über die Tributfrage ins Benehmen zu setzen. An diesem Fadm- msu-f»- Ufug weitergesponnen werden; aber sein Anfang lag und liegt fest in französischen Händen. Sicht es also in der rauhen Wirklichkeit heute viel anders aus als früher, wenn der englische Außenminister nach Genf fuhr und dabei immer erst in Paris aus dem Zuge stieg? „Der Starke ist am mächtigsten allein", sagt Schiller, aber dieses „Tell"-Wort ist nur teilweise richtig, nämlich inso fern, als dieser Starke selten lange allein bleibt, besonders wenn er — der unbedingt Stärkste ist. * Fern von gefährlichen Wunschträumen sieht der nüch terne Blick stets auch die Haltbarkeit und Stärke der Fäden des Geschehens, die von dem Geist der Zeit ge sponnen werden. Dann kann es kein unliebsames Er wachen geben; man wird sich also jetzt nach Eintritt in das neue Jahr stets dessen erinnern müssen, daß der Reichskanzler Brüning vor kurzem von der nun kommen den Zeit erklärte, sie würde noch viel schwerer werden als die nun hinter uns liegenden Tage. Der Eintritt in das neue Jahr bedeutete auch das Anheben dieser noch schwereren Zeiten. Denn der i. Januar war ja der Stich tag für zahlreiche, ungeheuer ties in alle Verhältnisse Deutschlands eingreifende, gewaltige Opfer von jedem fordernde Maßnahmen der Notverordnung. Mit diesem Tage steigt die wirtschaftliche, die soziale Not von neuem an, — davor wird uns nichts und niemand schützen können. Im Bericht des Baseler Ausschusses hat uns die Welt das Zeugnis ausgestellt, daß wir nun die letzten „Kraftreserven" eingesetzt haben, — wir nennen dies ge nauer und richtiger: die letzten Reserven der Verzweif lung, die sich und uns vorwärtspeitscht hinaus in das Dunkel der Zukunft. Daß man aus diesem übermensch lichen Wollen des deutschen Volkes, das nackte Dasein zu erhalten, vorerst nicht auch noch durch die wiedereinsctzen- den Tribute für sich Erträgnisse herauspresien kann, scheint die Welt, scheint selbst Frankreich einzusehen. Freilich ist es auch ein ntopischer Wunschtraum, mit Ver- ZweiflungsdrohUNgen auf die Welt wirken zu wollen. In M MM des ReiWWeM Am Silvesterabend sprach Reichspräsident von Hindenburg über sämtliche deutschen Rundfunk sender zum deutsche Volke. Der Reichspräsident sprach un mittelbar aus seinem Arbeitszimmer im Präsidcntenpalais in der Wilhclmstraßc. Hier war eigens zu diesem Zwecke eine Mikrophonanlagc gebaut worden. Der Charakter eines besonders feierlichen Staatsaktes war auch dadurch gewahrt worden, daß Ankündigung und Einleitung der Ansprache durch den Intendanten des Deutschlandsenders selbst erfolgte und nicht aus dem Scndcraum des Funk hauses, sondern aus dem Präsidcntenpalais. Die Nund- Die ö sterreichischen Sender waren an die deut schen Sendergruppen angeschlossen. Für die nord amerikanischen Sender, die ebenfalls angeschlossen waren, wurde nach Beendigung der Rede diese noch ein mal in englischer Sprache wiederholt. In England wurde die Ansprache des Reichspräsidenten auf Schall platten ausgenommen und dort etwas später über alle englischen Sender verbreitet. Sie RüMMttde Mesbugr. Die Rundfunkrede des Reichspräsidenten am Silvester abend lautet: Deutsche Männer und Deutsche Frauen! Aus meinem Amt als Reichspräsident und aus der Tatsache, daß ich als hochbetagter Mann einen verhältnis- mäßig großen Abschnitt deutscher Geschichte miterlebt habe, folgere ich die Berechtigung, heute, als dem Abschluß eines schicksalsschweren Jahres, wenige, aber treugcmeintc Worte an Sie zu richten, um Ihnen zu helfen, die Not der Zeit zu tragen. Ich bin mir voll bewußt, welche gewaltigen Opfer von jedem von uns verlangt werden, damit wir es versuchen können, durch eigene Kraft die gegenwärtige Notzeit zu überwinden. Dem deutschen Volke gebührt aufrichtigster Dank und hohe Anerkennung für die bisher bewiesene Opserbereitschast und sür die Geduld, mit dc?"es in Er kenntnis der harten Notwendigkeit alle Leiden und alle Lasten getragen hat. Dassei Heer zuer st gesagt den Stillhalteverhandlungen, die vielleicht oder vielmehr hoffentlich bald zu einem vernünftigen Abschluß kommen werden, hat nur wirtschaftlich-finanzielle Einsicht, hat nur die wirtschaftliche Wirklichkeit und Möglichkeit das Wort ergreifen dürfen. Aber nicht zu Unrecht tragen die deut schen Tributverpflichtungen die Bezeichnung: „poli tisch e" Schulden. Bei ihnen sprach und spricht nicht Ver nunft, sondern politischer Ungeist. Und wenn nun in den nächsten, den entscheidenden Januarwochen die Zeit die Fäden des Geschehens weiterspinnt, dann werden wir er fahren, ob auf ihr Tun das Goethe-Wort von dem Geist zutrifft: „So sitz' ich am sausenden Webstuhl der Zeit Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid." Dr. Pr. Aber die Größe dieser Opfer, die wir bringen, be rechtigt uns dem Äuslandc gegenüber gleichzeitig zu der Forderung, sich unserer Gesundung nicht durch Zu mutung unmöglicher Leistungen cntgegcnzustellcn. Auch in der Abrüstungsfrage darf Deutschland sein gutes Recht nicht vorenthaltcn werden. Unser Anspruch auf gleiche Sicherheit ist so klar, daß er nicht bestritten werden kann. Unwillkürlich denke ich znrück an Tannenberg. Unsere Lage war damals gleichfalls schwierig. Sehr gewagte Entschlüsse mußten gefaßt und hohe Anforderungen an die Truppe gestellt werden, um des Erfolges nach Mög lichkeit gewiß zu sein. Da mag mancher innerlich Bedenken gehegt haben, aber das Band gegenseitigen Vertrauens, treuer Kameradschaft, inniger Vaterlandsliebe und der Glaube an uns selbst hielten uns fest zusammen, so daß die Entscheidung nach mehrtägigem heiße» Ringen zu unseren Gunsten ausfiel. Auch heute rufe ich, abermals in ernster Zeit, und zwar ganz Deutschland auf zu gleicher treuer schicksal- vcrbundcner Einigkeit. Lassen Sic uns Hand in Hand unverzagt der Zukunft mit ihren sorgenschweren Ent scheidungen entgegensetzen. Möge keiner dem Kleinmut unterliegen, sondern jeder nnerschütterlichcn Glauben an des Vaterlandes Zukunft behalten. Got hat Deutsch land schon oft aus tiefer Not errettet; er wird uns auch jetzt nicht verlassen! Und nun wünsche ich dem deutschen Volke in seiner Gesamtheit und jedem einzelnen Deutschen aus vollem, treuem Herzen ein gesegnetes neues Jahr! Noch der Rcdc de? Rcich^p-ösi^cu^cn b-c Musik das Deutschlandlied. * Unerhörte kommunistische Störungen während der Rundfunkrede. Die Ansprache, die Reichspräsident von Hindenburg am Silvesterabend im Rundfunk hielt, und die auf sämt liche nordamerikanischen und dänischen Sender übertragen wurde, ist von einem fremden Sender gestört worden. Als der Reichspräsident am Schluß seiner Rede aus führte: „Auch heute rufe ich...", begannen die Störungs versuche. Der kommunistische Propagandasender, der gegen Diktatur und Notverordnung aufrief, konnte von der Welle wieder verdrängt werden, so daß die Worte des Reichspräsidenten wieder deutlich zu hören waren. Die sich anschließende Übertragung ins Englische ging ohne weitere Störungen vor sich. In Amerika wurde die Neu jahrsansprache des Reichspräsidenten von Hindenburg in voller Klarheit gehört. Die Rede hinterließ bei den vielen Millionen Zuhörern im ganzen Laude einen tiefen Eindruck. Der deutsche Generalkonsul in Newyork, Kiep, vermittelte den Amerikanern die englische Übersetzung. Das Bubenstück, die Neujahrsansprache des Reichs präsidenten durch kommunistische Propaganda zu unter brechen, findet in der englischen Presse erhebliche Beachtung und Worte schärfsten Tadels. Die englischen Öffentlichkeit ist die Rede des Reichspräsidenten eine halbe Stunde später noch einmal vom Rundfunk mitgeteilt worden, wobei keinerlei Störungen vorkamen. * Die Störung der Hindenburg-Rede Berlin, 2. Januar. Zu den bisherigen Ermittelungen über die kommunistische Nundfunlstörung wird von Berliner Blättern ergänzend berichtet, daß die Etroungsstelle in einem sogenannten Kabelbrunnen liegt. Die Täter heben es fertig ge bracht, unter den vielen einzelnen Kabeladern, die in einem großen Bündel zusammenlaufen, gerade die Ader herauszu suchen, über die der Reichspräsident sprach. Es gehört dazu eine genau» Sachkenntnis und unter Umständen auch eine län gere Vorbereitung der Tat. Hat man erst einmal die richtige Ader gefunden, so ist das Zwischensprechen mit ganz geringen technischen Mitteln ohne weiteres möglich. Auf jeden Fall geht daraus hervor, daß hier Leute am Werk gewesen sind, die nicht nur mit Telefonie und Funkerei, sondern vor allem auch mit den örtlichen Verhältnissen, wie der Lage des Kabels unter der Erde, genau Bescheid wißen. Man kann annehmen, daß es Leute gewesen sind, die seinerzeit bei der Anlegung oder bei der Reparatur des Kabels beschäftigt waren. Damit sind die Nach forschungen auf einen ganz bestimmten Pbrsonenkreis be schränkt, und die Arbeit der politischen Polizei scheint in dieser Richtung schon sehr weit fortgeschritten zu fein. Die emMffM Mm des Reiches Paris, 1. Januar. Zu der Rundfunk-Rede des Reichs präsidenten betont Paris Soir, daß der außergewöhnlich ent schlossene Ton dieser Ausführungen um so bemerkenswerter fei, als man am Vorabend von zwei wichtigen Konferenzen stehe. Noch niemals habe Deutschland mit solcher Sicherheit erklärt, daß es sich endgültig von den Verpflichtungen befreien wolle, die man ihm seit 1919 auferlegt habe. Die entschlossene Hal tung des Reiches und die Ermutigungen, die es vom Auslande